Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gaben am Montag eine deutliche Warnung heraus, dass die Delta-Variante des Coronavirus eine große Gefahr für die Weltbevölkerung darstellt. Die Raten von schweren Erkrankungen und Todesfällen könnten deutlich ansteigen, wenn nicht mehr geimpft wird, insbesondere in den ärmeren Ländern.
Auf einer Pressekonferenz sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, dass Afrika, Amerika und Asien „mit steil verlaufenden Epidemien konfrontiert sind. Diese Infektionen und Todesfälle sind weitgehend vermeidbar ... Der ungleiche Zugang zu Impfstoffen hat gezeigt, dass sich einkommensschwache Länder in einer Krise nicht darauf verlassen können, dass die Impfstoff produzierenden Länder ihren Bedarf decken.“
Ghebreyesus erinnerte daran, dann von HIV betroffene Länder keine Medikamente gegen Retroviren erhalten und dass Insulinlieferungen für Länder, die von Diabetes betroffen sind, immer teurer werden, obwohl das Medikament schon seit hundert Jahren bekannt ist. Er kritisierte die Pharmaindustrie und plädierte dafür, technisches Wissen zu teilen und auf geistige Eigentumsrechte zu verzichten: „Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass es einschränkend und gefährlich ist, sich bei der Versorgung der Weltbevölkerung auf einige wenige Unternehmen zu verlassen.“
Dr. Maria Van Kerkove, die technische Leiterin der WHO für Covid-19, erklärte, dass sich die Delta-Variante deshalb so schnell auf der ganzen Welt ausbreitet, weil „sie die Möglichkeit hat, sich zu verbreiten, da wir eine verstärkte soziale Durchmischung haben und die öffentlichen Gesundheits- und Sozialmaßnahmen gelockert oder nicht angemessen angewendet werden ... Und da wir keinen vollständigen Impfschutz haben, wird sie sich ausbreiten.“
Die Delta-Variante sei in 92 Ländern nachgewiesen worden, so Kerkove. Bisher seien die Impfungen mit zwei Dosen „immer noch wirksam gegen schwere Erkrankungen und Tod, aber wir müssen zwei Dosen verabreichen.“
„Die Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sind wirksam, aber sie müssen länger aufrechterhalten werden“, erklärte die WHO-Vertreterin weiter: „Einige Länder haben Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Impfstoffe. Einige haben Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ohne Impfstoffe. Das ist nicht fair im Kampf gegen diese Variante.“
Auch Dr. Mike Ryan, Exekutivdirektor des WHO Health Emergencies Program, betonte die Gefahren der neuen Variante für die Menschen in den ärmeren Ländern, denen der Zugang zu Impfstoffen durch die Politik der wichtigsten Impfstoff produzierenden Länder weitgehend verwehrt wird.
„Diese spezielle Delta-Variante ist schneller, sie ist fitter, sie wird die Schwächeren effizienter herauspicken als frühere Varianten“, sagte er, „und wenn es noch vulnerable Menschen ohne Impfung gibt, sind sie jetzt noch stärker gefährdet.“
„Alle Viren sind auf ihre Weise tödlich“, fuhr Ryan fort. „Dieses Virus hat das Potenzial, tödlicher zu sein, weil es sich effizienter von Mensch zu Mensch überträgt, und es wird die am meisten gefährdeten Personen treffen. Sie werden schwer erkranken, ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen und möglicherweise sterben.“
Er zog die Schlussfolgerung: „Wir können diese Menschen jetzt mit einem relativ geringen Transfer von Impfstoffen aus dem weltweiten Angebot schützen. Wir können diese gefährdeten Menschen, diese Arbeiter an vorderster Front, schützen. Und die Tatsache, dass das nicht geschieht, ist, wie der Generaldirektor immer wieder gesagt hat, ein katastrophales moralisches Versagen auf globaler Ebene.“
Ohne Namen zu nennen, sprachen alle drei Vertreter der Weltgesundheitsorganisation den Impfstoff-Nationalismus an, das Horten von Impfstoffen und die Weigerung, auf geistige Eigentumsrechte zu verzichten. Diese Politik wird von den großen imperialistischen Mächten, insbesondere den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Deutschland betrieben.
Die Biden-Administration in den Vereinigten Staaten hat es rundweg abgelehnt, Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson dazu aufzurufen, ihre Technologie an Indien, Südafrika und andere Entwicklungsländer weiterzugeben – Länder, die über Produktionskapazitäten für solche Arzneimittel verfügen. Ebenso weigerte sich die US-Regierung, zur Bereitstellung der lebensrettenden Impfstoffe zu erschwinglichen Preisen aufzurufen.
Großbritannien und die Europäische Union verfolgen im Interesse ihrer Pharmaindustrie eine ähnliche Politik.
Alle imperialistischen Mächte benutzen die Impfstoffe als Waffe im globalen Kampf um Einfluss, Macht und strategische Vorteile gegen China und Russland, aber auch gegeneinander.
Was die Warnungen der WHO-Ärzte und -Wissenschaftler anbelangt, dass das Delta-Virus die Schwachen „herauspicken“ wird, so gibt es in den herrschenden Klassen der imperialistischen Mächte nicht wenige, denen das nicht unrecht ist. In ihren Augen ist der Lebensunterhalt für alte und gebrechliche Menschen auch in ihren eigenen Ländern reine Verschwendung von Mitteln, die verwendet werden könnten, um Profite zu erwirtschaften und privaten Reichtum anzuhäufen. Noch weniger kümmern sie sich um das Leben der Hunderten von Millionen, die in den armen Ländern von Krankheit und Tod bedroht sind.
Dr. Ryan stellte ganz richtig fest, dass die „konvergente Evolution“ eine wachsende Bedrohung für die Menschheit als Ganzes darstellt. Die Mutation des Coronavirus wird durch die Existenz eines großen Pools von ungeimpften Menschen erleichtert und angeheizt. Noch habe keine Variante die tödlichste Kombination aus Übertragbarkeit und Letalität gefunden, sagte er, aber die Delta-Variante sei ein großer Schritt in diese Richtung. Es werde viele weitere potenzielle neue Varianten geben, wenn die Pandemie nicht gestoppt werde.
Auch in den imperialistischen Ländern sind Hunderte Millionen Menschen in Gefahr, wenngleich sich die Regierungen und ihre Medien bemühen, Selbstgefälligkeit zu verbreiten und die Pandemie für beendet zu erklären. In Großbritannien ist die Delta-Variante zum dominierenden Stamm geworden. In den USA macht sie mittlerweile 19 Prozent aller Infektionen aus, vor zwei Wochen waren es noch sieben Prozent.
In acht US-Bundesstaaten ist die Zahl der Infizierten in der vergangenen Woche aufgrund der Delta-Variante stark angestiegen. Allesamt sind es Staaten mit niedrigen Impfquoten, deren Regierungen fast sämtliche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz eingestellt haben.
Die Biden-Administration gab am Montag eine Liste für die internationale Verteilung von erbärmlichen 80 Millionen Dosen Impfstoffen aus den Beständen der USA heraus. In Anbetracht der Tatsache, dass es fast 6 Milliarden ungeimpfte Menschen auf der Welt gibt, kann dies kaum als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden. Vieles davon ist für die herrschende Elite und das Militär in den Klientelstaaten der USA bestimmt, z, B. die 2,5 Millionen Dosen für Taiwan, dessen Regierung zum Nachteil der eigenen Bevölkerung das Angebot Chinas abgelehnt hat, den dort hergestellten Impfstoff Sinovax zu beziehen.
Die G7-Mächte haben auf ihrem jüngsten Gipfeltreffen Hilfen in Höhe von 2 Milliarden Dosen in Aussicht gestellt. Dies läuft angesichts der Tatsache, dass für eine wirksame Impfung mit den meisten Impfstoffen zwei Dosen erforderlich sind, darauf hinaus, dass nur 1 Milliarde der 6 Milliarden ungeimpften Menschen auf der Welt ein wenig Hilfe von den wohlhabenden imperialistischen Ländern erwarten können. Die restlichen 5 Milliarden haben keine Waffe gegen das tödliche Virus außer Masken und begrenzter sozialer Distanzierung, und manchmal nicht einmal das.