Vom US-Militär und der CIA gefangengehalten und gefoltert - Ein Interview mit Mohamedou Ould Slahi

Der Mauretanier wurde als Eröffnungsfilm des Summer Special der diesjährigen Berlinale gezeigt. Gegenwärtig läuft er auch in den Kinos. Diesen wichtigen Film sollte jeder sehen, um den Charakter unserer Zeit und die Kriminalität der amerikanischen herrschenden Klasse tiefer zu verstehen.

Mohammedou Ould Slahi (Foto: Internationales Komitee vom Roten Kreuz)

Er erzählt die Geschichte von Mohamedou Ould Slahi aus Mauretanien, der vom US-Militär, der CIA und weiteren Geheimdiensten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 illegal gefangen genommen und furchtbar gefoltert wurde. Slahi, der jetzt in Mauretanien lebt, hat der WSWS nach dem Erscheinen seines Guantanamo-Tagebuchs, der Vorlage zum Film, ein Interview per Mail gegeben.

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David Walsh: Ich habe ihr Guantanamo-Tagebuch gelesen. Sie haben jahrelang Schreckliches durchgemacht, als Sie sich in den Händen amerikanischer Behörden befanden. Könnten Sie für unsere Leser zusammenfassen, was sie nach dem 29. September 2001 erlebt haben?

Mohamedou Ould Slahi: Im Jahr 2000 beschuldigte man mich fälschlich, Vordenker des sogenannten Millenium-Komplotts zu sein, eines geplanten Anschlags auf den Flughafen von Los Angeles im Jahr 2000. Diese Anschuldigung kostete mich meine Freiheit. Ich wurde in Mauretanien festgehalten und mein Reisepass wurde eingezogen. Nach den Anschlägen vom 11. September wurde ich am 29. September 2001 zu einer [mauretanischen] Polizeiwache bestellt und etwa zehn Tage lang verhört, darunter auch von Amerikanern.

Am 20. November desselben Jahres nahm man mich im Haus meiner Mutter fest und brachte mich für acht Tage ins Gefängnis. Am 28. November wurde ich von einem speziellen, zumindest teilweise jordanischem Team nach Jordanien gebracht. Dort verhörte man mich acht Monate lang und übergab mich dann einem weiteren Team, das mich [zum Luftwaffenstützpunkt] Bagram in Afghanistan brachte (um den 20. Juli 2002).

Am 4. August 2002 wurde ich nach Guantánamo Bay gebracht, wo man mich folterte und zwang, ein falsches Geständnis zu unterzeichnen sowie viele weitere falsche Geständnisse zu machen. Ich wurde niemals verurteilt oder gar eines Verbrechens angeklagt. Aus den Akten geht hervor, dass zumindest die US-Regierung schon im Jahr 2005 wusste, dass ich unschuldig war, doch man hat mich erst am 16. Oktober 2016 entlassen!

Camp Delta, Guantanamo Bay (Foto: Kathleen T. Rhem/U.S. Department of Defense)

DW: Könnten Sie im Einzelnen beschreiben, was man Ihnen im Sommer 2003 zufügte?

MOS: Man sperrte mich in den India-Block [in Guantánamo], wo ich mich in vollkommener Isolation befand. Unter anderem war ich dort folgenden Techniken ausgesetzt:

- Schlafentzug in den ersten siebzig Tagen

- Non-Stop-Verhör

- Sexuelle Übergriffe bei drei verschiedenen Gelegenheiten

- Wasserernährung nach den siebzig Tagen, die mich wachhalten sollten

- Verhinderung von Beten oder Fasten

- Schläge (einmal wurden meine Rippen dabei gebrochen)

- Man zwang mich, Salzwasser zu trinken und zu schlucken ...

DW: Wann schrieben Sie Ihr Buch, und unter welchen Bedingungen? Wie wurde es aufbewahrt und schließlich veröffentlicht, während Sie noch in Gefangenschaft waren?

MOS: Mitte des Jahres 2005 erfuhr ich, dass ich Besuch von Rechtsanwälten erhalten würde. Ich bat die Wachen um Papier und fing an, meine Geschichte aufzuschreiben, weil ich in meinen Rechtsanwälten eine Chance erblickte. Ich übergab schließlich meiner Anwältin eine über hundert Seiten lange, eilig geschriebene Zusammenfassung. Sie ermutigte mich, mehr zu schreiben, was ich auch tat, und im September 2005 brachte ich die Geschichte zu Ende. Die Regierung erklärte alles zu einer Geheimsache und es dauerte über sieben Jahre, bis meine Anwälte eine stark redigierte Version veröffentlichen konnten.

DW: Wie haben Sie sich in den Jahren 2002 bis 2004 gesund gehalten? War das kurzfristig überhaupt möglich? Sie schreiben, Sie hätten Visionen und Halluzinationen gehabt? Wie lange hat das angehalten?

MOS: In der Tat, ich hörte Stimmen und hatte Angst vor der Nacht. Während der schweren Zeit wurde ich immer wieder ohnmächtig. Ich hörte kristallklar, wie meine Familie sprach und Musik hörte. Ich hörte in meinem Herzen nicht auf zu beten, und sobald sie mir das Lesen erlaubten, ging es mir wieder etwas besser.

DW: Wie kamen Sie wieder frei? Wer half Ihnen dabei?

MOS: Meine Rechtsanwälte, die Presse, meine Familie, Menschenrechtsorganisationen und die Zivilgesellschaft.

DW: Sie beschreiben die grausame Barbarei des US-Militärs, der CIA und anderen, außerdem unglaubliche Verwirrung, Rückständigkeit und Dummheit. Ist das ein genaues Bild?

MOS: Leider ist Einiges genau so, wie Sie es sagen.

DW: Gab es amerikanische Soldaten, Wachen oder Beamte, die sich anständig benahmen?

MOS: Ja, ein Arzt weigerte sich, mich gefesselt mit schweren Ketten zu behandeln, als er sah, dass ich Schmerzen hatte. Einige Wachen brachten mir entgegen der Anweisung ihrer Vorgesetzten Bücher und Essen.

DW: Wie ist der Film Der Mauretanier entstanden? Hat jemand nach der Lektüre des Buches mit Ihnen Kontakt aufgenommen? Wie wurde das Drehbuch entwickelt?

MOS: Mehrere Produzenten kontaktierten meine Anwälte. Beatriz und Lloyd Levin erhielten den Vertrag. Solange ich kein freier Mensch war, haben meine Anwälte alles für mich übernommen. Das Drehbuch durchlief verschiedene Etappen, und ich bot immer meine Meinung an, wenn ich darum gebeten wurde.

Jodie Foster und Benedict Cumberbatch in Der Mauretanier

DW: Benedict Cumberbatch und Jodie Foster haben zu bestimmten Themen prinzipielle Positionen bezogen. Haben sie den Film gemacht, weil sie sich für demokratische Rechte einsetzen? Hatten Sie die Möglichkeit, den beiden ihre Situation ausführlich zu erklären?

MOS: Ich glaube, Benedict und Jodie sind bei ihren Rollen sehr wählerisch, und ich bin überzeugt, dass es meine Geschichte war, die sie bewogen hat, ihre Teilnahme zuzusagen. Mit Jodie habe ich mich getroffen und geredet. Benedict konnte ich leider nur am Telefon sprechen. Er hatte mich nach Großbritannien eingeladen, um sich zu treffen und den Film zu promoten, aber mein Antrag auf ein Visum wurde abgelehnt.

DW: Haben Sie die Dreharbeiten verfolgt oder an ihnen teilgenommen? War es schmerzvoll oder befreiend, oder beides, diese Erfahrungen noch einmal zu durchleben?

MOS: Ich konnte nicht so viel davon verkraften, weil es mich an die dunklen Tage erinnerte. Ich war zwar dabei, um zu helfen, doch ehrlich gesagt, war es schwer für mich.

DW: Ist der Film eine präzise Darstellung Ihrer Erfahrungen?

MOS: Ja. Ich würde sagen, dass Guantánamo im Film Der Mauretanier korrekt dargestellt wird.

DW: Wie Sie wissen, haben Abermillionen Menschen die Politik von Bush abgelehnt, einschließlich der Invasion des Irak. In unserer Sicht war der „Krieg gegen den Terror“ ein Vorwand für Angriffe auf demokratische Rechte im Inneren und für die Verfolgung geopolitischer Interessen der amerikanischen herrschenden Elite im Nahen Osten und Zentralasien. Wie sehen Sie das heute?

MOS: Terrorismus ist ein Schwindel und sollte nicht wie ein Verbrechen behandelt werden, weil er zur Unterdrückung von politischem Widerspruch und zur kollektiven Bestrafung unschuldiger Menschen benutzt wird. Es gibt schließlich Gesetze, die Mord und Zerstörung von Eigentum usw. bestrafen.

In einer Demokratie ist kein Raum für die pauschale Anschuldigung des Terrorismus. Danke für Ihren Mut!

DW: Was würden Sie der amerikanischen Bevölkerung sagen?

MOS: Amerika verdient Besseres als das! Guantánamo muss ein für allemal geschlossen werden, und die unschuldigen Menschen, die dort gelitten haben, müssen eine Entschädigung erhalten.

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