Ecuador entzieht Julian Assange die Staatsbürgerschaft

Julian Assange wird aus der ecuadorianischen Botschaft in London gezerrt

Ecuador hat Julian Assange die Staatsbürgerschaft entzogen. Dieser Schritt ist ein weiterer empörender Angriff auf die demokratischen Rechte des WikiLeaks-Gründers. Er dient der Vorbereitung seiner Auslieferung an die Vereinigten Staaten aufgrund einer Anklage nach dem Espionage Act. Assange ist derzeit im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert, wo ein Verfahren vor dem High Court anhängig ist.

Die Entscheidung, ihm die Staatsbürgerschaft zu entziehen, hat ein Verwaltungsgericht in Pichincha letzte Woche bestätigt. Ein Richter unterstützte die Behauptung des ecuadorianischen Außenministeriums, dass Assanges Einbürgerungsschreiben Ungereimtheiten enthalten habe. Kritisiert wurden verschiedene Unterschriften und möglicherweise geänderte Dokumente, auch seien bestimmte Gebühren nicht bezahlt worden.

Carlos Poveda, Assanges Anwalt, will gegen die „rein politisch motivierte“ Entscheidung Berufung einlegen. Seiner Meinung nach beruht sie auf unbegründeten Behauptungen. Er sagte: „Es geht nicht nur um die Bedeutung der Staatsangehörigkeit, sondern auch um die Beachtung von Legalität und eines fairen Verfahrens.“

Assange war nicht in der Lage, an dem Verfahren persönlich teilzunehmen, und die zur Vorbereitung erforderlichen Dokumente wurden ihm auch nicht zur Verfügung gestellt. Poveda erklärte: „Von der ersten Anhörung an ist Julian, wie wir gesagt haben, nicht rechtmäßig vorgeladen worden. Auch müssen die Dokumente übersetzt werden, denn seine Sprache ist Englisch, und dies wurde in vielen Dokumenten nicht beachtet.“

Als Poveda darum bat, seinen Mandanten bei der Anhörung über einen Videolink dazu zu schalten, schickten die ecuadorianischen Behörden eine digitale Adresse, die jedoch für Assange wertlos war, da ihm jeder Zugang zu einem Computer und zum Internet verwehrt war.

Ecuador hat Assange im August 2012 Asyl gewährt und im Dezember 2017 die Staatsbürgerschaft verliehen. 2012 hatte Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht gesucht, um sich vor einer drohenden Auslieferung an die Vereinigten Staaten zu schützen. Die Regierung von Rafael Correa ersuchte die britische Regierung damals darum, Assange die sichere Ausreise nach Ecuador zu gewähren, was jedoch abgelehnt wurde. London drohte sogar, den diplomatischen Status der ecuadorianischen Botschaft aufzuheben und das Gebäude zu stürmen. Seither wird Assange unter Bedingungen festgehalten, die von den Vereinten Nationen als willkürliche Inhaftierung verurteilt werden.

Die USA setzten die ecuadorianische Regierung damals erheblich unter Druck. Mit der Präsidentschaftswahl 2017 kam Lenín Moreno an die Macht, was einen deutlichen Rechtsruck bedeutete. Von da an wurde Assanges Position in der Botschaft immer prekärer.

Lenín Moreno mit US-Außenminister Mike Pompeo, 20. Juli 2019 (State Department photo by Ron Przysucha/Public Domain)

Am 27. März 2018 besuchte eine Delegation des US-Südkommandos Ecuador und erklärte, dass der Zweck der Gespräche darin bestehe, die „Sicherheitszusammenarbeit“ zu stärken. In dem „Ideenaustausch“ bekräftigten die USA ihr „Engagement für die langjährige Partnerschaft“ mit Ecuador.

Nur einen Tag später verhängten die ecuadorianischen Behörden eine Kommunikationssperre über Assange. Fortan wurde ihm jeglicher Internet- und Telefonkontakt mit der Außenwelt verweigert, und seine Freunde und Unterstützer wurden daran gehindert, ihn zu besuchen.

Seine Kommunikation wurde im Oktober 2018 unter strengen, undemokratischen Bedingungen teilweise wiederhergestellt. Assange musste sich verpflichten, sich aller Aktivitäten zu enthalten, die „als politisch und als Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten betrachtet werden könnten, oder die den guten Beziehungen Ecuadors zu einem anderen Staat schaden könnten“. Seine Besucher mussten den ecuadorianischen Behörden ihre Personalien mitteilen und ihre Mobiltelefone und andere Geräte abgeben. Wie sich zeigen sollte, diente dieses Vorgehen der Überwachung Assanges und seiner Freunde und Mitarbeiter, einschließlich der Anwälte, im Dienste der USA.

Im selben Monat schickte der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses einen Brief an Moreno, in dem es hieß: „Wir sind sehr besorgt über Julian Assanges fortdauernde Anwesenheit in Ihrer Botschaft in London, sowie darüber, dass er im vergangenen Jahr die ecuadorianische Staatsbürgerschaft annehmen konnte.“

Der Brief machte deutlich, dass Ecuador Assange preisgeben sollte, damit die USA „in einer Vielzahl von Fragen mit Ihrer Regierung zusammenarbeiten können“. Die Erpressung bezog sich auf zahlreiche Bereiche, von der „wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ bis hin zur „möglichen Rückkehr einer Mission der United States Agency for International Development nach Ecuador“.

Im März 2019 sicherte sich Moreno ein Darlehen des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 4,2 Milliarden Dollar, um die immer schlimmere Finanzkrise zu bewältigen und die ecuadorianische Wirtschaft zu sanieren. Der ehemalige ecuadorianische Außenminister Ricardo Patiño kommentierte anschließend: „Assanges Verhaftung ist Teil von Lenín Morenos Vereinbarung mit dem IWF“. Dieser Einschätzung schloss sich John Polga-Hecimovich von der United States Naval Academy an, der erklärte: „Assange behindert Morenos Möglichkeiten, technische Hilfe, internationale Kredite und eine stärkere sicherheits- und handelspolitische Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zu erhalten.“

Im April 2019 gestatteten die ecuadorianischen Behörden der britischen Polizei, die Botschaft in London zu betreten und Assange zu verhaften. Sie widerriefen sein Asyl und setzten seine Staatsbürgerschaft aus. Aus den später veröffentlichten Tagebüchern des ehemaligen Außenministers Sir Alan Duncan geht hervor, dass dieser Verstoß gegen das Völkerrecht das Ergebnis „monatelanger geduldiger Verhandlungen“ war, und dass „die Einsatzzentrale ganz oben im Außenministerium“ Assanges Verhaftung live mitverfolgte.

Nach einer zweijährigen juristischen Farce erhielt Assange im Januar dieses Jahres einen Scheinaufschub, als die Richterin seine Auslieferung an die USA allein aus dem Grunde blockierte, dass diese wegen seines psychischen Zustands „repressiv“ wäre. Damit ebnete sie den Weg für eine Berufung der USA. Diese stützt sich auf die Zusage, man werde Assanges Sicherheit gewährleisten, und der High Court ist bereit, dieses vage Versprechen wohlwollend zu prüfen.

Der Auslieferungsexperte Nick Vamos sagt voraus, dass die Berufung gute Aussichten auf Erfolg habe. Nun hat Ecuador mit seiner Bestätigung des Entzugs der Staatsbürgerschaft eine weitere mögliche Komplikation beseitigt.

Der Fall Assange entlarvt die demokratische Fassade aller kapitalistischen Regierungen und Parteien. Der US-Imperialismus hat sich über jedes demokratische Recht und jeden Grundsatz des Völkerrechts hinweggesetzt und bedient sich jeder möglichen Form der Einschüchterung, um sein Ziel zu erreichen, und es gibt auch nicht den Hauch eines Protests. Die Regierungen stehen einmütig auf der Seite der USA, von Schweden mit seinen fabrizierten Ermittlungen wegen sexueller Nötigung, über Großbritannien mit seiner Rolle als Gefängniswärter, bis hin zu Australien, das seinen eigenen Bürger ausliefern lässt, und Ecuador, das Assange das Asyl entzogen und die Staatsbürgerschaft aberkannt hat.

Mehrere aufeinanderfolgende US-Regierungen können sich auf die ungebrochene Unterstützung des politischen Establishments verlassen. Die Jagd auf Assange, die Obama begonnen und Trump ausgeweitet hat, setzt auch die Regierung Biden nahtlos fort.

Diese Tatsache hat auch Amnesty International am Montag verspätet eingeräumt. Julia Hall von Amnesty erklärte im Gespräch mit der langjährigen WikiLeaks-Unterstützerin Stefania Maurizi: „Wir hatten anfangs etwas Hoffnung, als die Biden-Administration im Januar ihr Amt antrat, und wir dachten wirklich, dass es möglicherweise eine Überprüfung des Falls geben könnte (...) Dann lasen wir die Berufung. Es war wirklich ziemlich enttäuschend, denn wir hatten gedacht, dass es möglicherweise einen Weg gäbe. Aber aus Gründen, die die Regierung bisher nicht gut dargelegt hat, hat sie beschlossen, den Fall weiterzuverfolgen.“

In Wirklichkeit haben die USA ihre Gründe deutlich gemacht: Es geht darum, Assange zu vernichten, als Warnung und Präzedenzfall für diejenigen, die imperialistische Verbrechen aufdecken und Widerstand dagegen leisten.

Hall unterstrich die extreme Gefahr, in der sich Assange befindet, als sie die Versprechen der Vereinigten Staaten, Assange gut zu behandeln, mit folgenden Worten kommentierte: „Wenn man sich diese Zusicherungen anschaut und sieht, dass die US-Regierung sich das Recht vorbehält, ihn in ein Hochsicherheitsgefängnis zu stecken oder ihm aufgrund seines Verhaltens besondere Maßnahmen aufzuerlegen, dann befindet man sich nicht in einem Staat, in dem ein absolutes Folterverbot vorherrscht.“

Sie fuhr fort: „Die USA machen es den anderen Regierungen leicht, sich auf Zusicherungen zu berufen. Aber in Wirklichkeit wird dadurch das internationale Folterverbot unterlaufen.“

Die Schlussfolgerung, die aus alledem gezogen werden muss, lautet: Um Assanges Freiheit zu erlangen, dürfen wir unser Vertrauen in keine einzige Regierung oder staatliche Institution setzen. Diese Aufgabe fällt der internationalen Arbeiterklasse zu. Ihr wachsender Kampf gegen den Weltkapitalismus und Imperialismus ist die einzige Grundlage, auf der Assanges Sicherheit und die demokratischen Grundrechte von uns allen verteidigt werden können.

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