Flächenbrände in der Türkei und der gesamten Mittelmeerregion

Die Waldbrände, die sich seit Juli über mehrere Mittelmeerstaaten ausgebreitet haben, sind noch immer nicht unter Kontrolle. Große Waldgebiete sind niedergebrannt, viele Menschen sind bei Löschversuchen gestorben. Zahllose Tiere sind verendet, Tausende Familien haben ihre Häuser verloren, und der Rauch hat sich über große Gebiete verteilt. Zudem warnen Wissenschaftler, dass die Luftverschmutzung die Anfälligkeit für das Covid-19-Virus Sars-CoV-2 deutlich erhöhen könnte.

Eine Frau versucht, mit einem Feuerlöscher einen brennenden Baum zu löschen. Aufgenommen am 3. August im Dorf Cokertme nahe Bodrum in der türkischen Provinz Mugla (AP Photo/Emre Tazegul)

Weltweit steht die gleichgültige Untätigkeit der Regierungen angesichts der Katastrophe in scharfem Gegensatz zur Solidarität und Opferbereitschaft der Arbeiter und Jugendlichen, die gegen die Brände ankämpfen.

Die Waldbrände auf Sardinien, die seit Ende Juli toben, sind die schlimmste Katastrophe, die die italienische Insel seit Jahrzehnten getroffen hat. Mehr als 20.000 Hektar der historisch bedeutenden Region Montiferru wurden zerstört. In Spanien und Frankreich sind kleinere Feuer entstanden. Weitere Brände gibt es in Albanien, Mazedonien, Marokko und dem Libanon. Letztere haben sich auf den Nachbarstaat Syrien ausgebreitet. ,Auf Zypern wurden bei Bränden mindestens vier Menschen getötet.

In der Türkei wüten die Waldbrände am schlimmsten, in vielen Gebieten des Mittelmeers und der Ägäis seit etwa zehn Tagen. Wie Land- und Forstwirtschaftsminister Bekir Pakdemirli am Mittwoch erklärte, sind in der Türkei vom 28. Juli bis zum 4. August 183 Waldbrände ausgebrochen. 167 Brände in 33 Provinzen konnten unter Kontrolle gebracht werden, doch 16 weitere in 16 Provinzen wüten noch immer. Berichten zufolge wurden mindestens 40.000 Hektar niedergebrannt, und acht Menschen kamen ums Leben.

Einer der Brände, die wegen der hohen Lufttemperatur, starken Winden und unzureichenden Maßnahmen der Regierung noch nicht unter Kontrolle gebracht werden konnten, erreichte am Mittwoch das Heizkraftwerk bei Milas in der Provinz Muğla, was eine große Gefahr bedeutet.

Experten hatten tagelang gewarnt, die Feuer könnten das Heizkraftwerk Kemerköy in Milas erreichen. Zwar hatte man begonnen, einen Graben um das Kraftwerk anzulegen, in dem 40.000 Tonnen Kohle gelagert sein sollen, doch die Flammen erreichten das Kraftwerk trotzdem. Der Oberbürgermeister von Muğla, Osman Gürün, gab bekannt, dass die Wasserstofftanks in dem Kraftwerk geleert wurden.

Das Verteidigungsministerium erklärte: „Als sich die Waldbrände in Milas (Muğla) dem Heizkraftwerk näherten, versammelten sich die Einwohner im Hafen und wurden von Landungsschiffen unserer Seestreitkräfte an sichere Orte evakuiert.“ Am Donnerstagmorgen wurde bekanntgegeben, dass das Feuer im Kraftwerk nach zehn Stunden unter Kontrolle gebracht wurde.

Ein weiteres Zentrum der Flächenbrände im Mittelmeerraum ist Griechenland. Seit der Waldbrandkatastrophe im Jahr 2018, in der Regierungszeit der pseudolinken Syriza („Koalition der radikalen Linken“) gab es mehr als 150 Großbrände. Aufgrund der Rauchentwicklung durch die Brände empfehlen Wissenschaftler der Bevölkerung in der Hauptstadt Athen das Tragen von Schutzmasken.

Auf der Insel Evia, nahe Athen, wurden seit Dienstag mehr als ein Dutzend Dörfer evakuiert. Reuters berichtete darüber: „Die Brände, die am Dienstag die nördlichen Vororte von Athen bedrohten, waren unter Kontrolle.“

Die griechische Tageszeitung Kathimerini schrieb: „Das Verteidigungsministerium wird am Donnerstag vermutlich Pläne zur Mobilisierung von Soldaten im Kampf gegen mehrere Großbrände in den Waldlandschaften und Dörfern von Evia, der Peloponnes und anderen Teilen des Landes vorlegen ... 12.500 Hektar Land wurden zerstört und mindestens 100 Häuser zerstört oder leicht beschädigt.“

Der stellvertretende Zivilschutzminister Nikos Hardalias warnte: „In den nächsten Tagen und Wochen wird die Lage noch schwieriger werden, als sie es jetzt ist.“

Am Freitagabend berichteten Medien von neuen Brandfronten und den ersten Toten.

Nachdem Griechenland jahrelang die Austeritätsdiktate der EU umgesetzt hat, ist das Land auf diese Brände nicht vorbereitet, obwohl sie allgemein erwartet wurden. Viele werfen der amtierenden Nea-Dimokratia-Regierung vor, sie habe nichts gegen die Brände unternommen.

In den sozialen Netzwerken erklärten viele Menschen, die wegen der Brände ihre Häuser verloren haben, es habe keine Feuerwehreinsätze gegeben. Ein Nutzer schrieb auf Twitter: „Athen ist in Rauch gehüllt, Evia und Mani brennen, ein Inferno. Kein Geld für Gesundheit, Zivilschutz oder Bildung, nur für noch mehr Polizei und für die Mainstreammedien.“

Wie die World Socialist Web Site erklärte, sind Überschwemmungen und Waldbrände „ein direktes Ergebnis der vom kapitalistischen Profitsystem verursachten Klimakrise... die tödlichen Auswirkungen des Klimawandels [sind] ein Resultat der seit Jahrzehnten vernachlässigten und kaputt gesparten Infrastruktur...“ Diese Politik der kapitalistischen Regierungen hat auch während der Corona-Pandemie zur Katastrophe geführt.

Nachdem die Regierung die Wirtschaft im Rahmen der Politik der „Herdenimmunität“ der herrschenden Eliten wieder geöffnet hat, obwohl sich die ansteckendere und tödlichere Delta-Variante ausbreitet, kam es in Griechenland zu einer neuen Welle der Pandemie. Die Zahl der aktiven Fälle nähert sich wieder dem Höchststand von über 30.000 an, der im letzten April erreicht wurde.

Die unzureichende Reaktion der türkischen Regierung auf die Waldbrände hat in der Bevölkerung große Wut ausgelöst. In den sozialen Netzwerken vergleichen viele Menschen sie zu Recht mit ihrer Reaktion auf die Corona-Pandemie.

Aufgrund der Strategie der „Herdenimmunität“ haben sich in der Türkei bisher fast sechs Millionen Menschen mit Covid-19 infiziert, und offiziell sind mehr als 51.000 gestorben. Doch laut einer Studie zur „Übersterblichkeit“ liegt die tatsächliche Zahl der Toten bei deutlich über 150.000. Nachdem die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan seit Anfang Juli trotz der Ausbreitung der Delta-Variante alle Einschränkungen aufgehoben hat, steigt die Zahl der Infizierten bereits um mehr als 25.000 pro Tag.

Nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung und von Kürzungen hat die Türkei, eines der Epizentren von Waldbränden in Europa, keine einsatzfähigen Löschflugzeuge. Als Reaktion auf die weit verbreitete Kritik am Fehlen solcher Flugzeuge erklärte Erdoğan Ende Juli: „Die türkische Luftfahrtvereinigung hat keine Flugzeuge, mit denen sie problemlos in die Brandgebiete fliegen kann. ... Bis heute hat sich die Zahl der Flugzeuge durch diejenigen aus Russland und der Ukraine auf fünf oder sechs erhöht.“

Das Kommunikationsdirektorium des Präsidenten erklärte vor kurzem, dass 16 Flugzeuge, neun Drohnen, 52 Hubschrauber und mehr als 1.000 Fahrzeuge im Einsatz sind, darunter Tanklastwagen und Feuerwehrfahrzeuge, sowie 5.000 Mann Personal. Luft- und Bodenunterstützung käme aus Spanien, Kroatien, dem Iran, Aserbaidschan, Moldawien, Georgien, Russland und der Ukraine.

Ein aktueller Bericht des Allgemeinen Forstwirtschaftsdirektorats zeigt, dass die Regierung keine Vorbereitungen auf Waldbrände getroffen hat. Eines ihrer Ziele für 2021 war es, 55 Millionen türkische Lira für „Waldschutz und Brandbekämpfungsprojekte“ auszugeben, tatsächlich wurden dafür jedoch nur 28.000 Lira aufgewendet. Zudem wurde der Kauf von 26 Feuerwehrhubschraubern angekündigt, jedoch nicht umgesetzt.

Am Samstag löste ein Besuch von Erdoğan in Marmaris, im Landkreis der stark von Feuern betroffenen Stadt Muğla an der Mittelmeerküste, massive Wut in den sozialen Medien aus. Erdoğan kam mit einem riesigen Begleitkonvoi und warf den Menschen aus seinem Bus Päckchen mit schwarzem Tee zu. Das Schauspiel erinnert an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der Hurrikan-Opfern in Puerto Rico Papierhandtücher zuwarf, und verdeutlicht die Distanz und Verachtung der herrschenden Elite gegenüber notleidenden Arbeitern.

Gleichzeitig baut der Staat für den Präsidenten zusätzlich zum Präsidentenpalast in Ankara mit 1.000 Zimmern auch eine Sommerresidenz in Marmaris mit 300 Zimmern.

Die Regierung hatte sich anfangs geweigert, um internationale Hilfe zu bitten, sodass sich die Feuer ausbreiten konnten. Jetzt reagiert sie erbost auf Hilferufe in den sozialen Netzwerken und versucht, die soziale Empörung durch Polizeistaatsmaßnahmen zu unterdrücken. Die Staatsanwaltschaft von Ankara hat eine Untersuchung der entsprechenden Nachrichten angekündigt und erklärt, sie habe „festgestellt, dass einige Personen und Gruppen in organisierter Weise über reale und Bot-Accounts versuchten, Sorge, Angst und Panik in der Gesellschaft zu schüren und den Staat und die Regierung der Republik Türkei herabzuwürdigen“.

Unabhängig von den Kapazitäten der einzelnen Staaten kann die Reaktion auf die Brände nicht auf nationaler Ebene koordiniert oder auf nationaler Basis gelöst werden. In der letzten Zeit haben die nationalen kapitalistischen Regierungen auf allen Kontinenten deutlich gemacht, dass sie organisch unfähig sind, eine internationale Reaktion auf Brände und Umweltkatastrophen sowie auf die Corona-Pandemie zu organisieren, und diese sogar ablehnen. Die einzige soziale Kraft, die eine global koordinierte Reaktion auf diese Katastrophen organisieren kann, ist die internationale Arbeiterklasse mit ihrem Kampf auf der Grundlage eines sozialistischen Programms.

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