Vierzig Jahre seit dem PATCO-Streik: Teil 2

Historische Hintergründe

„Der Lebensstandard des durchschnittlichen amerikanischen Arbeiters muss sinken“ – Paul Volcker

„Carter hat seinen Erlass herausgegeben. Jetzt soll er herkommen und ihn durchsetzen.“ – Kohlebergarbeiter aus West Virginia gegenüber dem Bulletin

„Aus dem Bankrott von Chrysler ergibt sich eine zentrale Frage: Wer wird für den Zusammenbruch des kapitalistischen Profitsystems zahlen – die Arbeiterklasse oder das Großkapital?“ – das Bulletin

Zwischen 1968 und 1975 machte der Weltkapitalismus eine Reihe von wirtschaftlichen und politischen Krisen durch. Die kapitalistischen Industrienationen wurden von massiven Streikwellen erschüttert, in Frankreich erreichte eine solche Welle im Jahr 1968 sogar revolutionäre Ausmaße. In Großbritannien brachte 1974 ein Streik der Kohlebergarbeiter die Tory-Regierung von Edward Heath zu Fall. In Portugal und Griechenland wurden rechte Diktaturen gestürzt.

Eine Kundgebung streikender PATCO-Beschäftigter in East Meadow auf Long Island, New York (WSWS Media)

Im Zentrum der internationalen Krise stand die Krise des amerikanischen Kapitalismus. Im Jahr 1975 endete der imperialistische Vietnamkrieg mit einer demütigenden Niederlage und dem Fall von Saigon. Ein Jahr zuvor musste Präsident Richard Nixon wegen des Watergate-Skandals zurücktreten, der wiederum in Zusammenhang mit dem Debakel in Vietnam stand.

Die enorme finanzielle Belastung durch den Vietnamkrieg beschleunigte den Niedergang des US-Kapitalismus und das Abfließen der amerikanischen Goldreserven. Als Reaktion auf diese Krise kündigte Nixon im August 1971, vor genau 50 Jahren, einseitig die Golddeckung des US-Dollar auf. Allerdings konnte er damit die Schwächung des US-Kapitalismus im Vergleich zu seinen wichtigsten Rivalen in Europa und Asien nicht aufhalten, sondern begünstigte eine Kombination aus hoher Inflation und niedrigem Wirtschaftswachstum, die zum charakteristischen Merkmal der 1970er wurde.

Genau wie in mehreren anderen Ländern stieg auch in den USA die Streikaktivität während der 1970er Jahre an. Zwischen 1969 und 1978 nahmen insgesamt eine Million Arbeiter an Streiks teil, wobei die erbittertsten Arbeitskämpfe in den ersten Jahren des Jahrzehnts stattfanden. Wie das Bulletin, die Zeitung der Workers League und Vorgängerin der World Socialist Web Site, festhielt, kam es im ganzen Land zu Streiks. Reporter des Bulletin berichteten über Hunderte dieser Kämpfe. Die Workers League kämpfte das ganze Jahrzehnt über beharrlich für die Mobilisierung der Arbeiter gegen die Gewerkschaftsbürokratie und ihre Politik der Klassenkollaboration und Unterstützung der pro-kapitalistischen Demokraten.

Die herausragende Rolle der Workers League hob sich scharf von der Gleichgültigkeit der radikalen Protestgruppen ab. Sie schrieben die amerikanischen Arbeiter als pro-imperialistisch und rassistisch ab und bezeichneten die Gewerkschaften oft als „Job-Kartelle für weiße Männer“. Das Milieu der kleinbürgerlichen Radikalen hatte sich seit dem Abflauen der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg in den frühen Siebzigern nach rechts entwickelt und Lifestyle- und Identitätspolitik sowie alle Arten von arbeiterfeindlichen Vorurteilen übernommen.

Die Inflation war eine der treibenden Kräfte bei den Streiks in den Siebzigern, da die Arbeiter die Kaufkraft ihrer Löhne trotz steigender Preise erhalten wollten. Bis zu einem gewissen Grad konnten die Arbeiter die Löhne an die Inflation anpassen und teilweise sogar Lohnerhöhungen über der Inflationsrate hinaus durchsetzen. So konnten die Stahlarbeiter 1971 etwa eine 30-prozentige Lohnerhöhung erkämpfen. Obwohl die Bürokratie des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO verhinderte, dass sich diese Kämpfe zu einer politischen Gefahr für das Zweiparteiensystem entwickelten, war die Lage vom Standpunkt des US-Kapitalismus untragbar.

Paul Volcker, ein Vorstandsmitglied der Bank Chase Manhattan, der 1979 von dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter zum Vorsitzenden des Federal Reserve Board ernannt wurde, machte die Position der herrschenden Klasse deutlich: „Der Lebensstandard des durchschnittlichen amerikanischen Arbeiters muss sinken.“

Jimmy Carter unterzeichnet 1978 den Airline Deregulation Act. Rechts hinter ihm Edward Kennedy (Wikimedia/Weißes Haus)

Volcker erhöhte die Kreditzinsen für Bundesmittel, die als Leitzins gelten, auf über 20 Prozent. Diese „Schocktherapie“ war darauf ausgelegt, die Inflationsspirale zu durchbrechen und durch die Schaffung von Massenarbeitslosigkeit die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse zu schwächen. Die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) schuf im Auftrag der Carter-Regierung und der herrschenden Klasse bewusst die Bedingungen für die Schließung großer Teile der amerikanischen Fertigungsindustrie, da diese nicht mehr genug Profite abwarf. Zwischen 1978 und 1982 gingen mehr als 6,8 Millionen Arbeitsplätze durch Werksschließungen verloren. Ganze Städte und Regionen – vor allem diejenigen, die mit Massenproduktion und Industriegewerkschaften verbunden waren – wurden zerstört, darunter ein Großteil des industrialisierten mittleren Westens.

Doch wie sich herausstellte, reichte das nicht aus, um die wirtschaftlichen Bedingungen zum Nachteil der Arbeiter zu ändern. Nixons Versuch, 1971 Lohnkontrollen einzuführen, konnte die Streiks der Siebziger nicht eindämmen. Die herrschende Elite wollte der Arbeiterbewegung eine klare und entscheidende Niederlage zufügen, um die Arbeiterklasse einzuschüchtern und zu schwächen und die Privatwirtschaft zum Kampf gegen die Gewerkschaften zu ermutigen.

Die Schlacht musste sorgfältig ausgewählt werden. In dem 111-tägigen Streik der Kohlebergarbeiter von 1977–78 versuchte Carter, die Gewerkschaft United Mine Workers of America (UMWA) durch die Anwendung des Taft-Hartley Act zur Rückkehr an die Arbeit zu zwingen. Die Bergarbeiter widersetzten sich dem Befehl und verbrannten an den Streikposten Kopien von Carters Erlass.

Arbeiter erklärten gegenüber dem Bulletin: „Carter hat den Erlass herausgegeben. Jetzt soll er herkommen und ihn durchsetzen.“ Eine weitere Parole lautete: „Taft, Hartley und Carter können uns mal.“ Carter war gedemütigt und verlor das Vertrauen der herrschenden Klasse, die sich in der Präsidentschaftswahl 1980 entschlossen hinter Ronald Reagan stellte.

Ein anderes Ziel musste gefunden werden. Als die Mitglieder der UMWA im April 1981, nur wenige Wochen vor Beginn des PATCO-Streiks, erneut einen landesweiten Streik begannen und einen von der Gewerkschaft ausgehandelten Ausverkaufsvertrag mit großer Mehrheit ablehnten, verzichtete die neue Reagan-Regierung auf die Anwendung des Taft-Hartley Act oder eine direkte Intervention. Der Streik, an dem sich 160.000 Bergarbeiter beteiligten, dauerte 72 Tage. Die Grubenbetreiber der Bituminous Coal Operators Association (BCOA) lehnten zwar jede Änderung an dem Angebot ab, das die Bergarbeiter abgelehnt hatten, doch letzten Endes konnten die Bergarbeiter einige kleinere Zugeständnisse erkämpfen.

Streikende Bergarbeiter in Kentucky mit Ausgaben des Bulletin fordern im Februar 1978 die Ablehnung des Ausverkaufs (WSWS Media)

Reagan griff nicht gegen die Bergarbeiter ein, weil die Vorbereitungen darauf, an der jungen, kleinen und relativ isolierten Gewerkschaft PATCO ein Exempel zu statuieren, bereits weit fortgeschritten waren.

Das Dekret 10988, das Präsident John F. Kennedy 1962 herausgegeben hatte, erlaubte Bundesbeschäftigten die gewerkschaftliche Organisierung und durch den Civil Service Reform Act von 1978 erhielten sie außerdem das Recht auf Tarifverhandlungen. Bis 1968 gehörten die Fluglotsen der ineffektiven Gruppierung National Association of Government Employees (NAGE) an. Doch in diesem explosiven Jahr wurde PATCO von einigen Arbeitern aus Wut über die schlechten Arbeitsbedingungen und die Unfähigkeit der NAGE, etwas zu ihrer Verbesserung zu unternehmen, gegründet. Bummel- und Krankheitsstreiks auf lokaler Ebene zeigten die potenzielle Stärke der neuen Organisation, und im März 1970 – zeitgleich mit einem massiven spontanen Streik der US-Postbeschäftigten – begann PATCO einen einmonatigen Krankheitsstreik.

Im Jahr 1976 hatte PATCO den größten Organisationsgrad von allen Gewerkschaften im Bundessektor erreicht. Sie hatte 13.681 Mitglieder, was 85 Prozent der beitrittsberechtigten Belegschaft entsprach. Die meisten Mitglieder der PATCO stammten aus der Arbeiterklasse und waren im Militär. Der Historiker Joseph McCartin kam in einer Arbeit über den Streik von 1981 zu der Erkenntnis, dass viele Anführer des Streiks Väter hatten, die Gewerkschaftsmitglieder waren. Deshalb hatten sie schon als Jugendliche Streiks erlebt. [1]

In den Jahren zuvor hatte die Federal Aviation Authority eine ganze Reihe von technischen Innovationen eingeführt, die auf moderner Computertechnologie beruhten. Die Fluglotsen lernten, mit diesen Innovationen zu arbeiten und den Flugverkehr sicherer zu machen. Sie reduzierten zwar potenziell den Bedarf an Arbeit eines Fluglotsen pro Flug, machten den Job aber nicht leichter. Die Fluglotsen waren weiterhin für den Einsatz und die Verbesserung der neuen Technologien notwendig. Es kam häufig zu Abstürzen der Computersysteme – in 6.651 Fällen allein im Jahr 1979. [2]

Flugsicherung war und ist noch immer einer der schwierigsten und belastendsten Berufe der Welt. Ein einziger Fluglotse kann jederzeit für Dutzende von Flugzeugen mit Tausenden Passagieren verantwortlich sein, die sich auf verschiedenen Flugbahnen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen und von denen jedes nach eigenem Zeitplan fliegt. Diese Flüge legen möglicherweise Zehn- oder Hunderttausende von Quadratkilometern bei unterschiedlichen Wetterbedingungen und vor allem über völlig unterschiedlicher Infrastruktur zurück. Deshalb ist es ein außerordentliches technisches Berufsfeld.

Ein Experte für diesen Beruf bezeichnete ihn als „dreidimensionales Schachspiel“ und zitierte eine Zusammenfassung des Aufgabenbereichs durch das Smithsonian-Magazin: „Fluglotsen verfügen über das analytische Talent eines Schachgroßmeisters, das mentale Kalkulationsvermögen eines Mathematikers und die prägnante Sprache eines Polizeidisponenten. Und sie werden dazu ausgebildet, ihre Arbeit mit der kühlen Sicherheit eines Stierkämpfers auszuführen.“ [3]

Die Deregulierung des Flugverkehrs, die von Präsident Jimmy Carter und dem demokratischen Senator Edward Kennedy forciert wurde, untergrub das Point-to-Point-System für Direktverbindungen im Flugverkehr. Stattdessen wurde ein Drehkreuzsystem („Hub and Spoke“) eingeführt, das die Arbeitslast von Fluglotsen an den Drehkreuzen deutlich erhöhte. Zusammen mit dem erhöhten Stress und der zusätzlichen Arbeitslast senkte die Inflation der Siebziger die Löhne der Fluglotsen. Insgesamt sanken die Löhne der Bundesbeschäftigten zwischen 1973 und 1981 jedes Jahr real um 3,1 Prozent.

Vor der Präsidentschaftswahl von 1976 versuchte PATCO, sich durch eine Wahlempfehlung für den Republikaner Gerald Ford eine bessere Behandlung zu erkaufen. Nachdem sie von ihm zurückgewiesen wurde, unterstützte sie Carter. Unter diesem verschlechterten sich die Bedingungen jedoch noch weiter, und neben dem Rückgang der Reallöhne waren die Fluglotsen auch mit der Erosion ihrer Frührenten konfrontiert. Anfang 1980 begann die Carter-Regierung, umfangreiche Pläne für ein Vorgehen gegen die Fluglotsengewerkschaft auszuarbeiten. PATCO wusste, dass Carter einen Angriff auf sie plante und unterstützte deshalb Reagan im Wahlkampf, nachdem dieser ihr versprochen hatte, auf ihre Probleme einzugehen.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl 1980 schrieb Reagan an den PATCO-Präsidenten Robert Poli: „Seien sie versichert, dass ich als Präsident alles Notwendige unternehmen werde, um Fluglotsen die modernste verfügbare Ausrüstung zukommen zu lassen und die Personaldecke und Arbeitszeiten so anpassen werde, dass sie die größtmögliche Sicherheit für die Öffentlichkeit gewährleisten können.“

Damit hatte Reagan natürlich gelogen.

Doch Carter und Reagan hätten ihre Pläne für PATCO nicht ohne die Komplizenschaft der „Arbeiterorganisationen“ umsetzen können. Die Gewerkschaften hatten während der 1970er bereits deutlich gemacht, dass sie keinen ernsthaften Kampf gegen die Offensive zur Zerschlagung von Gewerkschaften oder gegen Lohnsenkungen führen würden. Sie unterstützten in zunehmendem Maße aktiv verschiedene Kampagnen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft. Die Rettung von Chrysler 1979 war in dieser Hinsicht ein Meilenstein.

Die United Auto Workers (UAW), damals eine der mächtigsten Gewerkschaften der USA, machte Zugeständnisse bei Löhnen und Zusatzleistungen, damit Chrysler ein Darlehen der Regierung erhielt, um das Unternehmen vor dem Bankrott zu retten. Den Arbeitern erklärte die UAW, es handele sich um ein einmaliges Zugeständnis an das Unternehmen, das aufgrund der außergewöhnlichen Umstände notwendig sei. Das Opfer der Arbeiter würde das Unternehmen wieder profitabel machen, und ihre verlorenen Löhne würden sie danach zurückbekommen. Die Workers League warnte damals, der Verrat der UAW bei Chrysler sei der Beginn einer Politik der Zugeständnisse, die seither immer weiter eskaliert ist.

Das Bulletin schrieb 1979: „Aus dem Bankrott von Chrysler ergibt sich eine zentrale Frage: Wer wird für den Zusammenbruch des kapitalistischen Profitsystems zahlen – die Arbeiterklasse oder das Großkapital? Die Antwort des Großkapitals, der Banken, der Demokraten, der Carter-Regierung und der UAW-Bürokratie lautet natürlich: die Arbeiterklasse.”

Arbeiter protestieren bei einer Massenkundgebung im Januar 1980 gegen die Schließung des Dodge-Stammwerks (WSWS Media)

Die Rolle der Carter-Regierung bei der Rettung von Chrysler auf Kosten der Autoarbeiter hatte die Tatsache offenkundig gemacht, dass sich die Demokraten nicht durch Druck dazu zwingen lassen, die Interessen der Arbeiter zu sichern. Ihr liberaler Flügel unter der Führung von Senator Edward Kennedy (Massachusetts) spielte eine wichtige Rolle bei der Senkung der Löhne und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Kennedy war derjenige, der sich für die Deregulierung der Speditions- und Luftfahrtindustrie einsetzte, deren Folgen einer der Gründe für den Streik der PATCO-Arbeiter waren.

Später beanspruchten Vertreter der Carter-Regierung öffentlich das Verdienst für sich, PATCO in die Knie gezwungen zu haben. Der Plan wurde Anfang 1980 von Langhorne M. Bond und Clark H. Onstad ausgearbeitet. Bond war von Carter zum Leiter der FAA ernannt worden, Onstad zum Chefberater der FAA. Bereits 1978 arbeitete Onstad gemeinsam mit Philip B. Heymann, den Carter zum stellvertretenden Justizminister und Leiter der Strafkammer des Justizministerium ernannt hatte, an Plänen zur Kriminalisierung eines PATCO-Streiks.

Dass die FAA unter Reagan so schnell Ersatz für die Fluglotsen heranschaffen konnte, verdeutlicht die Tatsache, dass diese Vorbereitungen weit fortgeschritten waren. Zu Beginn des Streiks erhöhte die FAA-Akademie in Oklahoma City plötzlich ihre Klassengrößen von den normalen 70 auf 1.400. Der Operationsdirektor der FAA, Ray Van Vuren, erklärte während des Streiks: „Ich wusste schon vor dem Streik, dass wir zu viele Fluglotsen hatten, aber es war wegen des zu erwartenden Widerstands der Gewerkschaft nicht machbar, die Belegschaft zu verkleinern.“ Wenn sie nicht in den Streik getreten wären, dann wären bis zu 3.000 von ihnen entlassen worden.

Streikende PATCO-Arbeiter bei einer Demonstration in Washington D.C. (WSWS Media)

Gegenüber der New York Times erklärte Onstad mitten im Streik: „Wir haben mehr als ein Jahr lang unglaublich detaillierte Pläne ausgearbeitet, weil wir wussten, dass es zu dem Streik kommen wird.“ Die Times schrieb dazu: „Vertreter der Reagan-Regierung haben die Pläne, die ursprünglich von der Carter-Regierung ausgearbeitet wurden, begeistert aufpoliert und umgesetzt.“

Diese Pläne können nicht nur mit finanzpolitischen Motiven erklärt werden. Wie die PATCO-Arbeiter bemerkten, war es mit beträchtlichen Kosten verbunden, Tausende von neuen Fluglotsen auszubilden – ganz zu schweigen vom wirtschaftlichen Schaden durch den unweigerlichen Ausfall von Verkehrsflügen. Die Reagan-Regierung musste alleine für die Ausbildung der neuen Fluglotsen zwei Milliarden Dollar bereitstellen.

Bei den Problemen der Fluglotsen, die in den Medien allgemein als privilegiert, verwöhnt und arrogant dargestellt wurden, ging es um ernste Fragen in Bezug auf die Sicherheit für Fluggäste. Es stimmt, dass PATCO-Fluglotsen besser bezahlt waren als die meisten amerikanischen Arbeiter. Das Medianeinkommen für einen Fluglotsengesellen an einem Flughafen mit hoher Verkehrsdichte lag bei 32.000 Dollar. In stark frequentierten Flughäfen konnten sie mit Überstunden bis zu 56.000 Dollar verdienen. [5] Allerdings war ihre Arbeit schwer, komplex, hochgradig belastend und mit immenser Verantwortung für das Leben und die Sicherheit ihrer Mitmenschen verbunden.

Streikende PATCO-Arbeiter erklärten in Diskussionen mit Reportern des Bulletin immer wieder, sie seien zum Streik gezwungen gewesen, weil die FAA durch Unterbesetzung und andere Maßnahmen dafür gesorgt hatte, dass die Belastung während der Arbeit nicht mehr zumutbar war. Die Arbeiter klagten über die Länge und Intensität der Schichten, die den arbeitsbedingten Stress grundlos weiter erhöhten.

Aufgrund zermürbender Bedingungen mussten viele aus gesundheitlichen Gründen in Frührente gehen. Der Fluglotse John Neece vom Detroit Metropolitan Airport erklärte gegenüber dem Bulletin: „Unser Job ist es, Flugzeuge voneinander fernzuhalten. Wir verhindern, dass sie zusammenstoßen. Man gewöhnt sich nie wirklich daran... In den 12 Jahren, seit ich hier arbeite, ist nur ein einziger normal in Rente gegangen, 20 andere aus gesundheitlichen Gründen – Geschwüre, Nerven, Herzprobleme... Ich bin jetzt 38 und werde wahrscheinlich nicht bis zur Rente durchhalten. Wenn man aus gesundheitlichen Gründen in Rente geht, bekommt man nur 40 Prozent Lohn, und es wird gesagt, man soll sich zum Teufel scheren... Was wir hier machen, ist dreidimensionales Schach. Aber wenn man das Spiel verliert, ist man seinen Job los.“

Der Fluglotse Tom King aus Oakland erklärte gegenüber einem Reporter des Bulletin: „Wir haben keine Pausen. Wir arbeiten acht Stunden durch. Wir essen zwischendrin. Wir haben keine Heizung und keine Klimaanlage.“

Bud Pierce, ein Streikender aus Detroit, erklärte: „Ich kenne einen einzigen, der innerhalb der letzten acht Jahren normal in Rente gegangen ist. Wenn ich abends heimkomme, kann ich mich erst nach zwei oder drei Stunden entspannen. Sie wechseln die Schichten, sodass man um 22 Uhr aufhört und am anderen Morgen um 7 Uhr wieder da sein muss.“

PATCO-Streikposten vor der Zentrale der FAA in Cleveland, Ohio (WSWS Media)

In den ersten Tagen des Streiks berichtete die New York Times über eine Studie, laut der die Fluglotsen in den USA eine längere Wochen- und jährliche Arbeitszeit haben als ihre Kollegen in anderen Industrienationen, obwohl das Flugverkehrsaufkommen in den USA typischerweise viel höher ist. In Kanada, Australien, Neuseeland, Schweden, Österreich, Frankreich, der Schweiz, Westdeutschland, Dänemark und Norwegen arbeiten Fluglotsen durchschnittlich 35 Stunden pro Woche, in den USA sind es 40 Stunden. In den zehn genannten Ländern hatten die Arbeiter durchschnittlich 32 Urlaubstage pro Jahr und typischerweise zwischen einem halben und einem ganzen Jahr bezahlten Krankheitsurlaub. Die amerikanischen Fluglotsen hatten durchschnittlich 19 Tage Urlaub und konnten nur 13 Tage bezahlten Krankheitsurlaub nehmen.

Verhandlungen mit der Reagan-Regierung über diese und andere Probleme in den ersten Monaten des Jahres 1981 führten zu keinen nennenswerten Ergebnissen. Das war jedoch beabsichtigt: Das Weiße Haus wollte einen Streik herbei provozieren. PATCO wollte einen Tarifvertrag, der 700 Millionen Dollar zusätzliche Kosten für die FAA bedeutet hätte, während Reagan für das Budget der FAA eine Höchstgrenze von 40 Millionen Dollar festgesetzt hatte.

Der Gewerkschaftsvorsitzende Robert Poli akzeptierte das Angebot, doch bei einer Abstimmung in der Belegschaft wurde es mit 13.495 zu 616 Stimmen, bzw. 95 Prozent, abgelehnt. Die Arbeiter wollten eine 32-Stunden-Woche und eine 30-prozentige Lohnerhöhung und zwangen Poli zur Wiederaufnahme der Verhandlungen.

Wird fortgesetzt.

***

Anmerkungen:

[1] McCartin, Joseph Anthony. Collision Course: Ronald Reagan, the Air Traffic Controllers, and the Strike That Changed America, 2013: 156; Nordlund, Willis J. Silent Skies: The Air Traffic Controllers' Strike: Westport, Conn.: Praeger, 1998: 16–21; Northrup, Herbert R. „The Rise and Demise of PATCO”, Industrial and Labor Relations Review 37, no. 2 (1984): 167–84; Hurd, Richard W., and Jill K. Kriesky. „,The Rise and Demise of PATCO‘ Reconstructed.” Industrial and Labor Relations Review 40, no. 1 (1986): 115–22; Workers League Political Committee Statement, „The PATCO Strike: A Warning to the Working Class” August, 1981. Labor Publications, Detroit: 5.

[2] McCartin, Collision Course: 196–197; Nordlund, Willis J. Silent Skies: 82–83.

[3] Nordlund, Silent Skies: 60.

[4] McCartin, Collision Course: 198–199.

[5] Nordlund, Willis J., Silent Skies: The Air Traffic Controllers’ Strike: Westport, Conn.: Praeger, 1998: 89–90.

[6] Greenhouse, Steven. The Big Squeeze: Tough Times for the American Worker. Erstausgabe, New York: Alfred A. Knopf, 2008: 81; Galenson, Walter. The American Labor Movement, 1955–1995. Westport, Conn.: Greenwood Press, 1996: 54; Nordlund, Silent Skies: 82–82; 94–95.

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