GDL ruft Lokführer und Zugbegleiter zu weiterem Zwei-Tage-Streik auf

Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat am gestrigen Freitag weitere Bahnstreiks angekündigt. Als Antwort auf die Weigerung des Bahnvorstands, ein besseres Angebot vorzulegen, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky auf einer Pressekonferenz in Berlin: „Stillstand bei der Angebotsverbesserung führt direkt zum Stillstand der Züge.“

Streikende Lokführer am Frankfurter Hauptbahnhof

Allerdings wird der neue Streik im Personenverkehr wieder nur zwei Tage lang, von Montagfrüh um zwei bis Mittwochfrüh, andauern. Im Güterverkehr beginnt er bereits am Samstagabend um 17 Uhr.

Die GDL-Führung steht stark unter Druck. Die Wut unter Lokführern, Zugbegleitern und anderen Eisenbahnern, die mit 95 Prozent für einen unbefristeten Streik gestimmt hatten, ist groß und nimmt zu. Die Bahn will für das laufende Coronajahr eine glatte Nullrunde durchsetzen und Betriebsrenten kürzen, und sie verweigert den Beschäftigten sogar einen Corona-Bonus.

Wie sehr es im gesamten Bahnpersonal brodelt, zeigt auch die Tatsache, dass die größere Eisenbahn- und Verkehrs-Gewerkschaft (EVG) jetzt ebenfalls mit möglichen Streiks droht. Sie hatte der schändlichen Nullrunde in vorgezogenen Tarifverhandlungen letztes Jahr bereits zugestimmt. Die Unzufriedenheit unter ihren Mitgliedern ist umso größer, als der Lokführerstreik unter Arbeitern große Popularität genießt.

Am Donnerstag erklärte EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel, der Tarifvertrag seiner Gewerkschaft enthalte ein „Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass es mit einer anderen Gewerkschaft wesentlich andere Regelungen gibt (…) Dann wären wir auch von der Friedenspflicht befreit.“

Die EVG versucht offenbar, dem Schwund ihrer Mitglieder entgegenzuwirken, die derzeit in Scharen zur GDL überlaufen. Sie hetzt wie Politik und Medien gegen den Lokführerstreik, der „das System Eisenbahn schwächt, mit unabsehbaren Folgen“ (EVG-Homepage).

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dem die EVG angehört, stimmte am Donnerstag in die Hetzkampagne ein. DGB-Chef Reiner Hoffmann behauptete im Spiegel, der Streik spalte die Bahnbelegschaft und sei illegitim. GDL-Chef Claus Weselsky verfolge nicht die Interessen der Bahnbeschäftigten, so Hoffmann, und er habe „kein Mandat“.

Dabei sind in Wirklichkeit auch die Forderungen der GDL – 3,2 Prozent in 28 Monaten und ein 600 Euro-Corona-Bonus – äußerst bescheiden und kommen inflationsbereinigt einer Reallohnsenkung gleich. Selbst wenn sie erfüllt würden, wären sie als Ausgleich für die harte, unregelmäßige Schichtarbeit und die Gefährdung der Gesundheit, der die Bahnbeschäftigten ausgesetzt sind, vollkommen unzureichend.

„Das Bahnsystem wurde bis auf die Knochen kaputtgespart“, berichteten Lokführer der WSWS. Der einstmals gut bezahlte und abgesicherte Beruf ist heute so gesundheitsbelastend, dass kaum ein Lokführer bis zum Rentenalter durchhält.

„Bei uns fängt jede Schicht zu einer anderen Uhrzeit an. Wir können uns nie auf einen festen Rhythmus einstellen“, erzählte ein Lokführer. Hinzu kämen Vorbereitungs- und Prüfungszeiten: „Ich bin schon eine Stunde vor Dienstbeginn am Zug, denn ich bin ja für die Sicherheit der Fahrgäste allein verantwortlich“, fuhr er fort. Dies alles im Zusammenhang mit langen, oftmals zwölf Stunden langen Schichten, auf denen die Lokführer oft ICEs mit über tausend Passagieren durchs Land fahren.

All dies ist dem DGB-Chef offenbar vollkommen gleichgültig. Sein Angriff auf den Streik ist ein weiterer Beweis dafür, dass die DGB-Gewerkschaften keine Vertreter der Arbeiter mehr sind, sondern als Handlanger der Unternehmer und als Betriebspolizei dazu beitragen, die Arbeiter zu unterdrücken.

Der DGB arbeitet gegen die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner auch eng mit der Regierung zusammen. Der Vorstand der Bahn, die sich zu 100 Prozent im Bundesbesitz befindet, will erstmals das Tarifeinheitsgesetz (TEG) anwenden. Die Regierung hat das TEG erlassen, um kleinere Gewerkschaften wie die GDL zu erdrosseln und den DGB-Gewerkschaften das alleinige Monopol zu verschaffen.

Laut dem TEG darf in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern zur Anwendung kommen. Das würde in den meisten Bahnbetrieben bedeuten, dass GDL-Mitglieder wichtige Errungenschaften aus früheren Streiks wieder verlieren.

Die streikenden Eisenbahner stehen also einer breiten Front von Bahnvorstand, Bundesregierung, politischen Parteien und feindlichen Medien gegenüber. Auf der anderen Seite stehen Millionen Arbeiter, die ebenfalls von wachsendem Arbeitsstress, sinkenden Löhnen und Sozialabbau betroffen sind und mit den Eisenbahnern sympathisieren.

Doch Weselsky ist nicht bereit, sich zur Unterstützung des Streiks an diese Arbeiter zu wenden, geschweige denn an europäische Eisenbahner, die sich – wie derzeit in Großbritannien – ebenfalls im Arbeitskampf befinden. Stattdessen strebt auch er eine enge Zusammenarbeit mit dem Bahn-Vorstand und der Regierung an und eine Arbeitsteilung mit den DGB-Gewerkschaften. Er beschränkt den Streik auf wenige Bereiche und lehnt es ab, ihn ohne zeitliche Beschränkung zu führen.

Ein klares Signal war die letzte Kundgebung in Berlin, die die GDL gemeinsam mit dem Deutschen Beamtenbund (dbb) organisierte, und auf der sogar der rechte Polizeiideologe Rainer Wendt sprechen durfte, der politisch der AfD nahe steht.

Auf diese Weise kann der Kampf gegen Bahnvorstand und Regierung nicht gewonnen werden. Die provokative Nullrunde des Bahnvorstands ist Teil eines Generalangriffs auf die gesamte Arbeiterklasse, der die Kosten der Corona-Pandemie aufgebürdet werden sollen. Dieser Angriff kann nur pariert werden, wenn die Eisenbahner die Unterstützung breiter Arbeiterschichten mobilisieren.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) schlägt Lokführern, Zugbegleitern und Bahnarbeitern vor, unabhängige Aktionskomitees zu gründen, um den Streik selbst in die Hand zu nehmen und Kontakt zu anderen Bahnbeschäftigten, wie auch zu Fahrern und Arbeitern der öffentlichen und privaten Nah- und Fernverkehrsbetriebe aufzunehmen.

Die Vierte Internationale, der die SGP angehört, wird sie unterstützen, besonders wenn es darum geht, Kontakte zu Eisenbahnern in anderen europäischen Ländern herzustellen. Die Vierte Internationale hat zum 1. Mai die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ins Leben gerufen, um die Kämpfe in verschiedenen Betrieben, Branchen und Ländern zu koordinieren.

In ihrem Statement zum Bahnstreik schrieb die SGP: „Die Eisenbahner können den Streik nur gewinnen, wenn sie Unterstützung in der gesamten Arbeiterklasse mobilisieren. Notwendig ist ein umfassender, unbefristeter Streik, der einen politischen Kampf gegen die Regierung einleitet.“ Und sie warnte: „Bleibt der Streik isoliert, wird die Regierung ihn erdrosseln!“

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