Mélenchon und französische Gewerkschaften verteidigen Unterstützung von Protesten der Impfgegner

In den letzten Tagen gaben der Parteichef von La France insoumise (Unbeugsames Frankreich, LFI), Jean-Luc Mélenchon, und der Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds Confédération générale du travail (CGT), Philippe Martinez, Erklärungen heraus, in denen sie ihre Unterstützung für die rechte Kampagne gegen eine Impfpflicht und gegen den „Gesundheitspass“ der Macron-Regierung verteidigten.

Eine Kundgebung von Impfgegnern in Straßburg am 17. Juli 2021 (AP Photo/Jean-Francois Badias)

Mit dem „Gesundheitspass“ wird der Zugang zu öffentlichen Räumen auf Personen beschränkt, die vollständig geimpft sind, vor Kurzem von einer Erkrankung an Covid-19 genesen sind oder einen negativen Test nachweisen können, der nicht älter als 72 Stunden ist (dieser Zeitraum betrug bis vor Kurzem noch 48 Stunden). Er kommt faktisch einer Impfpflicht gleich, weil die Regierung gleichzeitig die reaktionäre Entscheidung getroffen hat, kostenlose Tests abzuschaffen, sodass ein negativer Test sehr kostspielig wird.

Die Parti de l’égalité socialiste unterstützt die Impfpflicht, da diese ein wichtiger Beitrag zur Ausrottung des Corona-Virus ist. Wir lehnen Macrons Politik ab, weil sie unzureichend und kein ernsthafter Kampf für die Ausrottung des Virus ist. Macron benutzt die Einführung der Impfpflicht für Erwachsene als Rechtfertigung für eine vollständige Abschaffung der Abstandsregeln, für die Wiederöffnung der Schulen in dieser Woche und die Öffnung aller nicht systemrelevanten Betriebe.

Nur 65,5 Prozent der französischen Bevölkerung sind vollständig geimpft, und die Zahl der täglichen Neuinfektionen liegt im fünfstelligen Bereich. Die vorschnelle Beendigung der Maßnahmen zur physischen Distanzierung hat in der letzten Woche zu durchschnittlich 100 Toten pro Tag geführt, und eine weitere Welle von Todesfällen steht bevor. Macrons Politik wird nicht von einer wissenschaftlich begründeten Strategie zur Beendigung der Pandemie und der Rettung von Menschenleben motiviert, sondern vom Erhalt der Profite der französischen Konzerne und des Vermögens der Superreichen.

Die LFI und die Gewerkschaften allerdings kritisieren Macrons Gesetz nicht von links, sondern von rechts. Sie haben die Protestbewegung gegen den „Gesundheitspass“ unterstützt, die von Anfang an von der extremen Rechten dominiert und politisch angeführt wurde. Sie benutzen die gleichen reaktionären Argumente wie die extreme Rechte: dass die Einführung der Impfpflicht einen Angriff auf persönliche Freiheiten darstelle.

Mélenchon hielt am Sonntag, dem 29. August, eine Rede bei der Sommerschulung der LFI, die den offiziellen Auftakt seines Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahl 2022 darstellte. Darin erklärte er, Macrons Reaktion auf die Pandemie sei eine „Ansammlung von Dummheiten mit völliger Ineffizienz und absoluter Brutalität... Wir lehnen den ,Gesundheitspass‘ ab, weil er ein Angriff auf die Freiheit der Arbeitswelt, der Gesellschaft und der menschlichen Beziehungen ist.“

Obwohl Mélenchon die „Arbeitswelt“ erwähnt, unterscheidet sich seine Haltung zu Impfungen nicht von derjenigen der extremen Rechten. Die WSWS hat bereits am 29. Juli zu diesen reaktionären Argumenten erklärt:

In einer Massengesellschaft hängt der Schutz der öffentlichen Gesundheit von einer ganzen Reihe von Vorschriften ab: Anschnallpflicht und Geschwindigkeitsbegrenzung, Verbot von Trunkenheit am Steuer und Rauchen auf öffentlichen Plätzen, Höchstbelegungszahlen für Gebäude, Vorschriften für Behindertenparkplätze und eine ganze Reihe anderer Maßnahmen... Es sind stets die rechtesten Kräfte, die sich dem Schutz der sozialen Rechte widersetzen, indem sie das Banner der „individuellen Rechte“ erheben, von denen das „Recht auf Profit“ das berüchtigtste ist …

Die Kampagne gegen eine „Impfpflicht“ hat rein gar nichts Fortschrittliches an sich. Ihr liegen Appelle an Unwissenheit, Angst und wissenschaftsfeindliche Vorurteile zugrunde. Diejenigen, die eine Kampagne gegen Impfungen führen und dabei behaupten, sie seien ein unerträglicher Eingriff in die persönliche Freiheit, gehen mit Anarchismus und Libertarismus hausieren. Die Interessen der Arbeiterklasse haben damit nichts zu tun.

Mélenchons Gerede von „Freiheiten“ stellt die Frage der Impfung so dar, als gäbe es ein individuelles demokratisches „Recht“, andere mit einem lebensgefährlichen Virus zu infizieren. Mit den gleichen Argumenten könnte man auch Lockdowns, Kontaktverfolgung und alle anderen Maßnahmen ablehnen, die zwar Einschränkungen der individuellen Bewegungsfreiheit beinhalten, aber aus wissenschaftlicher Sicht notwendig sind, um das Virus zu bekämpfen und die Arbeiterklasse zu schützen. Arbeiter und Jugendliche sollten diese Argumente mit Verachtung zurückweisen.

Tatsächlich vertritt die extreme Rechte explizit diese Argumente. Mélenchons Rede diente damit auch einem zweiten Ziel: Sie soll die Tatsache vertuschen, dass er in der Kampagne gegen die Impfpflicht mit den politischen Kräften auf dem extrem rechten Flügel verbündet ist, wie Marion Maréchal Le Pen und dem Führer der Patrioten, Florian Philippot.

Mélenchon erklärte wörtlich: „Wir haben es satt, dass wir uns bei Protesten von einer Seite die Lehren über Kulanz anhören müssen, und von der anderen Seite, dass wir angeblich Rechtsextreme und Antisemiten unterstützen, deren Verhalten und Erklärungen Unsinn sind. Wir haben genug von Rechtsextremen und Antisemiten [bei den Protesten]. Verschwindet von unseren Demonstrationen! Behaltet eure Plakate für euch!“

Damit bezog er sich auf mehrere Fälle, in denen Rechtsextreme auf den Demonstrationen Schilder mit faschistischen und antisemitischen Verschwörungstheorien mitführten und fotografiert wurden, worauf große Teile der Bevölkerung mit Abscheu reagierten. In anderen Fällen haben Demonstranten gelbe Davidssterne getragen, um Massenimpfungen mit dem Holocaust gleichzusetzen. Gleichzeitig kam es wiederholt zu Übergriffen auf Corona-Teststationen und Impfzentren.

Mélenchon kündigte weitere Demonstrationen mit allen an, die Macrons Gesetz ablehnen:

Wir wollen mit allen zusammenkommen können, die „Nein“ zum „Gesundheitspass“ sagen, ohne ihr irres Gerede zu akzeptieren. Deshalb rufe ich die Arbeiterbewegung und ihre Vereinigungen auf, sich an dem Kampf zu beteiligen und es uns zu ermöglichen, vorurteilsfreie geschützte Protestbereiche zu bilden, in die jeder unabhängig von Religion oder politischen Ansichten kommen kann, um die Freiheit aller Franzosen zu verteidigen … Die extreme Rechte darf nicht die Führung dieser Proteste übernehmen.

Doch wenn die extreme Rechte die Führung übernommen hat, dann deshalb, weil diese Proteste von Anfang an auf Widerstand gegen Macron von rechts basierten. Rechtsextreme Kräfte haben gegen den Gesundheitspass protestiert, indem sie auch noch so begrenzte Abstandsregeln abgelehnt und das Argument vertreten haben, das Virus müsse sich ungehindert ausbreiten können.

Mélenchon und pseudolinke Organisationen wie die Nouveau Parti anticapitaliste und Révolution permanente haben der rechten Bewegung eine „populäre“ Fassade verliehen, indem sie sie als linke Bewegung der Arbeiter darstellen, die unerklärlicherweise von der extremen Rechten „übernommen“ oder infiltriert wurde. Deshalb fordern sie, dass die Gewerkschaften, die Macrons Politik der „Herdenimmunität“ umgesetzt und alle Streiks gegen die Öffnung der Schulen und Betriebe unter unsicheren Bedingungen abgelehnt haben, noch offener an den rechten Protesten teilnehmen.

Gleichzeitig verharmlosen Mélenchon und seine Kollegen in der LFI, wie Francois Ruffin, ständig die Gefährlichkeit des Virus und die Notwendigkeit von Impfungen. Sie erklären zwar mehrfach, sie selbst seien geimpft, bezeichnen dies jedoch als rein persönliche Entscheidung. Auf diese Weise trüben sie das Bewusstsein für die Gefahren durch das Virus und leugnen die Möglichkeit, ihn mit wissenschaftlichen Mitteln auszurotten. Faktisch verteidigen sie Macrons Politik, die uneingeschränkte Ausbreitung des Virus zuzulassen.

Der CGT-Vorsitzende Martinez vertrat Anfang der Woche in Interviews grundsätzlich die gleiche Linie. Auf die Frage, ob die CGT bei der rechtsextremen Demonstration am Samstag teilnehmen würde, antwortete er: „Die CGT wird nicht zusammen mit Impfgegnern demonstrieren, die sich antisemitisch äußern oder inakzeptable Verschwörungstheorien verteidigen. Unsere Gewerkschaft demonstriert auch nicht mit Florian Philippot.“

Allerdings fügte er hinzu, die Gewerkschaft werde nächsten Monat einen Protestmarsch gegen den „Gesundheitspass“ organisieren. Er bekräftigte: „Alles, was obligatorisch ist, wirkt nicht. In dieser Frage muss die Regierung überzeugen statt zwingen.“ Genauso bedeutend wie Martinez' Aussagen war jedoch, was er nicht sagte: Er sagte nichts über die Gefahr durch die Öffnung der Schulen in dieser Woche oder über die Tatsache, dass sich täglich Zehntausende mit dem Virus infizieren und Tag für Tag fast 100 Menschen sterben. Er machte zudem deutlich, dass die Gewerkschaft nicht gegen Macrons Politik kämpfen wird.

Nur die Parti de l’égalité socialiste kämpft für eine internationale sozialistische Antwort zur weltweiten Ausrottung der Pandemie. Massenimpfungen müssen kombiniert werden mit durchgreifenden Lockdown-Maßnahmen wie der Schließung aller nicht systemrelevanten Produktion und der Schulen. Öffnungen dürfen nur möglich sein, wenn das Virus eliminiert wurde. Diese Ausrottung muss weltweit gezielt durchgeführt werden.

Ein solches Vorhaben erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse im internationalen Maßstab im Rahmen eines Kampfs gegen das kapitalistische System.

Loading