Cliff Slaughter: Eine politische Biografie (1928–1963)

Teil 4

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In dieser politischen Biografie wird das Leben Cliff Slaughters von 1928 bis 1963 behandelt. Sie wird in vier Teilen veröffentlicht. Dies ist der vierte und letzte Teil. Teil 1, Teil 2 und Teil 3 sind bereits erschienen. Der Zeitraum von 1963 bis zu Slaughters Tod wird in weiteren Teilen behandelt, die für einen späteren Zeitpunkt in diesem Jahr vorgesehen sind.

Cliff Slaughter

Slaughters Lenin on Dialectics

In derselben Ausgabe der Labour Review erschien der erste Teil eines dreiteiligen Essays von Slaughter mit dem Titel „In der Werkstatt der Revolution: Lenins Philosophische Hefte“. Er wurde später als Broschüre unter dem Titel Lenin on Dialectics (Lenin zur Dialektik) veröffentlicht und sollte zum bekanntesten und einflussreichsten von Slaughters theoretischen Werken werden. Der Essay war ein wichtiger Beitrag zur Klärung der Beziehung zwischen dem dialektischen Materialismus und der Analyse sozialer Phänomene und politischer Prozesse. Im Kampf gegen die Bestrebungen der SWP zur Wiedervereinigung mit dem Pablismus ist seine Bedeutung vergleichbar mit Trotzkis Darlegung der materialistischen Dialektik im Fraktionskampf innerhalb der Socialist Workers Party 1939–1940. Zusammen mit der Schrift Opportunism and Empiricism (Opportunismus und Empirismus), die Slaughter im März 1963 verfasste und die als Erklärung des SLL-Nationalkomitees herausgegeben wurde, spielte Lenin on Dialectics in den Jahren nach der Spaltung mit der Socialist Workers Party eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der Kader des Internationalen Komitees.

Darüber hinaus ging die hohe Wertschätzung, die Slaughter im gesamten Internationalen Komitee entgegengebracht wurde, zu einem großen Teil darauf zurück, dass die Genossen diese Schrift mit Gewinn studiert hatten.

Im Jahr 1961 brachte ein sowjetischer Verlag eine neue englischsprachige Ausgabe von Lenins Gesammelten Werken heraus – ein großes politisches und wissenschaftliches Ereignis. In einem neuen Band (Band 38) wurden Lenins umfangreiche Notizen zu bedeutenden Werken der Philosophie veröffentlicht. Die wichtigsten dieser „Philosophischen Hefte“ waren seine Konspekte zu Hegels Wissenschaft der Logik und Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Außerdem enthielt Band 38 den bemerkenswerten Aufsatz „Zur Frage der Dialektik“. Die Texte waren 1914–1915 in der Schweiz entstanden, wo sich Lenin nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs aufhielt.

Lenins Notizen über Hegel waren vor Erscheinen der neuen Werkausgabe außerhalb der Sowjetunion nicht völlig unbekannt gewesen. 1955 war eine viel beachtete französischsprachige Ausgabe unter dem Titel Cahiers philosophiques erschienen.

Die Veröffentlichung in englischer Sprache vergrößerte jedoch den Leserkreis beträchtlich und hatte immensen Einfluss auf die politische und wissenschaftliche Würdigung Lenins. Die Philosophischen Hefte belegen eindeutig, dass Lenin ein Denker von großer Tiefe war. Alle Versuche, ihn lediglich als geschickten Realpolitiker darzustellen, der intuitiv auf aktuelle Gelegenheiten reagierte, waren fortan hinfällig. Lenin war, wie er einmal von sich selbst in einem Brief an Gorki sagte, ein „Suchender“ in der Philosophie und fähig, äußerst komplexe und abstrakte Begriffe zu erfassen.

Wladimir Lenin

Mit Band 38 wurden wichtige Fragen aufgeworfen: In welchem Zusammenhang stand Lenins Hegel-Studium 1914–1915 mit der Machtergreifung der Bolschewiki 1917? Warum verbrachte Lenin mitten im Weltkrieg viele Stunden in der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern, um sich in Hegels Wissenschaft der Logik zu vertiefen, einen der schwierigsten und abstraktesten philosophischen Texte? Eine weitere Frage, die durch die Hefte aufgeworfen wurde, war ihre Beziehung zu einem früheren philosophischen Werk Lenins, Materialismus und Empiriokritizismus. Dieses Buch war oft als Aufguss eines „vulgären“ Materialismus kritisiert worden. Waren Lenins Aufzeichnungen über Hegel gleichbedeutend mit einer grundlegenden Umorientierung seiner Weltanschauung? Ging er von einem dumpfen „mechanischen Materialismus“ zu einer „dialektischen“ Mischung aus Materialismus und Idealismus über? Hatte Lenin unter dem Einfluss von Hegel die rettende Erleuchtung, und rückte er von seiner vorherigen unerbittlichen Ablehnung des Idealismus ab?

Die Führung der Socialist Labour League hatte bereits vor der Veröffentlichung von Band 38 Kenntnis von den Philosophischen Heften. 1958 hatte Peter Fryer in einem wichtigen Artikel der Labour Review, „Lenin als Philosoph“, aus den französischen Cahiers philosophiques zitiert. Fryer hatte Passagen aus der französischen Ausgabe übersetzt, um E. P. Thompson zu widerlegen, der Lenin verächtlich als Anhänger des mechanischen Materialismus abtat und ihm vorwarf, die Feinheiten des dialektischen Denkens nicht verstanden zu haben. [73]

Zweifellos waren Inhalt und Bedeutung der Philosophischen Hefte Gegenstand intensiver Diskussionen innerhalb der Führung der SLL, insbesondere zwischen Healy, Slaughter, Tom Kemp und Cyril Smith. Vor allem Healy legte großen Wert auf die Fragen der Methode, die durch die Auseinandersetzung mit der SWP aufgeworfen wurden. Unter Hinweis auf Trotzkis Auftreten gegen den Pragmatismus von James Burnham im Fraktionskampf 1939–1940 hatte die SLL bereits auf den stumpfsinnigen und banalen Pragmatismus aufmerksam gemacht, der die Politik der SWP prägte. Vermutlich wurde Slaughter von Healy dazu gedrängt, einen Aufsatz über den neuen Lenin-Band zu schreiben. Die Beweggründe dafür wurden in der Einleitung klar dargelegt:

Bei der jetzt beginnenden Weiterentwicklung der marxistischen Theorie, um die revolutionären Aufgaben der Arbeiterklasse in diesem und allen anderen Ländern zu lösen, werden sich diese Schriften als absolut unverzichtbar erweisen. Genau wie Lenin zu Beginn des Jahrhunderts seinen enormen eigenständigen Beitrag zur Theorie als Teil des Aufbaus einer revolutionären Führung leistete, so kann die theoretische Entwicklung auch heute nur Teil des lebendigen Kampfs sein, den Verrat und die theoretische Degeneration der sozialdemokratischen und stalinistischen Bewegungen zu überwinden. Bei der Überwindung der Folgen dieses Verrats geht es nicht um Worte, sondern um den Aufbau einer alternativen Führung, die die Arbeiterklasse mit der lebendigen Theorie ausstatten kann, die sie braucht, um sich über ihre historische Rolle und die notwendige Strategie des Klassenkampfs bewusst zu werden.

Bei der Lektüre von Lenin geht es also nicht darum, Rezepte für die Lösung unserer heutigen Probleme zu finden, sondern einen Einblick in die Methode dieses herausragenden Denkers und politischen Führers zu gewinnen. Mithilfe dieser Methode machte Lenin wichtige Entdeckungen über das Wesen des Weltkapitalismus und über die gesellschaftlichen Verhältnisse und Ideologien seiner Zeit, besonders in Russland. Diese Entdeckungen fanden mehr Beachtung als die Methode selbst, und doch war Lenins Anwendung der dialektischen Methode der Schlüssel zu seiner Fähigkeit, neue Etappen der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung zu analysieren, und zu seiner Meisterschaft in der politischen Strategie und Taktik (Hervorhebung im Original). [74]

Slaughter wies die Versuche zurück, Lenins Aufzeichnungen zur hegelschen Logik als Bruch mit Materialismus und Empiriokritizismus darzustellen:

In gewissen Kreisen wird gern behauptet, dass Lenin erst mit der Lektüre von Hegel in den Jahren 1914–1915 die Dialektik begriffen habe; es ist sogar Mode, dies als erwiesen zu betrachten. Demnach soll Lenin in seinen frühen Schriften grobschlächtig und mechanisch vorgegangen sein; diese Grobschlächtigkeit soll in Materialismus und Empiriokritizismus (1908) am deutlichsten zum Ausdruck kommen, und das impliziert, dass seine Haltung zur Parteiorganisation und zu politischen Fragen starr und dogmatisch war. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Argumentation auf sehr wackligen Beinen steht: Anstelle einer Untersuchung des eigentlichen Werks von Lenin, einschließlich Materialismus und Empiriokritizismus, werden uns in der Regel verstümmelte Auszüge serviert, die die Bedeutung dieser Schrift verfälschen, oder eine Reihe von kurzen Zitaten aus den Heften, die angeblich zeigen, dass Lenin sich von seinen früheren philosophischen Auffassungen losgesagt hätte …

Es steht zwar außer Frage, dass die Lektüre von Hegel zu Beginn des Ersten Weltkriegs Lenins theoretisches Denken bereicherte und es ihm ermöglichte, tiefer zum Wesen der Widersprüche des Imperialismus und der Arbeiterbewegung vorzudringen, aber es ist völlig falsch, eine starre Grenze zwischen der „vorhegelianischen“ und der „nachhegelianischen“ Phase seines politischen Lebens zu ziehen, wie es heute oft gemacht wird. In Wirklichkeit hat Lenins Werk selbst eine wahrhaft dialektische Entwicklung durchgemacht. [75]

Im zweiten Teil seines Aufsatzes stellte Slaughter Lenins Werk über Hegel in Beziehung zu den Problemen der politischen Analyse und Praxis, die sich aus der Auseinandersetzung mit der SWP ergaben. Der SWP-Führer Joseph Hansen – der später vom Internationalen Komitee als FBI-Spitzel enttarnt wurde – plädierte für eine politische Praxis, die auf einer impressionistischen Reaktion auf die „Fakten“ der gegebenen Umstände beruht. Damit einher ging, wie Slaughter betonte, eine Form des – häufig mit Materialismus verwechselten – passiven „Objektivismus“, der politische Ereignisse so betrachtete, als ob sie sich völlig außerhalb und unabhängig vom menschlichen Handeln im Allgemeinen und der „kritisch-revolutionären“ Tätigkeit im Besonderen entfalten würden.

Der Objektivist spricht – wie Lenin bereits 1894, also 20 Jahre vor der Niederschrift der Hefte erklärt hatte – von der „Notwendigkeit“ des einen oder anderen politischen Ergebnisses; versäumt es aber im Gegensatz zum marxistischen (dialektischen) Materialisten aufzudecken, „welche sozialökonomische Formation diesem Prozess seinen Inhalt gibt, welche Klasse diese Notwendigkeit festlegt“. [76] Wie Slaughter betonte, reduziert diese Kombination aus impressionistischer „Anbetung der vollendeten Tatsachen“ und objektivistischer Passivität die marxistische Partei, soweit sie dann noch als marxistisch bezeichnet werden kann, auf die Rolle eines ohnmächtigen Zuschauers, der sich der Verantwortung entzieht, in die Entwicklung einzugreifen und der Arbeiterklasse eine Führung zu geben, um die Ereignisse – soweit ein solches Potenzial objektiv vorhanden ist – in eine revolutionäre Richtung zu lenken.

Slaughter vertrat die Auffassung, dass Lenins Arbeit über Hegel die revolutionäre Bewegung im Widerstand gegen einen solchen im Wesentlichen nicht-marxistischen und revisionistischen Ansatz stärkt:

Es mag den Anschein haben, als seien Lenins Notizen zu Hegel undurchsichtig und nicht das Dringendste, mit dem man sich beschäftigen muss, während überall auf der Welt große Dinge geschehen. Doch gerade an der theoretischen Front muss der Kampf besonders scharf und kompromisslos geführt werden. Irrtümer auf diesem Gebiet können zu einer insgesamt falschen Methode führen, die Beziehungen zwischen den Fakten werden völlig missverstanden, und es werden ganz falsche Schlüsse gezogen. Beispielsweise gehen einige „Marxisten“ von der Annahme aus, dass die marxistische Methode denselben Ausgangspunkt habe wie die Empirie, nämlich „die Fakten“. Wenn dies so wäre, dann wäre es unbegreiflich, weshalb Lenin und andere so viel Zeit auf Hegel und die dialektische Methode verwendet haben. Natürlich basiert jede Wissenschaft auf Fakten. Aber dabei ist entscheidend, wie „die Fakten“ definiert und festgestellt werden. Eine Wissenschaft entsteht ja unter anderem gerade dadurch, dass sie ihr Gebiet und dessen Gesetzmäßigkeiten abgrenzt und definiert: In der Erfahrung wird der Nachweis erbracht, dass ein objektiver und gesetzmäßiger Zusammenhang zwischen den betreffenden „Fakten“ besteht, und zwar dergestalt, dass die Wissenschaft von diesen Fakten eine sinnvolle und nützliche Grundlage für die Praxis ist. Von einem solchen Zustand sind unsere „empirischen“ Marxisten auf dem Gebiet der Gesellschaft und der Politik weit entfernt. Ihr Vorgehen besteht darin, zu sagen: Wir hatten ein Programm, das auf den Fakten von 1848 oder 1921 oder 1938 beruhte; jetzt sind die Fakten offensichtlich andere, also brauchen wir ein anderes Programm …

Es ist eine falsche und nicht-marxistische Auffassung der „Fakten“, die zu diesen revisionistischen Ideen führt. Wenn unsere „Objektivisten“ verkünden, dass „die Geschichte auf unserer Seite“ ist, dann meinen sie Folgendes: Man schaue sich die aktuellen großen Kämpfe an, addiere sie auf, ohne sie zu analysieren, gehe von seinen Eindrücken über ihre Bedeutung aus und packe das alles zusammen – und schon hat man „die Fakten“. Koloniale Revolutionen sind hier, da und dort erfolgreich; und schon ist der Erfolg der kolonialen Revolution eine Tatsache. Nationalistische Führer wie Nkrumah, Mboya und Nasser halten „antiimperialistische“ Reden und führen sogar Verstaatlichungen durch; daraus ergibt sich die unumkehrbare und unaufhaltsame Neigung der Geschichte, nichtproletarischen Politikern eine sozialistische Richtung aufzuzwingen. Aber ein solcher „Objektivismus“ ist eine Ansammlung von Eindrücken und keine gehaltvolle dialektische Analyse des Gesamtbilds, dessen Teile zueinander in Beziehung gesetzt werden. Eine wirklich objektive Analyse geht von den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Klassen im Weltmaßstab und innerhalb der Nationen aus. Sie geht von einer Analyse der Beziehungen zwischen den Bedürfnissen dieser Klassen und ihrem Bewusstsein und ihrer Organisation aus. Darauf stützt sie ihr Programm für die Arbeiterklasse international und in jedem nationalen Sektor. Eine Aufzählung der „progressiven Kräfte“ ist keine objektive Analyse! Sie ist das Gegenteil, nämlich eine bloße Sammlung oberflächlicher Eindrücke, ein Hinnehmen des bestehenden unwissenschaftlichen Bewusstseins im gegenwärtigen Klassenkampf, wie es von den Teilnehmern – vor allem von kleinbürgerlichen Politikern an der Spitze der nationalen Bewegungen und bürokratisierten Arbeiterbewegungen – vertreten wird. Diesen theoretischen Unfug mit der Behauptung zu überdecken, Castro und andere seien „natürliche“ Marxisten (wie von Hansen und der SWP behauptet), bestätigt nur, dass sich die betreffenden „Theoretiker“ gar nicht klarmachen, wie weit sie gegangen sind. Sie legen offenbar nahe, dass in Perioden maximaler revolutionärer Spannung die Teilnehmer am Massenkampf leicht und spontan zu revolutionären Auffassungen gelangen. Dabei ist im Gegenteil gerade in solchen Zeiten das wissenschaftliche Bewusstsein, die über einen langen Zeitraum im Kampf entwickelte Theorie und Strategie, besonders wichtig.

Das Wesen der Geschichte der proletarisch-revolutionären Bewegung ist das bewusste Bemühen um die Entwicklung einer wissenschaftlichen Theorie und einer Strategie, die dieser Wissenschaft entspricht. Das ganze Gerede über „natürliche“ Entwicklungen hin zum Marxismus richtet sich gegen die Notwendigkeit, diesen Prozess fortzusetzen. Der Empiriker glaubt, dass er die verschiedenen Teile des gesellschaftlichen Prozesses in der Form untersuchen kann, in der sie sich von einem Tag zum nächsten darstellen. Wenn man sie alle zusammennehme, erhalte man ein „realistisches“ oder „objektives“ Gesamtbild und eine internationale Perspektive. [77]

Slaughter redete keiner überheblichen Missachtung der „Fakten“ das Wort. Dieser Vorwurf wird häufig von Pragmatikern erhoben, die sich keine Rechenschaft darüber ablegen, von welcher Methode, welchen sozialen Interessen oder sogar krassen politischen und theoretischen Vorurteilen sie sich leiten lassen, wenn sie bestimmte „Fakten“ als wichtig und andere als unwichtig bewerten. Sie kümmern sich wenig oder gar nicht darum, in welchen Begriffen sie denken. Dieser allgemeine theoretische Mangel wird von Hegel in Wissenschaft der Logik explizit behandelt und steht im Zentrum der Notizen Lenins, der Hegels monumentales Werk vom Standpunkt des Materialismus durcharbeitete. Die fundamentale Bedeutung des theoretisch bewussten (d. h. dialektisch-materialistischen) Denkens, das die Voraussetzung für eine wissenschaftlich richtige Widerspiegelung der objektiven Realität bildet, erläutert Lenin mit den Worten:

Die Logik ist die Lehre von der Erkenntnis. Sie ist Erkenntnistheorie. Erkenntnis ist die Widerspiegelung der Natur durch den Menschen. Aber das ist keine einfache, keine unmittelbare, keine totale Widerspiegelung, sondern der Prozess einer Reihe von Abstraktionen, der Formierung, der Bildung von Begriffen, Gesetzen etc., welche Begriffe, Gesetze etc. (Denken, Wissenschaft = „logische Idee') eben bedingt, annähernd die universelle Gesetzmäßigkeit der sich ewig bewegenden und entwickelnden Natur umfassen. Hier gibt es wirklich, objektiv drei Glieder: 1) die Natur; 2) die menschliche Erkenntnis = das Gehirn des Menschen (als höchstes Produkt eben jener Natur) und 3) die Form der Widerspiegelung der Natur in der menschlichen Erkenntnis, und diese Form sind eben die Begriffe, Gesetze, Kategorien etc. Der Mensch kann die Natur nicht als ganze, nicht vollständig, kann nicht ihre „unmittelbare Totalität“ erfassen = widerspiegeln = abbilden, er kann dem nur ewig näher kommen, indem er Abstraktionen, Begriffe, Gesetze, ein wissenschaftliches Weltbild usw. usf. schafft. [78]

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Slaughter erläuterte zwar die immense Bedeutung von Hegels Ausarbeitung der dialektischen Logik, legte aber großen Wert darauf, die idealistischen Grundlagen seines Werks und damit auch dessen Grenzen zu betonen. Er warnte direkt: „Diejenigen, die leichtfertig von der ‚Anwendung‘ der Dialektik sprechen, nehmen fälschlicherweise an, die ‚dialektische Methode‘ sei eine Abkürzung, um all die harte Arbeit [der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Analyse] zu umgehen.“ [79]

Eine wirklich wissenschaftliche Aneignung der Fortschritte, die Hegel bei der dialektischen Logik erzielt hatte, setzte eine Hinwendung zum Materialismus voraus, die Marx vollzog und die ihm nicht nur eine philosophische Kritik abverlangte. Wie Slaughter erklärte:

Lenin konnte sich nicht nur auf die philosophische Ablehnung Hegels durch den jungen Marx stützen, sondern vor allem auf die wissenschaftlichen ökonomischen und sozialen Studien, die Marx bei dieser Hinwendung zum Materialismus durchgeführt hatte. Die „objektive, vom Menschen geschaffene Welt“ bestand aus einer bestimmten Abfolge von historisch spezifischen sozioökonomischen Gebilden, die auf bestimmten Produktionsverhältnissen beruhten. Diese „ökonomischen Strukturen“, d. h. die Beziehungen, die Menschen zur Ausschöpfung der durch die gesamte menschliche Erfahrung geschaffenen Produktivkräfte, Fertigkeiten und Techniken notwendigerweise eingingen, bildeten die objektive Grundlage der gesamten menschlichen Tätigkeit und damit auch jeder wissenschaftlichen Theorie dieser Tätigkeit. Mit dem Ende der spekulativen Philosophie bestand die Aufgabe der Sozialwissenschaft bzw. des historischen Materialismus darin, die notwendigen Zusammenhänge und Widersprüche im gesellschaftlichen Leben zu erfassen, ausgehend von der „Produktionsweise des materiellen Lebens“. Der Arbeiterklasse diese Widersprüche zu Bewusstsein zu bringen, damit sie ihren Kampf gegen den Kapitalismus besser organisieren konnte – das war das Lebenswerk von Marx, das weitgehend der wissenschaftlichen Analyse der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Widersprüche gewidmet war. Die Marxisten haben heute die Verantwortung und die Möglichkeit, die Zusammenhänge zwischen dem Niedergang der kapitalistischen Gesellschaft, dem Kampf des Proletariats und dem Bewusstsein bzw. der Theorie des Proletariats, die in der revolutionären Partei ihren Höhepunkt findet, weiter zu vertiefen. Die wichtigsten Beiträge dazu leisteten Lenin von 1896 bis zu seinem Tod und Trotzki in den Jahren 1922 bis 1940, im Kampf erst gegen die stalinistische Degeneration der internationalen kommunistischen Bewegung und dann für den Aufbau einer Vierten Internationale in einer Zeit des gewaltsamen Auseinanderbrechens des Imperialismus. [80]

Die Wirkung von Slaughters Aufsatz auf die Kader des Internationalen Komitees, insbesondere auf die Kräfte, die nach der Spaltung mit der SWP für das IKVI gewonnen worden waren, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. An dieser Stelle bin ich verpflichtet, auf seine Bedeutung für meine eigene theoretische Ausbildung und politische Entwicklung hinzuweisen. Als das Abdriften der Workers Revolutionary Party in Richtung des pablistischen Opportunismus in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren immer deutlicher wurde, gewann die Frage nach dem Zusammenhang zwischen diesem Abgleiten und Healys Rückgriff auf eine pseudo-hegelianische Fehlinterpretation der Philosophischen Hefte Lenins große Bedeutung. Meine wachsenden Zweifel an der Richtigkeit von Healys Ansatz – vielmehr die Überzeugung, dass seine Vorträge und Artikel zu Band 38 falsch waren und einer umfassenden Kritik bedurften – wurden durch meine erneute Lektüre von Lenin on Dialectics im Herbst 1982 stark beeinflusst. Ich schrieb lange Auszüge aus Slaughters Arbeit ab und kommentierte sie, um mir Klarheit zu verschaffen.

In einer Bewertung von Slaughters Herangehensweise an das Studium der Philosophischen Hefte schrieb ich:

Slaughter betont zwar zu Recht die große Bedeutung von Lenins Studium der hegelschen Logik, macht aber keine Zugeständnisse an den Idealismus Hegels, versucht also nicht, den grundlegenden Unterschied zwischen Lenin, dem Materialisten, und Hegel, dem Idealisten, zu verwässern. Lenin, der Parteigänger des Materialismus, eignete sich alles Rationale der hegelschen Logik an, um die materialistische Dialektik zu bereichern. So verweist Slaughter zutreffend auf die kritischen Bemerkungen Lenins, die sich gegen den Idealismus Hegels richten:

„Die Mystik, der Idealismus in der Geschichte der Philosophie werden von dem Mystiker, Idealisten und Spiritualisten Hegel (so wie von der ganzen offiziellen, pfäffisch-idealistischen Philosophie unserer Zeit) herausgestrichen und durchgekaut …“ [W. I. Lenin, Werke, Band 38, S. 269]

Charakteristisch für Slaughters Ansatz im Unterschied zu GH [Gerry Healy] ist der Nachweis, dass Lenins gesamtes Werk von der dialektischen Methode durchdrungen war. Folglich war Lenins Studium der Frage der Logik darauf gerichtet, genauer zu verstehen, wie sich die Logik der Materie dialektisch im Denken widerspiegelt. Dialektik = wie die Bewegung in der äußeren Welt, in allen Phänomenen, durch Begriffe ausgedrückt wird …

Slaughter erkennt an, dass eine wissenschaftliche Untersuchung die unabdingbare Voraussetzung für die dialektisch-materialistische Methode ist. Dies ist ganz im Sinne von Marx und Engels. Philosophische Kategorien können diese Untersuchung nicht ersetzen, denn sie können in ihrer eigenen Selbstbewegung keinen Inhalt hervorbringen. Die bewusste Entwicklung der dialektischen Methode ist das Werk der Wissenschaft, die sich mit der Entdeckung der Bewegungsgesetze aller Phänomene und mit ihrem allseitigen Zusammenhang beschäftigt. Slaughter bringt dies auch mit der Entwicklung der Wissenschaft der revolutionären Politik in Verbindung und stellt die Kontinuität von Lenins Werk insbesondere in Trotzkis Kampf gegen die stalinistische Degeneration der UdSSR fest. Dieses entscheidende Element findet in den Artikeln von GH [Gerry Healy] kaum Erwähnung; und wenn es doch erwähnt wird, dann nur, um seine verstümmelte Version der hegelschen Dialektik vorzustellen, anstatt die wirkliche Entwicklung der materialistischen Dialektik durch Trotzki zu analysieren. Was die erste Frage betrifft, d. h. die Notwendigkeit einer wirklich wissenschaftlichen Untersuchung, so erübrigt sich diese nach Auffassung von GH durch die abstrakte Reproduktion von Kategorien, da die Selbstbewegung des Denkens die Kategorien dupliziere, durch die sich das „richtige“ Denken (wie Iljenkow behauptet) bewege. Daher die Möglichkeit „schneller“ Praktiken, die sich zwingend aus der Dialektik der abstrakten Begriffe ergeben. Das Ergebnis dieser Methode ist unweigerlich eine unkritische Akzeptanz der Eindrücke, die fälschlicherweise als dialektischer Fluss von Begriffen interpretiert werden. Man beglückwünscht sich also unaufhörlich dazu, den „richtigen“ Gedanken in der richtigen Reihenfolge zu haben. Die Prämisse dieser gesamten Verfahrensweise ist die einfache Gleichsetzung von Materie und Denken. Anstatt dass die Dialektik des Denkens (durch einen komplexen Prozess und eine Annäherung) die Dialektik der Dinge widerspiegelt, wird die geistige Dialektik mit der materiellen Dialektik gleichgesetzt (oder genauer: Die dialektische Materie und ihre Widerspiegelung im Denken werden als ein einziger und undifferenzierter Prozess aufgefasst). [81]

In einer Gesamtwürdigung der Bedeutung von Lenin on Dialectics kam ich zu dem Schluss:

Slaughters Werk, das ursprünglich 1962 veröffentlicht wurde, war ein wichtiger Beitrag zum Kampf für den dialektischen Materialismus innerhalb der trotzkistischen Bewegung und ist bis heute die vielleicht beste Darstellung der allgemeinen Merkmale der dialektischen Methode. Es wird nicht versucht, die Rolle der Dialektik durch Rückgriff auf eine prätentiöse und mystische Sprache zu verschleiern. Die zentralen Punkte sind klar: Der Mensch denkt in Begriffen, aber diese Begriffe sind nicht starr, sondern spiegeln die sich ständig verändernde Wirklichkeit wider. Die Weiterentwicklung unserer revolutionären Begriffe spiegelt die Veränderungen in der materiellen Welt wider, deren Wesen die Partei im Laufe ihres Kampfs zur Vorbereitung und Führung der sozialistischen Revolution durchdringt. In jeder Phase ihrer revolutionären Tätigkeit in einer sich ständig verändernden kapitalistischen Welt versucht die marxistische Partei, die inneren Gesetze der Weltkrise zu entdecken. Die dialektische Bewegung muss aus der Welt selbst hergeleitet und in Begriffen ausgedrückt werden, die nur das Ergebnis langwieriger wissenschaftlicher Arbeit sein können.

Das Buch verdient nach wie vor ein sorgfältiges Studium durch die Genossen. [82]

Diese Empfehlung halte ich auch 39 Jahre später aufrecht.

Die SLL verurteilt den Verrat der SWP am Trotzkismus

Slaughters Studium der Philosophischen Hefte Lenins stärkte die SLL im Kampf gegen den Revisionismus. Am 21. Juli 1962 veröffentlichte das Nationalkomitee eine Erklärung mit dem Titel „Verrat am Trotzkismus: Die SWP akzeptiert die politische Methode des pablistischen Revisionismus“, die hauptsächlich von Slaughter verfasst worden war. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass die SLL eine Wiedervereinigung ohne Klärung der Ursachen und Folgen der Spaltung von 1953 nicht akzeptieren würde. Sie wies die Behauptung zurück, dass die angeblichen Erfolge des Castro-Regimes, das ohne unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse an die Macht kam, ein Grund für eine Wiedervereinigung mit den Pablisten seien. Kuba könne nicht als Ausgangspunkt für die Ausarbeitung der Strategie der Vierten Internationale dienen. Es sei falsch, dass die SWP Kuba so großes Gewicht beimesse. „Wir müssen“, schrieb Slaughter, „von der Notwendigkeit ausgehen, in jedem Land leninistische Parteien zu gründen und in erster Linie den Revisionismus zu besiegen.“ [83]

Die pablistische Doktrin der politischen Kapitulation war unvereinbar mit dem Aufbau von Sektionen der Vierten Internationale:

Die Kapitulation vor den Zentristen oder „linken Strömungen“ in dieser Phase kommt einem Verrat gleich, der größer ist als der von 1953. Apologien für nicht-marxistische Führungen, Behauptungen, dass eine kleinbürgerliche Führung durch die Macht der „objektiven Kräfte“ „auf natürlichem Wege“ marxistisch werden könne – all dies droht die Arbeiterklasse zu entwaffnen, indem es die marxistische Führung desorientiert. Wenn jetzt vor den Zentristen kapituliert wird und die Arbeiterklasse daran gehindert wird, mit der sozialdemokratischen, stalinistischen und gewerkschaftlichen Bürokratie zu brechen, dann werden die Revisionisten die Verantwortung für enorme Niederlagen der Arbeiterklasse tragen. [84]

Die britischen Trotzkisten sprachen folgende Warnung aus: „Die Socialist Labour League ist nicht bereit, sich mit diesem Revisionismus abzufinden, und wird ihn bis zu Ende bekämpfen.“ [85] Diese Warnung wurde in einem Leitartikel der Labour Review bekräftigt:

Zum jetzigen Zeitpunkt suchen andere, die einst stolz darauf waren, orthodoxe Trotzkisten zu sein, nach Mitteln und Wegen, sich mit Pablo zu vereinigen. Allenthalben wird nachgeplappert: „Vergessen wir die Vergangenheit! Diskutieren wir nicht über die politischen Gründe für die Spaltung mit dem Pablismus von 1953.“ …

Diese neue Gruppe von Revisionisten möchte, dass wir die Geschichte in diesem Sinne schreiben: 1953 hatten wir eine tiefe Spaltung mit Pablo, heute ist das alles vergessen, es war nur ein Albtraum, es hat nie stattgefunden. Vergesst die Vergangenheit, schaut nur auf die „neue Realität“. Diese erbärmliche Abkehr von der trotzkistischen Theorie bildet die neue Speerspitze des Revisionismus gegen die marxistische Bewegung …

Klar ist: Diese Diskussion wird zeigen, dass es keine Einheit zwischen den Marxisten und den Revisionisten geben kann. Die Socialist Labour League wird sich unter keinen Umständen an einem solchen politischen Betrug beteiligen. Wir sind bereit, mit allen zu diskutieren und zusammenzuarbeiten, die sich als Trotzkisten bezeichnen und bereit sind, mit uns zu reden und zusammenzuarbeiten. Aber wir werden niemals einer Einheit auf organisatorischer Basis zustimmen, ohne dass eine gründliche politische Klärung stattgefunden hat. [86]

Opportunismus und Empirismus und die Spaltung des Internationalen Komitees

Joseph Hansen, der wichtigste politische Führer der SWP und Architekt ihres Strebens nach Wiedervereinigung mit dem pablistischen Internationalen Sekretariat, reagierte im November 1962 auf Lenin on Dialectics mit einem bösartigen Angriff auf die Socialist Labour League und Cliff Slaughter. Hansens Dokument mit dem Titel „Kuba – der Härtetest: Eine Antwort auf die ultralinken Sektierer“ verströmte den Gestank einer stalinistischen Hetzschrift. Und genau das war es auch: Im Zuge einer Untersuchung über die Ermordung Trotzkis stieß das Internationale Komitee in den 1970er Jahren auf Beweise dafür, dass Hansen als Agent der sowjetischen Geheimpolizei GPU in die SWP eingetreten war. Hansen, der in seiner üblen Rhetorik Sarkasmus mit Verdrehungen und offenen Fälschungen verband, machte sich die theoretische Gleichgültigkeit und politische Unwissenheit der SWP-Mitglieder zunutze, die zunehmend aus Studenten der wohlhabenden Mittelschicht bestanden. Er machte sich über das Interesse der SLL an Fragen der Theorie lustig oder stellte es als Ausdruck einer psychischen Störung dar. Die Weigerung der SLL, zu akzeptieren, dass in Kuba ein Arbeiterstaat errichtet wurde, sei auf ihre befremdliche Voreingenommenheit gegenüber „Fakten“ zurückzuführen. In spöttischem Ton schrieb Hansen:

Die SLL-Führer haben sich geweigert, auf die amerikanischen und kanadischen Trotzkisten zu hören, die die Ereignisse in Kuba von Anfang an mit großer Aufmerksamkeit verfolgt haben [als ob die SLL das nicht getan hätte!]. Sie haben sich geweigert, auf die lateinamerikanischen Trotzkisten zu hören, die die Entwicklung und die Ergebnisse der Revolution sowohl in ihrer Heimat als auch im Rest des Kontinents aus erster Hand kennen. Sie verachten die Schlussfolgerungen, die andere Trotzkisten in der Welt gezogen haben. Warum diese hartnäckige Weigerung, konkrete Ereignisse zuzugeben? Das Erstaunlichste ist, dass die Führer der SLL im Wissen um ihre Weigerung, die Fakten anzuerkennen, diese zu einer Tugend und sogar zu einer Philosophie erhoben haben. Die Argumentation ist sehr einfach: Das Anerkennen von Fakten kennzeichnet den Empirismus; der Marxismus ist gegen den Empirismus; deshalb lehnen wir als Marxisten die Anerkennung von Fakten ab. [87]

Joseph Hansen

Unabhängig davon, ob andere „Trotzkisten“ Kuba als „Arbeiterstaat“ betrachteten oder nicht, konnte die Frage des Klassencharakters des kubanischen Staats ohne eine sorgfältige Prüfung ihrer Argumente keineswegs geklärt werden. Zu Trotzkis Zeiten hielten Millionen Menschen Stalin für Lenins politischen Erben, die Sowjetunion für ein Arbeiterparadies und die Angeklagten der Moskauer Prozesse für schuldig. Dies hielt Trotzki nicht davon ab, Stalin als Konterrevolutionär zu verurteilen, die Sowjetunion als degenerierten Arbeiterstaat zu bezeichnen und eine politische Revolution zum Sturz des bürokratischen Regimes zu fordern. Darüber hinaus war es eine politische Provokation, den von Hansen konstruierten absurden Syllogismus („Das Anerkennen von Fakten ist charakteristisch für den Empirismus; der Marxismus ist gegen den Empirismus; deshalb lehnen wir als Marxisten die Anerkennung von Fakten ab.“) als korrekte Wiedergabe der Argumentation der SLL zu präsentieren.

Hansen machte sich über die oben ausführlich zitierte Passage aus Lenin on Dialectics lustig (die mit den Worten beginnt: „Es mag den Anschein haben, als seien Lenins Notizen zu Hegel undurchsichtig und nicht das Dringendste, mit dem man sich beschäftigen muss, während überall auf der Welt große Dinge geschehen.“). Hansen witzelte über „die originelle akademische Sprache, von der die Leser dieses Artikels hingerissen waren“, und fuhr fort:

Es lohnt sich, diese glänzende Passage zu studieren, denn sie offenbart die theoretische Methode, mit der die SLL-Führer die kubanische Revolution und vieles andere in der heutigen Welt angehen. Wir vermerken den einschränkenden Satz: „Natürlich basiert jede Wissenschaft auf Fakten.“ Man muss dem Autor zu diesem Eingeständnis gratulieren; es ist ein begrüßenswerter Hinweis darauf, dass zumindest ein gewisses Bewusstsein für die Existenz einer materiellen Welt besteht. Man kann ihm sogar einen Orden für die kluge Feststellung verleihen, dass verschiedene Wissenschaften unterschiedliche Gebiete abdecken, dass auf diesen Gebieten die Fakten unterschiedliche Bedeutung haben und dass es die Aufgabe der Wissenschaft ist, ihre Bedeutung und die Bedeutung der Beziehungen zwischen ihnen aufzuzeigen, damit wir sie uns zunutze machen können …

Der Fehler Slaughters besteht darin, dass er eine absolute Kluft zwischen Empirismus und Marxismus errichtet und dabei ihre Gemeinsamkeiten außer Acht lässt. Kurz gesagt, er macht sich in diesem Punkt eines starren, mechanischen Denkens schuldig. Wir plädieren jedoch dafür, den Schuldigen in Anbetracht der neuen Umstände mit einer leichten Strafe davonkommen zu lassen. Wie oft kommen wir in den Genuss, uns von einem britischen Metaphysiker vorführen zu lassen, dass das schwere Gerät der akademischen Gelehrsamkeit so fein gesteuert werden kann, dass der Beweis erbracht wird, dass Kleinigkeiten wie Fakten nicht zählen? Und das mit Lenins Philosophischen Heften, die als Informationen in die Maschine eingespeist werden! Das ist besser, als eine Walnuss mit einem Rammbock zu knacken.

Eine solche Antwort konnte nur von jemandem geschrieben werden, der keine geistige Verbindung zu den philosophischen Grundlagen des Marxismus hatte. Mit der Behauptung, dass Marxismus und Empirismus eine gemeinsame Grundlage in der beiderseitigen Akzeptanz der „Fakten“ hätten und dass „systematisch angewandter“ [88] Empirismus die Methode des Marxismus sei, wurde der grundlegende Unterschied zwischen Idealismus und Materialismus schlicht übertüncht. Die „Fakten“ werden natürlich auch von Idealisten anerkannt. Was sie jedoch nicht anerkennen, ist, dass „Fakten“ Abstraktionen von einer Wirklichkeit sind, die unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existiert. Genau diese Frage stand im Zentrum von Lenins Angriff auf den Machismus in Materialismus und Empiriokritizismus.

Hansen behauptete im Weiteren, dass die Weigerung, Kuba als Arbeiterstaat zu definieren, gleichbedeutend mit der Ablehnung der Verteidigung Kubas gegen den amerikanischen Imperialismus sei. Diese ungeheuerliche Lüge wurde in den folgenden Jahren zu einer der Hauptwaffen im Arsenal der pablistischen Denunziationen gegen die Socialist Labour League und das Internationale Komitee.

Die SLL antwortete Hansen in einer Erklärung ihres Nationalkomitees vom 23. März 1963. Sicherlich trug auch Mike Banda dazu bei, doch der Hauptverfasser war Cliff Slaughter. Er begann damit, dass er Hansens Hinweis auf „konsequenten Materialismus“ als „blanken Unfug“ zurückwies. Slaughter schrieb:

Der Empirismus und sein transatlantischer jüngerer Bruder, der Pragmatismus, erklären es für unmöglich, folgende Frage zu beantworten: „Wie ist die objektiv existierende Welt beschaffen?“ Damit lassen sie das Tor für den subjektiven Idealismus offen, der die Welt allein aus dem Geist erklärt. Der Empirismus, der die Geschichte der Philosophie ignoriert, lehnt die dialektische Erkenntnistheorie als „Metaphysik“ ab. Nur die dialektisch-materialistische Sichtweise kann die Welt erklären, denn sie beinhaltet eine materialistische Erklärung sowohl der Entwicklung unserer Begriffe als auch der materiellen Welt, die sie widerspiegeln. Der Empirismus muss abgelehnt, nicht „konsequent“ durchgeführt werden. Dieser methodische Fehler Hansens hat viele Aspekte (Hervorhebung im Original). [89]

Hansens plumper Umgang mit wesentlichen Fragen der marxistischen Philosophie und Methode erinnerte an die Warnungen, die Trotzki während des Fraktionskampfs 1939–1940 im Hinblick auf das niedrige theoretische Niveau der Socialist Workers Party geäußert hatte. Slaughter wies darauf hin, dass Trotzki „die SWP in seinen letzten Schriften warnte, dass sie einen entschlossenen Kampf an der theoretischen Front gegen die ‚amerikanische‘ Philosophie des Pragmatismus, einen jüngeren Ableger des Empirismus, fördern müsse; wenn dies nicht geschehe, werde es keine echte marxistische Entwicklung in den USA geben. Hansen und Cannon ‚bestätigen‘ heute Trotzkis Warnungen im Negativen.“ [90]

Als Beispiel für diese Bestätigung führte Slaughter Cannons Reaktion auf die „Kubakrise“ an, die im Oktober 1962 die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion an den Rand eines Atomkriegs gebracht hatte. Als die Kennedy-Regierung bei Überwachungsflügen mit U-2-Spionageflugzeugen aus großer Höhe feststellte, dass die Sowjetunion ballistische Raketen auf Kuba installiert hatte, forderte sie deren sofortige Demontage und Entfernung aus dem Land. Präsident John F. Kennedy ordnete eine Blockade Kubas an und erklärte, dass alle sowjetischen Frachter, die sich der Insel näherten, von amerikanischen Seestreitkräften angehalten, geentert und inspiziert würden. Jedes sowjetische Schiff, das die Inspektion verweigerte und sich der Blockade widersetzte, würde beschossen werden.

Fast zwei Wochen lang stand die Welt am Rand eines militärischen Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, bei dem auch thermonukleare Waffen eingesetzt worden wären. In letzter Minute gab Nikita Chruschtschow – der sechs Jahre nach seiner Geheimrede noch immer im Amt war – bekannt, dass die sowjetischen Raketen abgezogen würden. Die Kennedy-Regierung sagte im Gegenzug zu, nicht in Kuba einzumarschieren. Die unmittelbare Gefahr eines Atomkriegs war gebannt.

Am 31. Oktober 1962, nur wenige Tage nach der sowjetischen Bekanntgabe des Raketenabzugs, schickte James P. Cannon – der, inzwischen 72 Jahre alt, halb im Ruhestand in Los Angeles lebte – einen Brief an seinen Nachfolger als nationaler Sekretär, Farrell Dobbs. Seine Bewertung der Krise und ihres Ausgangs bestand aus banalen, quasi pazifistischen Gemeinplätzen. Sie kam einer Rechtfertigung für das Vorgehen der Sowjetunion gleich, in dem sich skrupelloses Abenteurertum mit kläglicher Feigheit mischte. Nach einem Rückblick auf die Maßnahmen der Kennedy-Regierung schrieb Cannon:

Angesichts dieser direkten und unmittelbaren Bedrohung des Weltfriedens und der kubanischen Revolution lenkte Chruschtschow ein. Er erklärte sich bereit, die Raketen abzuziehen und die Stützpunkte unter Aufsicht der UNO zu demontieren. Als Gegenleistung erhielt er die Aussetzung der Blockade und öffentliche Zusicherungen, dass Kuba nicht überfallen würde.

Was hätte er unter den gegebenen Umständen sonst tun können? Angesichts der offensichtlichen Entschlossenheit Washingtons, notfalls bis zum Äußersten zu gehen, wäre es leichtsinnig gewesen, einen thermonuklearen Krieg auszulösen und die USA zur Vernichtung der kubanischen Stützpunkte herauszufordern.

Unserer Meinung nach war es vernünftig von Chruschtschow, einen Rückzieher zu machen und so die Welt vor einem Krieg und die kubanische Revolution vorläufig vor einem Angriff durch übermächtige Kräfte zu bewahren. Denn Zeit ist von entscheidender Bedeutung!

Der Rückzug war unausweichlich, und bei den Zugeständnissen wurde, soweit sie uns bekannt sind, nichts Wesentliches aufgegeben. Diejenigen, die anders urteilen, sollten uns sagen, welchen anderen Weg Chruschtschow bei dieser quälenden Entscheidung an der militärischen und diplomatischen Front hätte einschlagen sollen. Hätte sich Chruschtschow dem Embargo widersetzen oder den Abzug der Raketenbasen rundheraus ablehnen sollen? …

Es war eine grausame Tatsache, dass die Sowjetunion und Kuba nicht nur selbst über Waffen verfügten, sondern dass über ihren Häuptern noch furchterregendere Waffen schwebten und einsatzbereit waren. Aus diesem Grund glauben wir nicht, dass Chruschtschows Kurs auf der Ebene der militärischen Angelegenheiten und der staatlichen Beziehungen falsch war …

Zwar stellt es die amerikanische Presse schadenfroh so dar, als habe Kennedy mit seiner harten Haltung der „sowjetischen Aggression“ eine strenge Lektion erteilt und ihr einen schweren Rückschlag versetzt. Doch die von der imperialistischen Propaganda unbeeinflussten Menschen, so meine ich, atmen angesichts der Einigung erleichtert auf und danken Chruschtschow für seine Vernunft. In diesem Sinne äußerten sich Bertrand Russell und Nehru. [91]

Slaughter unterzog Cannons Brief einer vernichtenden Analyse und schrieb, er könne „als Paradebeispiel für die pragmatistische Methode dienen. Nachdem er sein Leben lang für den revolutionären Marxismus und insbesondere gegen den Stalinismus gekämpft hat, verleugnet er jetzt auf zwei Seiten diese ganze Laufbahn mit derselben Art von Politik, die Hansen mit seinem jämmerlichen Essay zur ‚Theorie‘ rechtfertigen will: ‚Was hätte er [Chruschtschow] unter den gegebenen Umständen sonst tun können?‘, fragt Cannon.“ [92]

Nach einer Betrachtung der von Cannon geltend gemachten „Umstände“, wie oben zitiert, antwortete Slaughter:

Cannon ersetzt die Klassenanalyse der sozialen Kräfte und politischen Tendenzen durch pragmatische Rezepte. Die so genannten „gegebenen Umstände“ (das Äquivalent zu Hansens „Fakten“) sind das Ergebnis der Politik der Klassenzusammenarbeit, die Chruschtschow und die stalinistische Bürokratie gegenüber dem US-Imperialismus betreiben. Wir müssen Chruschtschow und die stalinistische Bürokratie im Verhältnis zum US-Imperialismus bewerten. Wir müssen das Verhalten Chruschtschows als Teil des Prozesses bewerten, der zu diesen Umständen geführt hat. Nur so können Marxisten ihr politisches Programm im Verhältnis zu anderen Klassentendenzen ausarbeiten (Hervorhebung im Original). [93]

Knapp und einleuchtend erklärte Slaughter den Zusammenhang zwischen der pragmatischen Methode Hansens und der SWP und ihrem zunehmenden Abgleiten in den Opportunismus:

Cannons Brief über Kuba veranschaulicht in der Tat die Klassenrolle des Empirismus und des Pragmatismus, jener Tendenzen in der Philosophie, die „die gegebenen Fakten“ akzeptieren, usw. Diese Akzeptanz mündet unweigerlich in das, was Trotzki einmal als „Anbetung der vollendeten Tatsachen“ bezeichnet hat. Im Endeffekt bedeutet dies, dass die Bewusstseinsformen derjenigen akzeptiert werden, die an die bestehende Struktur angepasst sind, wie die Bürokratie in der UdSSR und der Arbeiterbewegung. Sie entwickeln ihre Ideen, um die eigene Position zwischen Kapitalismus und Arbeiterklasse zu rationalisieren und zu rechtfertigen. Cannons Rechtfertigung von Chruschtschow, wie auch die jüngsten Beiträge von Murry Weiss zur Rechtfertigung der stalinistischen Bürokratie, und das ständige Ausweichen der SWP-Sprecher und der Pablisten vor den Fragen der politischen Revolution und des Aufbaus revolutionärer Parteien in den Arbeiterstaaten sind eine Abkehr von einer prinzipiellen revolutionären Politik, die sich aus der Abkehr vom dialektischen Materialismus zugunsten des Empirismus ergibt. Bei einer dialektischen Analyse ist es unabdingbar, Fakten im Kontext einer ganzen Reihe von miteinander verbundenen Prozessen zu sehen, und nicht als fertige, eigenständige Einheiten, über die „praktische“ Entscheidungen zu treffen sind. Im Bereich der Politik bedeutet das, jede Situation im Hinblick auf die Entwicklung des internationalen Klassenkampfs zu sehen, d. h., die Politik der verschiedenen politischen Kräfte in dieser Situation im Hinblick auf ihr Verhältnis zu diesen Klassenkräften und zu deren gesamtem bisherigen Verlauf zu bewerten. Deshalb ist es unsinnig, das Kuba-Problem so zu stellen, wie Cannon es formuliert: „Was hätte er unter den gegebenen Umständen sonst tun können?“ Wenn man diese Argumentation zu Ende denkt, kann man damit alles rechtfertigen. Wenn man sich das Ausmaß dieser theoretischen Abkehr vom Marxismus vergegenwärtigt, verwundert es nicht, wenn Cannon solche Absurditäten von sich gibt wie „die von der imperialistischen Propaganda unbeeinflussten Menschen, so meine ich, atmen angesichts der Einigung erleichtert auf und danken Chruschtschow für seine Vernunft. In diesem Sinne äußerten sich Bertrand Russell und Nehru“. Wer hätte gedacht, dass Nehru zur gleichen Zeit an der Spitze einer Regierung stand, die mit imperialistischer Unterstützung einen bewaffneten Konflikt gegen die [Volks-]Republik China führte? Im Zuge dieses Konflikts kam es zu Massenverhaftungen von indischen Kommunisten. Gleichzeitig lieferte Chruschtschow sowjetische Kampfflugzeuge an die indische Regierung! Zweifellos lobte Nehru Chruschtschow (wie auch Kennedy und [der britische Premierminister Harold] Macmillan) für diesen Akt praktischer „Weisheit“. Vielleicht wird Cannon einwenden: „Was hätte er unter den gegebenen Umständen sonst tun können?“ Das ist es, wohin Cannons Methode führt, und zwar nicht, weil er sich logisch verrannt hat, sondern weil die Kräfte, die er rechtfertigt, in der Realität mit dem Imperialismus und seinen aktuellen Bedürfnissen verbunden sind. Der Trotzkismus kann den Gesetzen der Geschichte ebenso wenig entrinnen wie jede andere Phase in der Entwicklung des Marxismus und der Arbeiterbewegung. Sobald die theoretische Entwicklung eingestellt wird, unterliegt die Bewegung den vorherrschenden Ideologien der Zeit, wie allmählich und subtil der Anpassungsprozess auch sein mag – und wie ehrwürdig der „Kader“ auch sein mag (Hervorhebung im Original). [94]

Dies war eine vernichtende Kritik, die das Verhältnis zwischen pragmatischer Methode und opportunistischer Politik klar verdeutlichte. Es gibt jedoch eine Formulierung in diesem ausführlichen Zitat, die im Nachhinein angesichts der Verdrehung der Dialektik durch die Workers Revolutionary Party ein Jahrzehnt später Anlass zur Sorge gibt. Slaughter spricht davon, dass sich die „Abkehr von einer prinzipiellen revolutionären Politik ... aus der Abkehr vom dialektischen Materialismus zugunsten des Empirismus ergibt“ (Hervorhebung hinzugefügt). Im weiteren Verlauf des Dokuments spricht Slaughter erneut von der „Unterstützung für die Knechte des Imperialismus, die sich aus dem Aufgeben der dialektischen Methode ergibt“ (Hervorhebung hinzugefügt). [95]

Doch die Hinwendung der SWP zur Umgruppierung im Jahr 1957 und fast zeitgleich zur Wiedervereinigung mit den Pablisten hat sich nicht einfach aus einer falschen Methode „ergeben“. Die tiefere Antwort auf die Frage, weshalb die SWP vom Trotzkismus abrückte, muss in den objektiven gesellschaftlichen und politischen Bedingungen und dem Klassendruck gesucht werden, an den sich die Partei anpasste und der im Rückfall in den Pragmatismus zum Ausdruck kam. Die Revision des Marxismus durch die WRP lag allerdings noch Jahre in der Zukunft. Im Jahr 1963 war die Betonung einer falschen Methode und ihrer Folgen in der Politik der SWP völlig legitim. Die Konzentration der SLL auf die Methode wurde zu diesem Zeitpunkt nicht, wie es später der Fall sein sollte, genutzt, um einer genauen Untersuchung der politischen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Außerdem brachte Slaughter die falsche Methode und das Anwachsen opportunistischer Tendenzen ausdrücklich mit dem sehr realen Druck feindlicher Klassen in Verbindung:

Die Revisionen des Trotzkismus durch Pablo, die 1953 zur Spaltung führten und sich nun in einer opportunistischen Politik für die fortgeschrittenen Länder, die Arbeiterstaaten und die Kolonialländer manifestieren, waren unserer Meinung nach eine politische Kapitulation vor den Kräften, die sich zwischen der Arbeiterklasse und dem Sturz des Imperialismus aufgebaut haben. Die Macht der Sowjetbürokratie und die Langsamkeit, mit der die europäischen und US-amerikanischen Arbeiterbewegungen in den 1930er und 1940er Jahren bei der Lösung ihrer Führungskrise vorankamen, hatten Auswirkungen auf die Ideen von Pablo und seiner Gruppe, die diese Krise nicht wissenschaftlich und in Klassenbegriffen, sondern impressionistisch interpretierten. Diese Abkehr von der dialektischen Methode, vom Klassenkriterium bei der Analyse von Gesellschaft und Politik, führte zu der Schlussfolgerung, dass andere Kräfte als das in revolutionären marxistischen Parteien organisierte Proletariat die nächste historische Phase des Kampfs gegen den Kapitalismus anführen würden. [96]

Die SWP war nicht in der Lage, auch nur annähernd prinzipiell auf die Argumente der SLL zu antworten. Die Wiedervereinigung mit dem Internationalen Sekretariat der Pablisten, das in „Vereinigtes Sekretariat“ umbenannt wurde, wurde im Juni 1963 vollzogen.

Im Juli 1963 trafen sich die britische und die französische Sektion des Internationalen Komitees, um die politischen Ursachen der Spaltung und ihre Folgen für die Zukunft zu bewerten. Ihre Einschätzung, die im Sommer 1963 in der Labour Review als Manifest veröffentlicht wurde, trug den Titel „25 Jahre später“ und zeigte den historischen Zusammenhang zum Kampf gegen den Pablismus und zur Gründung der Vierten Internationale im Jahr 1938 auf. Das Manifest begann mit einem Überblick über die Weltlage:

Ein Vierteljahrhundert ist vergangen. Es war eine Zeit beispielloser Veränderungen. Alte Weltreiche sind zerbrochen. Neue Staaten sind entstanden.

Der durch den Krieg geschwächte Imperialismus musste strategische Rückzüge antreten und alte Territorien an neue Machtinhaber wie Nehru, Nkrumah und Ben Bella abgeben. Die nationale Befreiungsbewegung hat sich auf Afrika und Lateinamerika ausgebreitet.

Feiglinge, Skeptiker und Impressionisten, die versucht haben, das Übergangsprogramm zu revidieren, behaupten, dass es seit 1938 grundlegende Veränderungen im Imperialismus und Stalinismus gegeben habe.

Einige wandten sich am Ende des Kriegs vom Aufbau der Vierten Internationale ab und erklärten, die Kriegszerstörungen, der Zusammenbruch der Produktion, die Hungersnot und die chaotischen Verhältnisse in Europa würden bedeuten, dass die Arbeiterklasse deklassiert worden sei, dass der Kampf um Jahrhunderte zurückgestellt und die sozialistische Revolution verschoben worden sei.

Dann nahm der Revisionismus eine neue Gestalt an, als es dem Imperialismus durch den Verrat des Stalinismus und der Sozialdemokratie gelang, sich in Europa wieder eine Grundlage zu verschaffen

Unter der Führung von Pablo entwickelte sich in der Vierten Internationale eine Tendenz, die die Bewegung und ihr Übergangsprogramm in Frage stellte. Sie kam zu dem Schluss, dass revolutionäre Bedingungen auch die Führungen revolutionär machen würden, unabhängig von deren Herkunft und früheren Entwicklungen.

Sie behauptete, dass die stalinistische Bürokratie nicht mehr in der gleichen Weise verraten könne wie vor dem Krieg.

Gegen die Revisionisten wurde 1953 das Internationale Komitee gegründet, um die Vierte Internationale in den besten Traditionen der Ersten und der Dritten Internationale und auf der Grundlage des Übergangsprogramms aufzubauen.

Wir erklären unzweideutig, dass nur eine Weltpartei der Marxisten – die Vierte Internationale, wie sie von Trotzki gegründet wurde – die Unterdrückten zum Sturz des verfaulenden Imperialismus führen kann. Ihr Programm stützt sich auf die internationalen und historischen Erfahrungen der Unterdrückten im Kampf um Befreiung.

Keine andere Führung kann der Menschheit einen Ausweg bieten. [97]

Das Manifest betonte die zentrale Bedeutung des Kampfs gegen Revisionen des revolutionären Programms:

Von Anfang an musste die marxistische Bewegung einen Kampf auf Leben und Tod gegen revisionistische Strömungen führen. In einer früheren Epoche repräsentierte der Revisionismus unmittelbar den Druck, den das Kleinbürgertum von Stadt und Land auf die Arbeiterbewegung ausübte.

Heute wird dieser Druck von der Gewerkschaftsbürokratie verkörpert, die in unterschiedlichem Maße in den kapitalistischen Staatsapparat und den Überbau des Weltimperialismus integriert ist.

Heute sind die Revisionisten all jene, die sich dem Druck des Kapitalismus beugen, indem sie die Theorie und Praxis der marxistischen Bewegung an die bestehenden bürokratischen Führungen anpassen.

Kennzeichnend für alle Spielarten des Revisionismus ist heute, dass sie die Rolle der internationalen Arbeiterklasse als einzige unabhängige und revolutionäre gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, die Menschheit zu befreien, leugnen oder unterschätzen. Für sie ist die Arbeiterklasse nicht mehr das Subjekt der Geschichte, sondern ihr verachtenswertes und passives Objekt.

Daher kann die marxistische Bewegung heute nicht einen Moment lang die Augen vor revisionistischen Ideen und Tendenzen verschließen. Nicht nur die Befreiung der Arbeiterklasse, sondern ihre bloße Existenz als unabhängige Kraft ist nur in dem Maße gesichert, wie ein unerbittlicher Krieg gegen den Revisionismus geführt wird.

Aus diesem Grund weigerte sich das Internationale Komitee, an der „Einheitskonfererenz“ teilzunehmen, die kürzlich von den pablistischen Revisionisten in Italien einberufen wurde.

Seit zehn Jahren wird nun ein ununterbrochener Kampf gegen den pablistischen Revisionismus geführt. Einige Leute in Europa und Amerika, die uns früher unterstützt haben, haben ihre Ansichten über Pablo und den Pablismus im Laufe der letzten zehn Jahre geändert.

Wir nicht. Für uns ist der Pablismus eine fortgeschrittene Form der zentristischen Degeneration in einem Teil der trotzkistischen Bewegung. [98]

In bemerkenswerter Voraussicht wird in diesem Manifest die Lanka Sama Samaja Party als verräterischer Inbegriff des vom Pablismus geförderten Opportunismus angeprangert:

Das lehrreichste Beispiel für eine opportunistische Degeneration, die von Pablo unterstützt, wenn nicht gar inspiriert wurde, ist die Lanka Sama Samaja Party in Ceylon. Im Jahr 1954, zur Zeit der Spaltung der Vierten Internationale, nahmen die Führer dieser Partei eine zweideutige Position ein.

(Und das, obwohl sich nur wenige Monate zuvor eine Minderheit, die eine pablistische Politik vertrat, von der LSSP abgespalten hatte. Die Führer versäumten es jedoch, aus dieser Spaltung politische Schlüsse zu ziehen.)

Pablo wiederum förderte aktiv den Opportunismus der LSSP-Führer, die heute ihren revolutionären Anspruch durch unterwürfige Kriecherei vor bürgerlichen Parteien und Regierungen ersetzt haben. Im Jahr 1960 war die LSSP wohlgemerkt bereit, eine Koalitionsregierung mit Frau Bandaranaike und der bürgerlichen Sri Lanka Freedom Party zu bilden.

Diese Führer sind kleinbürgerliche Scharlatane, die sich als Marxisten ausgeben. Wer daran zweifelt, möge das Übergangsprogramm zu den Aufgaben der Internationale lesen und es mit der Politik der LSSP vergleichen. [99]

Genau ein Jahr später bestätigte die LSSP die Warnungen des IKVI, indem sie in die bürgerliche Koalitionsregierung von Bandaranaike eintrat – ein Verrat von historischem Ausmaß, der verheerende Folgen für alle Teile der sri-lankischen Arbeiterklasse haben sollte.

Abschließend wurde in dem Manifest ein Überblick über die Herausforderungen und Aufgaben gegeben, die sich dem Internationalen Komitee stellten:

Das Internationale Komitee hat sich immer für die Einheit der Vierten Internationale eingesetzt und jeden Versuch bekämpft, die Bewegung zu spalten und ihre Kader zu zerstören. Die jüngste Konferenz in Italien ist nicht als „Einheit“ zu verstehen, sondern als politische Fortsetzung einer Spaltung, die in das Jahr 1953 zurückreicht.

Die wirkliche Einheit der Vierten Internationale kann nur durch das Festhalten an einer richtigen Methode, festen Prinzipien und einem bewährten Programm erreicht werden. Eine Einheit, die auf Verwirrung beruht – die sich nicht auf die Überzeugung stützt, eine marxistische Weltführung in Konkurrenz zu allen anderen Strömungen aufzubauen –, eine solche Einheit ist trügerisch.

„Wir leben im Zeitalter des Trotzkismus“, sagen die Revisionisten. Aber in dieser Art von sorgloser Idiotie steckt weder Zuversicht noch Optimismus. Sie drückt die Haltung derjenigen aus, die ihre Politik erfolgreich an die Bedürfnisse der kleinbürgerlichen Nationalisten und linken Reformisten angepasst haben.

Pablos Internationale hat keine Zukunft, weil sie sich auf das Kleinbürgertum stützt – eine gesellschaftliche Gruppe ohne historische Zukunft. Wir sind optimistisch, was die Internationale angeht, weil wir uns auf die Arbeiterklasse und den Klassenkampf stützen, der überall auf der Welt stattfindet.

Wenn wir davon sprechen, dass wir im Zeitalter des Trotzkismus leben, dann nicht, weil irgendein unumkehrbarer Prozess dafür sorgt, sondern weil wir durch entschlossenes, prinzipientreues und unabhängiges Eingreifen in die Kämpfe der Arbeiterklasse eine Weltpartei aufbauen werden.

Der Kampf für den Aufbau der Vierten Internationale ist untrennbar mit dem Kampf gegen den Revisionismus verbunden. „Die Vierte Internationale schiebt die Quacksalber, Scharlatane und ungebetenen Moralprediger beiseite.“

Wir wenden uns an alle, die eine wirklich kommunistische Führung der Arbeiterklasse aufbauen wollen: Wir wenden uns an alle, die für das Übergangsprogramm kämpfen: alle, die die grundlegende Aussage der Gründungskonferenz akzeptieren, dass die Führungskrise nur durch das bewusste Handeln der Vierten Internationale gelöst werden kann. [100]

Die prinzipienlose Wiedervereinigung der SWP mit dem Internationalen Sekretariat bedeutete eine Eskalation des Bürgerkriegs innerhalb der Vierten Internationale, der zehn Jahre zuvor ausgebrochen war. Der Kampf der SLL-Führung war von weltgeschichtlicher Bedeutung, denn er verhinderte die Zerstörung der Weltpartei der sozialistischen Revolution, die Trotzki 25 Jahre zuvor gegründet hatte. Darüber hinaus sollten die politischen Lehren aus diesem Kampf, die in den herausragenden Dokumenten der Jahre 1961 bis 1963 dokumentiert wurden, entscheidend zur späteren Entwicklung neuer Sektionen des Internationalen Komitees beitragen, die auf der Grundlage der von der SLL-Führung verteidigten Prinzipien aufgebaut wurden. Der enorme Beitrag von Gerry Healy, Michael Banda und Cliff Slaughter ist ein bleibendes Element ihres Vermächtnisses, das bei einer aufrichtigen Bewertung ihrer historischen Rolle nicht außer Acht gelassen werden darf.

Die Rolle Cliff Slaughters in den zehn Jahren nach der Spaltung des Internationalen Komitees 1963 wird Gegenstand des zweiten Teils dieser politischen Biografie sein, der im Herbst erscheinen wird.

Anmerkungen:

[73] Labour Review, September–Oktober 1957, Jg. 2, Nr. 5, S. 136–147.

[74] Labour Review, Jg. 7, Nr. 1, Frühjahr 1962, S. 33.

[75] Ebd., S. 35–36.

[76] W. I. Lenin, „Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung“, in: Werke, Bd. 1, S. 414.

[77] „,The Theoretical Front‘, Lenin’s Philosophical Notebooks, Second Article“, in: Labour Review, Jg. 7, Nr. 2, Sommer 1962, S. 77–78.

[78] W. I. Lenin, Werke, Band 38, S. 172.

[79] „,The Theoretical Front‘, Lenin’s Philosophical Notebooks, Second Article“, in: Labour Review, Jg. 7, Nr. 2, Sommer 1962, S. 78.

[80] Ebd., S. 76–77.

[81] David North, Notizen zu Lenin on Dialectis, 1. Oktober 1982 (unveröffentlichtes maschinengeschriebenes Manuskript).

[82] Ebd.

[83] „Verrat am Trotzkismus: Die SWP akzeptiert die politische Methode des pablistischen Revisionismus“, in: Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 3, London 1974, S. 238.

[84] Ebd., S. 238–239.

[85] Ebd., S. 239.

[86] „Against Revisionism“, in: Labour Review, Jg. 7, Nr. 2, Sommer 1962, S. 41.

[87] „Cuba, the Acid Test“, in: Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 4, London 1974, S. 23.

[88] Ebd., S. 25.

[89] Ebd., S. 76.

[90] Ebd.

[91] „Letter from James P. Cannon to Farrell Dobbs, October 31, 1962“, in: Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 4, S. 72–73.

[92] „Opportunism and Empiricism“, in: Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 4, S. 77.

[93] Ebd., S. 77–78.

[94] Ebd., S. 78–79.

[95] Ebd., S. 87.

[96] Ebd., S. 97.

[97] Manifest des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, in: Labour Review, Jg. 7, Nr. 5, Sommer 1963, S. 165–166.

[98] Ebd., S. 168.

[99] Ebd., S. 169.

[100] Ebd., S. 170–171.

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