Der Fair-Wandel-Aktionstag der IG Metall: Eine abstoßende Maskerade

Der am Freitag von der IG Metall organisierte bundesweite Aktionstag unter dem Motto „Fair Wandel – für eine soziale, ökologische und demokratische Transformation“ war eine abstoßende Maskerade. Sie diente der Gewerkschaft dazu, sich der kommenden Bundesregierung und der Industrie anzubieten, den massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen durchzusetzen – und die wachsende Opposition dagegen zu unterdrücken.

Die IG-Metall-Kundgebung in Berlin (Foto: WSWS)

Die großen Konzerne, speziell unter den Autoherstellern und ihren Zulieferern, haben den Abbau von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen angekündigt. Auf dem Rücken der Arbeiter führen sie einen brutalen internationalen Verdrängungskampf, der immer offener in Handelskrieg und Kriegsvorbereitungen umschlägt. Unter dem Vorwand des technologischen Wandels und der Corona-Pandemie, drängen sie darauf, im Interesse ihrer Profite die Beschäftigten immer weiter auszupressen.

Gleichzeitig benötigt die Stahlindustrie Milliarden, um in Zukunft CO2-reduzierten, so genannten grünen Stahl auf Wasserstoffbasis zu produzieren. Die Stahlaktionäre denken nicht daran, eigenes Geld dafür aufzuwenden, sondern verlangen Fördermittel in Milliardenhöhe vom Staat. Ansonsten drohen sie mit Werksschließungen und Massenentlassungen.

Gegen diesen Generalangriff auf die Beschäftigten, der die volle Unterstützung aller Bundestagsparteien hat – darunter SPD, Grüne und FDP, die derzeit das Regierungsprogramm ausarbeiten – wächst in den Betrieben der Unmut.

Der IGM-Vorsitzende Jörg Hofmann richtete sich daher auf der Kundgebung vor dem Berliner Reichstag direkt an die kommende Bundesregierung: „Unser Ziel ist modernes, nachhaltiges Wirtschaften bei gleichzeitig starkem sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft.“

Die Gewerkschaft befürchtet, dass sich in den Betrieben eine explosive Bewegung entwickelt, die sie nicht mehr kontrollieren kann. Zurecht, denn die Gewerkschaft hat durch ihre enge Zusammenarbeit mit den Konzernen in den letzten Jahren stark an Einfluss verloren.

Auch wenn die betroffenen Industrien mehrere Millionen Menschen beschäftigen, nahmen bundesweit in über 50 Städten – selbst nach Gewerkschaftsangaben – gerade einmal 50.000 Menschen am Aktionstag teil.

In Berlin schaffte es die Gewerkschaft nicht mehr als 500 ihrer Mitglieder heranzukarren, und das obwohl im dortigen Siemens-Dynamowerk, bei Daimler in Marienfelde, im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt sowie weiteren Werken der Region Tausende Arbeiter um ihren Arbeitsplatz fürchten.

Nach Eisenach, wo im Opel-Werk und den Thüringer Autozulieferern zwischen 5000 und 6000 Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet sind, waren weniger als 1000 Menschen gekommen.

In Nordrhein-Westfalen beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben insgesamt 9000 Arbeiter an den Aktionen in Köln, Düsseldorf, Lüdenscheid, Bielefeld und Duisburg.

In der Stahlstadt wurde die Allianz zwischen der IG Metall und den Konzernen besonders deutlich. Die Gewerkschaft hatte vor das Thyssenkrupp-Stahlwerk im Duisburger Norden, in dem rund 12.000 Menschen arbeiten, zur landesweiten zentralen Kundgebung gerufen. Obwohl die IG Metall zusätzlich Stahlarbeiter aus Krefeld (Outokumpu und Deutsche Edelstahl-Werke), Bochum, Dortmund sowie aus dem Duisburger Süden mit Bussen hergebracht hatte, kamen nur wenige Tausend Teilnehmende zusammen.

Dabei hatte Thyssenkrupp selbst „Betriebsruhe“ für den Großteil der Duisburger Belegschaft angeordnet. Wer nicht zur Aufrechterhaltung notwendiger Funktionen im Stahlwerk vorgesehen war, musste Zeitguthaben, Gleitzeit oder Urlaub nehmen.

Der Aktionstag wurde offen von den Unternehmen unterstützt. Eine Thyssenkrupp-Sprecherin teilte mit, dass es sich bei der Kundgebung zwar um eine „reine IG- Metall-Veranstaltung“ handele, mit deren Zielen sich das Unternehmen aber identifizieren könne.

Auch der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, stellte sich voll hinter den Aktionstag. Eine neue Bundesregierung müsse „die Transformation der Stahlindustrie bereits in den ersten 100 Tagen zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen“, forderte er. „Es ist gut und richtig, dass die Stahl-Beschäftigten im Rahmen des Aktionstags der IG Metall darauf mit Nachdruck hinweisen.“

Der gesamte Aktionstag war geprägt vom Schulterschluss der Gewerkschaft mit den Unternehmen und Regierungen. Auf allen Kundgebungen sprachen hochrangige Regierungsvertreter. In Duisburg sprach der neu gewählte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), in Berlin Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und SPD-Chef Norbert-Walter Borjans und in Eisenach Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

IG-Metall-Chef Hofmann, Arbeitsminister Heil und SPD-Chef Borjans auf der IG-Metall-Kundgebung in Berlin (Foto: WSWS)

Politiker, Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre überboten sich mit nationalistischer Demagogie aus dem Arsenal der rechtsextremen AfD. In Eisenach hetzten Gewerkschaftsvertreter gegen Arbeiter in „Billiglohnländern“, gegen „Asiaten“ und „französische Manager“. Opel gehört zum Stellantis-Konzern, den Carlos Tavares von Paris aus leitet.

Unter den wenigen Arbeiter, die sich zu den Aktionen einfanden, herrschte eine völlig andere Stimmung. Viele nahmen mit Interesse die Erklärung der Sozialistischen Gleichheitspartei Verteidigt jeden Arbeitsplatz in der Autoindustrie! Brecht mit der IG Metall und gründet unabhängige Aktionskomitees! Schließt Euch international zusammen!

In Diskussionen mit SGP-Vertretern machten zahlreiche Arbeiter ihrer Wut über die Rolle von Regierung, Unternehmen und IG Metall Luft. Der Duisburger Stahlarbeiter Cihan erklärte: „Das ist doch eine Schweinerei hier. Es geht hier um das Unternehmen, nicht um uns. Wenn es nach mir ginge, wäre die Aktion freiwillig. Und dann wäre ich nicht hier.“

Der Stahlarbeiter, der seit zehn Jahren nicht mehr in der Gewerkschaft ist, sagte: „Ständig kündigt der Konzern den Abbau von Arbeitsplätzen an, hier 1000, dort 2000. Doch dann ruft die IG Metall nie zu Protesten auf.“ Seine Kollegen Thorsten und Mesut waren auch der Meinung: „Das bringt doch so nichts.“ Denn, so Thorsten: „Im Endeffekt sitzt die IG Metall auch da oben“ und zeigt auf die oberen Etagen der Thyssenkrupp-Hauptverwaltung, in denen auch der Vorstand sitzt. „Früher hatten wir ja richtige Betriebsräte, die auch für uns gekämpft haben. Aber heute sitzen die da oben und sind froh, dass sie ihr Geld kriegen.“

Das sähe man bei Tarifverhandlungen, die ein abgekartetes Spiel seien, genauso wie bei den Alibi-Demos. „Also die letzten zwanzig Jahre, war ich nicht einmal anständig auf der Straße. Wenn, dann haben wir hier so eine kleine Demo gemacht, die ein bis zwei Stunden ging, und zwar von 10 Uhr bis 12 Uhr und dann war Ende. Entweder streike ich richtig oder gar nicht.“

Bezeichnenderweise geht unter den Thyssen-Arbeitern das Gerücht um, dass der ehemalige nordrhein-westfälische IGM-Bezirkssekretär und heutige Personalchef des Thyssenkrupp-Mutterkonzerns Oliver Burkhard schon bald Nachfolger von Konzernchefin Martina Merz werden könnte.

Als Thorsten erfuhr, dass der Verfassungsschutz die SGP beobachtet und im Verfassungsschutzbericht als „linksextrem“ führt, weil sie gegen Kapitalismus und Militarismus und für eine „demokratische egalitäre sozialistische Gesellschaft“ eintritt, musste er überrascht lächeln: „Alles, was denen da oben nicht gefällt, das wollen sie nicht und gehen dagegen vor.“

Arbeiter in Eisenach sprechen über die drohende Werksschließung

Auch in Eisenach stieß die internationale Perspektive der SGP und ihr Aufruf, sich unabhängig zu organisieren, auf Unterstützung unter den Arbeitern auf der Kundgebung. In einem Video sprechen Arbeiter über die drohende Werksschließung und die dramatischen Folgen für die ganze Region.

Großes Interesse rief die wachsende Streikwelle der amerikanischen Arbeiter hervor. So unterstützten Amir, Marco und Laurin – drei Auszubildende des Opel-Werks – den Streik von mehr als 10.000 Arbeitern des Landmaschinenherstellers John Deere, nachdem sie davon gehört hatten.

Amir, Marco und Laurin in Eisenach (Foto: WSWS)

Wie nervös die Gewerkschaften über den Aufbau einer unabhängigen internationalen Bewegung der Arbeiterklassen gegen die globalen Konzerne sind, zeigte sich in Saarlouis. Dort reagierte die IG Metall auf das Eingreifen der SGP mit dem Ruf nach der Polizei.

In den Ford-Werken von Saarlouis arbeiten rund 5000 Menschen, wenn nicht wie aktuell Kurzarbeit herrscht. Der Betriebsrat spielt die Schlüsselrolle dabei, die Vorgaben des Managements nach Reduzierung der Belegschaft durchzusetzen. In einem Info-Schreiben berichtet er zufrieden, dass in diesem Jahr bereits 430 von vorgegebenen 600 Arbeitern das Werk per Abfindung verlassen hätten. „Den verbleibenden Teil wollen wir auch noch schaffen und arbeiten alle gemeinsam daran.“

Auch in Saarlouis waren unter den weniger als 2000 Teilnehmenden nur einige Hundert Ford-Arbeiter. Weil die SGP-Erklärung unter ihnen auf reges Interesse stieß, schickte die Gewerkschaft zunächst ihre Ordner. Sie gingen durch die Reihen gaben die Parole aus: „Nicht annehmen!“

Als dies nicht fruchtete, gingen die IGM-Funktionäre dazu über, SGP-Mitglieder mit autoritär-aggressivem Gehabe einzuschüchtern. Als sie auch damit keinen Erfolg hatten, riefen sie die Polizei, um bar jeder rechtlichen Grundlage – es handelte sich um eine öffentliche Veranstaltung unter freiem Himmel – ein angebliches „Hausrecht“ der IG Metall durchzusetzen.

Nichts könnte den Charakter der IG Metall besser verdeutlichen. Sie fürchtet einen vereinten Kampf der internationalen Arbeiter gegen die Front aus Weltkonzernen und Regierungen, da sie selbst auf der anderen Seite der Barrikaden steht. Die Gewerkschaften haben sich, wie es in der SGP-Erklärung heißt, „in den vergangenen vier Jahrzehnten aus reformistischen Arbeiterorganisationen in bezahlte Lakaien des Kapitals verwandelt“.

Arbeiter müssen daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Sie können ihre Arbeitsplätze, Rechte und Errungenschaften nur verteidigen, wenn sie ihre Kämpfe international koordinieren und mit den nationalistischen Gewerkschaften politisch und organisatorisch abrechnen. Das erfordert den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees und eine sozialistische Perspektive.

Nehmt hier Kontakt mit uns auf und abonniert den Autoarbeiter Newsletter.

Loading