Vierte Woche des John-Deere-Streiks in den USA: Wachsende Unterstützung in Deutschland

Der Streik von 10.000 Arbeitern des weltweit größten Landmaschinenproduzenten John Deere, der am heutigen Donnerstag in die vierte Woche geht, trifft unter Kollegen in Deutschland und Europa auf wachsende Unterstützung. In vier Bundesstaaten der USA hatten Arbeiter am Dienstag zum zweiten Mal einen Tarifvertrag abgelehnt, der die Forderungen der Arbeiter nach einem Ausgleich für die jahrzehntelangen Kürzungen bei Löhnen, Gesundheitsversorgung und Renten nicht erfüllte.

Arbeiter des John-Deere-Standorts in Mannheim – Sitz der Bereichsleitung für Europa und größte Traktorenfabrik Deutschlands mit rund 2800 Beschäftigten – zeigten sich gegenüber der World Socialist Web Site gestern begeistert über die erneute Zurückweisung des vorläufigen Abkommens. „Natürlich unterstütze ich den Streik!“, sagt Fardin, der davon zum ersten Mal gehört hat: „Ich finde es gut, dass ihr darüber informiert, was in den amerikanischen Fabriken passiert.“

Fardin

„Ich hoffe das Beste für die Kollegen in den USA“, sagt Mehmet, ein junger Arbeiter, der erst seit Kurzem bei John Deere arbeitet. „Ihr Streik wird sich bei uns wahrscheinlich auch in den nächsten Wochen auswirken. Es ist wirklich unfair, was dort mit ihnen gemacht wird – und bei uns auch: Ein Kollege und ich haben gestern festgestellt, dass unser Band acht Sekunden zu schnell läuft – bei einer Umlaufzeit von 4,5 Minuten macht das am Tag einen Unterschied von fünf Traktoren. Ich hatte aber Angst, die IG Metall deswegen anzurufen, weil ich erst seit zwei Monaten hier arbeite und meinen Job brauche.“

Björn

Dass die Arbeitsniederlegungen in den USA auch in Mannheim bald günstige Bedingungen für einen Streik schaffen könnten, wird von Björn bestätigt, der sagt: „Ich drücke ihnen die Daumen, dass da drüben alles gut geht. Wir werden es hier in vier Wochen merken, wenn wir Engpässe mit Getriebeteilen bekommen. Wenn es dann hier auch losgeht, werden sie [das Management] ganz schön ins Grübeln kommen, denn hier fließt sehr viel Geld durch. Ich bin mal gespannt, wo das hinführt. Die werden die Gesellschaft ganz schön spalten.“

„Das Problem in den USA wird sein, dass sich die Gewerkschaften einlullen und schmieren lassen“, vermutet Björn. Er schlägt vor, dass Deere-Arbeiter „eine separate Gewerkschaft gründen mit Leuten, denen man wirklich vertraut – und dann Vollgas geben. Was anderes bleibt denen nicht übrig.“

Bereits vor zwei Wochen hatte ein Reporterteam der World Socialist Web Site am Mannheimer Werk um Unterstützung für die streikenden US-Kollegen geworben. Das Team verteilte ein Flugblatt zur Streikwelle in den USA und erklärte, dass der Streik bei John Deere ein direktes Ergebnis der Bemühungen von Arbeitern war, sich in Aktionskomitees unabhängig von Gewerkschaften und Betriebsräten zu organisieren. Diese Perspektive stieß unter Arbeitern in Mannheim auf große Resonanz und Dutzende erklärten ihre Unterstützung für den Streik.

Michael

Michael, der ebenfalls erstmals durch das WSWS-Team von dem Streik erfahren hatte, sagte: „Wenn der Streik weiter geht, rechne ich auch mit Auswirkungen auf das Werk hier in Mannheim. Ich unterstütze den Streik und glaube, dass die meisten hier dasselbe tun würden.“

Steffen

Steffen und Ege haben den Streik bereits unterstützt, als das WSWS-Team am 20. Oktober in Mannheim war. Steffen erklärte gestern, dass er das Statement der WSWS zum Streik gelesen habe und erfreut sei, dass die Arbeiter in den USA zum zweiten Mal die Vereinbarung zwischen der UAW und der Geschäftsleitung abgelehnt hätten. „Es ist gut, dass sie ihre Ansprüche auf diese Weise durchsetzen. Sie haben meine Unterstützung und ich wünsche ihnen viel Erfolg.“

Wie mehrere Interviewpartner übereinstimmend berichten, reagierte der Mannheimer Betriebsrat auf die Intervention des WSWS-Teams mit enormer Besorgnis und sandte einen Tag später eine E-Mail an alle Beschäftigten, in der er sich „von dieser Aktion distanzierte“ und erklärte, „nichts damit zu tun zu haben“. Osman, der seit vielen Jahren für das Unternehmen arbeitet, kommentierte dies mit den Worten: „Die Betriebsräte standen immer schon auf der Seite der Arbeitgeber, besonders in Deutschland. Ich überlege auch, aus der IG Metall auszutreten – aber die 40 Jahre tun dann weh.“

Ein junger Arbeiter, der zum zweiten Mal mit der WSWS sprach und darum bat, anonym zu bleiben, sagte über den Streik in den USA: „Ich habe es mitbekommen – auch weil wir natürlich mit Teilemangel rechnen, wir haben fünf Wochen Vorlaufzeit. Aber von offizieller Seite haben wir nichts gehört, auch nicht von den Gewerkschaften.“ Er stehe voll hinter dem Streik, müsse jedoch Repressalien fürchten: „Ich kann meinen Job nicht aufs Spiel setzen. Ich bin erst seit drei Monaten da und hoffe auf einen Festvertrag. Wenn ich den hätte, wäre ich sofort dabei. Die Leute streiken ja nicht ohne Grund, sondern wegen der Inflation. Das Unternehmen sollte deutlich auf sie zukommen – leisten könnten sie es sich!“

Manuel

Manuel, der in der Logistik von John Deere arbeitet, bestätigt das völlige Schweigen der IG Metall und des Betriebsrats ebenfalls: „Von dem Streik erzählt uns hier niemand etwas. Aber wir [in der Logistik] merken bereits, dass wir bestimmte Teile nicht mehr bekommen. Wenn man dann nachhakt, erfährt man, dass es am Streik in den USA liegt.“ Ein gemeinsames Vorgehen von John-Deere-Arbeitern auf internationaler Ebene „unterstütze ich“, sagt Manuel: „Ich stehe hinter den Kollegen in den USA. Dass die IG Metall ihren Streik nicht an die große Glocke hängt, wundert mich nicht.“

Über die Rolle der Gewerkschaft sagt ein weiterer Unterstützer, der anonym bleiben möchte: „Die IG-Metall behauptet, dass die Arbeiter in Mannheim an den Entwicklungen in den USA nichts ändern können. Das ist eine Lüge. Wir in Mannheim müssen diesen Streik unterstützen!“ Grund für die E-Mail des Betriebsrats sei, dass die meisten Beschäftigten den Streik insgeheim unterstützen. Die Sorge der IG-Metall bestehe darin, dass Arbeiter in Deutschland aus Solidarität ebenfalls streiken könnten.

Auch in den USA hat die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) alles getan, um Arbeiter über die gemeinsam mit der Unternehmensleitung ausgearbeiteten Pläne im Dunkeln zu lassen: Erst zwei Tage vor der Abstimmung wurden lediglich „Highlights“ aus dem fraglichen Tarifvertrag veröffentlicht, sodass Arbeiter keine Möglichkeit hatten, den Vertrag zu studieren, der ihre Arbeitsbedingungen auf Jahre hinweg festlegen sollte. Nach der Ablehnung des Vertrags durch die US-amerikanischen John-Deere-Arbeiter erklärte die UAW-Zentrale erschrocken, man werde „die nächsten Schritte mit dem Unternehmen diskutieren“ und Arbeitern die Ergebnisse dieser geheimen Diskussionen „über die Ortsverbände“ mitteilen.

Im größten Deere-Werk in Waterloo lehnte die Belegschaft den Vertrag sogar mit einer Mehrheit von 71 Prozent ab, doch das Ergebnis wurde bis zur Endauszählung aller Werke nicht bekannt gegeben, um die Ablehnung in anderen Werken nicht in die Höhe zu treiben. Bei einer „Info“-Veranstaltung in Waterloo war es zuvor zu hitzigen Wortgefechten zwischen Gewerkschaftsvertretern und Arbeitern gekommen, in deren Verlauf einem Arbeiter das Mikrofon abgestellt wurde, weil er den Ausverkauf kritisierte.

Der Streik in den USA zeigt, dass ein wirklicher Kampf gegen aktuelle und künftige Angriffe des Managements nur in dem Maße möglich ist, wie sich Arbeiter unabhängig von Gewerkschaften und Betriebsräten international organisieren. Das Deere Workers Rank-and-File Committee (Aktionskomitee der Deere-Arbeiter) wurde von Arbeitern in den USA gegründet, um der Verschwörung von Konzernleitung und Gewerkschaften entgegenzutreten und Arbeiter in einem internationalen, konzernweiten und breitestmöglichen Kampf zu vereinen, der auch die Belegschaften von Autokonzernen wie Volvo und Zulieferern wie Dana einschließt.

Vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden Klassenkonfrontation in Europa müssen die Auseinandersetzungen in der Auto- und Metallindustrie mit den Kämpfen der Lehrer und Pfleger, der Bahn- und Logistikarbeiter und allen weiteren Teilen der Arbeiterklasse verbunden werden – mit der Perspektive eines umfassenden Generalstreiks zur Rückgewinnung von Löhnen, Verteidigung sämtlicher Arbeitsplätze und gegen die Durchseuchungs- und Kürzungspolitik von Regierung und Unternehmen.

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