Commerzbank: Protest gegen Stellenabbau

Am Mittwoch, den 10. November, protestierten etliche tausend Beschäftigte der Commerzbank mit einem 24-Stunden-Streik gegen Lohnsenkung und Stellenabbau. Bundesweit waren rund 80 Bankfilialen betroffen, von denen einige den ganzen Tag geschlossen blieben.

Commerzbank-Beschäftigte protestieren in Berlin (Bild: Verdi-Video)

Die Beschäftigten wehren sich dagegen, dass die Bank etwa 10.000 Stellen abbaut und fast jede zweite Filiale schließen will. Die Commerzbank greift gleichzeitig durch Ausgliederung und Ausbau ihrer 100-prozentigen Dienstleistungstochter ComTS die Löhne und Arbeitsbedingungen der Neueingestellten frontal an.

Trotz des Streiks setzte die Commerzbank-Aktie ihren Höhenflug an der Börse unvermindert fort. Nach Quartalszahlen, die Vorstandschef Manfred Knof am 4. November bekannt gab, erzielte die Bank von Juli bis September 2021 einen Gewinn von 403 Millionen Euro. „Die Umsetzung unserer Strategie geht planmäßig voran,“ so Knof.

Daran hat auch der 24-Stunden-Streik nicht das Geringste geändert. Das zeigt, dass das Manöver der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Bestandteil der Kahlschlagstrategie ist. Dieselben Gewerkschafts-Spitzenfunktionäre, die am Mittwoch über Video zu den Streikenden sprachen, besetzen hochdotierte Sitze im Aufsichtsrat. Sie sind seit Monaten intensiv damit beschäftigt, die Umbaupläne der Bank in die Tat umzusetzen, und dafür beziehen sie hohe Gehälter.

Die führenden Verdi- und Betriebsrats-Funktionäre haben dem Stellenabbau und den Filialschließungen schon vor einem halben Jahr ausdrücklich zugestimmt. Im Frühjahr 2021 haben sie eine Vereinbarung unterzeichnet, der zufolge bundesweit von 790 Filialen maximal noch 450 übrigbleiben. Rund 8000 Vollzeitstellen werden zerstört, was bedeutet, dass mehr als 10.000 Beschäftigte die Bank verlassen müssen, die Hälfte noch vor Jahresende. Bis Ende 2024 sollen so Jahreskosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro eingespart werden.

Ein Verdi-Funktionär, der am Mittwoch in Berlin zu den Streikenden sprach, war Stefan Wittmann, Fachbereichsleiter für Finanzdienstleistungen im Verdi-Bundesvorstand und Mitglied im Commerzbank-Aufsichtsrat. Wie er letztes Jahr dem Manager Magazin gesagt hatte, ist Verdi „nicht per se gegen den Abbau von Arbeitsplätzen“. Wörtlich erklärte er damals: „Wir haben auch die Schließung von Filialen nicht blockiert. Aber wir haben immer gesagt: Digitalisiert erst die Prozesse, bringt die Abläufe in Ordnung. Dann könnt ihr euch von dem Personal trennen, das ihr dadurch für verzichtbar haltet.“

Wittmann und die Betriebsratsführung unter Uwe Tschäge, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist, forderten damals ein entschlosseneres Vorgehen der Bank bei den Rationalisierungs- und Strukturmaßnahmen. Tschäge, der sowohl den Gesamtbetriebsrat als auch den Konzernbetriebsrat leitet, übernahm sogar vorübergehend die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden – eine „brisante Doppelrolle“, wie das Handelsblatt schrieb.

Damit hat Verdi keine Probleme. Sowohl Wittmann wie Tschäge wurden am Mittwoch als prominente „Kollegen“ eingeladen, den Streikenden die Probleme der Verhandlungsführer zu erläutern. Dem Handelsblatt hatte Wittmann kurz zuvor erklärt: „Die Richtung, in die der neue Vorstandschef die Bank entwickeln will, halten wir im Großen und Ganzen für richtig.“

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) warnt seit langem vor der Rolle der Gewerkschaften als Juniorpartner des Managements. Sie SGP hat aufgezeigt, wie die Bundesregierung und die Konzerne die Gewerkschaften nutzen und finanzieren, um die Arbeiter zu kontrollieren und jeglichen Widerstand zu sabotieren.

Arbeiter können ihre Arbeitsplätze, Löhne und Lebensbedingungen nur verteidigen, wenn sie mit den Gewerkschaften brechen und unabhängige Aktionskomitees aufbauen. Die Rolle, die Verdi und die Betriebsräte bei der Commerzbank spielen, zeigt dies exemplarisch. Sie sind für den Konzern unverzichtbar, um die Beschäftigten für den „Umbau“ bluten zu lassen.

Dies wird besonders deutlich am Aufbau der ComTS sichtbar. Diese 100-prozentigen Commerzbank-Töchter sind bankinterne Dienstleister, bei denen schon rund 1500 Beschäftigte unter Tarif arbeiten. ComTS-Standorte gibt es bereits in den fünf Städten Duisburg, Hamm, Erfurt, Magdeburg und Halle. Hier werden Bankbeschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen eingestellt, von denen viele für Löhne knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn arbeiten. Auch diese Billiglohn-Konstrukte wären ohne die Zustimmung von Verdi undenkbar.

ComTS ist ein wichtiger Bestandteil des aktuellen Generalangriffs auf die Löhne und jahrzehntelangen Errungenschaften. Weil beinahe jede zweite Bankfiliale geschlossen wird, gründet die Commerzbank jetzt zahlreiche Call Center, die als „digitale Beratungszentren“ schöngeredet werden. Für die Beschäftigten bedeuten sie Dienst rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.

Der Konflikt bei der Commerzbank hat große Auswirkungen auf hunderttausende Bankbeschäftigte. Überall drohen ähnliche Angriffe auf die Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen. Gerade läuft die aktuelle Tarifrunde für 140.000 Beschäftigte im privaten Bankensektor. Und die Arbeitsdirektorin der Commerzbank, Sabine Schmittroth, ist auch Verhandlungsführerin für die Arbeitgeberseite (AGV Banken).

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Gewerkschaft hat die Banken ermutigt, eine echte Reallohnsenkung zu fordern. Sie bieten für 36 Monate gerade mal 3,2 Prozent Lohnerhöhungen an. Die neue Tarifrunde soll mit einer neun Monate währenden Nullrunde beginnen. Gleichzeitig steigt die Inflation voraussichtlich schon im November auf fünf Prozent, wie der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, ausgerechnet am Tag des 24-Stunden-Streiks bekanntgab. Damit bedeutet auch die Verdi-Forderung von 4,5 Prozent nichts weiter als eine Reallohnsenkung.

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