Rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern: Sozialangriffe, Staatsaufrüstung und Durchseuchung

Am Montag wurde Manuela Schwesig (SPD) in Schwerin als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern wiedergewählt. Nachdem die SPD vier Jahre mit der CDU regiert hat, koaliert sie nun mit der Linkspartei, um die Politik der Sozialkürzungen, Durchseuchung und Staatsaufrüstung fortzusetzen und zu verschärfen. Daran lässt das Regierungsprogramm, das Schwesig und die Linkspartei-Fraktionschefin und stellvertretende Ministerpräsidentin Simone Oldenburg am Samstag unterzeichneten, keinen Zweifel.

Manuela Schwesig (Foto: Olaf Kosinsky , CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons)

Der gemeinsame Koalitionsvertrag beginnt direkt im ersten Satz mit der Feststellung, dass sich Mecklenburg-Vorpommern nach Meinung beider Koalitionspartner „seit der Deutschen Einheit gut entwickelt“ habe. Tatsächlich bedeutete die Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse auch in Mecklenburg-Vorpommern eine soziale Katastrophe. In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden die öffentlichen Sozialsysteme des Landes weitgehend zerstört und seine Gesundheitsversorgung privatisiert, während die sogenannte „Armutsgefährdungsquote“ auf eine bundesweite Spitzenposition stieg.

Von einem Kampf gegen Covid-19 ist im gesamten Dokument keine Rede. Sämtliche Hinweise auf „Corona“ beziehen sich stattdessen ausschließlich auf die finanziellen und wirtschaftlichen Aspekte der Pandemie und beschwören im Duktus der extremen Rechten die angebliche Bedrohung für „die Grundrechte“, die von etwaigen Schutzmaßnahmen ausgehe. Der Kurs ist klar. Die neue Landesregierung wird die Durchseuchungspolitik, die auch in dem dünn besiedelten und landwirtschaftlich geprägten Bundesland bereits zu mehr als 1200 Coronatoten geführt hat, fortsetzen.

Der Koalitionsvertrag von SPD und Linkspartei wurde in den Medien als „umfangreiches Sozialprogramm“ bezeichnet, doch in Wirklichkeit ist er nichts dergleichen. Er stellt zwar unter anderem in Aussicht, das Betreuungsverhältnis an Kitas zu verbessern, Erzieher besser zu entlohnen und an Berufsschulen einige zusätzliche Stellen zu schaffen. Doch dabei handelt es sich um leere Versprechungen, die alle unter Finanzierungsvorbehalt stehen.

Tatsächlich verfolgt die Regierung einen rigorosen Sparkurs. Explizit heißt es unter Verweis auf die „verfassungsrechtlichen Regelungen zur Schuldenbremse“, dass „die Haushalte der kommenden Legislaturperiode“ „ohne Aufnahme neuer Schulden beschlossen“ und auch in den Kommunen ein „Abbau der Schulden“ betrieben werden soll.

Während keinerlei neue Steuern vorgesehen sind, sollen „etwaige Jahresüberschüsse“ stattdessen „für die Haushaltskonsolidierung, für die Tilgung der Kredite des MV-Schutzfonds [Corona-Rettungspakete] und die weitere Schuldentilgung“ verwendet werden, d.h. an Banken und Investoren überwiesen werden. Begriffe wie „solide Finanzplanung“ und „Haushaltskonsolidierung“ – bekannte Codeworte für umfangreiche Sozialangriffe – finden sich in dem Dokument gleich an mehreren Stellen.

Bezeichnenderweise haben sowohl Schwesig als auch Oldenburg gegenüber der Presse auf die gemeinsame Regierungsperiode zwischen 1998 und 2006 verwiesen, die in Sachen Austerität bundesweit Maßstäbe gesetzt hat. Das von der Linkspartei (damals PDS) geführte Arbeitsministerium unter Helmut Holter – der heute als Bildungsminister in Thüringen die Corona-Durchseuchung ungeimpfter Schulkinder verantwortet – ließ in dieser Zeit unter anderem öffentliche Krankenhäuser radikal privatisieren, um „den Landeshaushalt zu konsolidieren“. Am Ende dieser extrem reaktionären Regierungsbilanz stand der erstmalige Einzug der faschistischen NPD in den Schweriner Landtag.

Heute belegt Mecklenburg-Vorpommern mit einer privaten Krankenhausversorgung von mehr als 50 Prozent den Spitzenplatz der bundesweiten Privatisierungsorgie im Gesundheitswesen, während das durchschnittliche Einkommen der Bevölkerung seit Jahren so niedrig ist wie in keinem anderen Bundesland.

Die neuerliche Regierungsbeteiligung der Linkspartei dient dazu, diese von der bundesweit ersten rot-roten Koalition verantworteten Angriffe fortzuführen und noch weit in den Schatten zu stellen. Zugleich soll der sozialen Wut, die daraus folgt, mit der massiven Aufrüstung des Polizeistaats begegnet werden.

So bekennt sich das Regierungsprogramm neben der „Präsenz von Schutzpolizei in der Fläche“ unter anderem zu einer zügigen Besetzung von weiteren „rund 6.200 Stellen für die Polizei“ und zum sogenannten „Sicherheits- und Ordnungsgesetz“ (SOG-MV), das grundlegende demokratische Rechte außer Kraft setzt. Das noch von der CDU mit ausgearbeitete Gesetz erlaubt unter anderem „längerfristige Observationen“ und das „Abhören von Wohnungen“, ohne dass eine „konkrete Gefahr“ vorliegen muss. Es ermächtigt Polizisten, nachts in Wohnungen einzudringen, um auf den Smartphones von Zielpersonen Staatstrojaner zu installieren.

Die Bürgerrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die im Juni gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde eingereicht hat, stellt zudem fest, dass „bei sämtlichen Überwachungsmaßnahmen, die das Gesetz vorsieht, eine rechtsstaatliche Kontrolle nicht sichergestellt“ ist.

Die innere Aufrüstung beschränkt sich dabei nicht auf die Polizei. Die Bundeswehr, die „in Mecklenburg-Vorpommern tief verwurzelt“ sei, soll weiter mit den zivilen Behörden verschränkt werden. So soll unter anderem die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit … dem Bundeswehr- und Reservistenverband“ fortgeführt und ein „gemeinsames Konzept mit Land und Kommunen“ entwickelt werden, das „bei Großschadenslagen über die Amts- und Katastrophenhilfe hinaus“ zum Einsatz kommen soll. Für ehemalige Bundeswehrangehörige bedürfe es zudem „konkreter Angebote zur Übernahme in den Landesdienst“.

Wörtlich heißt es in dem Papier von SPD und Linkspartei: „Die Koalitionspartner bekennen sich zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der Bundeswehr als verlässlichem Partner.“

Vor diesem Hintergrund können Bekenntnisse zur „Unterstützung eines demokratischen Gemeinwesens“ oder gar zur „Entwaffnung von Extremisten“ nur als dreiste Lügen bezeichnet werden. Es ist offensichtlich, dass mit der Aufrüstung und Ermächtigung von Militär und Polizei auch die bundesweit agierenden rechtsterroristischen Netzwerke gestärkt werden, die in kaum einem anderen Bundesland nachweislich so tief im Staatsapparat verwurzelt sind und über so enge Verbindungen zu höchsten politischen Kreisen verfügen.

Schwesigs langjähriger Stellvertreter, der damalige Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU), musste vor einem Jahr zurücktreten, nachdem Einzelheiten über seine Bezüge zur rechtsextremen Terrorgruppe „Nordkreuz“ bekannt geworden waren. Caffier war unter anderem Schirmherr eines jährlichen internationalen Spezialkräfte-Schießtrainings in Güstrow, das von Reportern des ZDF und der taz übereinstimmend als Umschlagspunkt für bundesweite Munitionstransfers ausgemacht wird. Beim Organisator des Events – einem Nordkreuz-Mitglied – hatte der Minister eine Waffe erworben.

Die Gruppe ist der nördliche Ableger eines faschistischen Netzwerks im deutschen Staatsapparat, das zehntausende Schuss Munition und Waffen gelagert und die Ermordung politischer Gegner an einem „Tag X“ geplant hat. Sie verfügt über Zugang zu den Eurofighter-Geschwadern des Luftwaffenstützpunkts der Bundeswehr in Rostock-Laage und führte eine Feindesliste mit über 5000 Einträgen. Ihr rechtsextremer Führer Marko G., der mehr als 55.000 Schuss Munition illegal gebunkert hatte, ist ein ehemaliger Scharfschützenausbilder und Sonderpolizist des Landeskriminalamtes und befindet sich nach wie vor auf freiem Fuß.

Dass Linkspartei und SPD vor diesem Hintergrund die staatlichen Sicherheitsbehörden massiv aufrüsten, ist eine Warnung. Diese im Kern rechten bürgerlichen Parteien fürchten weniger das Programm der Faschisten, sondern vielmehr die wachsende soziale und politische Opposition in der Arbeiterklasse. Bezeichnenderweise kandidierte der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik, der als Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses selbst Morddrohungen erhielt, nicht mehr für den Landtag. Seine Begründung: „Ich stehe mit meinem größten Anliegen, dem Kampf gegen Rechts, in meiner Fraktion komplett alleine auf weiter Flur.“

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