Mecklenburg-Vorpommern: Große Koalition bereitet neues Polizeigesetz vor

Während in ganz Deutschland immer neue Neonazistrukturen aufgedeckt werden, die tief in den Verfassungsschutz, die Polizei und die Bundeswehr hineinreichen, erweitern die Landesregierungen systematisch die Vollmachten des Staatsapparats. In Mecklenburg-Vorpommern plant die regierende SPD-CDU-Koalition unter Manuela Schwesig (SPD), nach der Sommerpause ein neues, verschärftes Polizeigesetz durch den Landtag zu peitschen.

Wie schon die neuen Polizeigesetze in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin soll auch das sogenannte Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) in Mecklenburg-Vorpommern den Polizeiapparat erheblich stärken. Es setzt wichtige demokratische Rechte außer Kraft.

Ein Schwerpunkt des neuen Gesetzes ist der Einsatz von so genannten Staatstrojanern, mit deren Hilfe der gesamte digitale Verkehr einer Zielperson ausgespäht werden kann. Um auf Computer und Smartphones die Spionagesoftware aufzuspielen, soll es der Polizei künftig erlaubt sein, Wohnungen heimlich zu betreten und zu durchsuchen, um den Lauschangriff „vorzubereiten“. Die Staatstrojaner sollen auch bei Personen eingesetzt werden können, die keiner Straftat beschuldigt und nur verdächtigt werden, eine solche in Zukunft zu begehen.

In Mecklenburg-Vorpommern soll sowohl die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), bei der laufend erstellte Texte vor der Verschlüsselung mitgelesen werden, als auch die Online-Durchsuchung, die auf sämtliche elektronischen Daten eines Computers oder Smartphones zugreift, künftig möglich sein. „Sollten wir da nicht endlich rankommen und reinkommen, können die Länderpolizeien ihren Laden dichtmachen“, polterte Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU).

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt des neuen Gesetzes macht deutlich, dass der Fall Julian Assange auch in Deutschland als Rammbock zur Zerstörung der Pressefreiheit dient: Der Gesetzentwurf sieht vor, das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten weiter einzuschränken. Damit können Polizisten bei „drohender Gefahr“ ohne richterlichen Beschluss auf Informationen, Kontakte und Dokumente von Journalisten zugreifen, was Journalisten wie Informanten gefährdet.

Schon Ende 2011 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil entschieden, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, Journalisten denselben Schutz als Berufsgeheimnisträger zu gewähren wie Geistlichen, Abgeordneten oder Rechtsanwälten. Darauf stützen sich die Landesregierungen jetzt in ihren neuen Polizeigesetzen.

Nach dem neuen Polizeigesetz sollen auch Provider und Internetanbieter gezwungen werden können, Daten „verdächtiger Personen“ wie Passwörter und Adressen herauszugeben. Hinzu kommen Änderungen bei der Wohnraumüberwachung und den Meldeauflagen und ein vermehrter Einsatz von V-Leuten bei Personen, die als „Gefährder“ eingestuft werden.

Das ist aber noch keineswegs alles, was das Sicherheits- und Ordnungsgesetz zu bieten hat. Auch der Einsatz von Drohnen und der „finale Rettungsschuss“ sollen darin Eingang finden. Im letzten Jahr waren bereits die elektronischen Fußfesseln eingeführt worden.

Mehr und mehr verwirklichen Politiker aller Parteien das Programm der AfD. Sie erweitern die Vollmachten der Staatsorgane zu einem Zeitpunkt, an dem immer neue Details über rechtsextremistische Netzwerke in Polizei und Bundeswehr ans Licht kommen. Das wird in Mecklenburg-Vorpommern besonders deutlich.

Am 21. Juni hat der Landtag in Schwerin das verschärfte Polizeigesetz in erster Lesung gebilligt. Keine zehn Tage zuvor hatte der Staatsanwalt Haftbefehl gegen vier Polizisten erlassen, weil sie massenhaft Munition gebunkert hatten. Einer von ihnen, Marko G., ist der Gründer der terroristischen Chatgruppe „Nordkreuz“. An 13 Orten ließ die Staatsanwaltschaft Schwerin Wohnungen und Polizeidienststellen durchsuchen und die vier Beamten festnehmen, die dem Spezialeinsatzkommando (SEK) des Landeskriminalamts (LKA) angehören oder angehört haben. Der ehemalige SEK-Polizist Marko G. ist auch Mitglied der AfD.

Seine Gruppe „Nordkreuz“, die den so genannten „Preppern“ (von Englisch „prepare“ – vorbereiten) zugerechnet wird, sticht durch besondere Grausamkeit hervor. Die Gruppe hat Waffen, Munition und Vorräte gehortet und Schießübungen veranstaltet, um sich auf einen „Tag X“ vorzubereiten, an dem sie den staatlichen Zusammenbruch erwartet. An diesem Tag plant sie politische Gegner umzubringen, wofür sie Listen mit 25.000 Namen von „Vertretern des politisch linken Spektrums“ (wie es im Durchsuchungsbeschluss heißt) anlegte. Die Mitglieder der Gruppe sind überwiegend Polizisten und Bundeswehrsoldaten. Sie sollen unter anderem geplant haben, zweihundert Leichensäcke und Ätzkalk zu beschaffen.

Der Landesregierung und besonders dem Innenministerium ist die Gruppe „Nordkreuz“ seit langem bekannt. Das Haus, das Marko G. gehört, wurde schon vor zwei Jahren elf Stunden lang durchsucht, er selbst jedoch nur als Zeuge vernommen. Er konnte weitere zwei Jahre unbehelligt arbeiten und sein riesiges Netzwerk ausbauen, das mit rechtsradikalen Gruppen in ganz Deutschland verbunden ist.

Damals wurden bereits Ermittlungen gegen zwei Mitglieder der Gruppe „Nordkreuz“, einen Polizisten und einen rechtsradikalen Anwalt, aufgenommen. Bei ihnen fand man Waffen und eine Liste mit 5000 Namen. Der eine, der Polizeibeamte Haik J., ein AfD-Mitglied, wurde lediglich vom Dienst suspendiert. Der andere, der Rostocker Rechtsanwalt Jan-Hendrik Hammer, sitzt offenbar bis heute in der Rostocker Bürgerschaft; jedenfalls steht sein Name als Abgeordneter noch auf der Website der rechtspopulistischen Liste Unabhängige Bürger für Rostock (UFR).

Jan-Hendrik Hammer trat als FDP-Mitglied der UFR bei, während er gleichzeitig enge Kontakte zur Identitären Bewegung (IB) pflegte. Der damalige AfD-Landessprecher Holger Arppe (heute parteilos) schrieb über Hammer: „Der Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage und lebt unter dem Motto: Wenn die Linken irgendwann völlig verrücktspielen, bin ich vorbereitet.“ Hammer selbst äußerte sich laut Arppe über einige seiner Kollegen in der Rostocker Bürgerschaft so: „Manche Leute in der Bürgerschaft kann ich mir nur mit einem Loch im Kopf vorstellen, sonst ertrage ich diese linken Schweine nicht.“

Die Vorgänge in Rostock und Schwerin zeigen, wie eng die Verbindungen der AfD zu den rechtsextremen Netzwerken in Polizei und Bundeswehr sind. Die Landesregierung von SPD und CDU hält ihre schützende Hand über sie und setzt gleichzeitig mit dem neuen Polizeigesetz AfD-Politik um.

Innenminister Lorenz Caffier hatte Marko G. als Sportschütze ausgezeichnet und war regelmäßig Gast auf einem Schießplatz, auf dem das LKA ein Training für Spezialeinheiten der Polizei und der Bundeswehr organisierte. Dieser Schießplatz ist jetzt ebenfalls durchsucht worden, weil sein Betreiber wohl in der Gruppe „Nordkreuz“ aktiv war. Caffier hat es trotz offizieller Nachfragen von Landespolitikern bis heute unterlassen, die Personen, deren Namen auf den „Feindes“- und „Todeslisten“ stehen, zu informieren und zu warnen.

Auch die SPD, die mit Manuela Schwesig die Regierungschefin stellt, setzt diese rechte Politik mit um. Der Polizeisprecher der SPD, Manfred Dachner, selbst ein ehemaliger Polizist, hat die Ausweitung der Befugnisse im neuen Polizeigesetz ausdrücklich begrüßt. Um das Ganze etwas schön zu reden, möchte die SPD im Jahr 2024 eine Evaluation durchführen und dann, wie sie sagt, vielleicht ein paar Maßnahmen lockern. Die Geschichte hat aber gezeigt, dass einmal eingeführte Maßnahmen eher verschärft als wieder abgeschafft werden.

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