Trotz Omikron-Variante und Triage: Regierung gegen Lockdown

Die globale Verbreitung der infektiöseren Omikron-Variante des Coronavirus trifft in Deutschland mit einem Infektions- und Krankheitsgeschehen zusammen, das so katastrophal ist wie nie zuvor im bisherigen Verlauf der Pandemie. Während die täglichen Neuinfektionen in der vergangenen Woche Rekordwerte von täglich über 75.000 erreicht haben, wurden in Hessen und Bayern bei Reiserückkehrern aus Südafrika bereits Infektionen mit der neuen Variante festgestellt.

Die Situation in den Krankenhäusern ist bereits jetzt absolut dramatisch. Von den bundesweit 4.459 Covid-Intensivpatienten werden mehr als die Hälfte künstlich beatmet. Unter den Intensivpatienten sind laut Divi-Register 27 Kinder und auch ihre Zahl stieg zuletzt exponentiell. Seit Beginn der Pandemie wurden insgesamt 138.567 Menschen mit Covid-19 auf einer Intensivstation behandelt, die offizielle Zahl der Corona-Toten liegt bei 101.000. Allein in der vergangenen Woche haben sich 470.000 Menschen neu infiziert und 1.790 sind gestorben – täglich kommen derzeit zwischen 200 und 300 Tote hinzu.

Bürgerhospital in Frankfurt am Main (AP Photo/Michael Probst)

In zahlreichen Krankenhäusern sind die Intensivstationen am Limit. Schwerkranke und intubierte Patienten müssen von speziell umgerüsteten Militärflugzeugen vom Typ Airbus A310 und A400M bundesweit verlegt werden, weil sie in angrenzenden Bundesländern nicht mehr versorgt werden können.

Allein am vergangenen Wochenende wurden 80 Menschen aus Bayern, Sachsen und Thüringen von den Truppentransportern der Luftwaffe in den Norden und Westen des Landes ausgeflogen. Wie ein Pfleger gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, müssen dabei Entscheidungen getroffen werden, die einer „schleichenden Triage“ gleichkommen.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass mittlerweile in mehr als 75 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland der Normalbetrieb nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Planbare Operationen werden verschoben. Der Hamburger Intensivmediziner Stefan Kluge spricht in diesem Zusammenhang von einer „latenten Triage“, denn es gehe dabei „nicht um Hüftoperationen, sondern zum Beispiel um dringende Gefäßoperationen, bei denen ein Aneurysma platzen könnte“.

Der Internist Michael Hallek (Universitätsklinikum Köln) hatte bereits vor einer Woche gegenüber dem Ärzteblatt eine „weiche Triage“ festgestellt, die „zum Beispiel dann eintritt, wenn ein Herzinfarktpatient eine Stunde im Rettungswagen herumgefahren wird, der kein Krankenhaus mit einem freien Intensivbett findet“.

Mit der Mobilisierung der Bundeswehr reagieren Bund und Länder auf die Folgen ihrer eigenen Durchseuchungs- und Kürzungspolitik. Während die Gesundheitsämter Nordrhein-Westfalens Karneval und Fußballspiele mit zehntausenden Teilnehmern ohne Masken genehmigen, stehen in Berlin und Brandenburg die Kliniken ebenfalls bereits vor dem Kollaps. Längst ist absehbar, dass aufgrund der gegenwärtigen Corona-Zahlen tausende weitere eingeliefert und verlegt werden müssen, viele davon ins europäische Ausland.

Virologen, Epidemiologen und Mediziner haben seit Monaten vor einer solchen Situation gewarnt und bereits vor Wochen in einem Brandbrief eindringlich gefordert, „frühzeitig zu handeln“, um ein weiteres Anschwellen der Corona-Infektionen so schnell wie möglich zu unterbinden. „Die eigentliche vierte Welle hat jetzt begonnen“, stellte der leitende Intensivmediziner Christian Karagiannidis, einer der Erstunterzeichner, bereits am 21. Oktober fest.

Doch anstatt in dieser Situation einen harten Lockdown zu organisieren und weitere Infektionen zu verhindern, erklärt die Regierung die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaftstätigkeit zum obersten Ziel und nimmt damit den Tod von hunderttausenden weiteren Menschen billigend in Kauf.

Den Ton gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor, der in einem Gastbeitrag für die Bild-Zeitung für Impfungen und die „freiwillige“ Einschränkung von Kontakten warb, „damit Schulen und Kitas nicht wieder schließen, damit wir das öffentliche Leben nicht wieder vollständig herunterfahren müssen“. Am Freitag hatte Steinmeier in einer Ansprache zum Deutschen Schulleiterkongress erklärt: „Es muss jetzt unser oberstes Zeil sein, Kitas und Schulen offen zu halten.“

Diese Durchseuchungspolitik, die von sämtlichen Parteien verfolgt wird, steht in direktem Widerspruch zu sämtlichen Erkenntnissen ernsthafter Wissenschaftler.

„Bei derart hohen Zahlen wären kurzfristige Effekte nur bei einem totalen Lockdown zu erwarten“, bekräftigte der Professor Markus Scholz, Epidemiologe an der Universität Leipzig. Der Schulunterricht in seiner jetzigen Form sei ein „wesentlicher Pandemietreiber“, so Scholz: „Harter Lockdown und Schulen dicht – nur das kann noch helfen.“

Selbst die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die als regierungsnah gilt, forderte am Samstag in einer Stellungnahme, „sofort wirkende Maßnahmen“ für „deutliche Kontaktreduktionen“ zu ergreifen und die Schulferien vorzuziehen. Darüber hinaus sei eine „flächendeckende Wiedereinrichtung von Impfzentren“ und eine „weitere Verstärkung von ‚aufsuchenden Impfangeboten‘“ erforderlich, damit „bis Weihnachten neben Erst- und Zweitimpfungen rund 30 Millionen Drittimpfungen ermöglicht werden“.

Um „den exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen“ zu „beenden“, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, sei es notwendig, „die Kontakte von Beginn der kommenden Woche an für wenige Wochen deutlich zu reduzieren“. Dies müsse „auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen“.

Doch die Koalitionspartner der geplanten Ampel-Regierung stellten vergangene Woche erneut klar, dass sie nichts zu tun beabsichtigen, um das drohende Massensterben auch nur abzuschwächen. FDP-Generalsekretär Volker Wissing verwies am Freitag auf den „Instrumentenkasten der Länder“ – den SPD, Grüne und FDP durch eine gemeinsame Gesetzesnovelle nur Tage zuvor weiter beschnitten hatten.

Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock erklärte, man habe sich „zehn Tage Zeit gegeben“, um sich den Verlauf von Pandemie und Impffortschritt „anzuschauen“. Nötig seien keine Sofortmaßnahmen, sondern eine weitere Bund-Länder-Konferenz.

Unter Arbeitern und Jugendlichen wächst der Widerstand gegen diese kriminelle Politik, die den Profiten der Wirtschaft bewusst Vorrang vor dem Leben der Bevölkerung einräumt.

„Steinmeier appelliert an ‚Freiwilligkeit‘ und die Ampel schaut beim Sterben zu“, schreibt etwa die Twitter-Userin Andrea Z. in einem populären Beitrag: „Wir sind keine Menschen, wir sind Zahlen und dürfen zahlen. Ende der Geschichte. Die schicken uns genauso bedenkenlos in die Pandemie wie früher in Kriege. Es ist die gleiche furchtbare Sorte Mensch.“

Die Kinder- und Jugendärztin Dr. Werner erklärt: „Die Kinder werden zigtausendfach mit Covid durchseucht – weil für ihren Infektionsschutz nicht gesorgt wird! Es hat in meiner 25-jährigen Kinderarzt-Zeit noch nie eine Infektionskrankheit gegeben, die in einem so kurzen Zeitraum so viele Kinder so schwer krank gemacht hat. Die Hütte brennt, und die Kinderdurchseuchung darf nicht so weitergehen! Kinderärzte und Eltern müssen einheitlich auftreten.“

Carsten, ein Unterstützer des Kampfs für sichere Bildung, sagt mit Blick auf die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch die Ampel-Koalitionäre: „Es besteht ein direkter Wirkzusammenhang zwischen dem Verbot effizienter nicht-pharmazeutischer Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und der Anzahl der Toten durch SARS-CoV-2. Grüne, SPD und FDP gehören vor Gericht wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit.“

Was jedoch die deutschen Gerichte betrifft, so haben sie in der Pandemie Shutdowns und Ausgangssperren für verfassungswidrig erklärt und eine zentrale Rolle dabei gespielt, sogar die Maskenpflicht im Unterricht zu beseitigen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei, die als einzige Partei seit Beginn der Pandemie für eine demokratische und humane Lösung der Krise kämpft, wurde mit Zustimmung der Justiz unter geheimdienstliche Beobachtung gestellt. Die Verantwortlichen der „Profite vor Leben“-Politik können daher nur durch eine Bewegung der internationalen Arbeiterklasse zur Rechenschaft gezogen werden.

Die World Socialist Web Site hat aus diesem Grund den Global Workers‘ Inquest in die Wege geleitet, eine internationale Untersuchung der Arbeiter in Sachen Corona. Wir rufen alle Leserinnen und Leser auf diese Initiative zu unterstützen und in Betrieben, Einrichtungen und Wohnvierteln Aktionskomitees zu gründen, die die notwendigen Sofortmaßnahmen beschließen und umsetzen.

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