Nach wütender Reaktion der Öffentlichkeit:

Australische Behörden widerrufen Einreisegenehmigung für Tennisspieler und Impfgegner Novak Djokovic

Innerhalb von nur 48 Stunden sind die australischen Behörden von der Entscheidung abgerückt, dem Spitzentennisspieler Novak Djokovic eine Einreisegenehmigung zu erteilen, damit er auch ohne Nachweis einer Covid-19-Impfung am Australian-Open-Turnier teilnehmen kann.

Nach seiner Landung in Australien wurde Djokovic die Einreise verweigert und er wurde in ein Hotel in Melbourne von den Behörden unter Arrest gestellt. Am heutigen Montag wird ein Berufungsgericht über seine Abschiebung entscheiden.

Novak Djokovic im Jahr 2018 (Wikimedia commons)

Der Vorfall erregte weltweit mediale Aufmerksamkeit, weil er beispielhaft dafür steht, wie die Regierungen selbst die einfachsten Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit missachten, wenn dadurch lukrative wirtschaftliche Interessen gefährdet werden. Die massive öffentliche Reaktion auf die Ausnahmeregelung hat zum einen gezeigt, dass der Großteil der Bevölkerung diese Unterordnung von Gesundheit und Sicherheit unter die Profite der Wirtschaft ablehnt, zum anderen die wachsende Wut über die soziale Ungleichheit.

Auslöser für die Kontroverse war ein Instagram-Post von Djokovic am Dienstagabend australischer Zeit, in dem er erklärte, er werde bald nach Australien aufbrechen und habe eine nicht näher beschriebene „Ausnahmegenehmigung“ erhalten.

In den sozialen Netzwerken zeigten sich viele Nutzer überrascht, dass der erfolgreichste Tennisspieler der Welt – der 20 Grand Slams und Dutzende andere Turniere gewonnen hat – an einer der wenigen ernsten Krankheiten leiden soll, die internationalen Reisenden eine Einreise ohne Impfnachweis nach Australien erlauben.

Zu den Gründen für solche Ausnahmen gehören „medizinisch bedeutsame Krankheiten, potenziell lebensbedrohliche Beschwerden und/oder dauerhafte oder schwerwiegende Behinderungen“. Djokovic hat in der jüngeren Vergangenheit nichts von einer „akuten schweren Erkrankung“ erwähnt, die eine wichtige Operation erfordert, was ein weiterer Grund für eine Impfbefreiung wäre.

Angesichts seiner früheren Äußerungen gegen Impfungen ist außerdem unwahrscheinlich, dass er eine „ernsthafte negative Reaktion auf eine frühere Impfung gegen Covid-19“ durchgemacht hat. Ebenso wenig deutet darauf hin, dass er zu den Personen gehört, die „während des Impfvorgangs eine Gefahr für sich oder andere darstellen“ und deshalb „Anspruch auf eine vorübergehende Befreiung von der Impfung haben“.

Trotz dieser rätselhaften Umstände betonten das australische politische Establishment und die Sportverbände, die Befreiung gehe in Ordnung.

Tennis Australia erklärte, die Entscheidung sei nicht nur von einem, sondern von zwei „unabhängigen medizinischen Gremien“ gefällt worden. Die von der Labor Party geführte Regierung des Bundesstaats Victoria, wo die Australian Open stattfinden, unterstützte diese Behauptungen sofort. Wie sie am Dienstagabend erklärte, hat sie eng mit dem Sportverband zusammengearbeitet, um ein „unabhängiges und strenges Verfahren für die Bewertung von Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen für die Australian Open“ zu organisieren.

Am Mittwoch gab auch Premierminister Scott Morrison grünes Licht. Auf die Frage von Reportern zu der Ausnahmegenehmigung erklärte er: „Nun, das ist Sache der Regierung von Victoria. Sie haben ihm eine Ausnahmegenehmigung für die Einreise nach Australien erteilt, und jetzt werden wir uns an die Entscheidung halten.“

Diese Erklärung verschärfte die öffentliche Reaktion noch weiter. Djokovics Name wurde unter mehreren Hashtags wie „DjokovicOut“ oder „NovaxDjokovic“ zum Trendthema auf Twitter.

Kommentatoren, die nach einer Begründung für die Ausnahme suchten, wiesen in bissigem Ton darauf hin, dass der Tennisspieler zwar einer der fittesten Menschen der Welt ist, aber schon seit längerer Zeit als Impfgegner aufgefallen ist.

Im April 2020, ein halbes Jahr bevor Impfstoffe gegen Covid-19 zur Verfügung standen, erklärte Djokovic, er lehne Impfungen ab. Später erklärte er gegenüber Fans, er wolle „von niemandem gezwungen werden, sich impfen zu lassen“, selbst wenn es für Reisen und die Teilnahme an Turnieren erforderlich sei. Er erklärte, er sei stattdessen „interessiert an Gesundheit und wie wir unseren Metabolismus am besten für die Verteidigung gegen Betrüger wie Covid-19 in Form bringen können“.

Viele wiesen auf das bisherige Verhalten des Tennisspielers während der Pandemie hin. Während der ersten Welle im Juni 2020 war Djokovic daran beteiligt, ein Freundschaftsspiel zu organisieren, bei dem weder das Einhalten von Abständen noch sonstige grundlegende Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt wurden. Er und andere Teilnehmer und Zuschauer steckten sich mit dem Virus an und die Veranstaltung trug zur Ausbreitung von Covid-19 auf dem Balkan bei. Damals kursierten im Internet Videos, auf denen zu sehen ist, wie Djokovic und andere Spieler nach dem Turnier bei einer Party mit freiem Oberkörper tanzen.

In den sozialen Medien wurde die Ausnahmegenehmigung als Angriff auf die einfache Bevölkerung verurteilt, die entschlossen ist, die Pandemie zu bekämpfen. Typisch dafür war ein Twitter-Post, in dem es hieß: „Es ist haarsträubend, dass Djokovic ungeimpft nach Australien darf. Es ist eine Beleidigung für alle, die gewaltige Opfer gebracht haben, um diese Pandemie zu überwinden.“

Ein anderer schrieb: „Es ist eine Schande. Ein Schlag ins Gesicht für alle Ärzte und alle, die weltweit gegen diese Pandemie kämpfen. Sie werden vielleicht als großer Tennisspieler in die Geschichte eingehen, aber das wird man ihnen auch nie vergessen.“

Bei vielen verband sich die Ablehnung gegenüber der Ausnahmegenehmigung mit Wut über die offizielle Reaktion auf die Omikron-Welle im Land. Australien verzeichnete in den letzten sechs Tagen mehr Infektionen als in den letzten zwei Jahren, weil die australische Bundesregierung und alle Bundesstaatsregierungen offen das Programm der „Herdenimmunität“ übernehmen und das Virus ungehindert durch die Bevölkerung kursieren lassen.

Ein Kommentar fasste die Situation treffend zusammen: „Wir haben in den Krankenhäusern von NSW [New South Wales] Pflegekräfte, die mit einer Covid-Erkrankung arbeiten, weil sie so unterbesetzt sind, seit sich das Virus in Australien ausbreitet. Wir können Angehörige in Altenheimen nicht besuchen. Wir bekommen keine RAT-Tests, aber Djokovic wird sie sicher bekommen. Das ist Heuchelei.“

Andere wiesen auf die offensichtlichen Klassenfragen hin. Tausende von Australiern, darunter vollständig geimpfte, befinden sich weiterhin zwangsweise im Ausland. Sie können nicht nach Hause kommen und wurden von der Bundesregierung völlig im Stich gelassen. In einem satirischen Post, der mehrere tausendmal geteilt wurde, hieß es: „Ein strenges Verfahren unter Einbeziehung von zwei unabhängigen Gremien ist zu dem Schluss gekommen, dass Novak Djokovic stinkreich ist.“

Unter dem Eindruck dieser Welle von Wut gingen die Dinge schief. Als Djokovic am Mittwochabend am Flughafen von Melbourne ankam, entdeckte die Grenzschutzbehörde plötzlich, dass es Probleme mit seiner Ausnahmegenehmigung gab.

Premierminister Morrison kündigte am Donnerstagmorgen auf Twitter die Annullierung von Djokovics Visum an.

Weniger als 24 Stunden nachdem Morrison erklärt hatte, die Ausnahmegenehmigung sei korrekt, ließ er eine abstoßende Schimpftirade gegen den Tennisspieler los: „Regeln sind Regeln, vor allem wenn es um unsere Grenzen geht. Niemand steht über diesen Regeln.“ Diese Äußerungen kommen von einer allgemein verhassten Regierung, die den Konzernen während der Pandemie hunderte Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat, die weitere Verelendung der arbeitenden Bevölkerung sicherstellt und jetzt für die massive unkontrollierte Ausbreitung des Virus verantwortlich ist.

Laut dem Sydney Morning Herald hat Djokovic die Ausnahmegenehmigung beantragt, weil er sich innerhalb der letzten sechs Monate nachweislich mit Covid-19 infiziert hatte.

Die Regierungsvertreter, die noch vor wenigen Tagen mit dem „strengen Verfahren“ bei der Ausnahmegenehmigung geprahlt haben, wollen jetzt nichts mehr damit zu tun haben. Merkwürdigkeiten sind im Überfluss vorhanden. Die Regierung von Victoria wurde im November angewiesen, frühere Infektionen nicht als gültigen Grund für eine Ausnahmegenehmigung bei der Einreise aus dem Ausland gelten zu lassen. Die Bundesregierung behauptet, die Regierung von Victoria sei für die Ausnahmegenehmigung verantwortlich, obwohl Landesgrenzen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung fallen.

Es entsteht unweigerlich der Eindruck, dass alle Regierungsebenen die Ausnahmegenehmigung unterstützt haben und glaubten, sie könnten ihre eigenen Regeln umgehen. Doch dann wurde die Öffentlichkeit durch Djokovics zur Unzeit veröffentlichten Instagram-Post darauf aufmerksam gemacht, was gespielt wird, und hat mit massiver Ablehnung reagiert.

In dieser Stimmung äußert sich der allgemeine Widerstand gegen die mörderische Politik der Herdenimmunität, die Überlastung der Krankenhaussysteme und die Gefahren, denen Arbeiter und Jugendliche ausgesetzt sind.

Dass Djokovic im Fokus steht, sollte jedoch nicht von den grundlegenden Fragen ablenken. Die wichtigste davon ist, dass die Australian Open gar nicht stattfinden sollten, egal ob mit oder ohne ihn. Die Veranstaltung ist ein eindeutiges Superspreader-Event und das in einem Bundesstaat, in dem die Menschen nicht zeitnah einen Corona-Test bekommen können und Experten davor warnen, dass das Krankenhaussystem, wenn die Entwicklung so weitergeht, vermutlich Ende des Monats zusammenbrechen wird.

Das Turnier findet jedoch trotzdem statt, weil es ein Schwerpunkt des umfassenderen Programms „Leben mit dem Virus“ ist und weil es um beträchtliche Interessen geht. Laut der Website der Australian Open hat das Turnier im letzten Jahr für wirtschaftliche Aktivitäten im Gegenwert von 387,7 Millionen Dollar gesorgt.

Zudem sind die Impfstoffe gegen Covid-19 ein wichtiger wissenschaftlicher Fortschritt im Kampf gegen das Coronavirus und die allgemeine Unterstützung der Öffentlichkeit für sie verdeutlicht, in welchem Ausmaß die arbeitende Bevölkerung Wert auf den Erhalt der allgemeinen Gesundheit legt. Doch wie Epidemiologen und Wissenschaftler erklärt haben und wie die derzeitige Welle zeigt, reichen Impfungen alleine nicht aus, um die hohe Zahl von Erkrankungen und Todesfällen zu verhindern.

Erforderlich ist ein globaler Kampf für die Eliminierung des Virus, der u. a. Lockdown-Maßnahmen wie die Schließung nicht lebensnotwendiger Betriebe und Schulen, ein Verbot von Superspreader-Events und eine massive Ausweitung des öffentlichen Gesundheitssystems beinhaltet. Die Erfahrungen in China und bis vor kurzem in Neuseeland und mehreren australischen Amtsbezirken, demonstrieren, dass eine solche Politik die Übertragungsketten beenden kann.

Das erfordert jedoch einen politischen Kampf gegen die kapitalistischen Regierungen, die auf ein Programm der Massendurchseuchung und des Massensterbens setzen, um die Profite der Unternehmen zu sichern. Es erfordert neue Kampforganisationen, darunter Aktionskomitees, und eine sozialistische Perspektive, die Gesundheit und Menschenleben Vorrang vor den Interessen einer winzigen Finanzoligarchie einräumt.

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