Insolvenz von MV Werften und Lloyd Werft gefährdet rund 2300 Arbeitsplätze

Während Arbeiter mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit, ihren Arbeitsplätzen und ihrem Geld für die Folgen der Corona-Pandemie zahlen, kriegt eine winzige Elite an der Spitze der Gesellschaft den Hals nicht voll und bereichert sich in schwer vorstellbarem Ausmaß.

Am Montag haben die MV Werften (Mecklenburg-Vorpommern), die Lloyd Werft (Bremerhaven) und andere Tochterunternehmen der Investment-Holdinggesellschaft Genting Hongkong Ltd. Insolvenz angemeldet. Allein 2.300 Werft-Arbeitsplätze sind in Wismar, Stralsund, Rostock und Bremerhaven in Gefahr, weil Genting sich weigert, mit eigenem Geld für die Auswirkungen der Corona-Pandemie einzustehen.

Bau der „Global Dream“ auf der MV-Werft in Wismar (Bild: Sebastian Krauleidis)

Genting scheffelt hauptsächlich in der Kreuzschifffahrt und außerdem in den Geschäftsbereichen Resort-Hotelanlagen, Spielcasinos, Reiseveranstaltungen, Luftfahrt und Werften Milliarden. Der Genting-Konzern hatte die Werften erst vor gut fünf Jahren für den Bau von Kreuzfahrtschiffen für eigene Reedereien gekauft. Dass ein und dieselbe Holding gleichzeitig Auftraggeber und Auftragnehmer war, sollte die hohen Gewinne noch weiter erhöhen. Finanzieren sollte dieses Geschäftsmodell das damals rasant wachsende Kreuzfahrtgeschäft.

Außerdem wollte der malaysische Milliardär Lim Kok Thay, Chef des Genting-Konzerns, das rund 1,5 Milliarden Euro teure Riesen-Kreuzfahrtschiff „Global Dream“ als schipperndes Casino in Asien einsetzen, um dem Glücksspiel-Verbot auf dem chinesischen Festland entgegenzutreten. Doch, wie das Handelsblatt berichtet, schob die chinesische Regierung dem Glücksspiel auf hoher See immer energischer einen Riegel vor.

Doch vor allem die Corona-Pandemie hat dem Genting-Konzern das Geschäftsmodell zerstört. Die Casinos und Resorts sind leer, die Reedereien benötigen nicht immer mehr neue Kreuzfahrtschiffe. Und nun sollen die Arbeiter die Rechnung zahlen.

Die MV-Werften scheiterten zuletzt an der Finanzierung des zu 75 Prozent fertigen „Global Dream“ – Projektname Global 1. Das 1,5 Milliarden teure Schiff für 9500 Passagiere, inklusive einer Einkaufstraße und einer gewaltigen Achterbahn in 55 Meter Höhe, ist von den 1600 Arbeitern in der Werft in Wismar bereits zu drei Vierteln fertiggestellt. In Warnemünde ist sogar schon das nächste Schiff der „Global-Reihe“ in Produktion.

Der Mutterkonzern als Auftraggeber weigerte sich, die Produktion seines Schiffs vorzufinanzieren, sodass Finanzprobleme vorprogrammiert waren. Ende des Jahres forderte nun der Milliardärs-Konzern, dass der Staat erneut mit Steuergeldern einspringt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern bürgt bereits für Kredite im Umfang von 301 Millionen Euro und ist auch bereit, weitere Hilfskredite zu gewähren. Doch knüpft die rot-rote Landesregierung von Manuela Schwesig (SPD) dies an zusätzliche Kredithilfen der Bundesregierung.

Die neue Ampel-Koalition hatte sich vor Weihnachten bereit erklärt, zu den schon zugesicherten 300 Millionen Euro weitere 300 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zur „Rettung der Werften“ – besser: zur Rettung der Bankkonten der Superreichen – zu gewähren. Im Gegenzug verlangte das Bundeswirtschaftsministerium, nun unter Leitung von Minister Robert Habeck (Grüne), einen Eigenbeitrag des Genting-Konzers von 60 Millionen Euro. Als Sicherheit für die weit mehr als eine halbe Milliarde Euro des Bundes sollte das sich im Bau befindliche Kreuzfahrtschiff „Global 1“ verwendet werden.

Auch die Landesregierung aus SPD und Linke verlangte ihrerseits vom Konzern Garantien für ihre zugesagten Gelder. Noch kurz vor dem Jahreswechsel hatte Genting die Landesregierung auf Auszahlung eines Hilfsdarlehens in Höhe von 78 Millionen Euro gerichtlich verklagt.

In den Verhandlungen zwischen Genting, der Bundes- sowie der Landesregierung am letzten Freitag und gestrigen Montag ging es um eine Beteiligung der Investment-Gesellschaft für die in ihrem Besitz befindlichen Werften in Höhe von 60 Millionen Euro. Doch Genting lehnte ab.

Schon am Freitag gab der Konzern den Arbeitern auf einer Belegschaftsversammlung in Wismar bekannt, dass der nächste Woche fällige Lohn für die Werftarbeiter nicht ausgezahlt wird.

Um noch einmal klar zu machen, was hier geschieht: Ein Milliardär kauft Werften, weil er auf den Boom in der Kreuzschifffahrt setzt, den er durch seine Tourismusgesellschaften und Reedereien selbst maßgeblich anheizt. Durch Inhouse-Geschäfte und Marktexpansion verspricht er sich Milliardengewinne. Nun hat sich herausgestellt, dass er sich verzockt hat. Doch nicht er zahlt die Zeche, sondern die Arbeiter.

Als erstes sind Anfang des letzten Jahres über 1000 Arbeitsplätze vernichtet worden. Dann meldet der Konzern Insolvenz an und „darf“ angeblich keine Löhne auszahlen. Die Arbeiter stehen da ohne Geld, das sie dringend für Miete, Strom, Lebensmittel usw. benötigen; und bald ohne Job, in einer strukturschwachen Gegend, in der es kaum Industriearbeitsplätze gibt.

Hauptanteilseigner und Vorstandschef Lim Kok Thay, der auch große Palmölplantagen in Malaysia betreibt – sein Reichtum wird auf 2,6 Milliarden Dollar oder 2,3 Milliarden Euro geschätzt – verweigert jegliche weitere finanzielle Beteiligung.

Niemand tritt dieser reaktionären und kriminellen Haltung entgegen. Die Bundesregierung wäscht ihre Hände in Unschuld. Der grüne Bundeswirtschaftsminister Habeck teilt lapidar mit: „Als Bundesregierung haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Insolvenz der MV Werften zu vermeiden und so die Arbeitsplätze zu retten. Allerdings haben die Eigentümer unser Hilfsangebot ausgeschlagen.“

Und die IG Metall, die bereits die Vernichtung der über 1000 Arbeitsplätze im letzten Jahr über die Einrichtung von Transfergesellschaften organisiert hat? Sie spricht von „einem schwarzen Tag“ für Mecklenburg-Vorpommern. Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich gibt sich „entsetzt, dass es soweit kommen musste“.

Friedrich und die IG Metall haben in der gleichen Pressemitteilung aber schon angekündigt, dass sie dem Insolvenzverwalter bei der Sanierung, dem Verkauf oder der Abwicklung der Werften zur Seite stehen.

„Wir brauchen jetzt starke Insolvenzverwalter, die mit Unterstützung von IG Metall, Betriebsräten und Politik auf einen Erhalt von Arbeitsplätzen und Werften setzen“, so Bezirksleiter Friedrich. Auch wenn Job und Gehalt der Beschäftigten unsicher seien: Sicher müsse auch in der Insolvenz die Fertigstellung des Kreuzfahrtschiffes „Global Dream“ auf der Werft in Wismar sein. „Ein Weiterbau sichert Arbeit für hunderte Beschäftigte und steigert den Wert bei einem Verkauf“, so der IG-Metall-Bezirksleiter.

Friedrich plant also die die „hochqualifizierten Beschäftigten“ meistbietend an Investoren zu verkaufen. Es sei wichtig, schnell auf mögliche Investoren zuzugehen und die Werften neu auszurichten; eine verharmlosende Umschreibung für Arbeitsplatzabbau und Lohneinbußen. In Bremerhaven und Stralsund habe es bereits vor der Insolvenz Interessenten gegeben.

Das ist die Fortführung des massiven Arbeitsplatzabbaus, den die IG Metall seit letztem Jahr umsetzt. Die Bestürzung von IGM-Bezirkschef Friedrich ist geheuchelt. Denn diese Entwicklung war von Beginn an klar.

Als Genting letztes Jahr im Februar ankündigte, 1200 von damals noch 3000 Arbeitsplätzen zu vernichten, weil die Gewinne ausblieben, hat die Gewerkschaft die operative Umsetzung in ihre Hände genommen. Sie organisierte Transfergesellschaften an allen drei Standorten und baute so allein 650 Arbeitsplätze ab. Die Arbeiter erhielten maximal 85 Prozent des letzten Netto-Lohns. Für den Rest der Belegschaft, etwa 2000 Arbeiter gab es weiter Kurzarbeitergeld.

Der Arbeitsplatzabbau war Bedingung dafür, dass die Bundesregierung rund 300 Millionen Euro an die MV-Werften aus dem Corona-Rettungsschirm zahlte. Die Transfergesellschaften, die im August 2021 starteten, waren dabei von Anfang an nur bis Februar 2022 angelegt.

In dem von der IG Metall und der Geschäftsführung der MV-Werften unterzeichneten Sozial-Tarifvertrag waren die Schritte aufgezeigt, wie der NDR im August 2021 berichtete: „Gibt es bis zum Jahresende keine neue Aufträge für die MV-Werften, sollen zum 1. Februar [2022] mehr als 1000 Beschäftigte in die Transfergesellschaften wechseln, in einem Jahr – am 1. Juli [2022] – die dann verbliebenen Beschäftigten – jeweils nur für vier Monate.“

Der NDR zitierte direkt aus dem Sozial-Tarifvertrag: „Sollte ein der reduzierten Kapazität der MV-Werften entsprechender beschäftigungswirksamer Anschlussauftrag nicht spätestens bis zum 31.12.2021 zustande kommen, ist seitens der MV-Werften nach derzeitigem Stand im zweiten Schritt die Einstellung ihres operativen Betriebs in Aussicht genommen.“

Das ist nun eingetreten, die IG Metall macht sich derweil bereit, die Transfergesellschaften einzurichten.

Es ist höchste Zeit, dass sich die Arbeiter unabhängig von diesen bürokratischen Apparaten selbst organisieren und sich in Aktionskomitees mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus der gesamten Industrie und international zusammenschließen, um ihre Arbeitsplätze zu verteidigen.

Wir wiederholen, was wir vor einigen Wochen in einem Aufruf zur Verteidigung der Arbeitsplätze geschrieben haben. „Der Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees ist direkt mit dem Kampf für eine sozialistische Perspektive verbunden. Ohne die Macht der Finanzaristokratie zu brechen, kann kein einziges Problem gelöst werden. Erst die entschädigungslose Enteignung der Konzerne und Banken schafft die Voraussetzungen für eine demokratische Kontrolle über die Produktion. Erst dann ist es möglich, die Produktion planmäßig, im Interesse der Arbeiterklasse und der gesellschaftlichen Bedürfnisse zu entwickeln.

Alle Arbeiter, die gegen die Angriffe der Konzerne kämpfen wollen, laden wir ein, Kontakt zur Sozialistischen Gleichheitspartei aufzunehmen, die World Socialist Web Site zu lesen und ihren Autoarbeiter Newsletter zu abonnieren. Wir nehmen täglich Stellung zu den wichtigsten politischen Ereignissen und informieren Euch über die Kämpfe von Arbeitern auf der ganzen Welt. Wir helfen Euch, Aktionskomitees zu gründen und internationale Kontakte zu entwickeln. Und wir bauen die Vierte Internationale als internationale sozialistische Arbeiterpartei auf.“

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