Corona-Inzidenzzahlen in Deutschland so hoch wie nie

Die Corona-Inzidenzzahlen sind so hoch wie nie. Am Sonntag hat die Sieben-Tage-Inzidenz mit 528,2 einen neuen absoluten Höchstwert erreicht. Allein in Deutschland sind bis gestern 115.649 Corona-Patienten verstorben; in den letzten sieben Tagen sind nicht weniger als 1620 Todesfälle hinzugekommen.

Erstmals seit Beginn der Pandemie hat die Inzidenz die 500-er Marke überstiegen, was bedeutet, dass sich in nur einer Woche mehr als fünf von tausend Einwohnern mit SARS-CoV-2 infizieren.

Vor einem Jahr hatte selbst die Merkel-Regierung noch eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner zur „kritischen Schwelle“ erklärt, weil bei höheren Inzidenzen die Gesundheitsämter die Infektionsketten nicht mehr zuverlässig nachverfolgen können. Solche Rücksichtsnahmen sind heute längst überholt. Die Werte sind auf das Zehnfache gestiegen und steigen mit der Omikron-Variante exponentiell weiter an. Aber für die Ampel und die Landesregierungen ist das kein Anlass, die Bevölkerung wirkungsvoll zu schützen.

In nur zwölf Tagen hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz von knapp 260 am 5. Januar verdoppelt. Und in neun von über 400 Landkreisen und kreisfreien Städten übersteigt sie die Marke von 1000. In Berlin Friedrichshain-Kreuzberg liegt sie bei knapp 1600, in Bremen bei 1477, in Frankfurt am Main bei 1080 und in Hamburg bei 1056.

Die Durchseuchung wird bewusst, offen und rücksichtslos durchgesetzt. Die Regierungen in Bund und Ländern reagieren auf die Explosion der Fallzahlen nicht mit den notwendigen Schutzmaßnahmen, sondern mit einer Verschärfung der Durchseuchungspolitik. Von der arbeitenden Bevölkerung verlangen sie, die Konsequenzen zu tragen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat diese Konsequenzen in Bild am Sonntag mit den Worten: „Uns drohen in Deutschland sehr schwere Wochen“, zusammengefasst. Er warnte vor einer Verschärfung der Lage in den Kliniken und wies darauf hin, dass momentan vor allem die Jüngeren erkrankten, die viele Kontakte haben. Sobald sich jedoch wieder mehr Ältere infizierten, werde die Zahl der Einweisungen nicht nur in den Intensivstationen, sondern auch in den normalen Krankenhäusern ansteigen. „Es droht die Schließung ganzer Abteilungen“, so Lauterbach. „Eine Durchseuchung bedeutet, dass Hunderttausende schwer krank werden und wir wieder viele Tausend Corona-Tote beklagen müssen.“

Lauterbach beschreibt die Folgen seiner eigenen Politik. Schon jetzt stehen die Kliniken und Intensivstationen vor der massiven Überlastung, denn die steigenden Patientenzahlen fallen mit hohen Ausfällen infolge der Infektionen unter dem Klinikpersonal zusammen. Hinzu kommt eine wachsende Zahl an Pflegekräften, die wegen der ständigen Überlastung und schlechten Bezahlung aus dem Beruf aussteigen wollen.

Am Montag haben die Gesundheitsminister der Länder als Reaktion auf die hohen Inzidenzzahlen beschlossen, die Corona-Teststrategie zu ändern. Sie wollen die PCR-Tests nicht mehr allen zur Verfügung stellen; nur noch „symptomatische Personen und gegebenenfalls vulnerable Gruppen“ sollen sie nutzen können. So steht es in einem Beschlussprotokoll, das bereits vor der Videokonferenz am Montagabend vorlag.

Auf der Bundespressekonferenz vom Freitag hatten Lauterbach und der RKI-Chef Lothar Wieler bereits erklärt, dass die Gesundheitsämter teilweise so massiv überfordert seien, dass sie weder mit dem Testen noch mit den Meldungen hinterherkämen. Anstatt die Laborkapazitäten massiv auszuweiten, werden nun die Testmöglichkeiten eingeschränkt. Künftig soll, auch wenn die Corona-App ein rotes Warnsignal zeigt, nur noch der weniger sichere Antigen-Schnelltest – wenn überhaupt – genutzt werden.

Die Reaktion ist bezeichnend. Schon am 7. Januar haben Bund und Länder beschlossen, die Quarantäneregeln an die hohen Inzidenzzahlen „anzupassen“, sprich: auf gefährliche Weise zu verkürzen. Sie reagierten damit auf die Voraussagen des Expertenrats, dass die explosionsartige Ausbreitung der Pandemie das Funktionieren der gesamten Gesellschaft lahmlegen könnte. Sie rechnen damit, dass das Personal der Krankenhäuser und Altenheime, der Schulen und des öffentlichen Nahverkehrs, der Müllabfuhr, der Energiewerke etc. wegen Covid-Infektionen massenhaft ausfallen könnte.

Praktisch bedeutet dies, dass kranke und/oder ansteckende Personen und deren Kontakte zur Arbeit gehen. „Papa von Kollegin ist positiv. Kollegin darf, weil geboostert, nicht in Quarantäne. Kollegin arbeitet 4 Tage mit uns auf engstem Raum. Kollegin wird positiv. Wir dürfen, weil geboostert, nicht in Quarantäne. – Wieso ist unser Gesundheitssystem nur so am Arsch!“, schreibt eine Userin auf Twitter:

Um diese kriminelle Politik inmitten der Pandemie in der Bevölkerung durchzusetzen, behaupten die Medien seit Tagen, die Omikron-Variante sei zwar hochansteckend, aber weniger gefährlich und sogar „mild“. Sie sei die lang ersehnte Chance, die es der Gesellschaft ermögliche, „mit dem Virus zu leben“.

Diese Propaganda wird mittlerweile sogar von dem Charité-Virologen Dr. Christian Drosten bedient, der als Teil des Expertenrats der Regierung mehr und mehr dem politischen Druck erliegt. Auf die Frage des Tagesspiegel am Sonntag:Wir alle werden und müssen uns früher oder später mit SARS-Cov-2 infizieren?“ antwortete Drosten vor zwei Tagen: „Ja, wir müssen in dieses Fahrwasser rein, es gibt keine Alternative.“ Omikron habe „eine verringerte Krankheitsschwere“. Noch müsse man mehr impfen, aber: „Es wäre eine Chance jetzt, breite Immunität vorausgesetzt.“

Dagegen warnte der amerikanische Epidemiologe Eric Feigl-Ding entschieden vor den Gefahren einer solchen Politik, „mit dem Virus zu leben“. Auf Twitter schrieb Feigl-Ding: „#Omikron ist ein potentiell wirklich gefährliches trojanisches Pferd. Es wiegt die Leute in Selbstgefälligkeit, aber trifft sie schließlich hart mit #LongCovid!!!“

Feigl-Ding hatte sich auch schon an dem globalen Webinar der World Socialist Web Site im Oktober beteiligt, auf dem mehrere führende Wissenschaftler für die Eliminierung von Corona plädierten. Feigl-Ding verurteilte dort die privatwirtschaftliche Kontrolle der Impfstoffherstellung und -verteilung, wie auch die allgemeine Reaktion der Regierungen auf die Pandemie. „Wir wissen ganz klar“, sagte Feigl-Ding dort, „dass die politischen Kräfte, die die Öffnungspolitik, die Ausbreitung, die Masseninfektion, das ‚Leben mit dem Virus‘ wollen, sich offensichtlich keinen Deut um wissenschaftliche Argumente scheren.“ Er ging davon aus, dass wir infolge dessen noch monatelang auf der ganzen Welt „immer noch Leichen zählen“ werden.

Vor kurzem wurde an der Universitätsklinik Mainz in einer Studie nachgewiesen, welche Langzeitauswirkungen Corona für Infizierte, auch für Kinder und Jugendliche, haben kann. Demnach leiden bis zu 40 Prozent (!) der Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, auch sechs Monate später noch unter Symptomen wie Müdigkeit, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Erschöpfung, schlechte Konzentration und mangelhafte Leistungsfähigkeit. Das lässt ermessen, welche Konsequenzen die momentane bewusste Durchseuchung der Schulen für die ganze junge Generation haben wird!

Im dritten Jahr der Pandemie zeigt sich immer klarer, dass das Leben, die Gesundheit und das Wohlergehen der arbeitenden Bevölkerung für die Herrschenden nichts zählt. Offensichtlich ist die Corona-Pandemie nicht zu besiegen, wenn nicht auch der Kampf gegen das vorherrschende Gesellschaftssystem, die kapitalistische Profitwirtschaft, aufgenommen wird.

Gerade hat die jüngste Oxfam-Studie bestätigt, dass parallel zu den hochschnellenden Kurven der Infizierten- und Todeszahlen auch die Profite und Aktienkurse steil ansteigen. „Für Milliardäre ist die Pandemie ein Goldrausch“, schreibt die Tagesschau. Weiter denn je klafft die Schere der sozialen Polarisierung auseinander.

Damit wächst auch die Wut und Kampfbereitschaft gegen die gezielte Durchseuchung der Bevölkerung. Griechische Schüler, die ihre Schulen besetzen, haben auf ihre Transparente geschrieben: „Wir werden nicht zulassen, dass ihr mit unserer Gesundheit und unserem Leben spielt, als ob sie nicht zählen würden!“ Hunderte Schulen sind in Griechenland besetzt. Gleichzeitig protestieren in mehreren US-Städten Schüler und Lehrer, in Frankreich haben die Grundschullehrer erstmals einen nationalen Streik organisiert, und die Schüler in Österreich rufen am 18. Januar zum Schulstreik auf.

Auch in Deutschland wächst der Widerstand. Der mutige Protest einer 13-jährigen Schülerin in Hagen hat im ganzen Land eine Solidaritätswelle ausgelöst. Auf Twitter liegen die Hashtags #Nichtmituns und #Wirstreiken stark im Trend. Gegen die rechtsradikalen „Spaziergänge“ haben Medizinstudenten in mehreren Städten zu „Impfen-statt-Schimpfen“-Kundgebungen aufgerufen. Solche Demonstrationen in Solidarität mit dem Pflegepersonal gab es in den letzten Tagen in Dresden, Hildesheim, Karlsruhe und anderswo.

Die WSWS, die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) rufen Arbeiter, Lehrer, Erzieher, Eltern und Schüler auf, diesen Widerstand bewusst zu organisieren. Heute Abend (18. Januar um 19:00 Uhr) hält das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung ein Dringlichkeitstreffen ab, um den Aufbau von Aktionskomitees voranzubringen und den Kampf für die weltweite Eliminierung von Covid-19 auf einer sozialistischen Grundlage zu diskutieren.

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