Treffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung

„Die herrschende Klasse fürchtet sich vor der Opposition gegen ihre Durchseuchungspolitik“

Angesichts der explosionsartigen Ausbreitung der hochansteckenden und impfstoffresistenten Omikron-Variante berief das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung am Dienstag ein Dringlichkeitstreffen ein, um die Opposition gegen die Durchseuchungspolitik mit einer Perspektive zu bewaffnen und eine globale Strategie zur Eliminierung von Covid-19 zu entwickeln.

Das Treffen fand inmitten einer internationalen Welle von Schulstreiks und Lehrerprotesten statt – die von den USA über Frankreich, Italien und Österreich bis nach Griechenland reichten – und verlieh dieser wachsenden Massenbewegung einen bewussten politischen Ausdruck. An der Online-Versammlung nahmen mehrere dutzend Jugendliche und Arbeiter aus verschiedensten Bereichen teil.

„Die unmittelbare Aktion von Schülern, Lehrern und Arbeitern ist notwendig, um die Pandemie ein für alle Mal zu beenden und weiteres katastrophales Leid zu verhindern“, erklärte Gregor Link, führendes Mitglied der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) und Autor der World Socialist Web Site, zu Beginn der Sitzung.

„Die Regierungen in Deutschland, Europa und Nordamerika haben die bewusste Entscheidung getroffen, die Bevölkerung mit Omikron zu durchseuchen. In den USA, Frankreich und anderen Ländern mit besonders hohen Inzidenzen sind schon jetzt die Krankenhäuser am Limit und die Intensivstationen überfüllt. Jeden Tag sterben in Deutschland durchschnittlich rund 250 Menschen an Corona, das ist ein mittleres Passagierflugzeug, das jeden einzelnen Tag abstürzt.

Durch eine global koordinierte Aktion mit massiver Kontaktreduktion durch die Schließung von Schulen und nicht lebensnotwendigen Betriebe, vollständiger Impfung und umfassenden Hygienemaßnahmen könnte das Virus innerhalb weniger Monate eliminiert und die Pandemie beendet werden. Doch die Regierungen weigern sich seit über zwei Jahren, eine solche Politik zu verfolgen, weil sie die Profite der Banken und Konzerne schmälern würde.“

Unter Bezugnahme auf den aktuellen Bericht der britischen Organisation Oxfam schilderte Link, wie in der Pandemie eine „beispiellose Bereicherung“ organisiert wurde:

„Inmitten eines seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr dagewesenen Massensterbens und der schlimmsten wirtschaftlichen Katastrophe eines Menschenlebens, haben sich die kapitalistischen Oligarchen so enorm bereichert wie nie zuvor. Im gleichen Zeitraum, in dem 15 Millionen Menschen dem Virus zum Opfer gefallen sind und 163 Millionen Menschen wegen der Pandemie in Armut gestürzt wurden, haben die reichsten zehn Milliardäre der Welt ihr Vermögen auf 1,5 Billionen Dollar verdoppelt. In Deutschland entspricht allein der Gewinn der zehn reichsten Milliardäre während der Corona-Pandemie dem zusammengenommenen Vermögen der 33 Millionen ärmsten Bundesbürger.“

Diese „Profite vor Leben“-Politik, erläuterte Gregor Link, werde von allen etablierten Parteien aktiv verfolgt und von den Gewerkschaften vollständig unterstützt. Um sie durchzusetzen, greife die herrschende Klasse auf üble Lügen zurück: Dass Omikron „mild“ sei und einen „endemischen“ Zustand der Pandemie begründen könne; dass die Auswirkungen einer Infektion auf Kinder zu vernachlässigen seien; und dass die Durchseuchung der Schülerinnen und Schüler zu ihrem eigenen psychischen Wohl stattfinde.

Ihren schärfsten und bedrohlichsten Ausdruck, so Link, finde diese Klassenpolitik in der aggressiven Kriegspropaganda der imperialistischen Nato-Mächte gegen die Atommacht Russland. Unter diesen Umständen sei eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse gegen Durchseuchung, Massenentlassungen und Krieg entscheidend. Eine solche Bewegung entwickele sich derzeit auf der ganzen Welt.

„Doch damit die Streiks und Proteste der Schüler und Lehrer in den USA, in Frankreich, in Italien, Griechenland, Österreich und andernorts Erfolg haben und wachsen können, sind aus unserer Sicht neue demokratische Kampforganisationen der Arbeiterklasse erforderlich. Wir von der SGP kämpfen für den Aufbau von Aktionskomitees an Schulen, Kitas, Betrieben, sozialen Einrichtungen und in allen Nachbarschaften, die unabhängig von allen bürgerlichen Parteien sein müssen, sich international zusammenschließen und einen Generalstreik organisieren müssen, um die Pandemie ein für alle Mal zu beenden und alle Arbeitsplätze zu verteidigen.“

Anschließend sprach Alex Lantier von der französischen Schwesterpartei der SGP – der Parti de l’Égalité Socialiste (PES) – über die Entwicklung des internationalen Klassenkampfs und über die Rolle der Gewerkschaften und Pseudolinken:

„Die enorme Zahl von Infektionen führt zu einem internationalen Aufschwung des Klassenkampfes, der dieser Sitzung der Aktionskomitees enorme Dringlichkeit verleiht. Am vergangenen Donnerstag haben französische Lehrer einen eintägigen landesweiten Streik geführt, der sich gegen die von der Macron-Regierung verfolgte Pandemiepolitik an den Schulen richtete. Der Streik demonstrierte den enormen Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Politik der Durchseuchung. 75 Prozent der Lehrer schlossen sich ihm an, wodurch etwa die Hälfte der öffentlichen Schulen in Frankreich vorübergehend geschlossen wurde.

Wie die streikenden Lehrer uns erklärten, lehnen sie Macrons unmenschliche Politik, die Ausbreitung des Virus in den Schulen zuzulassen, zutiefst ab. Viele fürchteten die unbekannten Langzeitauswirkungen einer Covid-Erkrankung auf das Gehirn und die Gesundheit der Kinder. Eine Schülerin war untröstlich über Kinder in ihren Klassen, die sich selbst die Schuld dafür geben, ihre an Covid-19 verstorbenen Eltern oder Großeltern unwissentlich angesteckt zu haben.“

Wie Alex Lantier erläuterte, gelang es den Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit der Macron-Regierung, den landesweiten Streik der Lehrer nach einem Tag zu beenden. Zugleich hätten pseudolinke Tendenzen, die eng mit der Gewerkschaftsbürokratie verbündet sind, zu Protesten unter der Führung von rechtsradikalen Impfgegnern aufgerufen. Lantier schlussfolgerte, dass der Aufbau neuer Kampforganisationen der Arbeiterklasse und der Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) in Deutschland, Frankreich und Europa von entscheidender Bedeutung für die kommenden Klassenkämpfe sei.

Im Anschluss an die einleitenden Beiträge entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über die soziale Katastrophe der letzten beiden Jahre und insbesondere die verheerenden Folgen der gegenwärtigen Omikron-Durchseuchung in Betrieben, Kitas und Schulen.

„Getestet werden nur Schüler, die ungeimpft sind, obwohl klar ist, dass auch Geimpfte das Virus verbreiten können und daran erkranken“, berichtete Tamino, ein Oberstufenschüler aus Baden-Württemberg. „Die Corona-Tests, die vom Land bereitgestellt werden, zählen zudem mit einer Sensitivität von nur 54 Prozent zu den unzuverlässigsten Tests, die existieren.“ Trotz vierstelliger Inzidenzen ergreife die Regierung keinerlei wirkliche Schutzmaßnahmen.

Jennifer, eine Erzieherin aus Frankfurt, berichtete von dem immensen Druck, der auf Pädagogen ausgeübt wird, um sie trotz der Gefahr einer potentiell tödlichen Infektion in den Dienst zu nötigen. Sie schilderte das Schicksal einer Kollegin, die eine schwere Covid-Erkrankung erlitt, nachdem ihr medizinisches Attest ignoriert worden war. Jennifer fährt fort:

„Seit dem 16. Dezember mussten insgesamt 92 von 145 Kitas in Frankfurt ganz oder teilweise wegen Corona-Fällen schließen. Die Altersgruppe der Kita-Kinder kann weder Abstand halten, noch auf Hygiene achten, kann nicht geimpft werden und ist schutzlos. Um die Kinder zu trennen, gibt es weder die Räumlichkeiten noch das Personal. Schon vor der Pandemie hat man die pädagogische Vorbereitungszeit von sieben auf eine Stunde gekürzt.“

Zur Lage der Schüler, Eltern und Pfleger erklärte Jennifer:

„Mein Neffe ist panisch angesichts der Vorstellung, in den Präsenzunterricht zu gehen und möglicherweise seinen Großvater anzustecken. Es kann nicht sein, dass Eltern mit Bußgeldern überzogen werden oder man ihnen androht, die Kinder wegzunehmen, weil sie sich weigern, ihre Kinder der Durchseuchung auszusetzen. Pflegekräfte werden gezwungen, trotz einer Infektion weiterzuarbeiten.“

Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, wie die scheinbaren Widersprüche zwischen dem Recht auf Bildung, dem Recht auf Arbeit und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit in Einklang zu bringen seien. Teilnehmerin Marion hob etwa hervor, dass die langen und unregelmäßigen Phasen wechselnder Formen des Schulunterrichts eine erhebliche Belastung für Kinder und Eltern gewesen seien. Viele Kinder hätten keinen Zugang zu digitalen Lernmitteln und viele Eltern fürchteten darüber hinaus um ihren Arbeitsplatz, falls sie sich der Durchseuchung widersetzten.

Marianne Arens, Vorstandsmitglied der SGP und WSWS-Autorin, antwortete darauf:

„Alle diese Probleme sind lösbar. Wir stehen aber vor einem politischen Problem: Wir haben es mit regierenden Politikern auf allen Ebenen zu tun, die das Wohlergeben der Wirtschaft vor das Wohlergehen der Kinder und der ganzen Bevölkerung setzen. Sie verfolgen eine Durchseuchungspolitik, die unmenschlich ist, und sie lügen uns ins Gesicht. Das muss man sich vergegenwärtigen.

Man muss vor allem damit rechnen, dass sie nicht auf unserer Seite sind. Sie streben nicht danach, gute und vernünftige Schulen für alle Kinder einzurichten, weil das die Profite der Aktionäre schmälert. Sie bestrafen sogar Eltern und Erzieher und zwingen sie wider besseres Wissen zu einer Praxis, die sie gefährdet. Bei den Politikern wird man kein Gehör finden.

Wir müssen unsere Initiative mit einem politischen Kampf verbinden. Auf die Gewerkschaften können wir uns nicht verlassen – das hat auch der Streik in Frankreich gezeigt. Sie haben den Streik nach einem Tag abgebrochen, um mit der Regierung zu verhandeln. Stattdessen müssen wir uns an die Arbeiterklasse richten, die überall in schwerster Weise von Corona betroffen ist. Wenn es gelingt, diese Kämpfe zu verbinden, können wir unsere Forderungen durchsetzen.“

Christopher, führendes Mitglied der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) aus Leipzig, unterstrich in seinem Beitrag den Klassencharakter der Pandemiepolitik und betonte, dass die geplante Durchseuchung der Bevölkerung von der überwältigenden Mehrheit abgelehnt wird:

„Bei meiner Arbeit als Kassierer sehe ich täglich, wie die arbeitende Bevölkerung die Konsequenzen ausbaden muss, die ihr von einer Regierung auferlegt werden, die – und das gilt für fast alle Regierungen weltweit – alle wissenschaftlichen Fakten ignoriert.

Schauen wir uns an, wie viele Milliarden Dollar und Euro seit Beginn der Pandemie im Zuge der sogenannten Corona-Hilfen angehäuft wurden, die im Wesentlichen gigantische Finanzspritzen für die Topverdiener und Topunternehmen waren. Wir müssen uns die Fragen stellen, warum gleichzeitig aus Schulen die Luftfilter wieder herausgeschafft werden, für die Eltern selbst bezahlt haben, oder Leute auf ehrenamtlicher Basis beim Impfen helfen müssen. Da passt etwas nicht. Es ist Geld da. Es ist nur an der falschen Stelle.

Wir kommen nicht darum herum, uns die größeren politischen Fragen zu stellen, die sich daraus ergeben. Wir können diese Pandemie nicht individuell bekämpfen – wir können auch nicht auf eine Insel ziehen und warten, bis es vorbei ist. Wir müssen auch nicht so tun, als ob wir eine Minderheit wären. Was wir hier diskutieren, ist eine Mehrheitsmeinung.“

Gegen Ende des Treffens wurde festgestellt, dass alles dafür getan werden müsse, ein drittes Jahr der Covid-19-Pandemie zu verhindern. Mehrere Sprecher betonten, dass dazu an allen Schulen, Kitas, Betrieben und Einrichtungen Aktionskomitees gegründet werden müssen, die den Kampf gegen die Pandemie und die Regierungen selbst in die Hand nehmen und sich weltweit zusammenschließen. Die einzig mögliche Strategie bestehe in der Ausrottung des Virus auf der Grundlage einer „Zero Covid“-Politik, wie sie von führenden Epidemiologen, Virologen und anderen Wissenschaftlern vertreten wird.

Um diese Politik umzusetzen, müsse die wachsende weltweite Bewegung gegen Covid-19, Massenentlassungen und Krieg mit einem sozialistischen Programm bewaffnet werden, das sich gegen den Kapitalismus und die gesamte herrschende Klasse richtet. Dieses Programm vereine all jene, die nicht mehr zu akzeptieren bereit sind, dass jeder Aspekt des gesellschaftlichen Lebens dem Profit und den Interessen der Superreichen untergeordnet wird. Im Kampf gegen die Pandemie laute die Alternative „Sozialismus oder Durchseuchung“.

Nach dem Ende des Treffens brachten mehrere Teilnehmer gegenüber der WSWS ihre Unterstützung für die Perspektiven zum Ausdruck, die auf der Versammlung diskutiert worden waren: „Taminos und Jennifers Worte waren absolut treffend – ich bin froh, dass ich dabei war“, berichtet etwa Heike Lein aus Bayern. Tatjana aus Hessen erklärt: „Ich fand es sehr interessant, viele haben mir aus der Seele gesprochen. Es ist höchste Eisenbahn. Ich kann es nicht mehr akzeptieren, dass Profit vor Gesundheit geht.“

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