Tesla-Grünheide: Baut ein unabhängiges Aktionskomitee auf, statt einen Betriebsrat zu wählen!

Die Tesla-Gigafactory 4 in Grünheide, östlich von Berlin, ist zwar fertig gebaut, hat aber noch keine offizielle Genehmigung. Der eigentliche Produktionsstart soll im März beginnen. Laut dem brandenburgischen Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) befindet sich die Genehmigung „auf den letzten Metern“.

Baustelle der Tesla-Gigafactory in Grünheide (Bild: Michael Wolf / CC BY-SA 3.0 / wikimedia)

Tesla-Chef Elon Musk hatte trotz fehlender Genehmigungen und gegen viele Einsprüche von Bürger- und Umweltinitiativen seine Gigafabrik in Windeseile bauen lassen. Sämtliche Einwände bezüglich Waldabholzung, Grundwasserproblemen, illegalen Erweiterungsbauten, Dumpinglöhnen und sklavenhaften Arbeitsbedingungen auf der Großbaustelle wurden von Musk beiseite gewischt. Obwohl er im Grunde gegen sämtliche rechtliche Vorschriften verstieß, rollten ihm die offizielle Politik, die Wirtschaft und die Gewerkschaften den roten Teppich aus. Nicht wenige feierten ihn als Messias, der Innovation, Rettung und Wohlstand bringt und endlich zeigt, wie man auch in Deutschland neue Maßstäbe setzt.

Etwas überraschend kam dann für viele die Ankündigung von Tesla, bereits am 28. Februar 2022 einen Betriebsrat wählen zu lassen. Obwohl, oder besser gesagt, gerade weil die eigentliche Kernbelegschaft noch gar nicht eingestellt ist, gibt Tesla auch hier das Tempo vor. Die IG Metall, die Gewerkschaft, die in der Autoindustrie seit langem als Fürsprecherin der Konzerninteressen dient, begrüßte die Betriebsratsgründung umgehend, beschwerte sich aber über die voreilige Terminfestsetzung.

Elon Musk gilt als reichster Mann der Welt, der seine Milliarden nicht zuletzt durch seine skrupellosen Ausbeutungsmethoden gescheffelt hat und in den USA jeden Widerstand in seinen Betrieben unterbindet. Es ist durchaus kein Widerspruch, wenn er offensichtlich am deutschen Mitbestimmungsmodell Gefallen gefunden hat.

Kann er doch mit einem Betriebsrat, der per Betriebsverfassungsgesetz zur engen und vertraulichen Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung verpflichtet ist, alles regeln, was für ihn von Interesse ist. Wenn es um Mehrarbeit, Arbeitstaktung, ausgedehnte Schichtzeiten, Pausen oder gar Entlassungen geht, kann er all dies mit Hilfe des Betriebsrates umsetzen (lassen). Beschweren sich Arbeiter oder begehren gar auf, ist es die gesetzliche Aufgabe des Betriebsrats, sich für das „Betriebswohl“ einzusetzen.

Diese offizielle, vom Staat gesetzlich geregelte „Arbeitnehmervertretung“ hat nichts mit einer wirklichen Interessenvertretung der Arbeiter zu tun. Selbst wenn er wollte, darf ein Betriebsrat nicht zu Streiks oder anderen Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen. Wie oft mussten sich Arbeiter in den Betrieben die Klagen der Betriebsräte anhören: ihnen seien die „Hände gebunden“, sie seien der „Geheimhaltungspflicht“ unterworfen, sie seien dem „Betriebsfrieden“ verpflichtet, und vieles mehr.

Sollte es der IG-Metall gelingen, Tarifverträge bei Tesla einzuführen, wäre dies mit einer gesetzlichen Friedenspflicht verbunden. Während der Laufzeit dieser Verträge, die oft über drei Jahre abgeschlossen werden, sind Streiks offiziell untersagt.

Die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) lehnen aus diesen Gründen einen Betriebsrat bei Tesla ab. Ein Betriebsrat, ob unter der Kontrolle der Geschäftsführung oder unter der Leitung der IG Metall, würde die Arbeitsbedingungen nicht verbessern. Im Gegenteil, überall wo Betriebsräte und Gewerkschaften Einfluss haben, wurden in den vergangenen Jahren die Löhne und Arbeitsbedingungen deutlich verschlechtert.

Diese Apparate sind dazu da, die Arbeiter zu kontrollieren und ihre Kämpfe zu unterdrücken und zu spalten. Sie bemühen sich zu verhindern, dass sie zum Ausgangspunkt für eine breitere Bewegung der Arbeiterklasse werden.

Wir rufen die Arbeiter stattdessen dazu auf, bei Tesla ihre eigenen, unabhängigen Aktionskomitees aufzubauen, die demokratisch gewählt sind und von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Solche Organisationen sind wichtig, um sich mit Tesla-Kollegen in den USA und weltweit zu vernetzen und einen gemeinsamen Kampf vorzubereiten.

Die IG Metall, bisher im Betrieb kaum vertreten, betreibt vor dem Werksgelände eine Mitgliederkampagne, bisher allerdings recht erfolglos. Die Mitgliederzahl sei mittlerweile immerhin dreistellig, ließ sie kleinlaut verlauten. Man könnte auch sagen: ein deutliches Indiz dafür, wie verhasst Gewerkschaften gerade in den neuen Bundesländern bei Arbeitern inzwischen sind.

Gleichzeitig unternimmt die IG Metall alles, um mit Tesla ins Gespräch zu kommen, doch Musk zeigte bislang keinerlei Interesse. Die IG-Metallbürokratie befürchtet nun, Elon Musk könnte sie womöglich nicht mit in das bewährte Boot holen.

Ist ein Betriebsrat überhaupt wünschenswert?

Laut Pressemitteilungen sollen 19 Betriebsräte gewählt werden, was darauf hindeutet, dass Tesla bisher etwas mehr als 2000 Beschäftigte eingestellt hat. Sukzessive sollen bis Sommer 6000 und bis Ende des Jahres 12.000 Arbeiter in der Produktion tätig sein. Der Betriebsrat müsste aber erst nach zwei Jahren neu gewählt werden.

Die Stellungnahme der IG Metall-Bezirksleiterin für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Birgit Dietze, zeigt, was sie umtreibt. Ihr Hinweis, die bisher vergebenen Stellen seien hauptsächlich von Führungskräften und Ingenieuren besetzt und der gewählte Betriebsrat repräsentiere daher nicht die spätere Belegschaft, mag sogar stimmen. Natürlich hat Tesla Interesse daran, einen mit seinen Leuten versehenen Betriebsrat zu installieren.

Doch die eigentliche Frage für die vielen Tausend Produktionsarbeiter, die demnächst dort schuften werden, ist eine ganz andere: Ist ein Betriebsrat mit oder ohne IG Metall-Beteiligung überhaupt wünschenswert? Warum soll die neue Belegschaft, die sehr schnell mit den üblen Arbeitsmethoden von Musk in Konflikt kommen wird, sich freiwillig einen zweiten Gegner schaffen?

Jede bisherige Erfahrung zeigt: In Großbetrieben mit hundertköpfigen Betriebsräten und nochmal so vielen gewerkschaftlichen Vertrauensleuten kämpfen die Arbeiter an zwei Fronten. Zum einen gegen die ständigen Angriffe der Konzerneliten und zum anderen gegen die sogenannten „Arbeitnehmervertreter“, die als deren Handlanger dienen und einer Betriebspolizei gleichkommen.

Die schmerzlichen Erfahrungen, die Arbeiter in den letzten Jahrzehnten in der Autoindustrie gemacht haben, sind eindeutig. Überall, ob bei VW, Daimler, BMW, Opel oder Ford, waren es stets die gutbezahlten IG-Metall-Betriebsräte, die in engster Zusammenarbeit mit den Unternehmensleitungen endlose Sparmaßnahmen, Arbeitsplatzabbau oder Mehrarbeit durchgesetzt haben. Immer mit dem nationalistischen und prokapitalistischen Argument, man müsse Zugeständnisse machen, damit der jeweilige Standort konkurrenzfähig bleibe – sollen doch die anderen vor die Hunde gehen.

Selbst innerhalb eines Konzerns wurden die Arbeiter der verschiedenen Produktionsstandorte systematisch gegeneinander ausgespielt. Aktuell spielt sich genau dies bei Ford zwischen den Standorten Saarlouis und Valencia ab.

Es ist ein großes Missverständnis, die staatlich anerkannte Institution Betriebsrat mit einer wirklichen Interessenvertretung der Arbeiter gleichzusetzen. Das gleiche gilt für die Gewerkschaften, die traditionell die Betriebsratsposten besetzen und dadurch ihre Macht ausüben.

In den Medien ist oft von den „mächtigen Betriebsratsbossen“ die Rede, ohne die z.B. bei Volkswagen nichts ginge. Das stimmt, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Sie nutzen ihre Macht nie, um die Konzerne in die Schranken zu weisen, sondern um deren Zielvorgaben gegen die Belegschaft durchzusetzen.

Auch bei Tesla geht es der IG-Metall zu allerletzt um die Interessen der einfachen Arbeiter. Vielmehr wollen sie lukrative Betriebsratsposten besetzen und Co-Manager werden. Das ist eine Grundvoraussetzung, um noch höher aufzusteigen. In sämtlichen deutschen Autokonzernen, und nicht nur dort, sitzen Betriebsräte und Gewerkschaftsbürokraten in den Aufsichtsräten und verdienen sich eine goldene Nase. Nicht wenige Betriebsratsvorsitzende wechseln später die Seiten und werden Personaldirektoren oder Topmanager mit entsprechenden Millionengehältern.

Sozialpartnerschaft

Die deutsche Mitbestimmung wurde als Mittel zur Eindämmung des Klassenkampfs geschaffen. Die Betriebsräte haben sich für die Kapital- und Konzernherren als Segen erwiesen. Mit diesem Instrument der Sozialpartnerschaft ist es ihnen bisher meist gelungen, die Arbeiter in den Betrieben ruhig zu halten und jeden größeren Widerstand im Keim zu ersticken. In allen großen Fabriken fungieren Betriebsräte als Betriebspolizei und halten die Belegschaften unter Kontrolle.

Bei der Umstellung auf Elektromobilität in der Autoindustrie und ihrer Restrukturierung spielt die IG Metall eine Schlüsselrolle. Es werden völlig neue Arbeitsbedingungen geschaffen und die Produktion enorm beschleunigt. Tesla spielt dabei eine Vorreiterrolle. Volkswagen-Chef Herbert Diess hat die Ansiedlung des Konkurrenten in Brandenburg als „Glücksfall“ bezeichnet, weil VW damit einen neuen Wettbewerber bekomme, an dem es sich „messen“ könne. Es gelte Teslas Produktionszeit von zehn Stunden je Auto zu unterbieten, ließ er verlauten. Aktuell benötigt VW für sein E-Auto ID.3 die doppelte Zeit.

Aber nicht nur Diess bewundert Elon Musk als Vorbild und sieht Tesla als Maßstab künftiger Ausbeutungsmethoden. Auch die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, hätte nichts dagegen, wenn Tesla Mitglied im Verband würde. „Mit meiner Erfahrung in anderen Branchen möchte ich betonen, wie wichtig die Sozialpartnerschaft ist“, sagte Müller dem Berliner Tagesspiegel. „Denn in Zeiten solcher grundlegenden Transformationen haben Unternehmen und Beschäftigte das gleiche Ziel. Ich sehe die Gewerkschaften auch als Partner in der Diskussion um die Verbesserung des Standortes Deutschland.“

Sogar die FAZ gab Musk den Rat, nicht auf die Dienste der IG Metall zu verzichten. „In der politisch zum Teil immer noch streitigen Grundsatzfrage, was von der Tesla-Investition zu halten sei, positioniert sich die IG Metall klar zugunsten Musks,“ betont das rechte Wirtschaftsblatt und zitiert IG Metall-Bezirksleiterin Dietze: „Erstmals seit Jahrzehnten schaffe ein Konzern Tausende Industriearbeitsplätze im Osten Deutschlands.“ Das sei „eine gute Nachricht und ein starkes Bekenntnis zum Investitionsstandort Deutschland“.

Die IG Metall, so die FAZ, hebe sich „zudem mit einer eindeutig positiven Grundsicht auf Musks Großinvestition von jenen Industriegegnern ab, die um Berlin herum allzu zahlreich sind. Eigentlich könnte die Herangehensweise der IG Metall auch Musk gefallen. Sorgen, dass er in die Lage eines VW-Chefs geraten könnte, erübrigen sich.“

Die riesigen Umsatz- und Profitsteigerungen, die nahezu alle Autokonzerne inmitten der Corona-Pandemie verzeichnen konnten, während Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden, sind ein Ergebnis dieser vielgerühmten „Sozialpartnerschaft“. Anstatt dafür einzutreten, nicht lebensnotwendige Betriebe zu schließen, um das Virus zu stoppen, oder für sichere Schutzmaßnahmen zu sorgen, hielten die Betriebsräte und die Gewerkschaften die Produktion aufrecht und ermöglichten damit regelrechte Profitexplosionen. Tesla steht an der Spitze dieser Krisengewinnler.

Was Musk betrifft, so erwähnt Oxfam in ihrem jüngsten Bericht, dass er Milliarden von Dollar an staatlichen Subventionen erhalten habe, während er „Arbeitsgesetze verletzt und die Bemühungen der Fabrikarbeiter, sich zu organisieren, untergräbt“.

Im Jahr 2018 zahlte Musk keine Einkommenssteuer und kritisierte eine für 2021 vorgeschlagene Milliardärssteuer mit dem abenteuerlichen Argument, sein Plan sei es, „das Geld zu verwenden, um die Menschheit zum Mars zu bringen und das Licht des Bewusstseins zu bewahren“. In der Anfangsphase der Pandemie nahm er in seiner Tesla-Autofabrik in Kalifornien entgegen den Anordnungen der Gesundheitsbehörden die Produktion wieder auf und setzte damit Tausende Arbeiter dem Risiko aus, sich mit Covid-19 zu infizieren.

In Grünheide hat Tesla in Rekordzeit, halb illegal, die Autofabrik Gigafactory 4 errichten lassen und damit vollendete Tatsachen geschaffen. Mit zunächst 12.000 Arbeitern sollen hier jährlich etwa eine halbe Million Fahrzeuge produziert werden, zunächst das Tesla Model Y, dann das Tesla Model 3. Zusätzlich lässt Tesla direkt daneben vermutlich Europas größte Batterie- und Recyclingfabrik hochziehen, in der später ca. 2000 Arbeiter beschäftigt sein sollen. Die Landes- und Bundesregierung boten dem 250-fachen Milliardär Musk dafür über eine Milliarde Euro an Fördermitteln an, die er schließlich ablehnte, weil er vermutlich die damit verbundenen Auflagen als lästig empfand.

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