Kriegshetze gegen Russland im Namen von Auschwitz

Je mehr die USA und die Nato den Kriegskurs gegen Russland verschärfen, desto aggressiver gebärdet sich auch die herrschende Klasse in Deutschland. Vor allem die Medien befinden sich in einem regelrechten Kriegstaumel und fordern, dass die Bundesregierung endlich auch Waffen an das extrem rechte, anti-russische Regime in Kiew liefert.

Deutsche Soldaten in Litauen (AP Photo/Mindaugas Kulbis)

Dabei ist ihnen keine Lüge und Verdrehung zu groß und keine Propaganda zu schmutzig. Zahlreiche Zeitungen nutzten ausgerechnet den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945, um mit den historischen Verbrechen des Nazi-Regimes neue imperialistische Verbrechen und eine aggressivere deutsche Kriegspolitik zu rechtfertigen.

„Bei einem russischen Einmarsch muss die Nato die Ukraine auch mit Militärmaterial unterstützen“, fordert der frühere Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung Kurt Kister in einem Artikel. Gleichzeitig müsse „der Aggressor gravierende politische und wirtschaftliche Nachteile erleiden – auch wenn dies im Westen Versorgungsengpässe, Preiserhöhungen oder eine Rezession zur Folge haben würde.“ Auch das gehöre „zu den Lehren der Vergangenheit“.

Ähnlich argumentiert der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Berthold Kohler. In einem Kommentar mit dem Titel „Die Lehren der deutschen Vergangenheit“ beruft er sich auf die rot-grüne Bundesregierung, die 1999 den ersten Kriegseinsatz Deutschlands seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegen Jugoslawien mit dem zynischen Argument gerechtfertigt hatte, Deutschland sei wegen Auschwitz verpflichtet, „notfalls mit militärischer Gewalt der ‚ethnischen Säuberung‘ auf dem Balkan in den Arm zu fallen“. Nun fordert er mit der Begründung, die Ukrainer hätten „am meisten unter Hitlers Vernichtungskrieg“ gelitten, deutsche Waffenlieferungen an Kiew.

Diese perfide Argumentation wird von den Medien pausenlos wiederholt, um die ukrainische Regierung für einen Krieg gegen Russland aufzurüsten. In einem geifernden Gastbeitrag für die FAZ erklärt der Ex-Maoist und Anti-Kommunist Gerd Koenen, die Deutschen hätten „in der Tat eine historische Schuldhypothek abzutragen, aber sicher nicht in erster Linie gegenüber ‚Russland‘, sondern zuerst gegenüber den Juden und Polen, Weißrussen und Ukrainern und schließlich auch gegenüber den Russen“.

Der außenpolitische Koordinator der Zeit, Jörg Lau, kritisiert die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, dass „sie die ukrainischen Wünsche nach Verteidigungswaffen mit dem pauschalen Verweis auf ‚die deutsche Geschichte‘ abserviert. Aus der Geschichte Zehntausender von der Wehrmacht verwüsteter ukrainischer Dörfer ließe sich nämlich auch das Gegenteil ableiten.“ Lau erinnert den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck an seine Wahlkampfaussage, man könne der Ukraine „Waffen zur Verteidigung nur schwer verwehren“.

Die berufsmäßigen Lügner in den bürgerlichen Redaktionsstuben verfälschen gleich mehrere Dinge. Zum einen waren die deutschen Verbrechen in der Ukraine – darunter das Massaker von Babyn Jar, dem mehr als 33.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen – elementarer Bestandteil des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion der insgesamt 27 Millionen Menschen das Leben kostete. Als Nazi-Deutschland die Ukraine überfiel und ein mörderisches Besatzungsregime errichtete, war diese Bestandteil der Sowjetunion.

Der Versuch, die deutschen Verbrechen an ukrainischen Juden und Arbeitern gegen die Verbrechen an russischen Sowjetbürgern aufzurechnen, um erneut für ein aggressives Auftrumpfen des deutschen Imperialismus in Osteuropa und für Krieg gegen Russland zu trommeln, ist der Gipfel der Kriminalität.

Tatsächlich steht die neue deutsche Kriegspolitik, für die Kohler, Kister und Co. mit Schaum vor dem Mund werben, in der Tradition der Nazis. Auch heute ist nicht Russland der Aggressor, wie es die offizielle Propaganda glauben machen will, sondern die imperialistischen Mächte. Seit der Auflösung der Sowjetunion vor 30 Jahren kreist die Nato Russland systematisch ein. Anfang 2014 orchestrierten Washington und Berlin einen rechten Putsch in der Ukraine, um in Kiew ein anti-russisches Regime an die Macht zu bringen.

Dabei stützten sie sich auf faschistische Kräfte wie die Swoboda-Partei und den Rechten Sektor. All die Verweise auf die Verbrechen der Wehrmacht in der Ukraine können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nato-Mächte in Kiew eine Regierung unterstützen und aufrüsten, die Nazi-Kollaborateure wie Stepan Bandera und Roman Schuchewytsch verehrt und Armeeeinheiten und Milizen mobilisiert, die ihre faschistische und antisemitische Gesinnung offen zur Schau tragen.

Diese reaktionäre Offensive gegen Russland, die die Gefahr eines dritten Weltkriegs heraufbeschwört, wird auch von der aktuellen Bundesregierung unterstützt.

In ihrer Bundestagsrede am vergangenen Donnerstag stellte Baerbock klar, dass Deutschland die russischen Forderungen nach Sicherheitsgarantien rundheraus ablehnt. Diese seien „mit der europäischen Sicherheitsordnung nicht vereinbar“. Dann drohte sie Moskau, man habe „klipp und klar deutlich gemacht, dass ein erneutes militärisches Vorgehen gegen die Ukraine massive Konsequenzen für Russland hätte“.

Regierungsvertreter von FDP und SPD äußern sich ähnlich martialisch. Deutschland dürfe „keinen Zweifel daran lassen, dass wir das Völkerrecht verteidigen“, erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Fernsehsender Welt. „Wenn der Kreml Grenzen verletzt – und damit meine ich territoriale wie auch rechtliche und politische –, dann muss Moskau sich darüber im Klaren sein, dass wir zu eiserner Konsequenz bereit sind.“

Am Montagabend reihte sich die SPD-Führung in den Propagandachor ein. Er spreche für „die gesamte SPD“, wenn er sage, dass „die Eskalation, die wir gerade an der russisch-ukrainischen Grenze erleben, von Russland ausgeht“, erklärte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nach einem Treffen der Parteispitze. In dem Moment, in dem Russland „die territoriale Integrität der Ukraine“ angreife und „die Grenze politisch und geografisch“ überschreiten, werde es „eine klare, harte und konsequente Antwort von Deutschland, von Europa, von den transatlantischen Partnern geben“. Dabei lägen „alle Optionen auf dem Tisch“.

Wenn die Bundesregierung bisher trotzdem zögert, Offensivwaffen an Kiew zu liefern, hat dies nichts mit Pazifismus zu tun. Zum einen befürchtet sie, die wirtschaftliche Hauptlast des Konflikts mit Russland tragen zu müssen, zu dem Deutschland enge wirtschaftliche und energiepolitische Beziehungen unterhält. Von den 90 Milliarden Kubikmeter Gas, die deutsche Fabriken und Privathaushalte im Jahr verbrauchen, stammen derzeit knapp 60 Milliarden aus Russland. Deshalb warnen vor allem Vertreter der Energiewirtschaft, angeführt von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), vor einer Zuspitzung des Konflikts.

Zum anderen plädieren einige Vertreter der herrschenden Klasse für einen gewissen Ausgleich mit Russland, um nicht in noch größere Abhängigkeit von den USA, des militärisch dominierenden Nato-Mitglieds, zu geraten. Sie sind der Meinung, dass ein bewaffneter Konflikt um die Ukraine die Rolle der USA weiter stärken und die von Deutschland und Frankreich verfolgten Pläne einer unabhängigen europäischen Armee und Außenpolitik durchkreuzen.

Am vergangenen Wochenende musste der Chef der deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, seinen Hut nehmen, nachdem er auf einer Podiumsdiskussion in Indien für ein Bündnis mit Russland gegen China plädiert hatte. Schönbach sprach offenbar aus, was viele deutsche Militärs denken. Er erklärte zwar, dies wäre auch im Interesse der USA, doch diese bereiten offensichtlich einen Krieg gegen Russland vor.

Trotz der Differenzen mit den USA und ihren engsten Verbündeten in Großbritannien und Osteuropa setzt die Mehrheit der herrschenden Klasse in Deutschland auf Konfrontation. Sie will nicht abseitsstehen, wenn es um die Zerschlagung und Unterwerfung Russlands geht. Dabei verfolgt sie ihre eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen.

„Derzeit überlassen wir die Preisschilder für Krieg in Europa den Amerikanern. Ich finde das beschämend“, klagt der frühere sozialdemokratische Außenminister Sigmar Gabriel in einem Interview mit Bild am Sonntag. „Wir sind uneinig in der Beurteilung der Situation in der Ukraine, haben Angst um unsere Wirtschaftsinteressen und sind froh, dass andere für uns die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen. Wir Europäer müssen lernen, unsere Interessen selbst in die Hand zu nehmen.“ Europa müsse endlich „souverän“ und zu einem „geopolitischen Akteur“ werden.

Eine kriegerische Konfrontation mit den Atommächten Russland und China würde einen dritten Weltkrieg und die Vernichtung des gesamten Planeten bedeuten. Trotzdem marschieren die imperialistischen Mächte genau darauf zu. Der Grund dafür sind nicht nur größenwahnsinnige geopolitische Ziele, sondern auch die tiefe innere Krise der kapitalistischen Gesellschaft.

„Die enorme Zerrüttung des gesellschaftlichen Lebens durch die weltweite Pandemie hat alle bürgerlichen Regime grundlegend destabilisiert“, heißt es in einer aktuellen Erklärung der WSWS-Redaktion. „Die explosive gesellschaftliche Krise der Pandemie und das Aufbrechen offener Klassenkämpfe treiben die herrschende Klasse in den Krieg.“

Die deutschen Medien toben umso mehr, weil es ihnen trotz permanenter Kriegshetze nicht gelingt, Unterstützung für einen Krieg gegen Russland zu gewinnen. Ende Januar ergab eine Umfrage des Politbarometers des ZDF, dass 73 Prozent der Befragten Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen, nur 20 Prozent sind dafür. Mit der Sorge über einen drohenden Krieg, wächst auch die Opposition gegen die Regierung. Laut einer Forsa-Umfrage vom 1. Februar sind 86 Prozent über die aktuelle Entwicklung beunruhigt, 63 Prozent sind mit der Politik der Bundesregierung unzufrieden.

Die Opposition braucht eine klare politische Perspektive und Orientierung. Es gibt nur eine Möglichkeit, die gefährliche Kriegsentwicklung zu stoppen: den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung, die sich auf die Arbeiterklasse stützt und für den Sturz des Kapitalismus und eine sozialistische Perspektive kämpft.

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