Stimmen zum Webinar „Covid bekämpfen und Leben retten! Kein dritter Weltkrieg!“

„Man muss den Kampf für revolutionäres Klassenbewusstsein führen!“

Die World Socialist Web Site (WSWS) dokumentiert hier weitere Kommentare von Teilnehmern des Webinars vom 26. Februar, „Covid bekämpfen und Leben retten! Kein dritter Weltkrieg!“ Auf dieser Online-Versammlung hatten führende Marxisten des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) die geopolitischen, historischen und gesellschaftliche Hintergründe des Ukrainekriegs erläutert und aufgezeigt, wie der Krieg mit der Corona-Pandemie zusammenhängt.

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Dajana stammt aus der Slowakei, sie hat das Webinar in Rheinland-Pfalz angehört und fand vieles darin sehr treffend. Sie sagte:

In dem Webinar wurde vieles gut erklärt. Den Positionen, die darin vertreten wurden, kann ich stark zustimmen: Die Situation wird ganz sicher nicht besser, wenn die USA und Europa mit Waffen und Soldaten gegen Russland vorgehen!

Natürlich bin ich gegen Krieg und lehne den militärischen Angriff auf die Ukraine ab. Aber ich bin Slawin und kann verstehen, was Putin in seiner Rede meinte. Der Warschauer Pakt ist aufgebrochen, und seither gab es die Nato-Osterweiterung. Zeugt das von einer Politik, die Frieden will? Die Nato ist Russland immer näher gerückt und hat es militärisch eingekreist. Schon Bismarck wies auf die Rolle der Ukraine hin: Um Russland zu zerstören und einzunehmen, muss man zuerst die Ukraine einnehmen.

Ich bin wie gesagt absolut gegen den Krieg und finde ihn schrecklich, aber wer hat sich denn um die schrecklichen Ereignisse all die Jahre vorher gekümmert? Die Gräuel der Faschisten in Odessa, oder im Donbas und am Luhan? Niemand hat sich darum gekümmert, was für schlimme Sachen dort passiert sind, aber sie haben dazu geführt, dass Russland sich immer mehr bedroht fühlen musste.

Was war denn in Serbien? Heute gibt es in Belgrad prorussische Demonstrationen, denn was Belgrad im Jahr 1999 von der Nato erfahren hat, das waren wochenlange Bombenangriffe im Balkankrieg. Auch Jugoslawien war ein souveräner Staat, aber die USA und Deutschland sorgten dafür, dass es zerstört und in zahlreiche Kleinstaaten zersplittert wurde – Bosnien, Kroatien, Montenegro, Herzegowina, Serbien und Slowenien – die jeder für sich gar nicht lebensfähig sind.

Wie weit kann man heute den Zeitungen trauen? Sie stellen die Ukraine als demokratisch hin, aber in all diesen Staaten, auch in Bulgarien wie zuvor in Slowenien, werden die Denkmäler für die Soldaten gestürzt, die im zweiten Weltkrieg gegen die Faschisten kämpften, und dafür werden Nazis und Rechtsextreme verherrlicht.

Was wir brauchen, sind nicht Waffen und Kriegsgeräte, die Milliarden kosten und alles zerstören. Dieses Geld könnte man viel besser brauchen, um die Armut zu beseitigen, denn in diesen Ländern Osteuropas herrscht große Armut. Meine Mutter in der Slowakei muss zum Beispiel von 350 Euro Rente leben, und ihre Miete kostet 150 Euro. Was bleibt ihr da zum Leben? Ihr Leben wird immer schlimmer, und die antirussische Hetze macht es nicht besser. In der Slowakei werden Nahrungsmittel, die das „russisch“ im Namen tragen, jetzt umbenannt: Es darf nicht mehr „Russland-Ei“ oder „Russland-Eis“ heißen.

Das alles ist doch absurd, dumm und reaktionär. Unsere Familie hielt Freundschaft mit der russischen Familie meiner Freundin, und heute ist es so, dass sie sich nicht mehr grüßen. Diese ganze Entwicklung macht mir große Sorgen, wo führt sie hin? Die Menschen kennen die Geschichte nicht mehr. Wir müssen ihnen die Augen öffnen und die Geschichte ins Bewusstsein rücken, um die Entwicklung umzudrehen!

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Kevin aus Bayern arbeitet in der IT-Branche und hat bisher Erfahrungen mit den Grünen gemacht. Er hat die WSWS im Verlauf der Corona-Pandemie kennengelernt und sich das Webinar am 26. Februar gleich mehrfach angehört. Hier sein Kommentar:

Das Webinar habe ich schon vorher beworben, und ich fand es wirklich aufschlussreich, besonders den Beitrag von Nick Beams über die phantastische Staatsverschuldung der USA. Sie beträgt unvorstellbare 30 Billionen Dollar und übersteigt damit das Bruttoinlandsprodukt der USA um 7 Billionen Dollar. Auch die Unternehmerschulden sind gigantisch angestiegen.

Wie Beams erklärte, geht diese Entwicklung schon auf das Ende des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1971 zurück. Seither hat sie sowohl die Globalisierung als auch die „Finanzialisierung“ an den Börsen und das Anwachsen des spekulativen Elements hervorgebracht. Beams zitierte Karl Marx mit den Worten, dass „die Triebfeder des Kapitalismus nicht die Produktion [sei]. Es ist vielmehr die Umwandlung von Geld in noch mehr Geld.“ Das hat sich seit den 1980er Jahren stark durchgesetzt.

Beams schilderte in seinem Beitrag eine ganze Reihe von Börsenkrisen und geplatzten Spekulationsblasen bis hin zur Subprime-Immobilienkrise von 2008, die dazu führte, dass die Notenbank ständig Unternehmen und Banken mit immer neuen Milliarden retten und faule Kredite aufkaufen muss. Die Corona-Pandemie hat dies alles noch einmal stark verschlimmert: Die Staatspapiere fielen rapide, und die US-Notenbank musste jede Art von Schulden aufkaufen: Kreditschulden, kommunale Schulden, Studentenschulden, etc. Zeitweise wurde eine Million Dollar pro Sekunde ausgegeben! Gleichzeitig war in der Pandemie kein Geld für Masken, für wirksame Maßnahmen oder für die Arbeiter da, die Verluste erlitten.

Dann setzte eine Inflation ein, die wir heute immer stärker erleben. Wie Beams zeigte, wissen die Oligarchen, dass die Inflation die Bereitschaft zum Klassenkampf verstärkt, aber sie können die Zinsen nicht erhöhen, um die Inflation einzudämmen, weil sonst ihr System wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Dies lässt ihnen keinen anderen Ausweg, als ihre Krise durch imperialistischen Raubkrieg zu lösen. Ich fand Beams Schluss sehr stark, als er sagte: „Der Imperialismus erstrebt die Rettung der kapitalistischen Ordnung durch Krieg. Die Arbeiterklasse erstrebt die Überwindung der globalen Krise durch die soziale Revolution.“

Ich selbst hatte mich erst den Grünen zugewandt, weil ich glaubte, dass sie für Frieden und Umwelt einstehen, aber je mehr ich sie kennen gelernt habe, desto klarer verstand ich, dass es ihnen überhaupt nicht darum geht. Wer die Grünen in Deutschland kennt, kennt auch ihre Konzentration auf Karriere und Postengeschacher – das ist abstoßend. In der Corona-Pandemie haben sie nichts zum Schutz der Bevölkerung unternommen, und jetzt erweisen sie sich mit Außenministerin Annalena Baerbock als Kriegspartei.

Was die WSWS macht, finde ich enorm wichtig, weil sie als einzige den Widerstand in der Arbeiterklasse und die Streiks aufzeigt, die stattfinden, und auch die Rolle, die die Gewerkschaften spielen: Ihren Ausverkauf – wie sie Arbeiter wie beispielsweise bei Ford im spanischen Valencia gegen Saarlouis ausspielen. Das Webinar war insgesamt hervorragend organisiert: Da gab es Videos und graphische Darstellungen, die das Gesagte auf den Punkt brachten und Manöver wie „Sea Beeze 21“ in ihrer ganzen Brutalität zeigten.

Johannes Sterns Beitrag erwies sich als prophetisch: Am 26. Februar warnte er im Beitrag über den deutschen Militarismus davor, dass die EU und allen voran Deutschland jetzt massiv aufrüsten würden – und schon einen Tag später, am 27. Februar, verkündete der SPD-Kanzler Scholz, dass die Bundeswehr mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro aufgerüstet werden soll. Das zeigt wirklich die Stärke der Analyse, wenn man den historischen Materialismus zugrunde legt.

Auch Evan Blakes Beitrag mit der Darstellung von Our World in Data im Zeitraffer über die Ausbreitung von Covid-19 war erschreckend, besonders was den Anstieg der Omikron-Welle betrifft. Oder die Zahlen, die er zu Long-Covid nannte: 10 bis 30 Prozent aller Corona-Patienten entwickeln Long-Covid, was bedeutet, dass Hunderte Millionen Menschen langfristig unter Lungen-, Herz-, Immunsystem- oder Gehirnschäden leiden werden.

Besonders wichtig fand ich die Aufforderung von David North, dass wir den Kampf auf der Basis der Entwicklung von Klassenbewusstsein führen müssen. Dieser Krieg ist gerade deshalb so reaktionär, weil er die russischen und ukrainischen Arbeiter spaltet. Dabei haben sie dieselbe Geschichte und sprechen zum Teil dieselbe Sprache. David sagte: „Jede Politik, die das Klassenbewusstsein beschädigt, ist reaktionär.“ Unser Widerstand gegen Putin fußt nicht auf einer moralischen Ablehnung von Krieg, sondern echte Sozialisten und Revolutionäre müssen in erster Linie den Kampf für revolutionäres Klassenbewusstsein führen.

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Frank ist Krankenpfleger aus NRW, er ist in der DDR geboren und aufgewachsen. Er erklärte:

In dem Webinar gab es eine gute Zusammenfassung der grundlegenden Entwicklungen und Hintergründe. Es war deutlich zu erkennen, dass die Interessen der Wirtschaft den Interessen der Pandemiebekämpfung gegenüberstehen und die eigentliche Triebkraft im Ukraine-Krieg sind.

Gegen die Pandemie wird kaum noch etwas getan. Es gibt zu wenig Tests, zu wenige Luftfilter, allgemein zu wenig Sicherheitsvorkehrungen an den Schulen. Es gibt auch kein Interesse, die Impfstoffpatente freizugeben. Die Pandemie ist nicht national, sondern nur international zu bekämpfen. Ansonsten entstehen immer neue Mutationen. Das steigert den Profit der Hersteller, wenn sie neuen Impfstoff herstellen können. Für die Weltbevölkerung ist es eine Katastrophe. Auch die Haltung gegenüber den Kindern ist katastrophal. Das Virus einfach durch die Schulen durchrauschen zu lassen, ist unverantwortlich.

Die Pflege muss diese Politik hinterher ausbaden. Wir können nicht sagen, wir stellen den Betrieb ein, das ist in der Altenpflege, den Krankenhäusern und in der mobilen Altenpflege nicht möglich. Überall sind wir mit den Konsequenzen der Durchseuchungspolitik konfrontiert. Pflegekräfte fallen aus, weil sie selbst erkranken oder in Quarantäne sind. Und die Personalausstattung war ja vorher schon immer schlechter geworden. Das Gehalt ist einfach viel zu niedrig, und in dem Beruf ist neben der körperlichen auch die psychische Belastung sehr hoch. Im Krankenhaus sieht man ja auch viel Leid.

Viele Krankenhäuser würden gerne mehr machen für ihre Patienten, das wird aber nicht bezahlt. Der Staat stellt keine Mittel zur Verfügung, und die privaten Kliniken sollen auch noch Profit erwirtschaften. Die Gesundheit, alle Arbeit am Menschen, sollte in staatlicher Hand organisiert sein – ohne Profitdruck. Wozu muss das Gesundheitssystem einen Nachweis der Wirtschaftlichkeit erbringen? Das hat nicht nur auf das Personal, sondern auch auf das Material Auswirkungen. Es wird nur billigstes Material eingesetzt, es wird überhaupt nicht auf Qualität geachtet. Weil in den Krankenhäusern Mangel herrscht, sterben wer weiß wie viele Menschen.

In der Kriegsfrage zeigt sich das Dilemma noch deutlicher. Hinter dem Krieg stehen Wirtschafts- und geopolitische Interessen. Der Westen hat die Ukraine gekauft und unterstützt das Land jetzt auch noch mit Waffen. Ich denke man kann sagen, dass Deutschland schon Krieg gegen Russland führt, über Waffenlieferungen, über Sanktionen. Zu leiden haben die ukrainische, die russische Bevölkerung und auch die Arbeiter in den kriegführenden Ländern. Denn die werden dann mindestens zur Kasse gebeten, wenn sie nicht auch noch in den Krieg geschickt werden.

Jetzt wurden 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr angekündigt, aber für die Pandemiebekämpfung ist angeblich kein Geld da. Es ist klar: Die ökonomischen Interessen stehen vor den Interessen der Bevölkerung. Auch das ganze Wehklagen über die marode Bundeswehr ist eindeutig nur der Aufrüstung geschuldet. Die Bundeswehr ist in Afghanistan gewesen, in Mali; so marode kann die Ausstattung der Bundeswehr nicht sein.

Seit dem Ausbruch des Kriegs wird gar nicht mehr über Corona geredet. An Corona sterben täglich mehr als im Krieg, allein in den USA sind das 2000 und mehr jeden Tag.

Die Medien behaupten, dies sei „der erste Krieg in Europa“ seit dem Zweiten Weltkrieg. Dabei hatte sich schon am Jugoslawienkrieg ja auch die Bundeswehr beteiligt. Immer wenn es darum geht, den Militarismus voranzubringen und Aufrüstung oder Kriegsbeteiligung durchzusetzen, sind SPD und Grüne an der Regierung. Die nennen sich zwar Friedensparteien, aber das Gegenteil ist der Fall.

Letztens hat ein General in der TV-Runde bei Plaßberg gesagt: „Wir müssen die Ostflanke stärken.“ Da werden sich vor allem die älteren Zuschauer gegruselt haben. Das war schon im Zweiten Weltkrieg das Motto. Und auf Worte folgen Taten.

Arbeiter dürfen sich von den Imperialisten und Kapitalisten nicht blenden lassen. Sie müssen auf ihre eigene Interessen schauen. Bei einer weltweiten demokratischen Gesellschaft, in der nicht mehr die Wirtschaft der Maßstab allen Handelns sein wird, wird es keine Kriege mehr geben. Deswegen müssen Arbeiter sich zusammenschließen. Der Aufruf „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ ist alt – aber so aktuell! Hätten wir uns schon früher danach gerichtet, wäre uns allen viel Leid erspart geblieben.

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Weitere Zuschriften und Kommentare zeugen von der wachsenden Bedeutung der täglichen Statements und Hintergrundartikel, die die WSWS zum Ukrainekonflikt publiziert. Kurz nach dem Webinar erreichte uns die Zuschrift von Milena, einer Erzieherin aus der Pfalz, die spontan auf einen Artikel über die massive Aufrüstung der Bundeswehr reagierte.

Ich habe den Artikel „Wie der deutsche Militarismus den Ukrainekrieg nutzt“ von Peter Schwarz gelesen und stimme ihm vollumfänglich zu. (…) Während alle in meinem Umfeld der Meinung sind, Deutschland sollte weder aufrüsten noch die Ukraine mit Waffen unterstützen, sehe ich doch, dass in der Öffentlichkeit ein ganz anderer Standpunkt vertreten wird.

Es macht mich sprachlos, wenn Menschen gegen den Krieg in der Ukraine demonstrieren und gleichzeitig die Waffenlieferung unterstützen. Schon werden Menschen wegen ihrer Nähe zu Russland diffamiert, und sogar Supermärkte ziehen mit und unterstützten die Sanktionen. Das alles erinnert durchaus an die scheinbar vergangene Impfdebatte, wobei ich hier eine sehr viel größere Bedrohung sehe.

Ich bin nicht bereit, für kriegsverherrlichende Solidaritätsbekundungen auf die Straße zu gehen, sondern ich möchte gegen Krieg, gegen Waffen und gegen Militär meine Stimme erheben. Wo ist die Friedensbewegung? frage ich mich. Wo sind die Menschen, die einmal gegen Atomwaffen und für Abrüstung auf die Straße gingen? Ist es naiv und weltfremd sich eine Welt zu wünschen, in der es keinen Krieg gibt? Ich wohne in der Pfalz, zwischen Büschel und Ramstein. Ich habe Angst. Um mich, um meine Familie, den Pfälzer Wald, um die Menschheit, um die Natur. Ich möchte gerne helfen. Was kann ich tun?

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