Indien: Nach fünf Monaten bedroht ein Gerichtsurteil den Busfahrerstreik von Maharashtra

In Indien streiken seit fünf Monaten mehr als 70.000 Beschäftigte der Maharashtra State Road Transport Corporation (MSRTC). Eine Entscheidung des Obersten Gerichts von Bombay bringt den Streik nun in großer Gefahr. Er könnte abgebrochen werden, ohne dass die Beschäftigten ihre Kernforderungen haben durchsetzen können.

Am Donnerstag, dem 7. April, ordnete der Oberste Gerichtshof von Bombay an, dass die streikenden MSRTC-Busfahrer, Fahrkartenkontrolleure, Mechaniker und andere Hilfskräfte spätestens am Freitag, dem 22. April, an die Arbeit zurückkehren müssen.

Das Gerichtsurteil gibt der Busgesellschaft MSRTC die rechtliche Möglichkeit, alle Beschäftigten zu entlassen, die den Streik über den 21. April hinaus fortsetzen. Die MSRTC befindet sich im Besitz der Regierung des Bundesstaates Maharashtra.

Fahrer und Beschäftigte der Busgesellschaft MSRTC appellieren an Passanten, ihren Streik zu unterstützen (Foto: MSRTC-Streikende)

Als Reaktion auf die jüngste, Streik-feindliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nahm der Verkehrsminister von Maharashtra, Anil Parab, kein Blatt vor den Mund. „Es wird davon ausgegangen“, erklärte er arrogant, „dass Angestellte, die ihre Arbeit [bis zum 22. April] nicht wieder aufgenommen haben, die Arbeit nicht benötigen.“

Richter des Obersten Gerichtshofs versuchten in ihren mündlichen Ausführungen, die Arbeiter unter Druck zu setzen. „Nehmen Sie Ihren Dienst wieder auf“, forderten sie. „Setzen Sie nicht Ihre Lebensgrundlage derart aufs Spiel.“

Arbeiter hätten ja auch „andere Möglichkeiten“, um sich für ihre Forderung einzusetzen, belehrten die Richter die Busfahrer, deren Streik sich im Wesentlichen darauf richtet, dass die Regierung die Busgesellschaft übernehme. Vermutlich meinten die Richter, dass die Beschäftigten ihre Energie auf vergebliche Lobbyarbeit bei den Parteien des kapitalistischen Establishments verwenden sollten. Alle diese Parteien haben längst klargemacht, dass sie den Kampf der MSRTC-Beschäftigten rundheraus ablehnen.

Die Arbeiter fordern, dass das gewinnorientiert arbeitende Landesunternehmen MSRTC in die Staatsverwaltung eingegliedert wird, damit sie die gleichen Löhne, Sozialleistungen und Garantien für Arbeitsplatzsicherheit wie andere Staatsbedienstete erhalten. Mit dieser Forderung wehren sie sich gegen die Pläne des MSRTC-Managements und der Regierung von Maharashtra, den Überlandbusverkehr zu privatisieren, der für Millionen von Arbeitern, vor allem in ländlichen Gebieten, ein unverzichtbares Verkehrsmittel darstellt.

Mit der Entscheidung des Gerichts, eine Frist für die Beendigung des Streiks auf den 22. April festzulegen, endete nach drei Tagen die vorerst letzte gerichtliche Anhörung dazu. Bisher hatten die Beschäftigten trotz brutaler Repressalien des Managements, Drohungen der Regierung und wiederholten Gerichtsurteilen, die ihn für illegal erklärten, ihren Streik durchgesetzt.

Die Anhörung vor dem Obersten Gericht war eine Farce. Sie begann damit, dass das Gericht offiziell zur Kenntnis nahm, dass die Regierung eine Eingliederung verweigerte. Dabei stand das überhaupt nie in Frage. Die Regierung von Maharashtra ist eine Koalition unter Führung der faschistischen Shiv Sena, der auch die Kongresspartei und die in Maharashtra ansässige Nationale Kongresspartei angehören. Diese Koalition hat seit Beginn des Arbeitskampfs unablässig erklärt, dass eine Übernahme in die Staatsverwaltung „unbezahlbar“ sei und nicht in Frage komme. Nun „untersuchte“ dasselbe Gericht die Eingliederungsforderungen der Arbeiter, das ihren Streik schon im vergangenen November ein erstes Mal für illegal erklärt hatte.

Bei dieser Anhörung vor dem Obersten Gerichts ging es letzte Woche auch um eine von der MSRTC eingereichte Klage gegen die Beschäftigten wegen Missachtung des Gerichts, weil sie den Streik trotz mehrerer Gerichtsurteile, die ihn für illegal erklärt hatten, begonnen und fortgesetzt hatten.

Die MRSTC-Beschäftigten haben eine enorme Militanz und Entschlossenheit bewiesen. Die große Mehrheit der mehr als 90.000 Beschäftigten, die am 4. November letzten Jahres in den Ausstand getreten sind, halten an ihrem Streik fest, obwohl sie kein Streikgeld bekommen. Mehr als 2.200 Beschäftigte wurden entlassen, weitere 11.000 Beschäftigte wurden suspendiert und die Regierung droht, gestützt auf mehrere gerichtliche Streikverbote, mit Massenverhaftungen.

Wenn der Streik jetzt in großer Gefahr ist, liegt das vor allem an der Sabotage durch die Gewerkschaften und die stalinistischen Parlamentsparteien, die Kommunistische Partei Indiens (Marxistisch) oder CPM und die Kommunistische Partei Indiens (CPI). Die mehr als zwei Dutzend Gewerkschaften, die für sich in Anspruch nehmen, die MSRTC-Beschäftigten zu vertreten, waren von Anfang an gegen den Streik. Die zentralen Gewerkschaftsverbände, darunter der der CPM angeschlossene CITU und der von der CPI unterstützte AITUC, haben den militanten Kampf der MSRTC-Beschäftigten systematisch isoliert: Sie haben sie angesichts der staatlichen Repression im Stich gelassen und die Kampagne der Unternehmensregierung unterstützt, um die Streikenden zu unterwerfen.

In der letzten Märzwoche brach in Indien ein zweitägiger, landesweiter Generalstreik aus. Er richtete sich gegen die Entscheidung von Premierminister Narendra Modi, eine große Zahl von Unternehmen des öffentlichen Sektors zu privatisieren. Doch die Gewerkschaften erwähnten den mutigen Kampf der Busbeschäftigten in Maharashtra mit keinem Wort, geschweige denn, dass sie die indische Arbeiterklasse zu ihrer Unterstützung mobilisiert hätten.

Aufgrund des Verrats der Gewerkschaft und der stalinistischen Parteien haben Teile der MSRTC-Beschäftigten in ihrer Ausweglosigkeit zu Unrecht auf die vorgetäuschte Sympathie des Obersten Gerichtshofs vertraut. Für sie ist der jüngste Gerichtsbeschluss, der ihnen mit Entlassung droht, wenn sie nicht bis zum 22. April an die Arbeit zurückkehren, ein herber Schlag. Von ihnen wird nun verlangt, dass sie ihren Kampf für die Eingliederung der MSRTC in die Regierungsverwaltung des Bundesstaates einstellen.

Während der gesamten Auseinandersetzung war sich das Gericht der Gefahr bewusst, dass der Kampf der MSRTC-Beschäftigten zum Katalysator einer breiteren Bewegung der Arbeiterklasse werden könnte. Dies in einer Situation, in der die Wut der Massen auf die herrschende Klasse ständig wächst, sowohl wegen ihrer desaströse Reaktion auf die Corona-Pandemie, als auch aufgrund von Massenarbeitslosigkeit und Hunger.

Die Richter des Obersten Gerichtshofs taten so, als ob ihnen das Schicksal der Beschäftigten am Herzen läge, und machten eine Show daraus, dem MSRTC-Management und der Regierung falsche Versprechungen zu entlocken. Zuletzt wandten sie sich klar gegen die Beschäftigten, erhöhten drastisch den Druck auf sie und drohten mit Massenentlassungen,

Am Mittwoch setzte das Gericht den 15. April (einen Freitag) als Termin für die Rückkehr an den Arbeitsplatz fest. Am Ende der Anhörung verlängerte es diese Frist um eine Woche.

Mit der Begründung, dass „bei einem Kampf zwischen einem Löwen und einem Lamm das Lamm geschützt werden muss“, wies das Gericht die MSRTC-Geschäftsführung an, sich zu verpflichten, dass die entlassenen und suspendierten Beschäftigten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürften. Die Landesregierung hat unterdessen zugesagt, die MSRTC in den nächsten vier Jahren mit staatlichen Mitteln zu unterstützen und die pünktliche Auszahlung der Löhne zu gewährleisten. Aufgrund der Pandemie und der jahrelangen Vernachlässigung durch die Regierung sind die MSRTC-Finanzen in desolatem Zustand.

Arbeiter dürfen den Zusagen und Erklärungen des MSRTC-Managements, der Regierung und des Obersten Gerichts keinen Glauben schenken. Das Unternehmen hat erklärt, es werde keine Disziplinarmaßnahmen gegen die Streikenden ergreifen. Gleichzeitig besteht es jedoch darauf, dass die zahlreichen Strafverfahren, die es gegen die militantesten Beschäftigten angestrengt hat, fortgesetzt werden. Damit behält das Management ein Instrument in der Hand, diese Arbeiter zu schikanieren und schließlich zu entlassen.

Noch weniger glaubwürdig sind die Versprechen, dass die Regierung die MSRTC finanziell unterstützen werde. Keine Zahlen über den Umfang dieser vierjährigen Unterstützung wurden vorgelegt. Außerdem verpflichten sich weder das MSRTC-Management noch die Regierung, ihre Pläne zur Privatisierung von Buslinien und Endstationen aufzugeben. Während des Streiks hat die MSRTC ihre Planungsarbeit mit der globalen Unternehmungsberatung KPMG fortgesetzt, um Buslinien auszulagern und ihr Vermögen profitkräftig einzusetzen.

Die Arbeiterklasse in ganz Indien und international muss die indischen Busfahrer verteidigen! Zu diesem Zweck hat David O'Sullivan, ein britischer Busfahrer, ein WSWS-Video publiziert, um den Streik im Namen des London Bus Rank-and-File Committee zu unterstützen.

Die MSRTC-Beschäftigten müssen ihrerseits die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Sabotage des Streiks durch die wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften ziehen. Um ihren Kampf zu koordinieren und zu führen, müssen sie auf jedem Betriebshof und jeder Endhaltestelle neue, von den Gewerkschaften und den kapitalistischen Politikern völlig unabhängige und gegen diese gerichtete Kampforganisationen aufbauen – vereint in einem MSRTC-Aktionskomitee.

Die erste Aufgabe eines solchen Komitees wird es sein, die von den Gewerkschaften auferlegte Isolation des Streiks zu durchbrechen, indem es einen dringenden Appell an die Arbeiter in ganz Indien für einen gemeinsamen Kampf gegen die Privatisierung und zur Verteidigung des Öffentlichen Dienstes publiziert. Es steht außer Frage, dass ein solcher Aufruf die massive Unterstützung von Bergarbeitern, Bank-, Hafen- und Elektrizitätsarbeitern sowie von Millionen anderer Beschäftigter finden wird, die selbst von der Privatisierungsagenda der Modi-Regierung und der von den Oppositionsparteien geführten Regierungen der Bundesstaaten, einschließlich derjenigen von Maharashtra, betroffen sind.

MSRTC-Streikende, die ein solches Aktionskomitee aufbauen wollen, können sich darauf verlassen, dass die World Socialist Web Site und die International Workers Alliance of Rank-and-File Committees ihnen unsere uneingeschränkte Unterstützung und jede Hilfe zukommen lassen.

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