Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Macron setzt sich gegen Neofaschistin Marine Le Pen durch

Emmanuel Macron wurde am Sonntagabend mit rund 58,6 Prozent der Stimmen erneut zum Präsidenten Frankreichs gewählt. Die neofaschistische Kandidatin Marine Le Pen erhielt 41,5 Prozent.

Die Stichwahl zwischen dem allgemein verhassten „Präsidenten der Reichen“ und der führenden französischen Neofaschistin löste unter Arbeitern Abscheu und Desillusionierung aus. Die Wahlenthaltung lag auf dem höchsten Stand seit der Wahl 1969, in der die damals noch starke stalinistische Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) zum Boykott aufgerufen hatte. Fast drei Millionen gaben leere oder ungültige Stimmzettel ab. Zusammen mit denen, die nicht zur Wahl gegangen sind, haben 16 Millionen, d.h. ein Drittel der Wahlberechtigten, für keinen der beiden Kandidaten gestimmt.

Am Sonntag kam es im ganzen Land zu Demonstrationen wegen der Wahl zwischen zwei allgemein verhassten Kandidaten. In Paris ging die Polizei gewaltsam und mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Zwei Menschen wurden in ihrem Fahrzeug von der Polizei erschossen, angeblich weil sie an einem Kontrollpunkt nicht angehalten hatten.

Obwohl Le Pen eine Niederlage erlitten hat, erzielte sie das beste Ergebnis in der Geschichte der französischen extremen Rechten. Sie erhielt acht Prozentpunkte mehr als in der letzten Stichwahl gegen Macron 2017. In den französischen Überseegebieten Guadeloupe (69,6 Prozent), Guyana (60,7 Prozent) und Martinique (60,9 Prozent) konnte sie sich sogar durchsetzen. Wenn Macrons eigene Legitimierung rechtsextremer Politik und seine brutale arbeiterfeindliche Politik in seiner zweiten Amtszeit der extremen Rechten zu einem ähnlichen Stimmenzuwachs verhelfen, könnte Le Pen 2027 die Macht übernehmen.

Le Pen gestand kurz nach den ersten Wahlprognosen am Sonntagabend um 20 Uhr ihre Niederlage ein. Sie bezeichnete ihr eigenes Ergebnis als „bemerkenswerten Sieg“ und erklärte: „Trotz der unfairen, brutalen und gewaltsamen Methoden der letzten zwei Wochen stoßen die Ansichten, die wir repräsentieren, in neue Höhen vor.“

Le Pen inszenierte sich demagogisch als Verteidigerin der breiten Masse der Bevölkerung, der sie für Macrons zweite Amtszeit einen Einbruch bei ihrem Lebensstandard voraussagte: „Das französische Volk hat heute Abend deutlich gemacht, dass es eine starke Opposition gegen Emmanuel Macron wünscht.“ Sie behauptete weiter, sie werde „den Niedergang seiner Kaufkraft, Angriffe auf individuelle Freiheiten... und Emmanuel Macrons Erhöhung des Rentenalters, Kriminalität, anarchische Zuwanderung und ein kraftloses Justizsystem“ bekämpfen. Weiter kündigte sie an, in künftigen Wahlen weiterhin „Frankreich und den Franzosen“ zu dienen.

Kurz nach Le Pens Rede rief der rivalisierende rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour – ein Journalist, der das Nazi-Kollaborationsregime in Vichy verherrlicht und wegen Aufhetzung zu Rassenhass und religiösem Hass schuldig gesprochen wurde – zur Einheit der extremen Rechten in den kommenden Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni auf.

Macron trat erst etwas später am Sonntagabend auf und hielt vor dem Eiffelturm eine kurze, oberflächliche Siegesrede an eine Menge aus wenigen tausend Anhängern, hauptsächlich hochrangige Beamte und Journalisten. Er behauptete, durch seine Wahl habe sich Frankreich für ein „humanistisches Programm entschieden, das ehrgeizig für die Unabhängigkeit unseres Landes und Europas eintritt“.

Nachdem er die Anhebung des Rentenalters um drei Jahre auf 65 angekündigt hatte, außerdem die Einführung von Studiengebühren nach amerikanischem Vorbild und Arbeitszwang für Sozialhilfeempfänger, kam er auf seine Kriegs- und Austeritätspolitik zu sprechen. Er versprach „unsere akademischen, kulturellen und unternehmerischen Kräfte zu befreien... Der Krieg in der Ukraine erinnert uns daran, dass wir in tragischen Zeiten leben.“ Weiter rief er seine Anhänger dazu auf, rechtsextremen Wählern „wohlwollend und mit Respekt“ zu begegnen.

Dennoch gab er zu, dass „unser Land von so vielen Zweifeln und Spaltungen zerrissen wird“, und behauptete zynisch, er werde sich neu erfinden und in seiner zweiten Amtszeit „eine neue Ära“ schaffen: „Diese neue Ära wird nicht in der Kontinuität der vorherigen Amtszeit stehen, sondern in der kollektiven Erfindung einer neuen Methode, um fünf bessere Jahre im Dienste unseres Landes und unserer Jugend zu schaffen... Niemand wird zurückgelassen werden.“

Mit dieser Ansammlung von Lügen beleidigt Macron die Intelligenz der Öffentlichkeit. Es ist offensichtlich, dass seine drakonischen Sozialkürzungen zu einem massiven Anstieg der Ungleichheit führen werden und dass seine Aufforderung zu „Wohlwollen und Respekt“ gegenüber der extremen Rechten ein Versprechen darstellt, den muslimfeindlichen Kurs fortzusetzen, den er in seinem „Separatismusgesetz“ und durch die Schließung zahlreicher Moscheen eingeschlagen hat. Die französische herrschende Klasse hat keine fortschrittlichen Lösungen für die immer deutlichere Verschärfung der Klassenspannungen und setzt deshalb auf diktatorische Herrschaftsformen, egal ob unter Macron oder unter Le Pen.

Dutzende Millionen Arbeiter und Jugendliche, die in Macrons erster Amtszeit schwer zu leiden hatten, betrachten seine Wiederwahl als Katastrophe. Er hat die Proteste der „Gelbwesten“ und die Streiks der Bahnarbeiter gegen Austeritätsmaßnahmen mit brutaler Polizeigewalt niederschlagen lassen. In der Pandemie hat er die Profite über Menschenleben gestellt und eine Politik des „Lebens mit dem Virus“ vertreten, die in Frankreich zu 145.000 Toten und europaweit zu 1,8 Millionen Toten geführt hat. Gleichzeitig haben sich die Vermögen der französischen Milliardäre um über 40 Prozent erhöht. Er hat Frankreich hinter den Kurs der Nato gestellt, die in der Ukraine einen Konflikt mit Russland geschürt hat – einen Konflikt, der jetzt einen Weltkrieg in Europa auslösen könnte.

Die massiven Geldspritzen für die Superreichen, welche die Inflation schüren, und die Nato-Sanktionen gegen Russland zerstören den Lebensstandard der Arbeiter in Frankreich und weltweit und schaffen damit die Grundlagen für eine explosive Konfrontation zwischen der Macron-Regierung und der Arbeiterklasse.

Tatsächlich kamen die ersten Unterstützungserklärungen für Macron hauptsächlich von anderen europäischen imperialistischen Politikern, die in seiner Wiederwahl die Garantie sehen, dass Frankreich weiterhin eng mit der Europäischen Union zusammenarbeiten wird, um Europa zu militarisieren und Russland zu bedrohen. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, übermittelte Macron per Twitter ihre Glückwünsche und fügte hinzu: „Ich freue mich, unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen zu können.“

Der EU-Außenpolitikbeauftragte, Josep Borrell, äußerte sich gegenüber der spanischen Zeitung El Confidencial etwas deutlicher und erklärte, die Unterstützung der französischen Bevölkerung für die milde Kritik am Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine, die Le Pen und der populistische Kandidat Jean-Luc Mélenchon geäußert hatten, habe die Nato in Angst versetzt. „Die Hälfte der Bevölkerung unterstützt den Austritt aus dem Bündnis, wie es Jean-Luc Mélenchon fordert, oder aus der Nato-Militärführung, wie es Le Pen fordert, was aber das Gleiche bedeutet. Die französische Bevölkerung hat ein sehr beunruhigendes Verständnis der Weltlage gezeigt.“

El Confidencial schrieb, die Nato-Militärs und Diplomaten hätten die Wahl „mit angehaltenem Atem und verhohlener Spannung“ beobachtet. „Die Wahl in Frankreich ist zu einem Sicherheitsproblem geworden.“

Dass Washington und die europäischen Nato-Mächte die Wahl in Frankreich als militärisches Problem ansehen, liegt nicht an den Äußerungen von Mélenchon oder Le Pen. Beide haben deutlich gemacht, dass sie sich an den Nato-Kriegskurs gegen Russland anpassen würden. Le Pen hat letzten Mittwoch in der Fernsehdebatte Macrons Kurs gegenüber Russland unterstützt, und Mélenchon hat seine Bereitschaft signalisiert, unter Macron oder Le Pen als Premierminister zu dienen. In dieser Position hätte er keinerlei außenpolitischen Einfluss.

Tatsächlich trat Mélenchon, der mit 22 Prozent der Stimmen der unverdiente Begünstigte des linken Protests im ersten Wahlgang war, am Sonntagabend kurz im Nachrichtensender BFM-TV auf, um erneut seine Bereitschaft zu betonen, Macron als Premierminister zu dienen.

Das verdeutlicht die Bedeutung der Rolle der Parti de l’égalité socialiste (Sozialistische Gleichheitspartei, PES), der französischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IVKI). Die PES hatte die Arbeiterklasse zu einem aktiven Boykott der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen aufgerufen und statt der Wahl Macrons oder Le Pens die Mobilisierung gegen beide Kandidaten gefordert – unabhängig von allen Kräften, die zur Wahl eines der beiden aufgerufen hatten.

Dieser Aufruf hat der Arbeiterklasse eine unabhängige politische Linie geliefert und dazu beigetragen, sie mit einer revolutionären und sozialistischen Perspektive für die bevorstehenden Kämpfe gegen die Macron-Regierung zu bewaffnen.

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