Deutschland liefert schwere Waffen an die Ukraine und riskiert einen Atomkrieg

Es sind jetzt genau zwei Monate her, seit Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag eine außen- und militärpolitische „Zeitenwende“ verkündete. Der Rüstungshaushalt werde um 100 Milliarden Euro auf das Dreifache erhöht, der Grundsatz, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern, aufgegeben und die Ukraine mit deutschem Kriegsgerät versorgt.

Gepard-Flugabwehrpanzer der Bundeswehr (Bild: Hans-Hermann Bühling/CC BY-SA 2.0/ wikimedia)

Seither wird dieses Programm energisch in die Tat umgesetzt. Deutschland hat die Ukraine mit großen Mengen Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrgeräten, Munition, Fahrzeugen und anderem Material aus Beständen der Bundeswehr beliefert. Es hat Kiew eine Liste mit lieferbaren Waffen deutscher Rüstungskonzerne überreicht, für die Berlin die Rechnung bezahlt, und zwei Milliarden Euro für Waffenlieferungen zur Verfügung gestellt. Über einen „Ringtausch“ hat es der Ukraine einsatzbereite Panzer sowjetischer Bauart aus osteuropäischen Nato-Ländern zukommen lassen, die es durch Panzer aus deutscher Produktion ersetzt.

Trotzdem wurde Bundeskanzler Olaf Scholz heftig angegriffen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Botschafter Andrij Melnyk, deutsche und internationale Medien, die CDU-CSU-Opposition und selbst Mitglieder der eigenen Ampelkoalition warfen dem Bundeskanzler vor, er sei zu zögerlich, halte Versprechen nicht ein und falle der Ukraine aus wirtschaftlichem Eigeninteresse in den Rücken. Nun hat die Bundesregierung auf den Druck reagiert und die Lieferung schwerer Waffen direkt aus Deutschland zugesagt.

Im Vorfeld eines Spitzentreffens von Vertretern aus rund 40 Ländern, das gestern auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz stattfand, gab Verteidigungsministerin Christine Lambrecht grünes Licht für die Lieferung von „Gepard“-Flugabwehrpanzern aus früheren Beständen der Bundeswehr. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall hat außerdem die Auslieferung von 88 gebrauchten „Leopard“-Kampfpanzern und 100 „Marder“-Schützenpanzern an die Ukraine beantragt. Die Bundesregierung will darüber rasch entscheiden.

Lambrecht versprach in Ramstein auch, ukrainische Truppen auf deutschem Boden an Artilleriesystemen auszubilden. „Wir werden zusammen mit den Niederlanden Ausbildung an Panzerhaubitzen und Munition für die Ukraine bereitstellen, denn wir wissen alle, dass in diesem Konflikt Artillerie ein wesentlicher Faktor ist,“ sagte die Ministerin.

Mit der Lieferung schwerer Waffen und der Ausbildung von Artilleristen wird Deutschland immer offener zur direkten Kriegspartei. Es verlängert und verschärft damit nicht nur den Krieg in der Ukraine, sondern riskiert auch, dass er auf Deutschland übergreift und zu einem nuklearen dritten Weltkrieg eskaliert.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte noch am vergangenen Freitag in einem Spiegel-Interview erklärt, man müsse alles tun, „um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden“. Er hatte versichert: „Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben.“ Nun hat er seine eigene Warnung in den Wind geschlagen.

Er folgt damit den USA, die in Kiew die Richtung vorgeben und kein Ende des Krieges zulassen werden, bis – in den Worten des ehemaligen Befehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges – das „Rückgrat“ Russlands so weit gebrochen ist, „dass es nicht mehr in der Lage ist, außerhalb Russlands Macht auszuüben“.

US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin waren vor dem Treffen in Ramstein gemeinsam nach Kiew gereist, um Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dieses Ziel einzuschwören. „Wir haben uns bei dem Treffen auf die Dinge konzentriert, die es uns ermöglichen, den gegenwärtigen Kampf zu gewinnen und auch auf die Zukunft zu bauen,“ erklärte Austin danach.

In Ramstein wurden dann die erforderlichen Waffen für den Krieg gegen Russland organisiert und eine monatliche Kontaktgruppe eingerichtet, um die militärische Unterstützung zu koordinieren. Man werde „Himmel und Erde“ in Bewegung setzen, damit die Ukraine das bekomme, was sie zu ihrer Verteidigung brauche, beteuerte US-Verteidigungsminister Austin.

Allein die USA haben seit Beginn des Krieges Waffen im Wert von 3,7 Milliarden Dollar an die Ukraine geliefert, darunter tragbare Flug- und Panzerabwehrraketen, die ihr Ziel selbst finden. Um der russischen Armee das „Rückgrat zu brechen“ sind aber weitaus schwerere Waffen wie Panzer, Artilleriegeschütze, Kampfflugzeuge und direkte Unterstützung der Nato nötig.

Der Vorsitzende der US-Generalstabschefs, Mark Milley, warnte in Ramstein, die Zeit sei nicht auf der Seite der Ukraine. „Der Ausgang dieses Kampfes hängt hier und heute von den Menschen in diesem Raum ab.“ Deutlicher kann man nicht sagen, dass die Nato selbst Krieg gegen Russland führt und den Ukrainekonflikt, den sie jahrelang geschürt hat, lediglich als Mittel zum Zweck benutzt.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte bereits vor dem Treffen in Ramstein im russischen Staatsfernsehen vor der realen Gefahr eines Atomkriegs gewarnt. Die Waffenlieferungen der Nato seien ein „legitimes Ziel für die russischen Streitkräfte“, drohte er. „Wenn die NATO über einen Stellvertreter de facto in einen Krieg mit Russland tritt und diesen Stellvertreter bewaffnet, dann tut man im Krieg, was man im Krieg tun muss.“ Die Gefahr eines dritten Weltkriegs sei ernst, real und dürfe nicht unterschätzt werden.

Doch statt sich um eine Entschärfung dieser Gefahr zu bemühen, gießt die Nato Öl ins Feuer.

In Deutschland, wo laut einer aktuellen Forsa-Umfrage 56 Prozent der Bevölkerung eine Ausweitung des Kriegs auf ganz Europa fürchten und 63 Prozent für seine Beendigung durch Verhandlungen und eine diplomatische Lösung eintreten, ist die Kriegshysterie besonders schrill.

Willfährige Medien, die endlos die Kriegspropaganda der Nato wiederkäuen und über enge Verbindungen zu transatlantischen Thinktanks verfügen, greifen Bundeskanzler Scholz seit Wochen an, weil er angeblich zu zögerlich sei. So überschrieb die F.A.Z. einen Kommentar: „Waffen für die Ukraine: Ein deutsches Trauerspiel.“ Und die jüngste Ausgabe des Spiegel erschien mit dem Leitartikel: „Kanzler Scholz und der Krieg in der Ukraine: Verkündet, verschleppt, vergeigt!“

CDU und CSU brachten im Bundestag einen Antrag ein, der die Regierung verpflichten sollte, die Waffenlieferungen an die Ukraine „in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar“ auszubauen und auch „schwere Waffen“ zu liefern.

SPD, Grüne und FDP reagierten darauf mit einem eigenen Antrag, der die eigene Regierung auffordert, „die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern“.

Auf dem FDP-Parteitag am vergangenen Wochenende konnte die Führung die Delegierten nur mit Mühe davon abhalten, eine Resolution gegen die eigene Regierung zu verabschieden. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die dem Bundeskanzler vorwirft, sie höre nur „dröhnendes Schweigen“, wenn es um schwere Waffen gehe, wurde begeistert gefeiert.

Noch kriegswütender gebärden sich die Grünen. Der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter, ein ehemaliger Pazifist, zieht mit seiner FDP-Kollegin Strack-Zimmermann von Studio zu Studio, um mehr Waffen für die Ukraine zu fordern.

Die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock bereiste in den letzten Tagen die drei baltischen Staaten, um ihren Regierungen zu versichern: „Das Baltikum kann sich zu 100 Prozent auf Deutschland verlassen.“ Sie besuchte ein neuerrichtetes Denkmal für die „Opfer des Kommunismus“, während sie die Opfer des Nazi-Terrors – sonst Pflichtprogramm für deutsche Politiker – ignorierte. Dabei hatten die Nazis und ihre örtlichen Kollaborateure, die heute wieder als Helden verehrt werden, die jüdische Bewohner des Baltikums fast vollständig ausgerottet.

Die Befürworter umfassender Waffenlieferungen spielen bewusst mit dem Feuer. Sie wissen, dass sie damit einen Atomkrieg riskieren.

So schreibt Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann in dem oben erwähnten Leitartikel: „Im Kanzleramt gehen sie inzwischen davon aus, dass der Mann im Kreml dann als letztes Mittel Atomwaffen einsetzen könnte. Nur was, wenn diese Bomben nicht auf ukrainischem Boden niedergehen, sondern in Warschau oder gar in Berlin?“ Auch die F.A.Z. gibt zu: „Niemals seit dem Ende des Kalten Kriegs war das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland so hoch.“ Doch selbst die Aussicht, dass Atombomben auf Berlin fallen, kann die Entschlossenheit, den Krieg zu verschärfen, nicht bremsen.

Die Kriegshysterie unter Politikern, Journalisten und leider auch einigen Kulturschaffenden ist derart verbreitet, dass sie nicht mit subjektiven Motiven erklärt werden kann. Sie hat tiefe objektive Ursachen.

Da ist zum einen die soziale Spaltung der Gesellschaft, verschärft durch Pandemie und Inflation, die die Stabilität der bürgerlichen Herrschaft untergräbt und zu heftigen Klassenkämpfen führen wird. Krieg und Militarismus dienen als erprobtes Mittel, die sozialen Spannungen vorübergehend nach außen zu lenken.

Und da sind zum anderen die geopolitischen Interessen des deutschen Kapitals, die angesichts wachsender internationaler Spannungen nicht mehr mit friedlichen Mitteln verwirklicht werden können. Bereits im letzten Jahrhundert hat Deutschland zweimal Krieg gegen Russland, bzw. die Sowjetunion geführt und dabei die Ukraine besetzt. Nun kehrt der deutsche Imperialismus – im heftigen Wettstreit mit dem US-amerikanischen – zu seiner traditionellen Expansionsrichtung zurück.

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