CDU gewinnt Landtagswahl in Schleswig-Holstein

Nur sechs Wochen nach dem Wahlerfolg der SPD im Saarland hat die CDU die Landtagswahl in Schleswig-Holstein mit deutlicher Mehrheit gewonnen. Sie legte 11,4 Prozentpunkte zu und verfehlte mit 43,4 Prozent der abgegebenen Stimmen die Mehrheit im Landtag nur um einen Sitz.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auf einer Sitzung des Bundesrats (Bild: Olaf Kosinsky/kosinsky.eu/CC BY-SA 3.0-de)

Großer Wahlverlierer ist die SPD, die 11,3 Prozentpunkte verlor und mit 16,0 Prozent hinter den Grünen (18,3 Prozent) auf Platz drei landete. Es ist das historisch schlechteste Wahlergebnis der Sozialdemokraten im nördlichsten Bundesland. Die Grünen, die bisher mit CDU und FDP in einer sogenannten Jamaika-Koalition regierten, gewannen 5,4 Prozentpunkte hinzu, etwa gleich viel, wie die FDP verlor, die mit einem Ergebnis von 6,4 Prozent ebenfalls zu den Wahlverlierern zählt.

Die AfD, die bei der letzten Wahl mit 5,9 Prozent in den Landtag eingezogen war, kam nur noch auf 4,4 Prozent und flog damit erstmals in der Geschichte der Partei wieder aus einem Landesparlament hinaus. Die Linke halbierte ihr Ergebnis von 3,8 auf 1,7 Prozent und scheiterte erneut an der Fünf-Prozent-Hürde. Der SSW, die Partei der dänischen Minderheit, für die diese Hürde nicht gilt, legte deutlich zu und erreichte erstmals 5,7 Prozent.

Galten Landtagswahlergebnisse führe als Indikatoren für einen längerfristigen bundespolitischen Trend, zeigt der rasche Umschwung des Wahlglücks zwischen Saar und Förde, dass sie heute eher von zufälligen und sekundären Faktoren bestimmt werden.

Die Fragen, die die große Mehrheit der Wähler beschäftigen – die Folgen der Pandemie, explodierende Preise und Mieten, unsichere Arbeitsplätze und Weltkriegsgefahr – standen nicht zur Wahl. In diesen Fragen vertreten alle Parteien dieselbe arbeiterfeindliche Politik. Grüne und FDP, die in Kiel fünf Jahre im Bündnis mit der CDU regiert haben, tun dies im Bund gemeinsam mit der SPD. In anderen Bundesländern regieren dieselben vier Parteien – plus die Linke – in allen denkbaren Kombinationen.

Der bisherige und zukünftige Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wurde am Wahlabend nicht müde, den Beitrag von Grünen und FDP zum Erfolg seiner Regierung zu betonen, und zeigte sich enttäuscht, dass er nun zwischen den bisherigen Koalitionspartnern wählen muss. Er ließ sogar die Möglichkeit offen, die Dreierkoalition fortzusetzen, obwohl dies zum Erlangen einer parlamentarischen Mehrheit nicht nötig ist und ein politisches Novum wäre.

Die meisten Medienkommentare machen die Person Günthers, der sich in Meinungsumfragen der höchsten Beliebtheitswerte aller Ministerpräsidenten erfreut, für den Wahlerfolg der CDU verantwortlich.

Tatsächlich ist Günther nicht der beliebteste, sondern höchstens der am wenigsten unbeliebte Ministerpräsident. Er hat es in seiner fünfjährigen Amtszeit geschafft, möglichst wenig anzuecken. „Unaufgeregt“, „berechenbar“, „ausgeglichen“, „ambitionslos“ sind die häufigsten Adjektive, mit denen er beschrieben wird. Die scheinbare Stabilität, die sein Wahlerfolg ausströmt, gleicht der Ruhe vor dem Sturm.

Schon das Wahlergebnis selbst ist keineswegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Von den 2,3 Millionen Wahlberechtigen gingen fast 920.000 nicht zur Wahl, deutlich mehr als die 856.000, die für die beiden stärksten Parteien, CDU oder Grüne, stimmten. Mit 60,4 Prozent lag die Wahlbeteiligung 4 Prozent niedriger als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren.

CDU und SPD konnten außerdem vor allem bei älteren Wählern punkten, die aufgrund der demografischen Entwicklung einen hohen Anteil ausmachen. Rund ein Viertel der Einwohner des Landes sind über 65 Jahre alt, Tendenz steigend. Bei den über 70-Jährigen kam die CDU auf 55 und die SPD auf 20 Prozent. Bei den 16- bis 24-Jährigen (das Wahlalter liegt in Schleswig-Holstein bei 16 Jahren) waren dagegen die Grünen mit 26 Prozent am stärksten. Sie erzielten auch bei Wählern mit „hoher Bildung“ 27 Prozent.

Schleswig-Holstein, das mit 2,9 Millionen Einwohnern zu den kleineren Bundesländern zählt, ist wie ganz Deutschland sozial tief gespalten. In der Pandemie spielte das Land eine führende Rolle dabei, die „Profite vor Leben“-Politik durchzusetzen. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) setzte sich als Präsidentin der Kultusministerkonferenz dafür ein, die Durchseuchung der Schulen voranzutreiben. Kritikern dieser Politik warf sie vor, eine „Kultur der Angst“ zu schüren.

Die Arbeitslosenquote entspricht in Schleswig-Holstein mit 5 Prozent dem bundesdeutschen Durchschnitt. Da das Land aber über wenig Industrie verfügt und stark vom Tourismus abhängig ist, arbeiten besonders viele zu Niedriglöhnen. 2018 (das letzte Jahr, das im Sozialbericht der Regierung aufgeführt wird) waren 24,1 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten – 32,7 Prozent der Frauen und 19,9 Prozent der Männer – im Niedriglohnbereich tätig. Im restlichen Westdeutschland liegt der Durchschnitt mit 18,6 Prozent deutlich niedriger.

Ende 2019 bezogen 262.000 Personen oder 9 Prozent der Einwohner des Landes Mindestsicherungsleistungen. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren betrug der Anteil 15,6, bei Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sogar 38,4 Prozent. Die Armutsquote lag 2018 bei 15,9 Prozent.

Steigende Mieten und eine Inflationsrate, die sich den 10 Prozent nähert, verschärfen diese soziale Kluft. Vor allem in den Universitätsstädten Kiel und Lübeck sowie im Umfeld Hamburgs sind die Mieten extrem hoch. Aus Hamburg, wo Neumieten inzwischen über 14 Euro pro Quadratmeter liegen, ziehen viele als Pendler ins benachbarte Schleswig-Holstein.

Hier bahnt sich eine soziale Explosion an, die breite Schichten der Bevölkerung in Konflikt mit allen etablierten Parteien bringen wird. Diese sind entsprechend nervös. Am kommenden Sonntag findet die nächste Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen statt. Im bevölkerungsreichsten Bundesland liefern sich CDU und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Grünen werden bei der Regierungsbildung voraussichtlich den Ausschlag geben.

Robert Habeck, der stellvertretender Ministerpräsident in Kiel war, bevor er nach Berlin ging und Vizekanzler in der Ampelkoalition von Olaf Scholz wurde, gratulierte noch am Wahlabend seinem ehemaligen Koalitionspartner „Daniel“ und bot ihm die Grünen als Koalitionspartner an. Die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein habe bewiesen, dass „konservative und moderne Kräfte“ gut zusammenarbeiten, dass sie „wertkonservativ und progressiv zugleich“ seien, sagte er.

Die FDP machte ebenfalls deutlich, dass sie zu einem Zweierbündnis mit der CDU zur Verfügung stünde. Und auch die SPD gratulierte Günther für „ein klares Mandat für eine weitere Amtszeit“. Um den wachsenden Widerstand gegen Krieg und Sozialabbau zu unterdrücken, arbeiten alle Parteien eng zusammen.

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