Stahlrohrkonzern Vallourec schließt Werke in Deutschland, Frankreich und Großbritannien

Am vergangenen Mittwoch gab der Stahlrohrkonzern Vallourec bekannt, was Tausende Arbeiter bereits befürchtet hatten. Der multinationale Konzern, der nahtlose Röhren vor allem für die Gas- und Ölindustrie produziert, schließt seine Werke in Düsseldorf-Rath und Mülheim/Ruhr und vernichtet allein an diesen beiden Standorten etwa 2400 Arbeitsplätze.

Die Produktion von nahtlosen Rohren in Westeuropa soll komplett eingestellt werden. In Düsseldorf sind etwa 1650 Arbeiter, in Mülheim 750 Arbeiter betroffen. Dazu kommen zahllose Beschäftigte in Zulieferbetrieben.

Nahtlose Stahlrohre von Vallourec [Photo by Mouliric/wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Die beiden Werke, die nun geschlossen werden, gehörten früher zu den Mannesmannröhren-Werken, die eine lange Tradition haben. Das Düsseldorfer Werk im Stadtteil Rath bestand seit 1899. Das Mülheimer Werk existiert seit 1966 und ist nach dem Siemens Energy-Werk der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber der Stadt.

Der Mannesmann-Konzern wurde im Jahr 2000 von Vodafone übernommen und zerschlagen. Eine Kooperation der Röhrenwerke mit Vallourec existierte seit 1997, als das Joint Venture Vallourec & Mannesmann Tubes (V&M Tubes) gebildet wurde. 2005 erwarb Vallourec die Mannesmann-Anteile. 2013 wurde die deutsche Unternehmenseinheit zur Vallourec Deutschland GmbH.

Vallourec ist ein klassischer Multi. Zum Konzern gehören 50 Produktionsanlagen in über 20 Ländern mit gut 20.000 Beschäftigten. Die Zentrale befindet sich in Frankreich.

Die Schließung der Werke und die Vernichtung von vielen Tausend weiteren Arbeitsplätzen in Zulieferbetrieben sind Bestandteil eines weltweiten Rationalisierungsprogramms, wie es gegenwärtig in vielen Konzernen vorbereitet und durchgeführt wird. Die globalen Konzerne reagieren auf die internationale Wirtschaftskrise und die wachsende Konkurrenz auf dem Weltmarkt, indem sie die Lohnkosten senken oder die Produktion in Billiglohnländer mit den niedrigsten Sozialstandards verlagern.

Dabei geben die internationalen Banken und Großinvestoren den Ton an. Die gesamte Produktion wird auf Profit und steigenden Shareholder Value getrimmt. Die Corona-Pandemie und der Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland dienen als Vorwand für einen Frontalangriff auf die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter, die mit Arbeitsplatzverlust und Inflation für Aufrüstung, Krieg und die enorme Bereicherung der Konzerne und Superreichen bezahlen.

Die Gewerkschaften haben diesem Angriff nichts entgegenzusetzen, außer gespielter Entrüstung und zahnlosem Protest. Sie handeln als Komplizen der Konzernleitungen und bieten ihnen „alternative Rationalisierungsprogramme“ an. Sie wollen beweisen, dass mit ihrer Hilfe die Ausbeutung auch am heimischen Standort drastisch verschärft werden kann.

Bei Vallourec zeigt sich das in aller Deutlichkeit. Die Schließung der Werke in Deutschland bedeutet auch die Schließung des Werks in Saint-Saulve in Nordfrankreich mit 100 Arbeitsplätzen. Die Arbeiter dort haben die in Düsseldorf und Mülheim produzierten Rohre nachbearbeitet. Vor zehn Jahren hatte es dort noch 1000 Arbeitsplätze gegeben, die mit der üblichen Salamitaktik mit Hilfe der Gewerkschaften nach und nach abgebaut wurden.

Auch ein Standort des Konzerns im schottischen Bellshill mit 70 Arbeitsplätzen wird geschlossen. Die dortige Produktion soll nach Aulnoye in Frankreich verlegt werden, unter der Bedingung, dass das Unternehmen dann profitabel wirtschaftet und entsprechende Absatzmärkte erschlossen werden. Zweitens will das Unternehmen eine „additive Fertigung“ einführen und Roboter installieren, um Stahlteile in Kleinserien oder, wie mit 3D-Druckern, nach Maß herzustellen.

Laut dem Bericht einer französischen Zeitung will Vallourec auch seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung rationalisieren, indem er sie an einem Standort in Aulnoye zusammenführt und dabei 100 Stellen streicht. Weitere Stellen, etwa 60, sollen am Hauptsitz des Konzerns in der Nähe von Paris gestrichen werden. Insgesamt werden in Frankreich im Rahmen eines Plans zur “Beschäftigungssicherung” 300 Stellen gestrichen.

Weltweit fallen durch die jetzt vom Vallourec-Vorstand beschlossenen Maßnahmen 2950 Stellen weg, überwiegend in Europa. Die Anzahl der Beschäftigten sinkt von 17.000 auf 14.000. In Frankreich werden bei Vallourec etwa 1300 Arbeitsplätze übrigbleiben.

Gleichzeitig baut Vallourec eine neue Produktionsstätte in Brasilien, die die Märkte im Nahen Osten beliefern soll, sowie ein Werk in Ohio, USA, das auf dem nordamerikanischen Markt Bohrstellen zur Förderung von Schieferöl und -gas (Fracking) beliefert.

Die Arbeiter in den Vallourec-Werken sorgen sich bereits seit Monaten um ihre Arbeitsplätze und Existenzgrundlage. Bereits im November letzten Jahres hatte das Management den Verkauf der Röhrenwerke in Mülheim und Düsseldorf angekündigt. Sie hätten seit 2015 700 Millionen Euro Verluste angehäuft. Einige Finanzinvestoren zeigten Interesse an den Werken, wollten aber nichts dafür bezahlen. Stattdessen forderten sie für die Übernahme dreistellige Millionensummen, etwa für Betriebsrenten und Betriebsvereinbarungen.

Der Vorstandschef von Vallourec, Philippe Guillemot, begründete die Schließung damit, dass man keinen Käufer für die Werke mit einem nachhaltigen Plan gefunden hätte. Um weitere Verluste zu vermeiden, müssten sie deshalb geschlossen werden, Er behauptete, dass Standorte in Westeuropa angesichts der Konkurrenz aus osteuropäischen Ländern mit wesentlich niedrigeren Lohn- und Produktionskosten bei der Produktion von Rohren für den Nahen Osten oder andere Regionen nicht länger profitabel seien.

Die Rolle der IG Metall

Nur zwei Tage vor Bekanntgabe der Schließung organisierte die IG Metall eine Fahrt von etwa tausend Beschäftigten nach Paris, um vor der Vallourec-Konzernzentrale dagegen zu protestieren.

Statt gemeinsame Kampfmaßnahmen mit den französischen Arbeitern durchzuführen, die ebenfalls ihre Arbeitsplätze verlieren, hielten IG Metall-Funktionäre pathetische Trauerreden und jammerten über die Profitgier der Kapitaleigner und den Herr-im-Hause-Standpunkt der Entscheidungsträger – mit denen sie eng zusammenarbeiten. Das feige Geschwätz der Gewerkschaftsbürokraten soll Hoffnungslosigkeit und Demoralisierung verbreiten.

Angesichts der Globalisierung der Produktion und der systematischen Spaltung und Erpressung der Arbeiter erweist sich die sozialpartnerschaftliche Politik der Gewerkschaften als vollständig bankrott. Um die Verlagerung der Produktion zu verhindern, versuchen die Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre die extreme Ausbeutung in den Billiglohnländern zu unterbieten, indem sie eigene Rationalisierungsmaßnahmen und Sozialkürzungen vorschlagen. Sie setzen so eine Abwärtsspirale in Gang, an der die Konzerne und ihre Aktionäre kräftig verdienen.

Auch bei Vallourec haben IG Metall und Betriebsrat die Abbaupläne bereits im Vorfeld aktiv unterstützt. Sie ließen durch eine Beratungsgesellschaft ein eigenes Fortführungskonzept für die Werke erstellen, das sie als Alternative zu dem von der Unternehmensleitung geplanten Verkauf präsentierten. Danach sollte sich die Produktion der deutschen Werke auf die Zukunftsmärkte rund um Wasserstoff, Geothermie, Offshore-Wind-Anlagen und Solartechnik ausrichten.

Dieses Konzept, das auch von der deutschen Geschäftsführung unterstützt wurde, wie sich Arbeitsdirektor Herbert Schaaff gegenüber der WAZ äußerte, sah den Abbau von 700 bis 800 Arbeitsplätzen vor, bei gleichzeitiger Steigerung des Umsatzes um zehn Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre!

Das Gejammer der Betriebsräte, dass nun „auch dieser Plan Makulatur“ sei, ist reine Augenwischerei. In Wahrheit diente er als Hinhaltetaktik, um einen Kampf für den bedingungslosen Erhalt der Arbeitsplätze zu verhindern. Man kennt das aus zahlreichen ähnlichen Fällen aus der Vergangenheit. Die Opel-Werke in Bochum, die auf dem Höhepunkt 20.000 Arbeiter beschäftigten, wurden so Schritt für Schritt stillgelegt.

Auf einer Betriebsversammlung beider Werke, die am Freitag im Düsseldorfer ISS Dome stattfand, kochte die Wut über. Die Vallourec-Geschäftsleitung, die aus Paris angereist war, um den Schließungsbeschluss zu rechtfertigen, wurde mit einem minutenlangen, gellenden Pfeifkonzert empfangen. Die Rede des Konzernchefs wurde ständig durch Buhrufe und Zwischenrufe unterbrochen. Schließlich wurde die Veranstaltung abgebrochen, und die Geschäftsleitung verließ die Halle unter Polizeischutz durch den Hinterausgang.

„Aktuell ist völlig unklar, wie die Produktion bei dieser emotionsgeladenen Lage noch bis Ende des kommenden Jahres in den beiden Standorten weiterlaufen soll,“ kommentierte der WDR. „Es scheint möglich, dass es zu einem Streik kommt.“

Ein Arbeitskampf – ein Streik oder die Besetzung des Betriebs – ist in der Tat der einzige Weg, die Arbeitsplätze zu verteidigen. Aber das erfordert einen vollständigen Bruch mit der IG Metall und ihren Betriebsräten. Selbst wenn sich diese gezwungen sehen, einige weitere symbolische Proteste zu organisieren, werden sie alles tun, um jeden ernsthaften Kampf abzuwürgen.

Das Ruhrgebiet – von Dortmund (Hoesch) über Bochum (Opel) bis Duisburg-Rheinhausen (Krupp) – steht voller Industrieruinen, in denen einst Zehntausende arbeiteten. Viele hatten erbittert für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze gekämpft, doch IG Metall und Betriebsräte schafften es jedes Mal, den Widerstand ins Leere laufen zu lassen.

Dafür wurden sie fürstlich belohnt. Am bekanntesten ist der Fall von Oliver Burkhard, der von 2007 bis 2013 den IGM-Bezirk Nordrhein-Westfalen leitete und dann zu einem Millionengehalt als Arbeitsdirektor in den Vorstand von thyssenkrupp wechselte. Seit dem 1. Mai dieses Jahres hat Burkhard einen weiteren Job: Er bleibt Mitglied des thyssenkrupp-Vorstands und leitet zusätzlich als CEO den Rüstungskonzern thyssenkrupp Marine Systems, Europas führenden Systemanbieter für U-Boote und Marineschiffe.

Während die Arbeiter vor Wut tobten, war von den Gewerkschaftsfunktionären und Politikern nur das übliche demoralisierte Gejammer zu hören. So sagte der Geschäftsführer der IG Metall Düsseldorf-Neuss, Karsten Kaus, gegenüber dpa, man habe alles versucht, etwa den Verkaufsprozess zu begleiten. Auch sei ein Fortführungskonzept mit dem Betriebsrat und einer Beratungsgesellschaft entwickelt worden. „Das ist alles am Ende nicht zum Tragen gekommen.“

Der IG Metall-Sekretär von Mülheim, Dirk Horstkamp äußerte gegenüber der WAZ: „Es herrscht hier große Betroffenheit. Es ist schon hart, wie Vallourec mit den Leuten hier umgeht.“ Die Belegschaft habe alles in die Waagschale geworfen.

Arbeiter müssen dieses feige Geschwätz mit Verachtung zurückweisen. Es ist notwendig aus der Zwangsjacke der Gewerkschaften auszubrechen und sich unabhängig von IG Metall und Betriebsrat in Aktionskomitees zu organisieren. Erste Aufgabe dieser Aktionskomitees ist es, Kontakt zu den Kollegen in Frankreich, Schottland und anderen Ländern aufzunehmen, um einen gemeinsamen Arbeitskampf zur bedingungslosen Verteidigung aller Arbeitsplätze zu organisieren.

Die Schließungs- und Einsparpläne von Vallourec und den entsprechenden Gewerkschaften dürfen nicht akzeptiert werden. Die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiter müssen höher stehen als die Profitinteressen des Konzerns.

Um diesen Kampf zu führen, ist der Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei nötig und die Organisierung dieses Kampfs auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms. Nehmt Kontakt zur SGP auf! Sie unterstützt den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees und hilft bei der internationalen Kontaktaufnahme mit Arbeitern in anderen Ländern und anderen ebenfalls von Schließung betroffenen Betrieben. Schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340.

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