Scholz und die Offensive des deutschen Imperialismus in Afrika

Die Ampelkoalition arbeitet systematisch daran, das wirtschaftliche, politische und militärische Gewicht Deutschlands in Afrika zu erhöhen. Aktuell befindet sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation auf dem Kontinent und besucht den Senegal, Niger und Südafrika.

NH90-Mehrzweckhubschrauber der Bundeswehr transportiert deutsche Soldaten in Mali (Foto: Defensie, CC0, via Wikimedia Commons)

Im Zentrum von Scholz’ Reise stand am Montag ein Besuch deutscher Bundeswehrsoldaten im Niger. Es handelte sich um den ersten Truppenbesuch des Kanzlers im Ausland. „Die Bundeswehr leistet hier Außerordentliches und hat hier auch Außerordentliches unter sehr schwierigen Bedingungen zustande gebracht“, erklärte Scholz auf dem Militärstützpunkt in Tillia.

Offiziell sind in dem rohstoffreichen und geostrategisch wichtigen Land 200 deutsche Soldaten im Einsatz. „Aufgrund eines Kontingentwechsels“ seien es derzeit sogar „rund 260 deutsche Soldaten“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Im Rahmen der seit 2018 laufenden Operation „Gazelle“, die Bestandteil der EU-Mission EUTM ist, bildet die Bundeswehr nigrische Spezialkräfte aus.

Erst am vergangenen Freitag beschloss der Bundestag die Verlängerung der deutschen Kriegseinsätze im Sahel. Der Niger spielt dabei eine zunehmend zentrale Rolle. So wird die EUTM-Mission fast vollständig von Mali in den Niger verlegt. „Der Schwerpunkt der deutschen Beteiligung am Fähigkeitsaufbau der EU im Sahel ist Niger“, heißt es im verabschiedeten Antrag der Bundesregierung.

Dem neuen Mandat zufolge sollen bis 300 Bundeswehrsoldaten dabei helfen, die „operativen Fähigkeiten der Sicherheitskräfte von Burkina Faso, Mali, Mauretanien und Niger und der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten“ zu verbessern. Dabei gehe es um „militärische Beratung und Ausbildung, einschließlich einsatzvorbereitender Ausbildung“ und „Begleitung“. Mit anderen Worten: die deutsche Kriegspolitik wird über den Niger auf den gesamten Sahel ausgeweitet.

Scholz stellte in Tillia klar, dass die deutschen Truppen vor Ort seien, um zu bleiben. Der Einsatz solle auch über das gerade verlängerte Mandat hinaus fortgesetzt werden. Es gehe jetzt darum, „ein gutes Anschlussprojekt“ zu identifizieren. Wenn er jetzt „die Motivation unserer Soldatinnen und Soldaten sehe“, habe er das Gefühl, dass sie sich alle darauf freuten. Der bisherige Einsatz sei „sehr erfolgreich und mit großem Herzblut“ vorangetrieben worden.

Als Grund für die Schwerpunktverlagerung in den Niger führt die Bundesregierung die Verbrechen der malischen Armee in Zusammenarbeit mit russischen Einheiten an. Damit will sie auch den verbrecherischen Charakter der eigenen Intervention verschleiern. In Wirklichkeit werden die Massaker an der Zivilbevölkerung von den gleichen Truppen verübt, die die Bundeswehr jahrelang ausgebildet hat. Die imperialistischen Besatzungstruppen sind an den Verbrechen direkt oder indirekt beteiligt und überziehen die gesamte Region mit Terror und Krieg.

Auch mit der öffentlich kritisierten malischen Putschregierung plant Berlin weiter zusammenzuarbeiten. Es sei zwar „verheerend, dass sich russische Söldner inzwischen in Mali aufhalten“, erklärte Scholz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall am ersten Tag seiner Reise in Dakar. Deutschland werde seiner „Verantwortung weiter gerecht werden“ und habe „deshalb auch entschieden, dass wir die UN-Mission MINUSMA weiter unterstützen werden“.

Tatsächlich stockt die Bundeswehr ihre MINUSMA-Truppen in Mali von 1100 auf 1400 Soldaten auf und bereitet sich damit auf eine Eskalation der Kampfhandlungen vor. Laut dem verabschiedeten Mandatstext dürfen „für Phasen der Verlegung sowie im Rahmen von Kontingentwechseln und in Notsituationen“ sogar noch mehr Truppen mobilisiert werden. Dabei sei MINUSMA „ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen, um den Auftrag … zu erfüllen“.

Bei der Offensive in Afrika geht es nicht, wie es die offizielle Propaganda glauben machen will, um „den Kampf gegen Terrorismus“ oder gar „Menschenrechte“ und „Demokratie“. Es geht um nackte imperialistische Interessen. Bereits während der Bundestagsdebatte zur Verlängerung des Mandats betonten zahlreiche Sprecher, Deutschland müsse seine Interessen in der Region auch militärisch durchsetzen.

Die Präsenz Deutschlands im Sahel sei „ein Zeichen für neue Verantwortung, eine Antwort auf geostrategische Herausforderungen“, betonte etwa die grüne Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg. „Wenn die französischen Truppen sich im Spätsommer aus Mali zurückziehen, dann sind wir dort der größte Truppensteller aus dem Globalen Norden.“ Mit „300 neuen Soldat/-innen“ schließe man „die Lücke, die die Franzosen hinterlassen“. Man habe dafür „die benötigten Transporthubschrauber und die benötigten Drohnen“.

Führende Regierungsmitglieder, wie Außenministerin Annalena Baerbock, betonten explizit, dass es dabei um die Eindämmung anderer Mächte gehe – allen voran Russlands. „Wenn sich MINUSMA aus Mali zurückziehen würde, dann würde das Vakuum noch mehr von anderen Kräften gefüllt“, mahnte Baerbock im Bundestag. Das gelte „für islamistische Kämpfer“, aber „eben auch für russische Kräfte“.

Warum Deutschland das Vakuum füllen will, ist klar. Mali und Niger sind nicht nur geostrategisch wichtig, sondern auch reich an Rohstoffen. Niger ist der größte afrikanische Uranproduzent und der fünftgrößte weltweit. Seit 2011 gehört das Land auch zu den erdölexportierenden Staaten. Weitere Rohstoffe, die vor Ort abgebaut und verarbeitet werden, sind Phosphat, Gips und Kalkstein. Mali ist nach Südafrika und Ghana der drittgrößte Goldförderer Afrikas und verfügt u.a. über große Mengen an Bauxit, Phosphat und Eisenerz.

Scholz’ Besuch im Senegal wirft ein Schlaglicht auf den Hunger Deutschlands nach afrikanischen Bodenschätzen und Rohstoffen, der sich durch den Konflikt mit Russland noch verstärkt hat. Im Senegal sind es vor allem die Gasvorkommen des Landes, die sich Deutschland möglichst schnell sichern will.

„Ich will da sehr klar sein“, betonte Scholz in Dakar. „Wir wollen natürlich insbesondere mit Senegal nicht nur über die Frage der künftigen Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen zusammenarbeiten, … sondern wir wollen das eben auch im Hinblick auf die LNG-Fragestellung und die Gasförderung hier im Senegal tun.“ Man habe begonnen, sich „darüber auszutauschen“, und werde „das im Anschluss an diese Gespräche sehr intensiv auf Fachebene fortsetzen“.

Auch in Südafrika, wo Scholz am Dienstag in Johannesburg von Präsident Cyrill Ramaphosa mit militärischen Ehren begrüßt wird, geht es um Energie-Interessen. U.a. steht ein Besuch der Firma Sasol auf dem Programm. Das transnationale Unternehmen der Erdöl- und chemischen Industrie ist mit mehr als 30.000 Mitarbeitern Südafrikas zweitgrößtes Industrieunternehmen und besitzt Werke in 17 verschiedenen Ländern. Sasol ist bekannt für den Bau von Gas-to-Liquid-Anlagen – v.a. in Katar. Mit dem Emirat und weltgrößten Flüssiggas-Exporteur hat Scholz vor wenigen Tagen eine umfassende Energiepartnerschaft vereinbart.

Ein weiteres Motiv hinter der deutschen Offensive in Afrika ist ohne Zweifel die Furcht vor revolutionären Unruhen. Man stehe „vor dramatischen globalen Herausforderungen“, warnte Scholz in Dakar. Die COVID-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise hätten „verheerende Folgen für die afrikanischen Staaten“ und „auf unsere Lebenswirklichkeit“. Sie gefährdeten „die sozialen und wirtschaftlichen Errungenschaften, die sich der globale Süden erarbeitet hat“, und damit „diese Krisen nicht neue Brandherde anfachen“, müsse man „entschlossen handeln“.

Scholz’ forsches Auftreten in Afrika steht genauso wie der Kriegskurs gegen Russland in der Tradition der massenmörderischen deutschen Kolonial- und Weltmachtpolitik. Die Kriegstreiber in den Medien sprechen das offen aus und fordern ein noch aggressiveres Auftrumpfen Deutschlands im neuen Wettlauf um Afrika – auch auf Kosten der nominell verbündeten imperialistischen Mächte.

„Deutschland hat aufzuholen“, lautet der Titel eines Kommentars von Nikolas Busse in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Obwohl Deutschland selbst einmal Kolonialmacht war“, habe „man anderen westlichen Ländern gerne den Vortritt [gelassen], vor allem Frankreich“, echauffiert er sich. Dies könne man sich nun nicht mehr leisten, „wenn man eine europäische Führungsmacht sein will“.

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