Sri Lanka: Wickremesinghe droht nach seiner offiziellen Ernennung zum Präsidenten mit staatlicher Unterdrückung

Am Freitag wurde der sri-lankische Premierminister Ranil Wickremesinghe vom obersten Richter offiziell als amtierender Präsident vereidigt. Vorausgegangen war der formelle Rücktritt von Gotabaya Rajapaksa, der am Mittwoch angesichts der größten Demonstrationen und Massenstreiks in der Geschichte des Landes ins Ausland geflohen war.

Ranil Wickremesinghe (Facebook-Präsenz der United National Party) [Photo: United National Party Facebook]

Wickremesinghe, der einzige Abgeordnete der rechten United National Party, wurde von Präsident Gotabhaya Rajapaksa am 12. Mai zum Premierminister ernannt, nachdem sein älterer Bruder Mahinda Rajapaksa am 3. Mai das Amt des Premierministers niederlegen musste. Rajapaksa ernannte Wickremesinghe am 13. Juli zum amtierenden Präsidenten, bevor er am Mittwochmorgen aus Sri Lanka floh.

Wickremesinghe, der seit 1993 sechsmal Premierminister Sri Lankas war, ist ein langjähriger proamerikanischer Verteidiger der bürgerlichen Herrschaft und entschiedener Befürworter der vom IWF geforderten Sparmaßnahmen.

Kurz nach seiner Vereidigung gab Wickremesinghe eine Medienmitteilung heraus, in der er den noch immer andauernden Protesten rund um die Grünfläche Galle Face Green in Colombo drohte.

Er behauptete, er sei kein Gegner des „friedlichen Kampfs“, erklärte aber: „Ich werde sofort Maßnahmen ergreifen, um Recht und Ordnung im Land herzustellen.“ Weiter bezeichnete er es als notwendig, „den Unterschied zwischen den Aufständischen und den Demonstranten zu bestimmen“.

Dann verwies Wickremesinghe auf die jüngsten Zusammenstöße zwischen Polizei, Militärpersonal und demonstrierenden Regierungsgegnern, bei denen 24 Soldaten verwundet und zwei weiteren Soldaten angeblich die Waffen gestohlen wurden, und erklärte: „Diese Aufständischen versuchen, nächste Woche Unruhen zu organisieren. Das dürfen wir nicht zulassen.“

Mit Blick auf seinen früheren Vorstoß, dem Militär und der Polizei die Befugnis zu erteilen, gegen Demonstranten vorzugehen, wenn diese die bürgerliche Herrschaft in Frage stellen, erklärte Wickremesinghe: „Ich habe ein Komitee aus den Befehlshabern der Streitkräfte und dem Generalinspekteur der Polizei ernannt. Sie sind für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung zuständig.“

Dann verknüpfte Wickremesinghe zynisch die Situation von „Recht und Ordnung“ mit der katastrophalen Wirtschaftskrise und der verzweifelten Lage von Millionen von Sri Lankern: „Ein Zusammenbruch von Recht und Ordnung wird sich auf die Wirtschaft auswirken. Die Treibstoff-, Strom-, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung könnte zusammenbrechen.“

Mit anderen Worten: Die anhaltenden Proteste von Arbeitern, Jugendlichen und ländlichen Massen wegen der stark steigenden Preise für Nahrungsmittel, Treibstoff, Kochgas und andere knappe Grundgüter verschlimmern die Krise. Deshalb ist staatliche Unterdrückung notwendig, um die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen und um „die Ordnung wiederherzustellen“.

Später am gleichen Tag besuchte Wickremesinghe in Begleitung von Journalisten, Fotografen und Fernsehteams die 24 verwundeten Soldaten im Krankenhaus. Er erwähnte weder, dass letzte Woche 84 Demonstranten von Polizisten und Soldaten angegriffen wurden und jetzt im Krankenhaus liegen, noch den jungen Demonstranten, der bei diesen Zusammenstößen getötet wurde.

Die Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Organisationen und das religiöse Establishment sowie die Botschaften der USA und anderer Länder erklärten, die Verfassung und ihr Rahmen müssten gewahrt bleiben – das sind Codewörter für die kapitalistische Herrschaft.

Zur sri-lankischen Verfassung gehört auch die Exekutivpräsidentschaft, die Wickremesinghe zahlreiche repressive Maßnahmen erlaubt. Dazu gehören auch der Essential Services Act, der Prevention of Terrorism Act, die Public Security Ordinance und andere antidemokratische Gesetze. Bereits der ehemalige Präsident Rajapaksa hatte diese Maßnahmen angewandt.

US-Botschafterin Julie Chung twitterte am Donnerstag: „Eine friedliche Machtübergabe innerhalb des demokratischen und konstitutionellen Rahmens SLs ist von entscheidender Bedeutung.“

Diese „Bedenken“ von Chung und verschiedener „stiller Amerikaner“ sind Ausdruck ihrer Nervosität über die extreme politische Instabilität in Sri Lanka. Gleichzeitig manövrieren sie hinter den Kulissen mit der politischen Opposition, dem Militär und der Polizei und beraten dabei, wie sie am besten mit der anhaltenden Bewegung gegen die Regierung umgehen sollen.

Trotz der Drohung, dass Militär und Polizei umfassend zur Unterdrückung eingesetzt werden, haben Arbeiter, Jugendliche und die Landbevölkerung in Massen ihre Proteste fortgesetzt. Tief fliegende Hubschrauber bedrohten die Demonstranten am Mittwoch, und die Medien zeigten am Donnerstag, wie riesige Kontingente von Polizisten und Soldaten in die Nähe der Proteste am Galle Face Green gebracht wurden.

US-Botschafterin Julie Chung mit sri-lankischen Absolventen des von den USA finanzierten International Military Education & Training Program am 6. Juli. Der Text des Tweets lautet: „Wir haben über die mannigfaltigen Herausforderungen der heutigen Welt sowie darüber diskutiert, wie unsere robuste Verteidigungspartnerschaft die Bemühungen unterstützt, sicherzustellen, dass das Militär dem Volk gegenüber rechenschaftspflichtig bleibt und die demokratischen Ideale des Landes aufrechterhält.“ (Bild: US-Botschafterin Julie Chung)

Die englischsprachige Zeitung Island veröffentlichte am Freitag einen Artikel mit der Überschrift „Grünes Licht für den Einsatz tödlicher Gewalt“. Darin wurde berichtet, dass die Streitkräfte angewiesen wurden, „notfalls durch den Einsatz tödlicher Gewalt öffentliches Eigentum, wichtige Einrichtungen, gefährdete Stellen und Menschenleben zu schützen“.

Dass sich die politischen Unruhen immer weiter verschärfen, geht auf die Zuspitzung der sozioökonomischen Krise zurück. Diese wiederum wird verschärft durch die Corona-Pandemie und den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine.

Hunderttausende verzweifelte Menschen warten nach wie vor tagelang in langen Schlangen auf Treibstoff. Die Zahl der Toten in diesen Warteschlangen ist am Donnerstag auf insgesamt 19 gestiegen.

Die Gesundheitseinrichtungen und die öffentlichen Krankenhäuser brechen zusammen, weil es an Medikamenten, Ausrüstung und Personal mangelt. Medizinisches Personal und Ärzte müssen ebenfalls in Schlangen auf die Ausgabe von Treibstoff warten. Die Schulen sind weiterhin geschlossen, und der öffentliche Nahverkehr kann aufgrund von Treibstoffmangel den Betrieb nicht fortsetzen. Fast 75 Prozent der Bevölkerung lassen Mahlzeiten ausfallen und hungern wegen der explodierenden Nahrungsmittelpreise. Letzten Monat erreichte die offizielle, aufs Jahr umgerechnete Inflationsrate für Lebensmittel 80 Prozent.

Parlamentssprecher Mahinda Yapa Abeywardena erklärte am Freitag, das Parlament werde am 20. Juli einen neuen Präsidenten wählen, der jedoch nur bis Ende 2024 im Amt bleiben werde.

Hinter den Kulissen finden zahlreiche Verhandlungen und Machenschaften zwischen dem politischen Establishment und den Präsidentschafts- und Premierministerkandidaten statt.

Sagara Kariyawasam, der Generalsekretär von Rajapaksas zersplitterter Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP), die noch immer über die meisten Sitze im Parlament verfügt, kündigte ihre Unterstützung für Wickremesinghes Präsidentschaftskandidatur an. Allerdings erklärte SLPP-Parteichef G.L. Peiris, die Partei müsse ihren eigenen Kandidaten unterstützen. Der SLPP-Abgeordnete Dullas Alahapperuma kündigte ebenfalls seine Kandidatur für das Präsidentenamt an.

Andere Kandidaten für die Präsidentschaft sind Sajith Premadasa, der Führer der oppositionellen Samagi Jana Balawegaya, einer Abspaltung von Wickremesinghes UNP. Es wurde auch der Vorschlag gemacht, die Präsidentschaft und das Amt des Premierministers zwischen Premadasa und Alahapperuma zu teilen. Andere Parteien im Parlament wie die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) oder die Tamil National Alliance haben sich noch nicht zur Präsidentschaftswahl geäußert.

Die Einsetzung einer Allparteien-Übergangsregierung nach der Wahl des Premierministers und des Präsidenten ist für die herrschende Elite Sri Lankas von entscheidender Bedeutung, um damit zu beginnen, die IWF-Spardiktate durchzusetzen, über die noch verhandelt wird. Die damit verbundenen Maßnahmen werden den arbeitenden Massen nur neue Lasten aufbürden, u.a. durch Subventionskürzungen, Privatisierungen und die Erhöhung und Ausweitung von Steuern.

Der Gouverneur der Zentralbank, Nandalal Weerasinghe, gab der Nervosität der herrschenden Klasse Ausdruck, als er den internationalen Medien erklärte, das Land werde zum Stillstand kommen, wenn nicht bald eine stabile Regierung in Sri Lanka gebildet wird.

Die Gewerkschaften spielen weiterhin eine völlig reaktionäre Rolle. Ihre Reaktion auf die größten landesweiten Proteste gegen die Regierung in der Geschichte Sri Lankas am 9. Juli und die anschließende Massenstürmung der Amtssitze des Präsidenten und des Premierministers bestand darin, alle unabhängigen Aktionen der Arbeiterklasse zu blockieren.

Das Trade Unions Coordination Centre und die Trade Unions and Mass Organisation Collective erklärten, sie würden am 14. Juli einen Generalstreik sowie einen Hartal (Schließung der Geschäfte) organisieren, wenn Wickremesinghe nicht bis zum 13. Juli zurücktritt. Als dies nicht passierte, erklärten sie, sie würden eine Aktion für den 18. Juli organisieren.

Selbst wenn es dazu kommt, wird dieser – ebenso wie die anderen eintägigen Generalstreiks am 28. April, am 6. und 10. Mai, die sie organisieren mussten – nur dazu dienen, Dampf abzulassen und Arbeiter zur Unterstützung einer vorläufigen Allparteien-Übergangsregierung zu bewegen.

Die Socialist Equality Party ruft im Gegensatz zu diesem prokapitalistischen Kurs die Arbeiterklasse dazu auf, unabhängig in die politische Situation einzugreifen. Dazu muss die Jugend und die arme Landbevölkerung mobilisiert werden, um auf der Grundlage sozialistischer Politik für ihre eigene revolutionäre Lösung ihrer dringenden Bedürfnisse zu kämpfen.

Zu diesem Zweck müssen dringend Aktionskomitees von Arbeitern und der armen Landbevölkerung in allen Betrieben, Fabriken, Plantagen, Wohnvierteln und ländlichen Gebieten gegründet werden, die unabhängig von allen bürgerlichen Parteien und ihren Gewerkschaften agieren. Um den Kampf vorwärts zu bringen, müssen diese Aktionskomitees eng mit der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees vernetzt werden.

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