Sri Lanka: Neuer Präsident Wickremesinghe ordnet brutales Vorgehen von Polizei und Militär gegen Demonstranten an

Am Freitag attackierten Hunderte von Soldaten und Polizisten in den frühen Morgenstunden das zentrale Protestlager der Demonstranten in der Grünanlage Galle Face Green in Colombo. Mit schweren Waffen und Sturmhauben ausgerüstet griffen sie wahllos Demonstranten an. Dutzende mussten ins Krankenhaus.

Der neue Präsident Ranil Wickremesinghe nach seiner Vereidigungszeremonie in Colombo am 21. Juli 2022 (Sri-lankisches Präsidialbüro via AP) [AP Photo/Sri Lankan President's Office]

Die Polizeiaktion um 2 Uhr morgens war die erste Amtshandlung von Ranil Wickremesinghe, seit er am Mittwoch vom sri-lankischen Parlament zum Präsidenten ernannt worden war. Sie muss als nachdrückliche Warnung vor den Plänen des rechten, von den imperialistischen Mächten unterstützten Parteivorsitzenden der United National Party verstanden werden.

Nachdem sein Amtsvorgänger Rajapaksa letzte Woche wie ein Verbrecher aus dem Land geflohen ist, hat Wickremesinghe sich vorgenommen, mit Gewalt gegen die riesige Protestbewegung vorzugehen, die das Land in den letzten drei Monaten erschüttert hat.

Der Angriff am Freitagmorgen wurde direkt von Wickremesinghe angeordnet. Am Mittwochabend hatte er kurz nach seiner Amtseinführung erklärt: „Wir werden mit aller Entschiedenheit und im Einklang mit dem Gesetz gegen sie vorgehen. Wir werden nicht zulassen, dass eine Minderheit von Demonstranten das Streben der schweigenden Mehrheit nach einem Wechsel im politischen System unterdrückt.“

Niemand wird die erbärmliche Lüge glauben, die Demonstranten seien eine „Minderheit“, die eine „schweigende Mehrheit“ unterdrückt. Die Demonstrationen und Streiks waren die größten in der Geschichte Sri Lankas. Tatsächlich hat Wickremesinghe einen Vorgeschmack gegeben auf den Einsatz massiver Militäreinheiten zur Zerschlagung dieser gewaltigen Bewegung.

Die Polizeiaktion am Freitagmorgen wurde durchgeführt, obwohl die Demonstranten angekündigt hatten, das besetzte Präsidialsekretariat vor dem Galle Face Green zu räumen. Damit hatten sie auf Wickremesinghes Warnungen reagiert, jede Besetzung von Regierungsgebäuden sei illegal und die Beteiligten würden dem Gesetz entsprechend behandelt werden. Der Angriff fand mitten in der Nacht statt, um die Demonstranten zu erwischen, während die meisten noch schliefen, und um sicherzustellen, dass er keine größere Mobilisierung auslösen würde.

Während der staatlichen Gewaltexzesse wurde auch ein BBC-Journalist angegriffen. Zahllose Opfer mussten ins Krankenhaus, einige mit schweren Verletzungen.

Der Angriff ist Teil fieberhafter Versuche der Eliten, die kapitalistische Herrschaft wieder zu stabilisieren. Hintergrund ist die Feindseligkeit der Massen gegenüber dem gesamten politischen Establishment. Die Demonstranten, die bereits Rajapaksas Sturz gefordert haben, wollen auch Wickremesinghes Rücktritt. Er hat keinen Rückhalt in der Bevölkerung und wurde nicht von der Bevölkerung, sondern vom Parlament zum Präsidenten gewählt.

„Weg mit allen 225 Abgeordneten“ ist eine seit langem erhobene Forderung der Arbeiterklasse und der Protestbewegung.

Eine Polizeikette gegen Studenten der Sri Jayawardanapura University während Protesten am 3. April 2022

Während er den Angriff auf die Demonstranten befahl, bekräftigte Wickremesinghe seinen Appell an alle Parteien im Parlament, ihn zu unterstützen. Mit Hinweis auf die betrügerische Wahl am Mittwoch erklärte er: „Wir waren die letzten 48 Stunden über gespalten. Diese Zeit ist vorbei. Jetzt müssen wir zusammenarbeiten.“

Dallas Alahapperuma, Abgeordneter und Präsidentschaftskandidat der Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP), und der Parteichef der Samagi Jana Balawegaya, Sajith Premadasa, die Wickremesinghe bei der Wahl unterstützt hatten, haben bereits ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten erklärt.

Premadasa traf sich am Donnerstag mit Wickremesinghe bei einer Sitzung der Parteiführer im Parlament und erklärte, er habe einen „herzlichen und offenen Austausch von Ideen geführt und die Entschlossenheit der Opposition bekräftigt, konstruktive Unterstützung zu leisten, um Not und Katastrophen abzuwenden“. Alle Parteien im Parlament haben zuvor schon ihre Bereitschaft zur Umsetzung der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Austeritätsmaßnahmen erklärt.

Die Reaktion des Großkapitals auf Rajapaksas Amtsantritt zeigte sich in einem Fünf-Wochen-Hoch an der Börse von Colombo am Mittwoch nach seiner Wahl. Offenbar vertraut man dort darauf, dass seine rücksichtslose Umsetzung von Austeritätsmaßnahmen die Profite erhöhen wird.

Die Botschafter der USA und Indiens in Colombo begrüßten Wickremesinghes Wahl. Zwei Tage zuvor hatte Parlamentssprecher Abeywardena an einem hochrangigen Treffen mit den Botschaftern der USA, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands teilgenommen.

US-Botschafterin Julie Chung twitterte später, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit Wickremesinghe, und schloss sich seinem Appell zur Zusammenarbeit aller Parteien an: „In diesen schwierigen Zeiten wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass alle Parteien ihre Anstrengungen zur Zusammenarbeit verdoppeln, um gemeinsam die Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen, die Demokratie und die Rechenschaftspflicht zu erhalten und eine stabile und sichere Zukunft für alle Menschen in Sri Lanka aufzubauen.“

Angesichts von Wickremesinghes Vergangenheit als zuverlässiger Handlanger des US-Imperialismus wird Washington darauf hinarbeiten, Colombo enger in seine strategisch-militärische Offensive gegen China einzubinden.

Das Hochkommissariat von Indien in Colombo ist sich des tief sitzenden Hasses der sri-lankischen Massen gegen die Herrschenden in Colombo und der ausufernden Wirtschaftskrise bewusst und gab daher eine sorgfältig formulierte Erklärung ab, in der es den neuen Präsidenten anerkannte.

Darin heißt es: „Als enger Freund und Nachbar Sri Lankas sowie als demokratischer Staat werden wir das Streben der Bevölkerung Sri Lankas nach Stabilität und wirtschaftlicher Erholung mit Hilfe demokratischer Mittel und Werte, etablierter demokratischer Institutionen und des verfassungsmäßigen Rahmens unterstützen.“

Ein anonymer hochrangiger indischer Regierungsvertreter erklärte gegenüber dem Indian Express: „Er steht vor sehr schweren Herausforderungen... die Wahl zu gewinnen ist das eine, aber die Arbeit [rechtzeitig] zu erledigen, das ist sein wahrer Test.“

Diese Äußerungen verdeutlichen die Bedenken der indischen herrschenden Elite hinsichtlich der Fähigkeit des neuen Regimes, den unvermeidlichen Ausbruch von Widerstand der bereits jetzt Hunger leidenden Massen gegen die geplanten Maßnahmen des IWF zu unterdrücken. Die eskalierende sozioökonomische und politische Krise in Sri Lanka ist der schärfste Ausdruck der globalen wirtschaftlichen Turbulenzen, die durch die anhaltende Corona-Pandemie und den Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland in der Ukraine noch verschärft werden.

Der Gouverneur der Zentralbank, Nandalal Weerasinghe, erklärte vor kurzem gegenüber den internationalen Medien, die sri-lankische Bevölkerung werde in den nächsten fünf Monaten mit schweren Problemen konfrontiert sein. Zuvor hatte er prognostiziert, die Inflationsrate könnte von derzeit 50 Prozent in kurzer Zeit auf 70 Prozent steigen, und betont, es sei eine „stabile“ Regierung notwendig, um eine Einigung mit dem IWF zu erzielen.

Wenige Stunden bevor Wickremesinghe offiziell zum Präsidenten ernannt wurde, erklärte die geschäftsführende Direktorin des IWF, Kristalina Georgijewa, sie hoffe, dass die so genannten „Rettungsverhandlungen“ so schnell wie möglich abgeschlossen würden. Sie warnte außerdem: „Es herrscht Einigkeit darüber, dass lange Verhandlungen einfach nicht möglich sind und dass bereits in den ersten Wochen nach der Amtsübernahme einer [neuen] Regierung entschiedene Maßnahmen erfolgen müssen.“

Mit anderen Worten, der IWF bekräftigt seine Botschaft an Wickremesinghe, der immer wieder bewiesen hat, das er alles tun wird, um jeden politischen Widerstand zu zerschlagen und der Arbeiterklasse und den unterdrückten Massen die Austeritätsdiktate des IWF aufzuzwingen – auch durch den rücksichtslosen Einsatz von Polizei und Militär.

Zu den geplanten Maßnahmen gehören die Privatisierung wichtiger staatlicher Leistungen, der Abbau von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, die Zerstörung des öffentlichen Gesundheits- und Bildungswesens und die Abschaffung der begrenzten Subventionen, die für Hunderttausende überlebenswichtig sind.

Dieser Angriff wird den sozialen Widerstand der Arbeiterklasse unweigerlich verstärken.

Als Exekutivpräsident hat Wickremesinghe weitreichende autokratische Befugnisse, um Polizei und Militär gegen alle Gegner des Austeritätskurses zu mobilisieren. Der Angriff am Freitag war eine Warnung vor dem, was er im Weiteren plant.

Wickremesinghes Ernennung zum Präsidenten und seine Versuche, dieses Programm umzusetzen, hängen vollständig von den Oppositionsparteien und ihren Anhängseln ab.

Während die SLPP, die SJB und andere Parteien im Parlament mit Wickremesinghe zusammenarbeiten, um eine vorläufige Allparteienregierung zu bilden, sind diverse pseudolinke Organisationen und die Gewerkschaften damit beschäftigt, Arbeiter, Jugendliche und die arme Landbevölkerung vor den Karren dieser reaktionären Manöver zu spannen.

Nur die Socialist Equality Party (SEP) hat gewarnt, dass sich die sri-lankische Arbeiterklasse politisch und organisatorisch auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms auf Massenkämpfe gegen dieses brutale IWF-freundliche Regime und das kapitalistische Profitsystem vorbereiten muss.

Am Donnerstag rief die SEP in einer wichtigen Erklärung dazu auf, Vorbereitungen für die Einberufung eines demokratischen und sozialistischen Kongresses der Arbeiter und ländlichen Massen zu treffen. Dieser Kongress soll von Aktionskomitees einberufen werden, die von den Arbeitern selbst gegründet werden, um die bevorstehenden Kämpfe zu organisieren und zu koordinieren.

In der Erklärung hieß es, der Kampf für einen demokratischen und sozialistischen Kongress, der ein breites Netzwerk derartiger Komitees zusammenbringt, liefere „eine politische Strategie für die Arbeiterklasse, um ihre Kräfte zu konsolidieren, die aktive Unterstützung der Landbevölkerung zu gewinnen und die Grundlage für ihre eigene Herrschaft durch eine Arbeiter- und Bauernregierung zu schaffen, die die Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage umgestaltet.“

Arbeiter, Jugendliche und die ländlichen Massen müssen das in dieser Erklärung ausgearbeitete revolutionäre Programm studieren, diskutieren und umsetzen.

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