Biden warnt vor „nuklearem Armageddon“, Selenskyj fordert „Präventivschläge“ gegen Russland

US-Präsident Joe Biden hat am Donnerstag erklärt, der Welt drohe ein „nukleares Armageddon.“ Das bedeutet, dass die rasche Eskalation des Kriegs in der Ukraine zu einem Atomkrieg zwischen den USA und Russland führen könnte.

Er erklärte weiter, Russlands Präsident Wladimir Putin würde „nicht scherzen, wenn er über den Einsatz taktischer Atomwaffen spricht.“

Der Atomwaffentest Frigate Bird von 1962, bei dem ein Sprengkopf mit 600 Kilotonnen von einer ballistischen Rakete abgefeuert wurde, aus der Sicht des Periskops eines US-amerikanischen U-Boots.

Biden erklärte: „Wir waren seit Kennedy und der Kubakrise nicht mehr mit der Gefahr eines Armageddon konfrontiert.“ Putin habe mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, „weil sein Militär – man könnte sagen – deutlich enttäuscht hat.“

Biden fügte hinzu, er glaube nicht, dass „es möglich ist, ohne weiteres eine taktische Atomwaffe einzusetzen, ohne damit ein Armageddon auszulösen.“

Im Februar hatte Biden noch abgestritten, dass der Krieg zu einem Atomkonflikt eskalieren könnte: „Nun, ich glaube, [Putin] denkt nicht mal im Entferntesten daran, Atomwaffen einzusetzen.“ Im März erklärte er, die USA würden keine „Angriffswaffen“ in den Krieg gegen Russland schicken, weil dies den „Dritten Weltkrieg“ auslösen würde.

Doch seit diesen Äußerungen hat Biden die Beteiligung der USA an dem Krieg massiv ausgeweitet und der Ukraine derart viele hochmoderne Waffen geschickt, dass die Waffenarsenale der USA zur Neige gehen. US-Generäle haben ukrainische Raketenangriffe geleitet, u.a. Angriffe auf russisches Staatsgebiet, die Ermordung von russischen Generälen und den Angriff auf die Moskwa, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte. Zudem operieren paramilitärische Kräfte der USA direkt vor Ort in der Ukraine.

Die USA haben der Ukraine Hunderte von gepanzerten Fahrzeugen sowie die modernsten Luft- und Schiffsabwehrsysteme und den bodengestützten Mittelstreckenraketenwerfer HIMARS geschickt.

Die Zeitung The Hill schrieb im September in einem Artikel mit dem Titel „Warum die USA bei ihrer Unterstützung der Ukraine immer dreister werden“: „Die Biden-Regierung liefert der Ukraine Waffen, die den russischen Streitkräften ernsthaft schaden können. Und anders als zu Beginn des Kriegs scheinen die Vertreter der USA nicht über die Reaktion Moskaus besorgt zu sein.“

Im Verlauf der letzten Woche hatten Präsident Wladimir Putin, der Vorsitzende des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, und der Regierungschef der Tschetschenischen Republik, Ramsan Kadyrow, gewarnt, Russland werde in dem Konflikt möglicherweise Atomwaffen einsetzen.

Die Times of London berichtete Anfang der Woche, ein Zug der Abteilung des russischen Militärs, die für den Einsatz von Atomwaffen zuständig ist, sei auf dem Weg an die Front.

Auf Fragen nach diesem Bericht erklärte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums: „Ich weiß von diesen Presseberichten. Ich habe aber keine Informationen darüber.“

Die Times of London berichtete außerdem, Nato-Mitglieder seien heimlich darüber informiert worden, dass Putin einen Atomtest in der Nähe der russischen Grenze oder über dem Schwarzen Meer plane.

Am Donnerstag, kurz vor Bidens Äußerungen, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen mit einem australischen Think-Tank die Nato zu Präventivschlägen gegen Russland aufgerufen, um „einen möglichen russischen Atomwaffeneinsatz“ zu verhindern.

Selenskyj erklärte: „Was sollte die Nato tun? Die Möglichkeit eines russischen Atomwaffeneinsatzes eliminieren. Wir brauchen Präventivschläge, damit sie wissen, was mit ihnen passieren wird, wenn sie Atomwaffen einsetzen, und nicht andersherum.“

Wie es mittlerweile üblich ist, wenn ein mit der Nato verbündeter Staatschef ausplaudert, was hinter den Kulissen diskutiert wird, behauptete auch Selenskyjs Büro, der ukrainische Präsident habe „präventive Sanktionen“ gemeint. Seine tatsächlichen Worte sollen offensichtlich ignoriert werden.

Angesichts dieser Ereignisse wird klar, in welchem Ausmaß die USA direkt an dem Krieg beteiligt sind.

Die Zeitung The Intercept veröffentlichte am Mittwoch einen Artikel des langjährigen, mit den Sicherheitsbehörden gut vernetzten Journalisten James Risen, laut dem Biden geheime CIA-Operationen in der Ukraine genehmigt hat. Das bedeutet höchstwahrscheinlich, dass amerikanische Spezialeinheiten tatsächlich im Land eingesetzt werden.

Risen berichete: „Die verdeckten Operationen der USA in der Ukraine sind mittlerweile viel umfangreicher als zu Beginn des Kriegs. Es gibt eine viel größere Präsenz sowohl von CIA als auch von US-Spezialkräften und Ressourcen in der Ukraine als zum Zeitpunkt der russischen Invasion im Februar.

Die Geheimoperationen der USA in der Ukraine finden laut aktuellen und ehemaligen Regierungsvertretern im Rahmen einer präsidialen verdeckten Aktion statt. Deren Inhalt deutet darauf hin, dass der Präsident bestimmte führende Kongressabgeordnete in aller Stille über die Entscheidung der Regierung in Kenntnis gesetzt hat, ein umfassendes Programm geheimer Operationen innerhalb der Ukraine durchzuführen.“

Gleichzeitig fordern Teile des politischen Establishments eine noch aggressivere US-Intervention in der Ukraine, darunter die Lieferung von Raketen, mit denen die Ukraine Ziele tief im Inneren Russlands angreifen kann.

Der Generalleutnant a. D. und ehemalige Befehlshaber der US Army Europe, Ben Hodges, erklärte gegenüber dem Wall Street Journal: „ATACMS würden es der Ukraine ermöglichen, die Krim für die russische Schwarzmeerflotte, Luftwaffe und Logistik unhaltbar zu machen. ... Das wäre ein wichtiger Schritt für die spätere Befreiung der Krim ... ATACMS würden den Zusammenbruch der russischen Streitkräfte beschleunigen.“ Bei den ATACMS handelt es sich um taktische Raketensysteme des Heeres (Army Tactical Missile Systems).

Der Kolumnist der Washington Post, George Will, rief die USA am Mittwoch dazu auf, der Ukraine bewaffnete Drohnen wie den Gray Eagle, den Nachfolger der Predator-Drohne, und Reaper-Drohnen zu liefern.

Will erklärte: „Es ist unmittelbar zwingend, der Ukraine die modernsten und gefährlichsten unbemannten Flugzeuge, d.h. Drohnen, zu liefern. Diese können die Durchschlagskraft des harten Vorgehens der Ukraine gegen Russland verstärken.“

Will erklärte die Ukraine de facto zum Nato-Mitglied und fordert, ihr „Waffen zu liefern, mit denen sie im Kampf Ergebnisse erzielen kann, die ihrem künftigen Status als Mitglied der Europäischen Union und, ob ,formell oder nicht‘, der Nato angemessen sind.“

Die rasche Eskalation des Kriegs bestätigt die Warnungen der World Socialist Web Site vor den immensen Gefahren durch das zunehmend verzweifelte und skrupellose Vorgehen Moskaus und Washingtons. Wie wir Anfang der Woche schrieben:

Dem skrupellosen Vorgehen der Regierungen, die die Welt in eine Katastrophe führen, muss eine weltweite massenhafte Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse und der Jugend entgegengesetzt werden.

Die Arbeiterklasse muss die sofortige Beendigung dieses reaktionären Kriegs fordern. Es ist notwendig, den Kampf, den Arbeiter zur Verteidigung ihrer sozialen und demokratischen Rechte führen, mit dem Kampf gegen Krieg zu vereinen.

Der Aufbau einer neuen Antikriegsbewegung muss sich auf die Perspektive des internationalen Sozialismus stützen, der alle Formen von Nationalismus und Ausländerhass ablehnt und für die Einheit der Arbeiter in allen Ländern kämpft.

Loading