London: 7.000 bilden eine Menschenkette für die Freiheit von Julian Assange

Am Samstag protestierten etwa 7.000 Personen mit einer Menschenkette um das britische Parlamentsgebäude gegen die Verfolgung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange durch die britische Regierung.

Ein Teil der Menschenkette für Assange vor dem Parlament am 8. Oktober 2022 (WSWS)

Die Menschenkette erstreckte sich vom Parliament Square zum Palace of Westminster, über die Lambeth Bridge, entlang der South Bank zur Westminster Bridge und über die Themse wieder zurück zum Parliament Square, d.h. über etwas mehr als drei Kilometer. Organisiert wurde sie von der Kampagne Don't Extradite Assange.

7.000 bilden in London eine Menschenkette, um gegen die Behandlung von Julian Assange zu protestieren

Assange befindet sich momentan im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Die US-Regierung verlangt seine Auslieferung unter dem Espionage Act, weil er die Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen des US-Imperialismus und seiner Verbündeten aufgedeckt hat. Sie hat bereits versucht, ihn zu ermorden, und Anklagen gegen ihn vorbereitet, durch die ihm eine lebenslange Strafe in Einzelhaft droht. Der WikiLeaks-Gründer versucht, die Anordnungen der britischen Justiz und des Innenministers für seine Auslieferung aufzuheben. Seine Anwälte haben im August Berufung vor dem High Court eingereicht.

Die Frau des WikiLeaks-Gründers, Stella Assange, erklärte am Samstag vor Demonstranten: „Julian leidet, und mit dieser Menschenkette wollten wir auch zeigen, dass das, was hier passiert, kein gerichtliches oder legitimes Verfahren ist. Hier wird das Gesetz instrumentalisiert, um einen Journalisten zu verfolgen und auf unbestimmte Zeit im Gefängnis einzusperren.

Julian Assanges Frau, Stella Assange, spricht am 27. Oktober 2021 zu Demonstranten vor dem Londoner High Court. (AP Photo/Frank Augstein) [AP Photo/Frank Augstein]

Menschen auf der ganzen Welt verfolgen diese Gräueltat, und deshalb kommen sie hierher, um ihre Solidarität zu bekunden und zu zeigen, dass Julian ihnen nicht egal ist. Sie zeigen, dass sie an Gerechtigkeit glauben, und dass sie erkennen, dass hier ein Staat, der Verbrechen gegen Unschuldige begangen hat, jetzt auch kriminell gegen den Journalisten handelt, der ihre Verbrechen aufgedeckt hat.

Wir sollten nicht vergessen, dass die USA Julian in Großbritannien in der Botschaft ermorden wollten, und dass er jetzt seit fast vier Jahren im härtesten Gefängnis Großbritanniens sitzt.“

WikiLeaks-Redakteur Kristinn Hrafnsson erklärte, das Verfahren gegen Assange sei „kein rechtsstaatliches Verfahren“, weil sich das Rechtssystem „den Forderungen und Wünschen der Regierung gebeugt hat... Es ist erschreckend.“

Er fuhr fort: „Julian ist ein politischer Gefangener. Er wird politisch verfolgt. Die Kette um das Parlament soll eine Botschaft an die da drinnen sein: Sie sind dazu da, den Menschen draußen zu dienen. Und das sind Julians Unterstützer. Tausende von ihnen sind heute hier, und Millionen auf der ganzen Welt wissen, dass das Ganze eine Farce ist.“

Der Labour-Abgeordnete und ehemalige Schattenfinanzminister, John McDonnell, hatte die Dreistigkeit zu verkünden: „In den 18 Monaten bis zu den Parlamentswahlen, wird dies ein Thema des Wahlkampfs werden. Jeder Abgeordnete wird gefragt werden: Setzt ihr euch für den Journalismus ein, setzt ihr euch für das Recht der Journalisten ein, frei zu berichten, setzt ihr euch für seine grundlegenden Menschenrechte ein, setzt ihr euch für Gerechtigkeit ein?“

McDonnell nahm gemeinsam mit seinem engen Verbündeten Jeremy Corbyn teil, der sich während der Wahlen 2017 und 2019 als Labour-Parteichef bewusst über Assange ausgeschwiegen hatte, obwohl er mit dem Thema direkt konfrontiert worden war. Eine Antwort auf die Frage „Setzen Sie sich für Journalismus ein?“, hatte er ebenso verneinen müssen wie McDonnell. Sie nahmen an einer Verschwörung teil, um zu verhindern, dass Assanges Fall „ein Thema für die Parlamentswahlen“ wurde. Erst jetzt, nachdem sie zu Ohnmacht verurteilt sind – McDonnell ist mittlerweile Hinterbänkler der Labour-Partei, Corbyn wurde aus der Parlamentsfraktion ausgeschlossen – rufen sie zu einer Kampagne auf.

Reporter der World Socialist Web Site sprachen mit mehreren Demonstrierenden.

Nigel, der in der Baubranche arbeitet, bezeichnete Assanges Arbeit als wichtig, weil „die Regierung die Leute belügt und versucht, die Welt mit Füßen zu treten. Wie viele Menschen müssen für Geld sterben – darauf läuft es hinaus. Und die Redefreiheit. Menschen einzusperren, weil sie die Wahrheit sagen, ist an sich schon kriminell.

Nigel protestiert am 8. Oktober vor dem Parlament für Assange (Foto: WSWS)

Es geht nicht nur um einen einzigen Mann. Es geht um die Welt. Die Welt sollte sich umeinander kümmern und nicht ständig aufeinander herumtrampeln. Die Regierungen sollten sich nicht um das Großkapital und die Industrie kümmern, sondern um die Menschen. Das ist ihre Aufgabe und darin versagen sie massiv.“

Nigel erklärte, die Krise der Lebenshaltungskosten befeuere die Kampagne für Assange: „Die Leute fangen an, sich zu fragen, warum sie so viel kämpfen müssen. Es ist ein Riesenproblem und wird noch schlimmer werden.“

Auf die Frage nach der internationalen Lage und der Kriegsgefahr erklärte er: „Sie marschieren in jedes beliebige Land ein, zerstören es durch Krieg, bzw. einen Stellvertreterkrieg, und bauen es so wieder auf, wie es ihnen passt. Sie können dann alle Rohstoffe aus dem Land nehmen. Beim Wiederaufbau vergeben sie die Aufträge an sich selbst. Die Rüstungsindustrie kassiert als erstes ab, die anderen Industrien folgen. Dann gehen alle Rohstoffe dieser Länder an die USA oder Großbritannien. Wir haben da keine weiße Weste.

Genau das passiert in der Ukraine. Amerika hat die Ukrainer seit langem dazu gebracht, für sie die Drecksarbeit zu machen. Und diejenigen, die am meisten verlieren, sind die Ukrainer. Und der Rest von Europa, weil Amerika Europa im Visier hat. Die USA haben es auf Europa abgesehen, weil es ein guter Markt ist, vor allem für Gas und Energie, nachdem die NordStream-Pipeline in die Luft gesprengt wurde.“

Nigel erklärte, für die Sabotage seien die Amerikaner verantwortlich: „Die Russen werden doch nicht ihre eigene Pipeline in die Luft jagen, wenn sie sie einfach abschalten könnten. All das verschweigen die Mainstream-Medien. Man muss genauer hinschauen.“

Mehrere Demonstrierende waren aus anderen Ländern nach London angereist. Mantas, der an diesem Tag aus Litauen gekommen war, um Assange durch die Menschenkette zu unterstützen, erklärte gegenüber unseren Reportern: „Assange hat die Wahrheit über Kriegsverbrechen gesagt und für Menschenrechte und Pressefreiheit gekämpft.“

Mantas protestiert am 8. Oktober vor dem Parlament für Assange. (WSWS)

Die Regierungen der USA und des Vereinigten Königreichs „wollen an Assange ein klares und offensichtliches Exempel statuieren, damit niemand das versucht, was er getan hat. Die herrschenden Mächte wollen ihre eigene Weltsicht durchsetzen, sie wollen das Denken der Menschen kontrollieren, sie zu dem Gedanken verleiten, man könne nichts tun. Oder dass die Welt so sei, wie sie sein sollte. Dabei treten wir in Wirklichkeit in eine Phase des allgegenwärtigen Wahnsinns ein.“

Zum Krieg in der Ukraine erklärte er, die Waffenhersteller und Konzerne wollten „einen neuen Krieg vorantreiben. Sie kümmern sich nicht um die Folgen für das ukrainische oder das russische Volk. Ich finde nicht richtig, was Putin getan hat, aber ich denke, es hätte noch andere Optionen gegeben. Aber Selenskyj wurde dazu ermutigt, eine harte Linie zu verfolgen und jede Einigung mit der Russischen Föderation abzulehnen.“

Über eine Antikriegsbewegung sagte Mantas: „Die Saat geht auf. Es gibt Hoffnung.“

Ein anderer junger Arbeiter beschrieb, wie Assange „aufgedeckt hat, was unsere Regierungen in unserem Namen tun. Wir müssen uns bewusst sein, was wirklich vorgeht, und er hat geholfen, das aufzudecken. Für die Verbrechen, die er aufgedeckt hat, wurde niemand belangt, aber er schon. Sie erschießen im Grunde genommen den Überbringer schlechter Nachrichten. Und das müssen die Leute wissen.“

Ein junger Arbeiter protestiert am 8. Oktober vor dem Parlament für Assange. (WSWS)

Er zählte die von WikiLeaks enthüllten Verbrechen auf und erklärte: „Wo soll man anfangen? Man kann sich das Video anschauen, auf dem der Apache-Hubschrauber Zivilisten erschießt, oder die Afghanistan- und Irak-Kriegstagebücher und vieles mehr. Das sollten sich die Leute anschauen. Es gibt so viele Verbrechen, die aufgedeckt worden sind, dass es hier zu viel ist, um darauf einzugehen. Die Leute müssen sich ansehen, was WikiLeaks getan hat, was es enthüllt hat, und objektiv an die Sache herangehen.“

Assanges Fall „zeigt, dass man verfolgt werden kann, wenn man so etwas herausfindet und es der Öffentlichkeit mitteilt. Also kann das offensichtlich jedem drohen.“

Über den Krieg in der Ukraine erklärte er, er mache sich genauso große Sorgen um Palästina. „Ich glaube nicht, dass nur die großen, bösen, unheimlichen Russen ein Problem sind. Alle Weltmächte machen Probleme.“ Er fügte hinzu, Großbritannien sei „keine positive Kraft“ in der Welt.

Jenny, eine ehemalige Lehrerin, bezeichnete Assanges Fall als „eindeutig ungerecht. Es verletzt unser Recht, zu erfahren, was passiert ist... Vom Standpunkt des Establishments [ist es wichtig], diese unangenehmen Informationen unter Verschluss zu halten, und das hat ihn zu einer besonderen Zielscheibe gemacht.“

Die ehemalige Lehrerin Jenny protestiert am 8. Oktober vor dem Parlament für Assange. (WSWS)

Jenny verglich die Verleumdungen gegen Assange mit der undemokratischen Kampagne gegen linke Mitglieder der Labour Party: „Die wirklich schweren Geschütze wurden aufgefahren, und dann gab es noch diesen ganzen Unsinn, er [Labour-Chef Jeremy Corbyn] sei ein Spion.

Mit ihrer Antisemitismus-Kampagne, die so lächerlich war, dass man nicht glauben wollte, dass sie das ernst meinen, haben sie es geschafft. Es hat geklappt. Es war ein sehr emotionales Thema. Gerade in dieser Frage war es meiner Meinung nach besonders übel. Die Kampagne war antisemitisch, weil sie Antisemitismus als Waffe benutzt hat. Es hatten so viele Juden zu leiden, wurden beschuldigt und aus der Labour Party geworfen... Das war ein besonders abscheulicher Aspekt.“

Zum Kampf für den Sozialismus und für eine Antikriegsbewegung erklärte Jenny: „Ich glaube, es wird ein langer Kampf werden, aber wir müssen jede Gelegenheit ergreifen. Wenn morgen eine Revolution ausbrechen würde, würde ich mich ihr anschließen.“

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