Julian Assange legt Berufung gegen seine Auslieferung ein

Am Freitagnachmittag hat der WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange vor dem britischen High Court Berufung gegen seine Auslieferung an die USA eingelegt.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange nach einer Gerichtsverhandlung in London, 1. Mai 2019 (AP Photo/Matt Dunham) [AP Photo/Matt Dunham]

Damit beginnt die jüngste Phase in einem langwierigen Rechtsstreit um Assanges mögliche Auslieferung an die USA. Dort drohen ihm 175 Jahre Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis, weil er Informationen veröffentlicht hat, die der Wahrheit entsprechen, und amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan aufgedeckt hat.

Das Gerichtsverfahren in Großbritannien geht nun in sein viertes Jahr, und diese ganze Zeit ist Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert. Den größten Teil der Haftzeit verbrachte er dort, ohne dass man ihn eines Verbrechens verurteilt hätte.

Bei den Anhörungen seit Januar letzten Jahres ging es in erster Linie um den Gesundheitszustand von Assange. Die Staatsanwälte, die im Namen der USA handeln, wie auch meistenteils die britische Justiz, ignorierten seinen körperlichen und psychischen Verfall nach über zehn Jahren der Verfolgung. Dabei hatten Hunderte von Ärzten davor gewarnt, dass Assange hinter Gittern sterben könnte, und die erste Richterin, die den Fall vor dem Bezirksgericht verhandelte, hatte eingeräumt, dass eine Auslieferung praktisch einem Todesurteil gleichkäme.

Die Komplizenschaft des britischen Staats im Rachefeldzug gegen Assange gipfelte darin, dass der britische High Court im Oktober letzten Jahres die Auslieferung genehmigte. Anschließend weigerte sich dasselbe Gericht, einer Berufung aus gesundheitlichen Gründen stattzugeben, und im Juni gab Innenministerin Priti Patel bekannt, sie habe Assanges Auslieferung in die USA angeordnet.

Die Berufung, die Assange am Freitag eingereicht hat, ist im britischen Rechtssystem sein letztmöglicher Schritt. Da das Argument seines Gesundheitszustandes abgelehnt wurde, werden sich seine Anwälte, falls der Berufung stattgegeben wird, bei den neuen Anhörungen auf den politischen Charakter der versuchten amerikanischen Strafverfolgung konzentrieren und die zahllosen Missbräuche ins Feld führen, deren sich die USA im Zug ihrer Verfolgung von Assange schuldig gemacht haben.

Am Freitag begründete WikiLeaks in einer Pressemitteilung die Berufung wie folgt:

  • Julian Assange wird wegen seiner politischen Ansichten verfolgt und bestraft.
  • Julian Assange wird wegen seiner [verfassungsrechtlich] geschützten Meinungsäußerung verfolgt.
  • Der amerikanische Antrag verstößt gegen das Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Großbritannien und gegen internationales Recht, denn er bezieht sich auf politische Straftaten, die als Grund für eine Auslieferung ausgeschlossen sind.
  • Die US-Regierung hat den britischen Gerichten die wesentlichen Fakten des Falls falsch dargestellt.
  • Der Auslieferungsantrag und seine Begleitumstände stellen einen Missbrauch des Verfahrens dar.

WikiLeaks hat betont, dass Assanges Berufung auch Argumente beinhalten werde wie diese: 'Innenministerin Priti Patel hat bei ihrer Entscheidung, den Auslieferungsantrag aus besonderen Gründen zu genehmigen, fehlerhaft gehandelt. Und der Antrag selbst verstößt gegen Artikel 4 des amerikanisch-britischen Auslieferungsabkommens.“

Dazu erklärte Stella Moris, Assanges Ehefrau: „Seit der letzten Entscheidung sind überwältigende Beweise aufgetaucht, die belegen, dass die Strafverfolgung der Vereinigten Staaten gegen meinen Mann ein krimineller Missbrauch ist. Die Richter des Hight Courts werden nun entscheiden, ob Julian die Möglichkeit erhält, den Fall gegen die Vereinigten Staaten in der Berufung öffentlich und in vollem Umfang vorzutragen.“

Stella Moris vor dem High Court in London, 10. Dezember 2021 (AP Photo/Frank Augstein)

Sollte der Berufung stattgegeben werden, wird sie in Form einer Anfechtung des Urteils der Bezirksrichterin Vanessa Baraitser vom Januar 2021 erfolgen. Im ersten Verfahren hatte Baraitser die Auslieferung aus gesundheitlichen Gründen untersagt, doch dieses Urteil hoben die höheren Gerichte dann zugunsten der USA wieder auf. Ihr Urteil hatte jedoch die wesentlichen Argumente der USA für eine Auslieferung bestätigt. Damit schuf es einen Präzedenzfall für jede Regierung, um das Aufdecken von Informationen, die sie lieber geheim halten möchten, strafrechtlich zu verfolgen.

Falls die Berufung zugelassen wird, heißt das, dass dieser Präzedenzfall vor Gericht angefochten wird.

Stella Moris zählte die Beweise auf, die seit dem Urteil gegen Baraitser Anfang 2021 ans Licht gekommen sind. Sie entlarven das Auslieferungsersuchen der USA als pseudojuristisches Feigenblatt für eine außerordentliche Überstellung. Die damit verbundenen Methoden verbindet man gemeinhin mit gewalttätigen kriminellen Banden.

So hatte Sigurdur „Siggi“ Thordarson, einer der Hauptbelastungszeugen der USA gegen Assange, im Juni 2021 zugegeben, dass ein Großteil seiner Aussagen Lügen waren. Er hatte sie geäußert, weil das Federal Bureau of Investigation (FBI) ihm im Gegenzug Immunität zugesichert hatte. Dennoch spielen seine Beschuldigungen in der amerikanischen Anklageschrift, die die Grundlage für den Auslieferungsantrag bildet, nach wie vor eine große Rolle.

Thordarson hatte zuvor als FBI-Maulwurf bei WikiLeaks gearbeitet. Vor seiner jüngsten Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Staat war er in Island wegen Kindesmissbrauchs und Betrugs an WikiLeaks in Höhe von Zehntausenden von Dollar verurteilt worden. Sein Eingeständnis, gelogen zu haben, um Assange zu schaden, wurde in der isländischen Wochenzeitung Stundin veröffentlicht, aber von fast allen westlichen Medien ignoriert.

Im September 2021 veröffentlichte Yahoo! News einen ausführlichen Artikel, der enthüllte, dass die US-Regierung von Präsident Donald Trump und die Central Intelligence Agency (CIA) im Jahr 2017 geplant hatten, Assange zu entführen und/oder zu ermorden. Zu dieser Zeit war der WikiLeaks-Herausgeber ein international anerkannter politischer Flüchtling, der in der Londoner Botschaft von Ecuador lebte.

Der Bericht von Yahoo! News basierte auf Informationen, die von 30 ehemaligen und aktuellen amerikanischen Geheimdienstagenten stammten. Sein Inhalt wurde nie widerlegt. Mike Pompeo, Trumps CIA-Direktor und damaliger US-Außenminister, der drohte, die Quellen von Yahoo! News aus Gründen der nationalen Sicherheit strafrechtlich zu verfolgen, gab damit indirekt den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen zu.

Pompeo wurde Anfang des Jahres vom spanischen Obersten Gericht vorgeladen, um als Zeuge in einem Strafverfahren gegen UC Global auszusagen. Diese private Sicherheitsfirma fungierte offenbar als verlängerter Arm des US-Geheimdienstes in der ecuadorianischen Botschaft in London. Der Firma und ihrem Geschäftsführer wird vorgeworfen, im Auftrag der CIA eine umfangreiche illegale Spionageaktion gegen Assange durchgeführt und Pläne für seine Entführung oder Ermordung erörtert zu haben.

Pompeo ist vor dem spanischen Gericht nicht erschienen, obwohl ihm das Gericht dafür eine Frist bis Ende Juni gesetzt hatte.

Bezeichnenderweise verfassten die amerikanischen Behörden erst eine Anklageschrift gegen Assange, als sie bereits seine Entführung oder Ermordung in Erwägung zogen. So war die Anklage offenbar als Instrument gedacht, um eine außerordentliche Überstellung durch die CIA zu rechtfertigen.

Zweifellos hegen die Regierung in Washington, wie auch die britische Regierung und der britische Staat, große Befürchtungen, dass dieses Material in einem öffentlichen Gerichtssaal zur Sprache kommen könnte. Es kommt einer vernichtenden Anklage gleich und entlarvt die Kriminalität der imperialistischen Großmacht und aller ihrer Verbündeten, einschließlich Großbritanniens und Australiens. Daher besteht kein Grund für die Annahme, dass der High Court der Berufung stattgeben werde.

Und selbst wenn, haben die letzten zehn Jahre gezeigt, dass die britische Justiz eine wichtige Stütze für Assanges Verfolgung ist. Das Gleiche gilt für die wichtigsten Parteien in allen Ländern, die an dem langwierigen Rachefeldzug beteiligt sind.

In den USA setzt die Biden-Regierung das Auslieferungsersuchen fort, das ursprünglich Trump gestellt hatte. In Großbritannien haben Tories wie Labour ihre tiefe Feindschaft gegen Assange zweifelsfrei bewiesen.

In Australien, wo Assange geboren wurde und dessen Staatsbürgerschaft er besitzt, setzt die derzeitige Labor-Regierung die Politik der vorherigen liberal-nationalen Regierung und aller früheren Regierungen fort. Sie weigert sich, ihren diplomatischen und juristischen Spielraum zu nutzen, um Assange zu befreien, während sie sich an der Seite der USA auf eine Konfrontation mit China vorbereitet.

Dies unterstreicht die Tatsache, dass Assanges Verteidigung und der Kampf für seine Freiheit von einer Bewegung in der Arbeiterklasse abhängen, die sich gegen das gesamte politische Establishment richten muss. In den zunehmend explosiven Kämpfen der Arbeiter gegen Inflation, Sparkurs und autoritäre Herrschaftsformen findet diese Bewegung eine starke Grundlage. Denn der Angriff auf Assange ist in der Tat die Speerspitze der anwachsenden autoritären Herrschaftsformen.

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