Perspektive

Gefährliche neue Corona-Varianten drohen massive Herbst- und Winterwelle auszulösen

Einen Monat nach Herbstbeginn in der nördlichen Hemisphäre ist klar, dass die nächste globale Welle der Covid-19-Pandemie begonnen hat.

Da in weiten Teilen der Welt keine Tests und Meldungen mehr stattfinden, sind die offiziellen Infektionszahlen nicht aussagekräftig. Die genaueste Schätzung der tatsächlichen Zahlen stammt vom Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME). Demnach waren am 19.10.2022 weltweit 21 Millionen Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, ein Anstieg von 23 Prozent gegenüber dem letzten Tiefstand von 17 Millionen am 27. September.

Inmitten dieser zugespitzten Krise haben die herrschenden Klassen in der ganzen Welt das perfekte Mittel gegen die Pandemie entdeckt: Ignorieren und Vertuschen. In den Fernsehnachrichten wird höchstens einmal im Monat kurz über die Pandemie berichtet. Die Printmedien beschränken sich darauf, die Lügen der kapitalistischen Politiker zu wiederholen.

Diese Propaganda hat schlimme Auswirkungen auf das Massenbewusstsein, und die globale Gesellschaft ist völlig unvorbereitet auf die aktuelle Welle. Nachdem man ihnen in den Worten von US-Präsident Joe Biden gesagt hat, dass „die Pandemie vorbei ist“, verzichten viele Menschen selbst auf die elementarsten Schutzmaßnahmen. Angesichts der Sorglosigkeit der irregeführten Öffentlichkeit kommt einem Pieter Bruegels berühmtes Gemälde „Der Blindensturz“ in den Sinn.

Aber die politisch Verantwortlichen sind nicht blind. In böswilliger Absicht ignorieren sie die wiederholten Warnungen der Epidemiologen und räumen den Profitinteressen Vorrang vor der Rettung von Menschenleben ein. Von Beginn der Pandemie an haben Rechtsextreme Verwirrung gestiftet, aber die tödliche Strategie der „Herdenimmunität“, für die sie Vorreiter waren, wurde im Laufe des letzten Jahre von Regierungen rund um die Welt übernommen. Mit der Zuspitzung der Weltlage werden die Folgen dieser Politik immer deutlicher.

Die jetzige Welle ist mit keiner anderen seit Beginn der Pandemie vergleichbar und bereitet vielen Wissenschaftlern große Sorgen. Infolge der ungehinderten Ausbreitung von Covid-19 im vergangenen Jahr hat die Omikron-Variante Hunderte von Untervarianten mit unterschiedlichen Mutationsprofilen hervorgebracht, was von Experten als „Variantensuppe“ bezeichnet wird.

Loading Tweet ...
Tweet not loading? See it directly on Twitter

Besonders beunruhigend sind die stark mutierten „Escape-Varianten“, die der Immunreaktion besser ausweichen können und infektiöser sind als alle anderen Omikron-Subvarianten. Die aggressivsten sind BQ.1.1 und XBB, die sich in den kommenden Wochen weltweit durchsetzen dürften. In Singapur ist XBB vor zwei Wochen dominierend geworden und hat zu einem massiven Anstieg der Infektionen und Reinfektionen geführt.

Studien deuten darauf hin, dass die letzten verbleibenden Arzneimittelpräparate mit monoklonalen Antikörpern, Evusheld und Bebtelovimab, gegen diese beiden und andere Untervarianten nicht wirksam sind. Immungeschwächte Menschen in der ganzen Welt sind damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, schwer zu erkranken oder zu sterben.

Eine der größten Sorgen der Experten ist die wachsende Zahl von Long-Covid-Erkrankungen, die ein breites Spektrum langwieriger Symptome umfassen und nahezu jedes Organ im Körper befallen können. Eine Preprint-Studie unter der Leitung von Dr. Ziyad Al-Aly von der Washington University School of Medicine ergab, dass nach einer Reinfektion im Vergleich zur Erstinfektion das Mortalitätsrisiko verdoppelt, das Risiko eines Krankenhausaufenthalts verdreifacht und das Risiko für mindestens ein Long-Covid-Symptom fast verdoppelt war. In der Studie heißt es: „Die Risiken zeigten sich in den Untergruppen, d. h. bei denjenigen, die vor der zweiten Infektion nicht geimpft waren oder die eine, zwei oder mehr Impfungen erhalten hatten.“

Bezeichnenderweise hat die XBB-Variante die Reinfektionen in Singapur von nur 5 Prozent Mitte August auf 17,5 Prozent am 14. Oktober ansteigen lassen – ein enormer Anstieg, der die Gefährlichkeit der neuen „Escape-Varianten“ unterstreicht.

In einer Pressekonferenz am Mittwoch warnte die technische Leiterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Covid-19, Dr. Maria Van Kerkhove, dass die XBB-Subvariante „eine signifikante Immunflucht aufweist. Dies ist für uns von Bedeutung, denn wir müssen sicherstellen, dass die weltweit eingesetzten Impfstoffe weiterhin wirksam sind, um schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern. Je mehr dieses Virus zirkuliert, desto mehr Möglichkeiten hat es, sich zu verändern.“

Sie schloss mit den Worten: „Wir müssen in der Lage sein, dieses Virus nachzuverfolgen. Jede Woche werden Millionen von Fällen gemeldet, aber unsere Überwachung hat abgenommen, die Tests haben abgenommen, die Sequenzierung hat abgenommen, und das wiederum erschwert es uns, als Organisation mit Expertennetzwerken auf der ganzen Welt, diese [Subvarianten] zu bewerten.“

Die Ausführungen von Dr. Kerkhove sind eine vernichtende Anklage gegen die Pandemiepolitik, die weltweit betrieben wird. Selbst wenn die derzeitige „Variantensuppe“ nicht dazu führen sollte, dass die vorhandenen Impfstoffe schwere Erkrankungen und Todesfälle nicht mehr verhindern können, erhält das Virus im Zuge seiner ständigen Ausbreitung Milliarden von Wirten, in denen es weiter mutieren und sich potenziell zu einem tödlicheren Stamm entwickeln kann. Und das, während die WHO nicht mehr in der Lage ist, diese Mutationen zu überwachen.

Zu sagen, dass die Weltgesellschaft blind in ein Unwetter hineinfliegt, wäre eine Untertreibung. Ein passenderer Vergleich wäre, dass der Pilot den Treibstoff abgelassen, das Fahrwerk für die Landung blockiert und die Fluglotsen nach Hause geschickt hat.

Auf Weisung der Biden-Administration haben die US-Gesundheitsbehörden am 20. Oktober von der täglichen auf die wöchentliche Meldung von Infektionen und coronabedingten Todesfällen umgestellt. Am Freitag wurde die Ausgabe kostenloser Masken still und heimlich beendet. Letzte Woche hat der Epidemiologe Dr. Eric Feigl-Ding aufgedeckt, dass die Gesundheitsbehörden Daten zurückgehalten haben, aus denen hervorgeht, dass die Subvarianten BQ.1 und BQ.1.1 in den USA rasch an Bedeutung gewinnen und nun zusammen 11,4 Prozent aller Varianten ausmachen. In New York, wo diese neuen Untervarianten ihren höchsten Stand erreicht haben, stiegen die coronabedingten Krankenhauseinweisungen allein in der vergangenen Woche um 9 Prozent.

Die gleichen Prozesse sind in ganz Europa im Gange, wo Infektionen, Reinfektionen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle stetig zunehmen. In Deutschland haben das Oktoberfest und andere von der Politik geförderte Großveranstaltungen nun eine zweite Welle von BA.5-Infektionen ausgelöst, die die Krankenhäuser an die Belastungsgrenze gebracht haben. Seit Montag sind mehr als 700 Todesfälle durch Covid-19 zu beklagen, über 60 Prozent mehr als noch vor zwei Wochen, und Experten warnen, dass die neuen Varianten die ohnehin schon katastrophale Situation noch verschlimmern werden. In Frankreich, wo BQ.1 und BQ.1.1 inzwischen die Mehrheit aller Infektionen ausmachen, steigt die Zahl der Covid-19-Todesfälle stetig an.

Die falsch informierte Öffentlichkeit trägt keine Schuld an dem tiefgreifenden Mangel an wissenschaftlichem Verständnis. Mit Misanthropie und Pessimismus wird man der Pandemie nicht beikommen. Vielmehr muss alles getan werden, um der Propaganda der Regierung entgegenzuwirken und die Arbeiter und Jugendlichen über eine wissenschaftliche Null-Covid-Strategie aufzuklären. Die Eliminierung des Virus ist auch heute noch praktikabel und notwendig.

Vor fast genau einem Jahr, am 24. Oktober 2021, veranstalteten die World Socialist Web Site und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) ein Webinar mit führenden Wissenschaftlern, die eine globale Eliminierungsstrategie gegen die Pandemie vorstellten. Die schrecklichen Erfahrungen des vergangenen Jahres, in dem schätzungsweise 6,2 Millionen Menschen zu Tode kamen, verleihen dieser Veranstaltung eine noch größere Bedeutung. Das Webinar widerlegte die Lüge, dass nichts getan werden könne, um die Pandemie zu stoppen, und bewies, dass noch Millionen von Menschenleben gerettet werden können.

Im vergangenen Jahr wurde die Skrupellosigkeit der Pandemiepolitik auf den Stellvertreterkrieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine ausgedehnt, der, wie Biden selbst einräumte, in ein nukleares „Armageddon“ zu münden droht. Krankenhäuser, Schulen und Industriebetriebe in den USA und auf der ganzen Welt stehen vor dem Kollaps, nachdem die unaufhörliche Coronawelle zu massiven Personalengpässen geführt hat. Wenn die Arbeiterklasse nicht sofort handelt, wird der kommende Winter zur Katastrophe.

Der Kapitalismus ist ein veraltetes, anarchisches Gesellschaftssystem, das der Menschheit keine Zukunft bietet und durch eine sozialistische globale Planwirtschaft ersetzt werden muss. Die vorrangige Aufgabe der internationalen Arbeiterklasse besteht darin, eine weltweite Massenbewegung zu entwickeln, um die Pandemie zu stoppen, den Krieg zu beenden und die Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage neu aufzubauen.

Loading