„Die Parteien vertreten die Bevölkerung nicht“: US-Arbeiter wütend über Bidens Unterschrift unter Streikverbotsgesetz

Das Railroad Workers Rank-and-File Committee (Aktionskomitee der Eisenbahner in den USA) hat für Dienstag um 19 Uhr Ostküsten- bzw. 16 Uhr Westküstenzeit eine Online-Kundgebung gegen Washingtons Entscheidung angekündigt, den Eisenbahnern einen zuvor abgelehnten Tarifvertrag aufzuzwingen, um einen landesweiten Streik zu verhindern. Registriert euch hier. Alle Unterstützer der Eisenbahner sollten teilnehmen.

Schickt eure Unterstützungsbekundung für die Eisenbahner an das Railroad Workers Rank-and-File Committee per Mail an railwrfc@gmail.com oder füllt das unten stehende Formular aus!

US-Präsident Joe Biden unterzeichnet im Roosevelt Room des Weißen Hauses ein Gesetz, das das demokratische Recht der Eisenbahner auf Streik außer Kraft setzt. Von links nach rechts: Celeste Drake, Office of Management and Budget; Briand Deese, Direktor des National Economic Council, früher bei Blackrock (dem größten Vermögensverwalter der Welt); Landwirtschaftsminister Tom Vilsack; Verkehrsminister Pete Buttigieg und Arbeitsminister Marty Walsh. Freitag, 2. Dezember 2022 [AP Photo/Manuel Balce Ceneta]

Am Freitagmorgen unterzeichnete der selbsternannte „arbeitnehmerfreundliche“ Präsident Joe Biden ein diktatorisches Gesetz, das von beiden Parteien des Kongresses verabschiedet wurde, um einen Tarifvertrag für die Eisenbahnbranche durchzusetzen, der zuvor von zehntausenden Eisenbahnern abgelehnt worden war.

Nachdem der Senat die Entschließung am Donnerstag verabschiedet hatte, brüstete Biden sich damit, er habe „einen Tarifvertrag ausgehandelt, den niemand sonst hätte aushandeln können“. Er behauptete zudem wahrheitswidrig, der Tarifvertrag sei „viel besser als alles, was die Eisenbahner je hatten“.

Um zu rechtfertigen, dass der unternehmensfreundliche Tarifvertrag gegen den Willen der Arbeiter durchgesetzt wurde, wiederholte Biden die Behauptung der Eisenbahnunternehmen und Gewerkschaften, die Lohnerhöhung um 24 Prozent sei von „historischem Ausmaß“. Tatsächlich wird sie über fünf Jahre verteilt, und nachdem Arbeiter drei Jahre lang keine Lohnerhöhung erhalten haben, bedeutet dies nach Berücksichtigung der Inflation faktisch eine Reallohnsenkung.

Biden räumte ein, dass das Gesetz keinen einzigen bezahlten Krankentag beinhaltet. Die Demokraten unter der Führung von Bernie Sanders und den vier demokratischen Abgeordneten, die den Democratic Socialists of America angehören, brachten einen Scheinantrag auf sieben bezahlte Krankentage ein, um ihr Gesicht zu wahren und sich als Freunde der Arbeiter zu inszenieren, stimmten aber trotzdem für die Durchsetzung des Tarifvertrags. Sie wussten, dass ihr Vorschlag keine Chance hatte, vom Senat jemals angenommen zu werden, und haben ihn so eingebracht, dass er die Verabschiedung des Streikverbotsgesetztes nicht aufhalten würde.

Nachdem er das Gesetz unterzeichnet hatte, das einen Tarifvertrag ohne Krankentage durchsetzt, log Biden dreist, er werde „den Kampf“ für bezahlte Krankentage „fortsetzen“, den er „schon seit langem“ führt.

Auf die Frage eines Reporters, wann die Eisenbahner mit bezahlten Krankentagen rechnen könnten, antwortete Biden mit einem gequälten Lächeln: „Wenn die Republikaner zur Vernunft kommen.“ Mit anderen Worten: niemals. Allerdings werden die Demokraten weiterhin ausschließlich die Republikaner dafür verantwortlich machen.

Das den Republikanern nahe stehende Wall Street Journal veröffentlichte am Donnerstag einen Leitartikel, in dem die Redaktion Biden lobte, dafür gesorgt zu haben, dass „die Züge weiterfahren“. Es handelt sich um die Abwandlung eines berüchtigten Zitats, das den italienischen Diktator Mussolini lobt.

Dass beide Parteien so schnell gehandelt haben, um den Tarifvertrag durchzusetzen und einen Streik abzublocken, hat Arbeiter im ganzen Land schockiert und verärgert. Das Railroad Workers Rank-and-File Committee hat in den letzten 48 Stunden viele Unterstützungserklärungen von Arbeitern aus anderen Industriezweigen erhalten.

Einer schrieb: „Ich bin kein Eisenbahner, sondern ein Maschinist und in keiner Gewerkschaft, aber ich unterstütze euren Kampf.“ Er fügte hinzu, er würde einen spontanen Streik gegen den Tarifvertrag unterstützen, falls dieser ausbrechen sollte. „Der Kongress hat euch verarscht. Es ist Zeit, dass ihr es ihnen zeigt.“

Ein anderer schreib: „Ich unterstütze euch, egal welche Probleme eine Stilllegung des Vertriebsnetzes für mich bedeuten würde. Die Arbeiterklasse kann ihren gerechten Anteil am Kuchen nur bekommen, wenn sie die Regierung lahmlegt. Die Parteien sind korrupt und vertreten die Bevölkerung nicht mehr. Ihr müsst tun, was ihr tun müsst.“

Mary, eine pensionierte General-Motors-Arbeiterin aus Flint (Michigan) erklärte: „Die Eisenbahner und alle Arbeiter verdienen Gerechtigkeit, Vergnügen, Frieden und Leistungen für sich und ihre Familien, genau wie die oben an der Spitze. Wie sähe es auf der Welt ohne die Arbeiter aus, die im Stich gelassen, benutzt und missbraucht werden? Das klingt für mich nach Sklaverei!

Es hört sich an, als seien die Funktionäre der Eisenbahnergewerkschaften alle gleich. Sie nennen die einfachen Arbeiter ,Bruder‘ und ,Schwester‘, aber sie meinen es überhaupt nicht so. Sie stinken mit ihren sechsstelligen Gehältern und bequemen klimatisierten Büros nach Günstlings- und Vetternwirtschaft. Sie halten sich für besser als die ,echten‘ Arbeiter, die wirklichen Arbeiter, und werden auch so behandelt, sie beziehen deutlich höhere Einkommen.“

Ein junger GM-Arbeiter von GM Flint erklärte: „Dass die Eisenbahner für ihre Sache kämpfen, wird sich auf die ganze Arbeiterklasse auswirken. Es ist eine Botschaft an alle Arbeiter, die sich der Regierung entgegenstellen wollen. Genug ist genug! Die Arbeiterklasse ist die Mehrheit und muss sich mit ihren Brüdern und Schwestern vereinen, wenn sie ein angemessenes und erfolgreiches Leben führen will.“

Er erklärte: „Die Eisenbahner kämpfen nicht nur für sich selbst, sondern werden ein Beispiel für die ganze Arbeiterklasse sein, sich nicht von der Regierung über den Tisch ziehen zu lassen. Genug ist genug. Die Geschichte wird zurückgedreht. Uns werden Gegebenheiten und Rechte weggenommen, für deren Einführung gekämpft wurde. Aber wir sind die Macht und diejenigen, die das ändern können! Sie sind nichts ohne uns, und wir müssen uns mit unseren Brüdern und Schwestern zusammentun, um ein auskömmliches Leben zu fordern.“

Eisenbahner, die mit der World Socialist Web Site sprachen, zeigten sich wütend.

Tony, ein Stellwärter, erklärte gegenüber der WSWS auf die Frage nach seiner Meinung zu dem Streikverbotsgesetz, Biden „redet Schwachsinn“ und das Abkommen sei „kein guter Deal für Eisenbahner“.

Tony fügte hinzu, es sei „nicht ,arbeitnehmerfreundlich‘, uns unser Recht auf Streik zu verweigern“ und bezeichnete das Ergebnis als „sehr, sehr enttäuschend“.

Er erklärte: „Die Gewerkschaften, der Kongress und alle anderen haben es auf Weihnachten verschoben. Ich halte [Biden] nicht für einen Freund der Arbeiter, ich glaube, ihm geht es ums Geld... Ich halte das alles für sehr, sehr korrupt.“

Tony erklärte weiter, ein Kollege habe nach der Abstimmung des Senats am Freitag erklärt, er sei „extrem wütend“. Sein Kollege glaubt zwar, dass viele Eisenbahner weiter ihre Arbeit machen werden, allerdings würde die „Qualität der Arbeit“ darunter leiden, da der Tarifvertrag die unmenschlichen Arbeitszeiten nicht abschafft oder bezahlte Krankentage vorsieht.

Über sich selbst erklärte Tony: „Die Rente ist das einzige, was mich noch hier hält. Ich habe diesem Unternehmen mein Leben gegeben: ein Anruf kommt, ob ich nun bei einem Basketballspiel oder einer Geburtstagsfeier bin. Einmal wurde ich sogar an Weihnachten angerufen, während mein Sohn seine Geschenke auspackte. Ich konnte nur sagen: ,Es tut mir leid, Sohn, ich muss los‘.“

Derek, ein langjähriger Eisenbahner aus Kalifornien, erklärte: „So, wie alles abgelaufen ist. ... Das war alles geplant und von allen Beteiligten inszeniert!“ Er fügte hinzu, dass der Senat den Änderungsantrag auf Krankentage abgelehnt hat, „beweist, dass diese Senatoren gekauft und geschmiert sind“.

Auf die Frage, ob er Bidens Behauptung zustimme, der Tarifvertrag sei „so viel besser“ als „alles, was er jemals hatte“, antwortete Derek: „Bestimmt nicht! Ich arbeite am Bahnhof, und wir sind am stärksten betroffen.“

Derek erklärte, die vorläufige Vereinbarung beinhalte die Einführung des Automatic Bid Scheduling System (automatisches Planungssystem). Dieses System wird die „Puffer“ bei den Bahnhofsarbeitern eliminieren, die eine der wenigen Möglichkeiten waren, mit denen Arbeiter ihre Dienstpläne flexibler gestalten und zumindest teilweise planen konnten.

Ein Arbeiter erklärte der WSWS, den Tarifvertrag durch den Kongress durchsetzen zu lassen, sei „totaler, absoluter Pferdemist“: „‚Arbeitnehmerfreundlich‘ zu sein, bedeutet offenbar nicht das, was immer darüber gesagt wird.“ Der Arbeiter erklärte, die Erfahrung habe „[den Railroad Labor Act] und die Tarifverhandlungen allgemein als Farce entlarvt“.

John, ein Eisenbahner aus Nebraska, erklärte gegenüber der WSWS, die Unterzeichnung des Streikverbotsgesetzes beweise, dass „sie den Arbeitern die Macht wegnehmen“. Er bezeichnete es als „ungerecht, uns keine Möglichkeit zu lassen, einen fairen Deal zu bekommen“.

Er fragte zu Recht: „Warum haben wir überhaupt eine Gewerkschaft, wenn sie sich mit allem zufrieden geben, was ihnen Geld in die Tasche spült?“

Über die Rolle von Biden und der Demokraten erklärte John, ihnen „sind die Arbeiter völlig egal. Das ist nur eine Zaubershow mit Schall und Rauch.“ Er fügte hinzu, durch den „unfairen“ und „ungerechten“ Tarifvertrag würden die Arbeiter nur „Krümel“ erhalten.

Ein anderer Eisenbahner erklärte einem Reporter der WSWS: „Ich habe es schon mehrfach gesagt: Hier geht es nicht darum, was für die Beschäftigten das Beste, oder auch nur was für sie gut ist. Es geht eindeutig um Profit. Der gilt mehr als Sicherheit und Investitionen ins Unternehmen. Reine unternehmerische Gier der übelsten Art. Die großen Eisenbahnkonzerne haben Millionen und Abermillionen Dollar für Wahlkampagnen ausgegeben, damit sie bekommen, was sie wollen.

Ich garantiere euch, dass sie alle [Aktionäre und Vorstandschefs] in den letzten drei Jahren Gehaltserhöhungen bekommen haben. ... Ganz zu schweigen von den Boni. Es ist die pure Gier, und es geht darum, Arbeitskämpfe zu zerschlagen. Wer glaubt, dass es bei den Eisenbahnen aufhören wird, der sollte noch einmal nachdenken. Wir arbeiten unermüdlich, 24 Stunden in Bereitschaft, jede Woche, jeden Monat. Wir wissen nie, wann wir zu Hause sein und versuchen können, ein positives Vorbild für unsere Kinder zu sein. Egal ob Pandemie, egal welches Wetter.

Und das von einem Präsidenten, der behauptet, er würde Gewerkschaften und Arbeiter unterstützen. Ganz zu schweigen davon, dass er vor einem Monat behauptet hat, die Verträge seien ausgehandelt. Aber heute unterzeichnet er ein Gesetz, das Streik verbietet.“

Ein anderer Eisenbahner erklärte, der „gewerkschaftsfreundliche Präsident“ und die „Demokraten-freundlichen Gewerkschaften“ würden „nur nehmen und nichts geben“.

Ein anderer Arbeiter schrieb: „120.000 Eisenbahner halten 300 Millionen von uns am Leben. Holt euch, was ihr verdient. Wir stehen hinter euch. Es muss eine Grenze gezogen werden. Bis hierhin, und nicht weiter.“

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