Großrazzia gegen rechtes Terrornetzwerk zeigt Ausmaß der faschistischen Gefahr in Deutschland

Es war eine der größten Razzien in der Geschichte der Bundesrepublik. Rund 3000 Spezialkräfte der Polizei stürmten am Mittwochmorgen 137 Objekte in elf Bundesländern und nahmen 25 Personen fest. Gegen 27 weitere wird ermittelt. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen vor, Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu sein. Die Durchsuchungen gehen weiter.

Eine verdächtigte Person wird nach der Ankunft in Karlsruhe von Polizeibeamten aus einem Polizeihubschrauber eskortiert [AP Photo/Michael Probst]

„Die festgenommenen Beschuldigten gehören zu einer spätestens Ende November 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen,“ heißt es in einer Erklärung des Generalbundesanwalts. „Den Angehörigen der Vereinigung ist bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kann. Hierzu zählt auch die Begehung von Tötungsdelikten.“

Bei den Festgenommen handelt es sich nicht um Neonazis mit Glatze und Springerstiefeln, sondern um Mitglieder der höheren Gesellschaft. Als mutmaßlichen Rädelsführer nennt der Generalbundesanwalt Heinrich XIII. Prinz Reuß, einen Frankfurter Immobilienmakler und Spross eines thüringischen Adelsgeschlechts, das 700 Jahre lang das Vogtland beherrschte, sowie den ehemaligen Fallschirmjägerkommandeur Rüdiger v. P., der den „militärischen Arm“ der Organisation leite.

Unter den Verhafteten befinden sich außerdem ein promovierter Rechtsanwalt, eine Ärztin, ein Pilot, ein klassischer Tenor, die Berliner Richterin und ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sowie weitere ehemalige Elitesoldaten, darunter der frühere KSK-Oberst Maximilian E.. Zu den durchsuchten Objekten gehört auch die Kaserne des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im baden-württembergischen Calw, die bereits ein Zentrum des rechtsterroristischen Hannibal-Netzwerks war.

Der Generalbundesanwalt wirft dem Terrornetzwerk, das er im Milieu der „Reichsbürger“ und der QAnon-Ideologie verortet, konkrete Putschpläne und weit fortgeschrittene militärische Vorbereitungen vor. Er stützt sich dabei auf Ermittlungen des Bundeskriminalamts, das die Beschuldigten seit Anfang September durch mehrere hundert Beamte observieren und abhören ließ. Auch Konten wurden durchleuchtet und Chatgruppen überwacht.

Ein „Rat“ unter dem Vorsitz von Reuß, so der Generalbundesanwalt, habe „sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen“. Reuß sei als künftiges Staatsoberhaupt vorgesehen, andere Mitglieder seien für verschiedene Ressorts – „Justiz“, „Außen“, „Gesundheit“ – zuständig.

Dem „Rat“ sei ein „militärischer Arm“ angegliedert, dessen Mitglieder zum Teil „in der Vergangenheit aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet“ hätten. „Diesem Teil der Vereinigung obliegt es, die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchzusetzen.“ Dies solle „über ein bereits im Aufbau befindliches System sog. ‚Heimatschutzkompanien‘“ bewerkstelligt werden.

Der Führungsstab des „militärischen Arms“ unter Leitung von Rüdiger v. P. habe sich „unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur, der Durchführung von Schießübungen sowie Plänen für die künftige Unterbringung und Verpflegung der ‚Heimatschutzkompanien‘“ befasst. Im „Fokus der Rekrutierungsbemühungen“ hätten „vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei“ gestanden. Zur Umsetzung dieses Ziels sei es im Sommer 2022 zu mehreren Treffen gekommen.

Nach den bisherigen Ermittlungen bestehe „zudem der Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Vereinigung konkrete Vorbereitungen getroffen haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen“. Als Vorbild diente dabei offenbar der Putschversuch Donald Trumps vom 6. Januar 2021.

Politiker und Medien feierten die Razzia gegen das Terrornetzwerk als Triumph der „wehrhaften Demokratie“ (Justizminister Marco Buschmann, FDP) und erfolgreichen „Einsatz zum Schutz unserer Demokratie“ (Innenministerin Nancy Faeser, SPD).

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die politisch selbst weit rechts steht, wertet den Schlag gegen die Gruppe als „Zeichen dafür, dass Vorwürfe abwegig sind, die Sicherheitsbehörden seien auf dem rechten Auge blind“. Ansonsten versucht sie abzuwiegeln. Diese Leute „ernst zu nehmen, wäre der Ehre zuviel,“ schreibt FAZ-Redakteur Jasper von Altenbockum. „Trotz der monströsen Absichten der Gruppe um ‚Heinrich XIII P.R.‘ sollte man dennoch die Kirche im Dorf lassen. Für einen Erfolg fehlte den Verschwörern jegliche Grundlage.“

In Wirklichkeit bestätigt die Gruppe, wie stark die Rechtsextremen und ihre Ideologie den Staatsapparat und die herrschenden Kreise durchdrungen haben und von diesen gedeckt werden.

Die Behauptung, die Gruppe sei erst vor einem Jahr entstanden, ist schlichtweg nicht glaubhaft. Zu offensichtlich sind ihre Verbindungen zur AfD, zur Reichsbürgerszene und zu Terrorgruppen wie dem Hannibal-Netzwerk, das die Sicherheitsbehörden trotz detaillierter journalistischer Enthüllungen weitgehend unbehelligt ließen.

Der Verfassungsschutz wurde acht Jahre lang von Hans-Georg Maaßen geleitet, der die AfD beriet, beschützte und ihre ausländerfeindliche Ideologie teilte. Das NSU-Trio konnte jahrelang ungestört morden, während es von Geheimdienst-Mitarbeitern umgeben war. Der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke entstammte dem NSU-Milieu und war den Behörden als vorbestrafter Rechtsextremer bekannt.

Auch der mutmaßliche Rädelsführer der ausgehobenen Gruppe ist kein Unbekannter. Die Sicherheitsbehörden rechnen den Prinzen aus dem Vogtland seit Jahren der Reichsbürger-Szene zu. „Seine Reden trieften nur so von antisemitischen, demokratiefeindlichen und verschwörerischen Aussagen,“ schreibt Die Zeit.

2019 hielt Reuss auf dem Züricher Worldwebforum einen vielbeachteten Vortrag, der ihn zum Star der rechtsextremen Szene machte. Er warf der jüdischen Familie Rothschild vor, sie habe Kriege und Revolutionen finanziert, um Monarchien zu beseitigen. Ziel des Ersten Weltkriegs sei es unter anderem gewesen, die „Verbreitung der jüdischen Bevölkerung voranzutreiben“.

Reuss steht im Verdacht, die rechte Terrorgruppe finanziert zu haben. 1998 ließ er Antiquitäten, Möbel, Schmuck und Gemälde im Wert von 3,5 Millionen Mark versteigern, die die Adelsfamilie nach dem Ende der DDR zurückerhalten hatte. Reuß führte auch zahlreiche Prozesse um die Rückgabe von Immobilien, Schlössern, Forst- und Landwirtschaftsbesitz der feudalen Herrscherfamilie, die er jedoch alle verlor.

Besonders deutlich zeigt der Fall von Birgit Malsack-Winkemann, wie Justiz und Sicherheitsbehörden Rechtsextreme beschützen. Die Richterin am Berliner Landgericht trat 2013 der AfD bei und wurde 2017 für diese in den Bundestag gewählt. Als sie 2021 ihr Mandat verlor und ins Richteramt zurückkehrte, versuchte die Berliner Justizverwaltung zunächst, sie aus dem Dienst zu entfernen. Doch das Richterdienstgericht urteilte für die Wiedereinsetzung der Rechtsextremistin.

Am 13. Oktober 2022, als das BKA längst wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Malsack-Winkemann ermittelte, entschieden die Richter laut Presseerklärung des Gerichts: „Die Versetzung einer Richterin in den Ruhestand setze eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtspflege voraus, die sich hier nicht feststellen lasse. … Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person der Richterin müsse in einem so hohen Maße Schaden genommen haben, dass deren Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheine; durch ein Verbleiben im Amt müsse zudem das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige und unvoreingenommene Justiz beeinträchtigt sein. Hierfür lägen keine hinreichenden Tatsachen vor.“

Auch dass Malsack-Winkemann Kontakt zum rechtsextremen „Flügel“ der AfD unterhielt, sich rassistisch über Flüchtlinge äußerte und im August 2020 an der Berliner Querdenker-Demo teilnahm, in deren Verlauf Rechtsextreme den Eingang zum Bundestag besetzten, beeindruckte die Richter nicht.

Die rassistische Hetze gegen Migranten bezeichne das Gericht als Entgleisungen, erklärt etwa der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano auf dem „Verfassungsblog“. „Allein wegen der in diesen Äußerungen hervortretenden ‚xenophoben Haltung‘ (das Gericht vermeidet das Wort Rassismus) könne ‚jedenfalls nicht schon auf eine verfassungsfeindliche Einstellung der Antragsgegnerin geschlossen werden‘.“

Das Richterdienstgericht ist Teil des Berliner Verwaltungsgerichts, das im November 2021 die Klage der Sozialistischen Gleichheitspartei gegen das Bundesinnenministerium zurückwies. Die SGP hatte verlangt, dass der Verfassungsschutz sie aus seinem jährlichen Bericht entfernt und nicht länger als „linksextremistisch“ diffamiert und mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht.

Das Gericht begründete seine Entscheidung gegen die SGP unter anderem damit, dass ihre Forderung „nach einer egalitären, demokratischen und sozialistischen Gesellschaft“ gegen das Grundgesetz verstoße. Deutlicher könnte es seine rechte und autoritäre Gesinnung nicht zeigen. AfD-Politik und Rassismus sind mit der Verfassung vereinbar, die Forderung nach einer demokratischen und sozialistischen Gesellschaft dagegen nicht!

Letztlich ist die Rechtswendung der herrschenden Klasse, die sich auch in Italien, den USA und vielen anderen Ländern zeigt, eine Reaktion auf die tiefe Krise des kapitalistischen Systems. Auf die Zuspitzung sozialer Spannungen und die Verschärfung des Klassenkampfs reagieren die Herrschenden wie vor 90 Jahren mit Militarismus und Diktatur. So wie sie in der Ukraine mit faschistischen Kräften zusammenarbeiten, um ihren Stellvertreterkrieg gegen Russland zu führen, bauen sie hier systematisch rechtsextreme Netzwerke im Staatsapparat auf, um jeden Widerstand gegen ihre rechte Politik zu unterdrücken.

Die Verhaftung von zwei Dutzend Rechtsextremisten ändert daran nichts. Auch in der Weimarer Republik klopfte der Staat den Nazis von Zeit zu Zeit auf die Finger. Doch als sich die Lage 1933 zuspitzte, stimmten alle bürgerlichen Parteien für Hitlers Ermächtigungsgesetz. Nur eine unabhängige, sozialistische Offensive der Arbeiterklasse kann die Rechtsextremen stoppen.

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