Schweden will Militärhaushalt bis 2028 um 64 Prozent erhöhen

Schweden plant seinen Etat für Verteidigung und Sicherheit zwischen 2022 und 2028 um 64 Prozent zu erhöhen. Dies wurde im November im Rahmen eines Haushaltsentwurfs vorgeschlagen. Damit würde das kleine Land bis 2028 etwa zwölf Milliarden Dollar pro Jahr für Verteidigung ausgeben.

US-Marines und schwedische Schützenpanzer-Infanteristen während der gemeinsamen Übung BALTOPS 22 [Photo: US Marines]

Dieser Vorschlag, das Rüstungsbudget aufzustocken, folgt auf den Antrag Finnlands und Schwedens im Mai, der Nato beizutreten. Dem Beitritt haben bisher die Türkei und Ungarn nicht zugestimmt. Indessen hat die Türkei das Veto, das sie zunächst gegen den Beitritt der beiden skandinavischen Staaten eingelegt hatte, im Juni wieder zurückgezogen.

Der Krieg in der Ukraine entwickelt sich immer schneller zu einem direkten Konflikt zwischen den USA und ihren Nato-Verbündeten auf der einen und Russland auf der anderen Seite. Die herrschende Elite Schwedens kann nun Putins reaktionären Überfall auf die Ukraine nutzen, um den seit langem bestehenden Widerstand gegen Krieg in der Bevölkerung zu überwinden. Sie baut die Streitkräfte deutlich aus und schließt sich den imperialistischen Nato-Mächten an.

Wenige Wochen, ehe Schweden die Erhöhung seines Militäretats ankündigte, war eine neue rechte Regierungskoalition an die Macht gekommen. Sie stützt sich auf die rechtsextremen Schwedendemokraten, die aus der schwedischen Neonazi-Bewegung hervorgegangen sind und heute die zweitgrößte Partei im Parlament stellen.

Wenige Tage nach der Ankündigung der massiven Erhöhung des Verteidigungshaushalts unterzeichnete Schweden ein Militärhilfspaket für die Ukraine im Wert von 287 Millionen Dollar, das alle bisherigen Hilfen in der Vergangenheit übersteigt.

Der schwedische Verteidigungsminister, Pål Jonson, von den rechten Gemäßigten erklärte, das Hilfspaket beinhalte „Luftverteidigungswaffen und Winterausrüstung, weil die Ukrainer genau das brauchen“. Als „oberste Priorität“ seines Amtes bezeichnete er es, „die wirtschaftliche, militärische, politische und humanitäre Unterstützung für die Ukraine zu verstärken, und dazu gehört auch die Lieferung von moderneren Waffensystemen“.

Die Nato-nahe internationale Rüstungsindustrie reagierte auf diese massive Erhöhung der schwedischen Militärausgaben mit Begeisterung.

Defense News schrieb: „Tage nachdem Schweden sein bisher größtes Militärhilfspaket für die Ukraine angekündigt hat, berufen sich führende Vertreter seines Verteidigungsministeriums auf diesen Beitrag des nordeuropäischen Staats als ein Beispiel dafür, was man von Stockholm wird erwarten können, wenn es erst Nato-Mitglied sein wird.“

Weiter hieß es: „Die Aufstockung der Hilfslieferungen, von tragbaren Panzerabwehrwaffen bis hin zu schweren Flugabwehrsystemen, war nur der jüngste Schritt in einer schwindelerregenden Reihe von Veränderungen, die Schweden nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februarvollzogen hat. Nach 200 Jahren Blockfreiheit ist Schweden nun ein Nato-Anwärter, was eine schnelle Umgestaltung seiner Verteidigungsstrategie und – seitens seiner neuen Mitte-Rechts-Regierung – eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben erfordert.“

In der globalen Rüstungsindustrie spielt Schweden schon lange eine wichtige Rolle.

Die Familie Nobel, die ihren Reichtum aus dem Besitz an russischen Ölfeldern und Bergwerken bezog, wurde vor allem durch Alfred Nobel, den Erfinder des Dynamits, bekannt. Zum Zeitpunkt seines Todes verfügte sein Unternehmen weltweit über 90 Fabriken, die Sprengstoff und Munition herstellten.

Im 20. Jahrhundert hat Schweden eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Panzerabwehrwaffen gespielt. Der Raketenwerfer der Carl-Gustaf-M-Serie, der heute von Saab hergestellt wird, ist eine der am häufigsten verwendeten tragbaren Panzerabwehrwaffen.

Verteidigungsminister Jonson verwies in seiner Pressekonferenz zum Militärhaushalt auf die wichtige Rolle Schwedens in der globalen Rüstungsindustrie: „Kein anderes Land mit zehn Millionen Einwohnern kann U-Boote, Überwasserkampfschiffe, moderne Artilleriesysteme, Kampffahrzeuge und Kampfflugzeuge herstellen ... Dafür, dass wir ein recht kleines Land sind, haben wir eine sehr dynamische Rüstungsindustrie.“

Saab, Schwedens größtes Rüstungsunternehmen, verzeichnete vor kurzem einen Anstieg seiner Quartalsgewinne um 13,6 Prozent. Der Vorstandsvorsitzende Micael Johansson erklärte auf einer Pressekonferenz: „Wir erleben in Europa und anderswo eine mehrjährige Wachstumschance, die zumindest bis 2030 anhalten wird.“

Schweden arbeitet faktisch schon seit Jahren eng mit der Nato zusammen und ist an ihr beteiligt. Stockholm ist seit dem Zweiten Weltkrieg ein enger Verbündeter der USA, und seine angebliche „Neutralität“ wird durch die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem US-Militär und den Geheimdiensten während des Kalten Kriegs und des Kriegs gegen den Terror widerlegt. Schweden war zudem an den Kriegen im Irak, in Afghanistan und Libyen beteiligt.

Schweden hat sich außerdem schon vor seinem formellen Aufnahmeantrag jahrelang an Nato-Militärübungen beteiligt. Es hat immer eine wichtige Rolle bei BALTOPS gespielt, der jährlichen Nato-Übung Baltic Operation, die seit 1985 stattfindet. Dieses Jahr war Schweden der Gastgeber.

Das gesamte politische Establishment unterstützt Schwedens Einbindung in das von den USA geführte Militärbündnis, wie auch die massive Erhöhung der Militärausgaben. Zwar wird der jüngste Etat von einer rechten Regierung umgesetzt, aber die vorherige sozialdemokratische Regierung hat schon 2014 mit einer deutlichen Erhöhung der Verteidigungsausgaben begonnen und 2017 die Wehrpflicht wieder eingeführt. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson hat den von den USA und der Nato provozierten russischen Überfall auf die Ukraine genutzt, um Stockholms Aufnahmeantrag in die Nato durchzusetzen. Die ex-stalinistische Linkspartei hat die Lieferung von Militärgerät an die Ukraine unterstützt und in der Debatte um Schwedens Nato-Mitgliedschaft Nationalismus und Militarismus geschürt.

Schwedens deutliche Erhöhung der Militärausgaben erfolgt in einer Situation, in der die imperialistischen Großmächte ihre Militäretats auf ein beispielloses Niveau steigern. Alleine in der letzten Woche haben die USA, Deutschland und Japan Pläne für neue massive Erhöhungen der Militärausgaben angekündigt. Das zeigt, wie weit die Vorbereitungen auf den Dritten Weltkrieg fortgeschritten sind. Schweden könnte in einem solchen Krieg zum Frontstaat werden, da es zusammen mit Finnland eine Nordfront der Nato gegen Russland eröffnen könnte.

Im Haushaltsentwurf der schwedischen Regierung werden die Militärausgaben alleine im Jahr 2023 um 800 Millionen Dollar steigen. Davon soll u.a. eine Erhöhung der Truppenstärke finanziert werden. Seit dem Herbst sind die U-Bahnstationen in Stockholm mit Werbung für die schwedischen Streitkräfte zugepflastert. Der Etat sieht auch mehr Geld für Cyberabwehr, Geheimdienst und neue Waffen vor.

Wenige Wochen nach der Bekanntgabe des neuen Etats hat der schwedische Geheimdienst (SAPO) in Stockholm eine Razzia mit Black-Hawk-Hubschraubern, ausgeliehen vom Militär, durchgeführt. AP schrieb dazu: „Die Behörden haben wenige Details über den Fall bekanntgegeben, doch die schwedischen Behörden zitierten Zeugen, die beschrieben, wie sich Eliteeinheiten der Polizei an zwei Black-Hawk-Hubschraubern abseilten, um ein Paar zu verhaften, das angeblich für Russland spioniert haben soll.“

Anfang November wurden zwei gebürtige Iraner unter dem Vorwurf der Spionage für das russische Militär verhaftet. Einer von ihnen war zuvor Mitglied des schwedischen Geheimdienstes SAPO gewesen.

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