Kernfusion: US-Energieministerium verkündet erfolgreiche Zündung

Am Dienstag vorletzter Woche gaben das US-Energieministerium (Department of Energy, DOE) und die US-amerikanische Nationale Behörde für nukleare Sicherheit NNSA in einer gemeinsamen Pressemitteilung bekannt, dass Wissenschaftlern der National Ignition Facility (NIF) eine kontrollierte Kernfusionsreaktion gelungen ist, die zu einem Nettoenergiegewinn führte. Aus den Daten der Anlage geht hervor, dass 2,05 Megajoule (Mj) an zugeführter Energie – knapp 0,6 Kilowattstunden – verwendet wurden, um 3,15 Mj an ausgegebener Fusionsenergie zu erzeugen.

Diese Vorverstärker in der National Ignition Facility stellen die Energie bereit, die notwendig ist, damit die Laser der Anlage die Kernfusion einleiten können [Photo: Lawrence Livermore National Laboratory]

Um diese Ergebnisse zu erzielen, brachten die Kernphysiker der NIF 192 kugelförmig angeordnete Laser zum Einsatz, die auf ein Zielgefäß mit einer Länge von einem halben Zentimeter gerichtet waren. Die Kapsel (Target) enthält Deuterium und Tritium, zwei schwere Isotope des Elements Wasserstoff. Im Target trifft ein extrem kurzer und starker Lichtimpuls ein, der eine symmetrische Explosion um den im Inneren gelegenen Wasserstoffbrennstoff erzeugt, wodurch dieser implodiert und auf die extremen Bedingungen erhitzt wird, unter denen die Kernfusion stattfindet.

Dieser Prozess, Wasserstoff zu Helium zu „verbrennen“, treibt Sterne wie unsere Sonne über Milliarden Jahre hinweg an – die NIF erzeugt Fusionsbedingungen jedoch nur für 100 Billionstel einer Sekunde: Sie erreicht Temperaturen und Druckwerte, die zehnmal höher sind als diejenigen im Zentrum der Sonne und fusioniert in diesem Augenblick eine beträchtliche Menge ihres Brennstoffs. Die Implosion des Stoffs erzwingt seine Zündung und setzt die Kernfusion in Gang – den Prozess, durch den die Sonne und alle Sterne leuchten.

Diese Leistung wird als wissenschaftlicher Break-even bezeichnet: Die durch die Implosion erzeugte Energie ist größer oder gleich der auf die Kapsel übertragenen Energie.

Die Nachricht markiert einen der wichtigsten Meilensteine seit der Gründung der NIF im Jahr 1997. Sie wurde als Segment des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) entwickelt, um die Kernfusionsmethode der so genannten Trägheitsfusion zu untersuchen. Der Bau wurde 2009 abgeschlossen, und seither hat die NIF Experimente durchgeführt, die zu den jüngsten Ergebnissen geführt haben.

Eine der Hauptschwierigkeiten der Trägheitsfusion besteht darin, dass die Laser das Ziel in einem exakt sphärisch symmetrischen Muster treffen müssen, da sonst die für die Fusion erforderliche präzise Implosion entweder nicht stattfindet oder nur geringe Energiemengen erzeugt werden. Noch 2018 konnte die NIF nur 54 Kilojoule Energie erzeugen, ein 58 Mal geringerer Wert als der aktuelle.

Ein großer Durchbruch gelang im vergangenen Jahr, als die Wissenschaftler neue Techniken entwickelten, um die Symmetrien und Asymmetrien des Systems besser zu beherrschen. Dies führte im Vergleich zu den Ergebnissen von 2018 zu einer 25-mal höheren Energieausbeute. Zwar gelang den Forschern damals noch nicht der wissenschaftliche Break-even, doch sie erreichten 70 Prozent dieses Ziels. Die Ankündigung von vorletzter Woche ist das Ergebnis einer weiteren Verfeinerung dessen, was im vergangenen Jahr entwickelt wurde.

Techniker und Ingenieure führen Reparaturen in der Kammer durch, in der das Target aus Deuterium und Tritium von 192 Lasern getroffen und die Kernfusion gezündet wird [Photo: US Department of Energy]

Obwohl der wissenschaftliche Durchbruch ein wichtiger Erfolg auf dem Weg zu kontrollierter Kernfusion ist, so ist er noch nicht das Wundermittel für saubere und endlose Energie zur Beendigung und Umkehrung des Klimawandels, als das er in den bürgerlichen Medien dargestellt wird. Es müssen noch viele Hürden genommen werden, um den so genannten technischen Break-even zu erreichen. Das Hauptproblem ist, dass die von der NIF verwendeten Laser ineffizient sind. Nur etwa 0,5 Prozent der den Lasern zugeführten Gesamtenergie wird tatsächlich an das Target abgegeben, um die Kernfusion zu entfachen.

Mit anderen Worten: Um die Trägheitsfusion als Energiequelle für Industrie, Gewerbe und Privathaushalte wirklich in Betracht zu ziehen, müsste die Energieausbeute mehr als 240 Mal so hoch sein wie nun gemeldet. Weitere Effizienzbetrachtungen bezüglich der Umwandlung der erzeugten Energie in Strom sind darin noch gar nicht berücksichtigt.

Der Trägheitseinschluss wird im Allgemeinen nicht als diejenige Methode angesehen, auf der ein Kernfusionskraftwerk beruhen wird. Die wahrscheinlichere Strategie ist ein Tokamak-Reaktor – ein Begriff, der 1957 durch den sowjetischen Wissenschaftler Igor Golovin geprägt wurde und je nach russischer Transliteration entweder für Ringkammer mit Magnetspulen oder Ringkammer mit axialem Magnetfeld steht. Das Konzept beruht auf dem Einsatz von Magnetfeldern, um superheißes Plasma in eine toroidale (donutähnliche) Form zu bringen und zu komprimieren.

Seit sie in den 1950er Jahren erstmals theoretisch behandelt wurden, sind dutzende Tokamak-Reaktoren gebaut worden – wobei jede Generation auf den technischen und physikalischen Erkenntnissen der vorangegangenen aufbaute. Die Tendenz geht zu immer größeren Tokamaks, um die Effizienz zu steigern und den wissenschaftlichen Break-even zu erreichen. Die Kosten sind jedoch von Generation zu Generation stets deutlich größer geworden. Der bislang erfolgreichste Tokamak war der fast eine halbe Milliarde Dollar teure Joint European Torus (JET), der 1983 in Betrieb genommen wurde und noch immer für Fusionsstudien verwendet wird. Sein erfolgreichstes Experiment fand erst im vergangenen Jahr statt, als er fünf Sekunden lang in Betrieb war und etwa ein Drittel der Leistung des wissenschaftlichen Break-even erreichte.

Der rund 20 Milliarden Dollar teure Tokamak ITER, der in den nächsten drei Jahren in Betrieb genommen werden soll, wird voraussichtlich eine mindestens sechsmal höhere Energieproduktion als das NIF-Ergebnis liefern. ITER ist ein internationales Gemeinschaftsprojekt, das seit 1979 entwickelt wird und an dem China, die Europäische Union, Indien, Japan, Russland, Südkorea und die Vereinigten Staaten personell und finanziell beteiligt sind. Das Projekt wurde im Hinblick auf Kosten, Umfang, Komplexität und Zielsetzung mit dem Large Hadron Collider und der Internationalen Raumstation verglichen.

Das Nachfolgeprojekt von ITER, „DEMO“, ist bereits im Gespräch. Doch die internationale Zusammenarbeit, die bei ITER fortgesetzt wird, ist unter der immer tieferen Weltkrise und angesichts des Wettbewerbsvorteils eines Nationalstaats, der die Details einer funktionierenden Demonstrationsanlage in der Hand hätte, weitgehend zusammengebrochen. Da die US-amerikanische Nationale Akademie der Wissenschaften im Jahr 2019 eine auf „privatwirtschaftlichen Unternehmen“ beruhende Entwicklungsstrategie skizziert hat, sind die künftigen Kosten und Zeitpläne nun dem kapitalistischen System unterworfen und nicht von einem wissenschaftlichen Plan bestimmt.

Die Forschung an der NIF weist im Vergleich zu Tokamak-Reaktoren außerdem einen zutiefst militaristischen Aspekt auf. In großem Maßstab wurde Kernfusion durch Implosion erstmals 1952 erreicht, nachdem Präsident Harry Truman als Reaktion auf den ersten Atombombentest der Sowjetunion im Jahr 1949 die Entwicklung der Wasserstoffbombe angeordnet hatte. Die einzige Möglichkeit, die notwendigen physikalischen Bedingungen für die Fusion zu schaffen, war der Einsatz einer Kernspaltungsbombe, wie sie 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurde, um die Fusionsreaktion in Gang zu setzen und eine thermonukleare Detonation auszulösen.

Der erste Großversuch mit einer solchen Konstruktion war der Test „Ivy Mike“, eine Explosion mit 10,4 Megatonnen. Seitdem ist die unkontrollierte Kernfusion die Grundlage jeder seither entwickelten Kernfusionswaffe.

Der Atompilz des weltweit ersten Tests eines thermonuklearen Sprengkörpers, genannt Ivy Mike, über dem Enewetak-Atoll auf den Marshallinseln, 1. November 1952 [AP Photo/Los Alamos National Laboratory]

Die weitere Erforschung und Herstellung dieser Waffen war der Grund, weshalb das Lawrence Livermore National Laboratory überhaupt errichtet wurde. Während des Kalten Krieges spielte der Forschungskomplex bei der Entwicklung zahlreicher Kernwaffen eine Schlüsselrolle, die er auch heute noch spielt. Das Labor dient zudem der Instandhaltung und Überholung des Atomwaffenarsenals des US-Militärs.

Daneben betreibt das LLNL umfangreiche Forschung an den physikalischen Eigenschaften von Plutonium, um bessere Spaltbomben zur Zündung von Fusionssprengköpfen zu entwickeln. Eine dieser Methoden besteht darin, die Laseranordnung für die Erzeugung von Fusionsenergie zu nutzen, um Plutonium zu implodieren. Dies ist eine Möglichkeit, Atomexplosionen zu untersuchen und zu verfeinern – ohne Kernwaffen zu zünden, was durch zahlreiche internationale Verträge verboten ist.

Derlei Forschung macht deutlich, dass die jüngste Erfolgsmeldung der NIF nicht auf neue Energiequellen für den allgemeinen Gebrauch abzielt, sondern auf neue und vernichtendere Möglichkeiten, Menschenleben zu nehmen. Die Forschung an der Kernfusionsenergie zeigt, dass sie ein mächtiges Werkzeug sein kann, um die Abhängigkeit der modernen Zivilisation von fossilen Brennstoffen zu beenden – doch sie wird nur dann frei in diese Richtung entwickelt werden können, wenn die Unterordnung dieser Forschung unter imperialistische Interessen beendet wird.

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