Streikende britische Arbeiter erklären bei den Kundgebungen:

„Das Recht zu wählen und das Recht auf Streik ist das einzige, was wir haben.“

Reporter der WSWS sprachen am Mittwoch während der landesweiten Streiks von 500.000 Arbeitern mit Teilnehmern der Streiks und Proteste. Tausende beteiligten sich auch an den Kundgebungen, zu denen der Trades Union Congress unter dem Motto „Protect the Right to Strike“ (Schützt das Streikrecht) aufgerufen hatte.

Leeds

Zarah, eine Englischlehrerin, erklärte: „Die Bezahlung ist für mich nicht das wichtigste Thema. In allen Schulen, in denen ich gearbeitet habe, ist es völlig normal, dass die Lehrer zu viel arbeiten müssen, 50 bis 60 Stunden pro Woche. Die Belastung ist unglaublich hoch. Viele haben psychische Probleme.“

Zarah (rechts) (Foto: WSWS)

Sie sagte weiter: „Ich persönlich möchte in die Bildungspolitik gehen. Langfristig muss es im Bildungswesen riesige Reformen geben. Jetzt momentan ist die Bezahlung eine Möglichkeit, die Lage zu korrigieren. In Großbritannien gibt es mehr qualifizierte Lehrkräfte außerhalb der Schulen als in den Schulen.“

Lisa arbeitet als Reinigungskraft bei DHL, bekommt den Mindestlohn und schafft es mit Mühe, eine Familie durchzubringen.

Lisa bei der Kundgebung in Leeds (Foto: WSWS)

„Es müssen sich alle zusammentun gegen die Regierung und gegen das, was sie versucht, um uns Proteste zu verbieten und das Recht auf Streik zu nehmen. Ich bin für einen Generalstreik. Sie machen die Reichen reicher und die Armen ärmer und ziehen uns das Geld aus der Tasche. Wir leben von einer Woche zur nächsten und die Preise steigen, aber die Löhne nicht annähernd so stark. Heute geht es mir schlechter als vor 15 Jahren. Wie viele Stunden sollen wir eigentlich arbeiten?“

Jennifer erklärte: „Ich bin momentan Vertretungslehrerin. Ich bin ausgebildete Mathematiklehrerin und ich gehöre ich zu dem Fünftel, das wegen der Belastung aus dem Beruf raus geht. Es ging so weit, dass ich es nicht mehr geschafft habe, morgens ins Klassenzimmer zu gehen oder auch nur aufzustehen, weil einfach zu viel von mir verlangt wurde.“

Jennifer (Photo: WSWS)

„Die Streiks zeigen, dass die Regierung den öffentlichen Dienst völlig unterfinanziert und seine Grundlagen zerstört hat“, fügte sie hinzu. „Das trifft die Arbeiterklasse wirklich hart. Die Banker sind diejenigen, die uns in die Rezession gestürzt haben. Jetzt bekommen sie ihre Boni, und für uns sinkt die Lebensqualität, weil sie nicht bereit sind, uns das zu zahlen, was wir verdienen.“

Sheffield

Bei der Demonstration und der Kundgebung in Devonshire Green in Sheffield erklärte der Vertretungslehrer Gwilym aus Staveley, Chesterfield: „Ich bin für einen Generalstreik gegen diese Regierung. Das Streikgesetz ist eine gefährliche Übung in diktatorischer Macht. Dieses Land hat schon jetzt die aggressivsten Anti-Streikgesetze der G7-Staaten.“

Gwilym (Foto: WSWS)

„Ich habe wenig Vertrauen in den TUC und die Labour Party“, erklärte sie weiter. „Eine ,Arbeiterbewegung‘ ohne politische Vertretung ist nicht möglich. Die Antwort auf das, womit die Arbeiter im 20. Jahrhundert im Kapitalismus konfrontiert sind, ist nicht die Rückkehr zum Korporatismus der 1970er. Es sollte nicht darum gehen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten oder Druck auf sie auszuüben. Sie haben auf den Druck reagiert, indem sie versucht haben, uns das Streikrecht zu nehmen.“

Gwilym fuhr fort: „Statt getrennte wirtschaftliche Kämpfe zu führen, brauchen wir politische Forderungen und müssen jede Kapitulation ablehnen. Zu diesen Forderungen sollte Demokratie in den Betrieben und die Kontrolle über die Wirtschaft gegen die Profitinteressen der Reichen und der Konzerne gehören. Wir sollten uns mit den Arbeitern im Ausland verbünden, die mit den gleichen Problemen konfrontiert sind.“

Gemma, die als Lehrerin an der Schule High Storrs arbeitet, erklärte: „Für mich geht es bei diesem Streik um die Zukunft des Lehrerberufs. Es gibt eine Krise bei der Neueinstellung und der Bindung von Arbeitskräften und die Kinder werden im Stich gelassen.“

Gemma (Foto: WSWS)

„Ich habe die [Lehrergewerkschaft] NASUWT verlassen und bin der [Gewerkschaft] NEU beigetreten, damit ich streiken kann“, sagte Gemma weiter. „Die Regierung will uns unser demokratisches Recht auf Streik wegnehmen, aber das ist der einzige Weg, uns Gehör zu verschaffen.“

Gemma fuhr fort: „Mein Lieblingszitat aus V wie Vendetta ist: ,Das Volk sollte keine Angst vor seiner Regierung haben. Die Regierung sollte Angst vor ihrem Volk haben.‘ Wenn man Angst vor seiner Regierung hat, ist es Zeit zu handeln.“

„Die Regierung sagt, sie könne nicht mehr Geld für Bildung aufbringen, aber für fehlerhafte Schutzausrüstung wurden Milliarden ausgegeben“, sagte sie. „Es ist in Ordnung, wenn das Geld in die Taschen ihrer Sponsoren und Hintermänner geht, aber nicht in die künftige Bildung von Kindern.“

Robert, der Kunst und Design lehrt, erklärte: „Ich habe 20 Jahre im Bildungswesen gearbeitet und die Veränderungen von den Blair-Jahren bis hin zum ,Zeitalter der Sparmaßnahmen‘ miterlebt. Die Bedingungen werden jedes Jahr härter.“

„Unsere letzte Gehaltserhöhung war vor vielen Jahren“, meinte er. „Das Angebot einer Erhöhung um ein oder zwei Prozent sehe ich nicht als echte Erhöhung, weil das im Vergleich zur Inflation eine reale Gehaltskürzung bedeutet.“

„Die Schulen haben Probleme, Stellen zu besetzen, weil es immer weniger neue qualifizierte Lehrkräfte gibt, vor allem in Fächern wie Mathematik und Naturwissenschaften“, fuhr Robert fort. „Es gibt zu viele Lehrkräfte, die diese Fächer unterrichten müssen und nicht entsprechend ausgebildet sind.“

„Die fehlende Finanzierung im Schulsystem hält die Leute fern. In der Privatwirtschaft gibt es bessere Gehälter und Karrierechancen“, erklärte er zu den Gründen.

„Das neue Anti-Streikgesetz ist widerlich und typisch für diese Regierung“, sagte er wütend. „Sie haben den Kontakt zur Bevölkerung verloren.“

Helen, eine Sozialarbeiterin für Erwachsene mit Lernbehinderungen, erklärte: „Es ist höchste Zeit, dass wir etwas gegen die Angriffe auf die Arbeiter unternehmen. Wir müssen so viele Leute auf die Straße bringen wie möglich, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.“

„Die Leute haben Angst davor, wohin die Kürzungen beim NHS führen werden“, erklärte sie. „Es muss etwas dagegen unternommen werden. Ich bin gegen die Tories, und ich bin gegen Sparmaßnahmen. Wir hatten zwölf Jahre Misswirtschaft, die uns zu diesen Massenstreiks gezwungen hat. Ich hoffe, dass jetzt die Zeit ist für Veränderungen.“

„Ich arbeite seit 1996 im Sozialdienst“, berichtete sie. „Ich habe erlebt, welche Auswirkungen die Mittelkürzungen der lokalen Behörden auf die Pflegeleistungen haben: Es gibt keine Pflegeteams mehr, Tagesdienste schließen und Pflegeeinrichtungen werden aufgelöst. Wir machen nur noch Krisenintervention, und es ist beängstigend, wie massiv die Auswirkungen auf schutzbedürftige Menschen sind.“

„Das neue Anti-Streikgesetz wird die Lage noch schlimmer machen“, meinte Helen. „Sie behaupten, es ginge um Sicherheit, aber wir wissen, das ist nicht das wirkliche Problem. Es geht darum, Streiks und Streikposten zu verhindern. Es richtet sich zuerst gegen die starken Gewerkschaften wie die der Pflegekräfte, Eisenbahner und Feuerwehrleute, aber dann werden die Gesetze ausgedehnt werden.“

„Die Labour Party ist keine echte Opposition gegen die Tories und Starmer hat die Streikenden nicht unterstützt“, erklärte sie abschließend.

Manchester

In Manchester versammelten sich Tausende von Demonstranten auf dem St. Peter's Square. Rebecca, eine Grundschullehrerin, erklärte: „Wenn wir Kinder mit besonderem Förderbedarf haben, von denen jedes einen eigenen Betreuer brauchen könnte, ist kein Geld da. Wir standen heute morgen auf Streikposten vor der Schule und haben Flugblätter verteilt, in denen die Probleme in mehreren Sprachen geschildert wurden.“

Rebecca (Foto: WSWS)

Daisy, eine Grundschullehrerin, erklärte: „Die Tories lassen alle über die Klinge springen, zerstören jede Möglichkeit für uns, vernünftig zu arbeiten und unseren Job zu machen. Ihnen geht es nur um sich selbst, sie kümmern sich nur um sich.“

Daisy (Foto: WSWS)

Josceline, eine Vorschullehrerin in einer Grundschule, erklärte: „Wir warten darauf, dass die Gewerkschaft alle zum Ausstand aufruft. Alle sollten streiken.“

Josceline und Jan (zweite und dritter von links) (Foto: WSWS)

Jan, ebenfalls Grundschullehrerin, erklärte: „Der Streik sorgt für so große Störungen, weil unser Beruf so wichtig ist. Wir werden manchmal wie Babysitter behandelt, aber wenn wir tatsächlich Babysitter wären, bekämen wir wahrscheinlich mehr Geld, weil Kinderbetreuung unglaublich teuer ist!“

Leicester

Bei einer Versammlung von Streikenden auf dem Jubilee Square erklärte ein Lehrer: „Ich habe einfach das Gefühl, dass Lehrer nicht mehr unterstützt oder wertgeschätzt werden. Die Pandemie hat gezeigt, dass es nur darum ging, die Kinder in die Schule zu bekommen, und wir sind zu Kinderbetreuern und Sozialarbeitern geworden. Aber unsere Arbeitsbelastung hat zugenommen. Alle, die ich kenne, arbeiten nachts und an Wochenenden. Es geht nicht nur um die Bezahlung, sondern auch darum, dass man sich fragt: ,Warum kämpfe ich? Ich bin seit 27 Jahren Lehrer, und ich habe erlebt, wie in den Schulen die Stimmung schlechter wird.‘“

Prashan Raja, Mitglied der PCS, arbeitet bei der Grundbuchbehörde und erklärte: „Unter der Tory-Regierung gab es umfangreiche Kürzungen. Während die Lebenshaltungskosten steigen, werden unsere Gehälter nicht ansatzweise so stark erhöht. Es gab heute eine gute Beteiligung, viele unterschiedliche Gewerkschaften waren da. Deswegen glaube ich, wir sollten gemeinsam mit allen anderen Gewerkschaften auftreten.“

Bristol

Bei der Kundgebung in Bristol erklärte der Lehrer Pete: „Es herrscht eine unglaubliche Selbstgefälligkeit darüber, dass das ganze Bildungssystem vom guten Willen der Lehrer abhängt, dass sie noch einen Schritt weitergehen, an Abenden und am Wochenende arbeiten, etc.

Die Lehrer machen das, weil uns die Zukunft unserer Kinder am Herzen liegt, aber das wird als selbstverständlich angesehen. Man wird nur als etwas gesehen, das man ausquetschen kann, aber nicht als ausgebildeter, fürsorglicher Profi.“

Eine Lehrerin fügte hinzu: „Wir haben seit zwölf Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen, und wir haben 0,1 Prozent aus dem Budget von Schulen ohne finanzielle Ausstattung erhalten, aber wir wollen nicht, dass unser Geld den Kindern weggenommen wird.

Schaut euch an, wer alles streikt, das ganze Land streikt. Der Regierung ist es egal. Sie sind reich genug, sie wissen nicht, wie das Leben normaler Menschen aussieht. Deshalb brauchen wir eine neue Regierung. Wir haben hier Feuerwehrleute, Leute von Unite, alle Lehrer, andere Streikende, Ärzte in Ausbildung, die Eisenbahner, Pflegekräfte, das ganze Land kommt zum Erliegen. Eine Industrienation, in der die Wirtschaft schrumpft, während alle andern wachsen. Aber der Regierung geht es gut, sie ist total korrupt. Ich glaube, wir bewegen uns auf einen Generalstreik zu. Wir müssen abwarten, was passiert.“

Raquel, eine Hilfslehrerin, erklärte: „Es geht nicht nur ums Geld. Wir brauchen mehr Personal, mehr Mittel. Manchmal zahlt man Sachen aus der eigenen Tasche. Es wird immer schlimmer, und das ist meiner Meinung nach ein globales Problem. Aber vor allem im Vereinigten Königreich haben wir so viele Rechte, für die wir gekämpft haben und die man uns jetzt wegnimmt. Diese Anti-Streikgesetze sind so schrecklich. Das ist das einzige, was wir haben: das Recht zu wählen und das Recht zu streiken. Was wollen sie uns noch wegnehmen?

Raquel (Photo: WSWS)

Ich komme aus Spanien, dort ist es erlaubt, Generalstreiks zu veranstalten, an denen alle teilnehmen. Das Gesundheitswesen ist zum Beispiel nicht nur für die darin Beschäftigten da, sondern für alle. Deshalb müssen wir es schützen. Überall werden die Gesundheitssysteme privatisiert. Wir sind keine Kunden, sondern Patienten.“

Ein Streikender aus dem öffentlichen Dienst erklärte: „Alles unterhalb der Inflationsrate ist keine Lohnerhöhung, sondern eine Lohnsenkung. Ich habe Kollegen, die wegen ihrer Tarifverträge weniger als den Mindestlohn bekommen, wenn dieser erhöht wird. Ich halte das nicht für fair.“

Loading