Tschechien: Ehemaliger NATO-General wird Staatspräsident

Ende Januar gewann Petr Pavel die Stichwahl für das Amt des tschechischen Staatspräsidenten. Der frühere NATO-General gilt als eifriger Kriegstreiber gegen Russland. Wie die rechte Regierung von Petr Fiala tritt er für eine Verschärfung des Konflikts mit Russland im Ukraine-Krieg ein.

Petr Pavel am Ende seiner Amtszeit als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses 2018 [Photo by NATO / flickr / CC BY-ND 2.0]

Die bisherigen Waffenlieferungen an die Ukraine gehen Pavel nicht weit genug. In dieser Frage sehe er „wirklich keinen Grund, Grenzen zu setzen“, so der Militär gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Der Westen solle der Ukraine alle Waffentypen außer atomaren zur Verfügung stellen.

„Die Ukraine kann einen so harten Gegner nicht ohne Panzer, Drohnen, Artillerie und Raketen mit größerer Reichweite bekämpfen, und vielleicht auch nicht ohne Überschallflugzeuge“, erklärte Pavel. Recht offen kritisierte er europäische Länder, die seiner Ansicht nach nicht genügend schweres Kriegsgerät an die Ukraine liefern. Es sei „mehr Mut“ zur Lieferung moderner Waffen erforderlich. In diesem Zug forderte er auch die Lieferung von F-16-Kampfjets. Ebenso müsse die Ukraine schnellstmöglich der Nato beitreten.

Seiner Ansicht nach hätten westliche Regierungen unmittelbar nach der Abspaltung des Donbas entschiedener reagieren, sprich militärisch eingreifen müssen. Offen redet er einer direkten Intervention von Nato-Bodentruppen gegen Russland das Wort. So wäre er mit dem Einsatz von Nato-Soldaten zum Schutz humanitärer Korridore und mit einer Flugverbotszone einverstanden, erklärte Pavel.

Auch gegenüber China betätigt er sich als Scharfmacher. Kaum gewählt telefonierte Pavel mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen und lud sie zu einem persönlichen Treffen ein. Tschechien unterstützte bisher offiziell die Ein-China-Politik und unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan.

Der Ukrainekrieg war das zentrale Thema der Präsidentschaftswahl. Die aus den Sanktionen gegen Russland resultierenden massiven Preissteigerungen treffen die Bevölkerung so hart wie kaum ein anderes Land der EU mit Ausnahme der baltischen Staaten.

Unter breiten Schichten der Bevölkerung findet die Kriegspolitik des künftigen Präsidenten und der Regierung, die völlig zu ihren Lasten geht, keine Unterstützung. In der Präsidentschaftswahl fand diese Opposition aber keinen Ausdruck.

In der ersten Wahlrunde lagen der ehemalige Premier Andrej Babiš und Pavel gleich auf. Alle weiteren Kandidaten waren weit abgeschlagen. In der Stichwahl am 27. und 28. Januar setzte sich Pavel dann mit 58,2 Prozent der Stimmen gegen seinen Kontrahenten mit 41,6 Prozent durch. 11 der 14 Bezirke gingen an Pavel. In der Hauptstadt Prag kam er auf 76 Prozent der Stimmen. Babiš gewann nur in ländlichen Gegenden.

Das Ergebnis bedeutet keine Unterstützung für die fanatische Kriegspolitik Pavels, vielmehr ist es ein verzerrter Ausdruck der Wut auf den Unternehmer und Milliardär Babiš. Er gilt als Inbegriff der Korruption und der Unterordnung aller Bereiche unter die Interessen der Wirtschaft. In seiner Regierungszeit von 2017 bis 2021 verabschiedete er mehrere Sparpakte, entlastete Unternehmen und Super-Reiche und ließ gleichzeitig der Pandemie freien Lauf.

Babiš verhielt sich gegenüber dem Ukrainekrieg etwas distanzierter als Pavel. Vor dem zweiten Wahlgang beantwortete er in einer Fernsehdebatte die Frage, ob er die baltischen Staaten oder Polen im Falle eines russischen Angriffs unterstützen würde, sogar mit Nein. Nach der Sendung distanzierte er sich aber rasch wieder von seiner Aussage.

Inzwischen hat Babiš Pavel zu seinem Wahlsieg gratuliert und ihm geraten: „Vergessen Sie Babiš!“ Mit einem Rückzug des Oligarchen aus der Politik wird allerdings nicht gerechnet. Seine Partei ANO ist weiterhin die stärkste im Parlament und rechnet sich Chancen aus, die Wahl in drei Jahren zu gewinnen.

Sämtliche unterlegenen Kandidaten aus der ersten Runde riefen zur Stimmabgabe für Pavel in der Stichwahl auf. Danuše Nerudová und Pavel Fischer nahmen sogar an einem Wahlkampfauftritt Pavels teil und stellten Werbeflächen zur Verfügung.

Wenn am 8. März die Amtszeit des amtierenden Präsidenten Milos Zeman endet und Pavel einen Tag später vereidigt wird, wird es zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Präsident und Regierung kommen. Pavel trat zwar als unabhängiger Kandidat an, hat aber bei der letzten Parlamentswahl 2021 nach eigener Aussage für das Parteienbündnis SPOLU gestimmt, das mit Petr Fiala (ODS) den Premierminister stellt.

Fiala führt eine Fünf-Parteien-Koalition, die durch die Ablehnung von Babiš zusammengehalten wird. Sie wird von rechten, konservativen Parteien dominiert und reicht bis zu den Piraten. Wie die Regierung tritt auch Pavel für die Einführung des Euro, Sparmaßnahmen im Haushalt und Aufrüstung nach Innen und Außen ein.

Pavels Hintergrund als Militär und seine aggressive Haltung gegenüber Russland machten ihn auch zum bevorzugten Kandidaten der EU und deren Mitgliedsstaaten. Ursula von der Leyen, Chefin der EU-Kommission in Brüssel, gratulierte als erste. Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová reiste nach Prag in Pavels Wahlkampfzentrale, um ihn zu beglückwünschen.

Pavel steht für den aufstrebenden Militarismus, der innerhalb der EU forciert wird. Auf seinen Wahlplakaten warb er mit dem Motto: „Erfahrener Diplomat und Kriegsheld“. Dabei war neben seinem Porträt auch ein militärischer Orden abgebildet.

Der 1961 in Westböhmen geborene Pavel kommt aus einer Offiziersfamilie. Er absolvierte eine Ausbildung am Militärgymnasium in Opava, danach studierte er an der Militärhochschule des Heeres in Vyškov. Ab 1983 diente er bei den Fallschirmjägern in Prostějov und stieg rasch zum Kommandeur einer Eliteeinheit auf. In dieser Zeit wurde er Mitglied der stalinistischen Kommunistischen Partei. Ende der 80er Jahre besuchte er eine Schule des Militärgeheimdienstes.

Nach der so genannten Samtenen Revolution 1989 und der Einführung kapitalistischer Verhältnisse war Pavel einer jener Wendehälse, die ihre Kontakte in Militär und Geheimdienst zur Förderung ihrer Karriere nutzten. Nur wenige Jahre nach der Wende befürwortete Pavel den Jugoslawien-Krieg und war dort selbst im Einsatz.

2012 bis 2015 war er Chef des Generalstabs der tschechischen Armee, anschließend bis 2018 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, die höchste militärische Position im westlichen Verteidigungsbündnis. Pavel war der erste Vertreter aus einem ehemaligen Warschauer-Pakt-Staat, der diese Position innehatte.

Schon jetzt sind die Auswirkungen der Kriegspolitik der EU dramatisch für die Bevölkerung, die unter ständig steigenden Preisen leidet. Wohnen wird zum Luxus. Einem Bericht der Beratungsgesellschaft Deloitte zufolge liegt der Quadratmeterpreis für Wohnraum in der Hauptstadt Prag bei umgerechnet 15 Euro. Eine 70-Quadratmeterwohnung kostet demnach mehr als 1000 Euro im Monat, rund ein Viertel mehr als vor einem Jahr. Dabei liegt das Durchschnittsgehalt bei rund 1600 Euro.

Der Kauf einer Wohnung, was bis vor wenigen Jahren sehr populär war, ist kaum mehr möglich. Steigende Quadratmeterpreise und Hypothekenzinsen, die sich in fünf Jahren vervierfacht haben, stellen Arbeiterfamilien vor extreme Probleme.

Strom- und Gaspreise stiegen im letzten Jahr so stark wie in kaum einem anderen Land. Im ersten Halbjahr 2022 erhöhten sich die Strompreise um 62 Prozent, die für Gas um 71. Selbst Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen müssen bereits 65 Prozent des Einkommens für Miete und Energiekosten aufwenden. Regierungschef Fiala erklärte dazu im letzten Jahr, dass die Regierung nicht die Mittel habe, um diese Preissteigerungen für die Haushalte auszugleichen.

Besonders von Armut betroffen sind die mehr als 300.000 ukrainischen Flüchtlinge im Land. Von ihnen lebten im Dezember 58 Prozent in Armut. Ein halbes Jahr zuvor waren es noch 49 Prozent gewesen. Während die Regierung keine Gelegenheit auslässt, das Leid der ukrainischen Bevölkerung durch den russischen Angriff zu erwähnen, um damit ihre Kriegspolitik zu rechtfertigen, gibt es für die Flüchtlinge im Land keine nennenswerte Unterstützung.

Gleichzeitig erwirtschaften Banken und Konzerne dank der massiven Unterstützung der Regierung Rekordgewinne. Wie aus den Statistiken der Tschechischen Nationalbank hervorgeht, konnten die tschechischen Banken nach jetzigem Stand 2022 einen Reingewinn von umgerechnet 4,4 Milliarden Euro verbuchen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Zuwachs von 1,5 Milliarden Euro.

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