Roger Waters‘ engagierte Rede vor UN-Sicherheitsrat: Beendet den Krieg!

Der internationale Rockstar Roger Waters, Gründungsmitglied der Rockband Pink Floyd, hat sich am Mittwoch per Videostream an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewandt. In seiner engagierten Ansprache hat er einen sofortigen Waffenstillstand im Stellvertreterkrieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine gefordert.

Er sprach als Künstler mit tiefer demokratischer Überzeugung.

Waters begann seine gut 14 Minuten lange Ansprache mit den Worten, er wolle vor der UNO das ausdrücken, was seiner Meinung nach „unzählige unserer Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt empfinden“.

Der britische Musiker Roger Waters bei einer Kundgebung in London gegen die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange an die USA am 22. Februar 2020 [AP Photo/Alberto Pezzali]

Waters sagte, er fühle sich „zutiefst geehrt von der einmaligen Gelegenheit“, diese Sicht der Dinge in einer UN-Sitzung vorzutragen, die den möglichen Friedenschancen in der vom Krieg zerrissenen Ukraine gewidmet sei. Dies umso mehr, angesichts der „ständig anwachsenden Menge an Waffen, die in diesem unglücklichen Land eintreffen“.

Waters sprach, wie er sagte, „für die stimmlose Mehrheit“, die nichts anderes begehre, als in Frieden und „unter gleichberechtigten Bedingungen“ zu leben, „um für sich selbst und ihre Lieben zu sorgen“.

Er stellte klar, dass der Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine illegal sei, und sagte: „Ich verurteile ihn auf das Schärfste.“ Er fuhr fort: „Außerdem war der russische Einmarsch in die Ukraine nicht unprovoziert. Deshalb verurteile ich auch die Provokateure auf das Schärfste“, und er fügte hinzu: „So, das hätten wir.“

Waters äußerte sich im UN-Sicherheitsrat im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“. Das Thema hatte Russland auf die Tagesordnung gesetzt, um „die Aussichten für eine friedliche Beilegung der Krise um die Ukraine vor dem Hintergrund der zunehmenden westlichen Rüstungslieferungen“ zu erörtern, wie es in einer offiziellen Pressemitteilung des UN-Sicherheitsrats heißt.

In der UN-Pressemitteilung stand, die Debatte finde „vor dem Hintergrund mehrerer Ankündigungen von neuer Militärhilfe für die Ukraine“ statt. Weiter heißt es dort: „Im Januar und Februar haben mehrere Länder, darunter Deutschland, Großbritannien und die USA, der Ukraine die Lieferung von Panzern, beispielsweise den in Deutschland hergestellten Leopard-2, und hochentwickelte militärische Ausrüstung zugesagt.“ Voraussichtlich werde Waters „Kritik an den Waffenlieferungen an die Ukraine“ üben.

Am Dienstag vor der UN-Sitzung bestätigte der Stellvertretende Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, Dmitry Polyanskiy, in einem Tweet, dass „wir den berühmten britischen Rockmusiker @Rogerwaters als Referenten eingeladen haben“. Obwohl mehrere Medien behaupteten, Waters‘ Einladung durch Moskau bedeute, dass er „im Namen Russlands“ gesprochen habe, machte der Inhalt seiner Rede deutlich, dass dies keineswegs der Fall war.

In seiner eloquenten Rede erwähnte Waters zwar die USA nicht namentlich, doch er erklärte, worauf die Sorgen der stimmlosen Mehrheit gerichtet seien: „Ihre Kriege werden den Planeten, der unsere Heimat ist, zerstören, und sie werden uns zusammen mit allen anderen Lebewesen auf dem Altar von zwei Dingen opfern: den Profiten aus dem Krieg, welche die Taschen von sehr, sehr wenigen füllen, und dem hegemonialen Durchmarsch des einen oder anderen Imperiums in Richtung unipolarer Weltherrschaft.“

Waters verwies mehrfach auf die Gefahr eines dritten Weltkriegs und der nuklearen Vernichtung, die das unvermeidliche Ergebnis des imperialistischen Strebens nach globaler Vorherrschaft sei. Er sagte: „Dieser Weg führt nur in die Katastrophe. Jeder auf diesem Weg hat einen roten Knopf in seiner Aktentasche, und je weiter wir diesen Weg gehen, desto näher kommen die juckenden Finger diesem roten Knopf, und desto mehr nähern wir alle uns dem Armageddon.“

Er richtete sich direkt an die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, die Russische Föderation, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten) und fragte sie: „Was sind Ihre Ziele? Was ist der Goldtopf am Ende des Regenbogens? Größere Profite für die Kriegsindustrie? Mehr Macht in der Welt? Ein größerer Anteil am globalen Kuchen? ... Bedeutet ein größerer Anteil am Kuchen nicht gleichzeitig, dass alle andern weniger bekommen?“

Bezeichnenderweise zog Waters eine Parallele zwischen „unseren Brüdern und Schwestern in der Ukraine und denjenigen anderswo in der Welt, die sich ohne eigenes Verschulden in einer schlimmen und oft lebensbedrohenden Situation befinden“. In der Ukraine seien sie vielleicht Soldaten oder Zivilisten, die sich in einem Kriegsgebiet befänden, umgeben von „Stacheldraht, Wachtürmen, Mauern und Feindseligkeit“. Oder sie befänden sich in einer Stadt wie New York, wo sie ebenfalls „schlimmen Bedingungen ausgesetzt sein“ könnten.

Er sagte: „Vielleicht haben sie, egal wie hart sie ihr Leben lang gearbeitet haben, auf dem rutschigen, schiefen Deck des neoliberalen kapitalistischen Schiffs, das wir das Leben in der Stadt nennen, irgendwie den Halt verloren: Sie sind über Bord gefallen und werden ertrinken. Vielleicht wurden sie krank, vielleicht nahmen sie einen Studienkredit auf, vielleicht haben sie eine Ratenzahlung verpasst ... Aber jetzt leben sie auf der Straße in Pappkarton, vielleicht sogar in Sichtweite dieses Gebäudes der Vereinten Nationen.“

Waters schloss seine Ausführungen mit der Forderung nach universellen Menschenrechten und einem sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine: „Ohne Wenn und Aber: Kein einziges ukrainisches oder russisches Leben darf mehr geopfert werden, kein einziges! Sie alle sind in unseren Augen wertvoll. Es ist also an der Zeit, gegenüber der Macht die Wahrheit auszusprechen.“

Waters sagte dann, er habe eine Botschaft „von all den Flüchtlingen in all den Lagern, eine Botschaft von all den Slums und Favelas, eine Botschaft von all den Obdachlosen auf all den kalten Straßen und aus all den Erdbeben und Überschwemmungen auf der Welt ... von den 4 Milliarden, die die stimmlose Mehrheit bilden: Genug ist genug, wir fordern Veränderung.“

Waters appellierte direkt an Biden, Putin und Selenskyj: „Bitte ändern Sie ihren Kurs jetzt!“ Und dann stellte er sich vor, wie es wäre, wenn sein Aufruf wirklich befolgt würde: „Man hat uns endlich gehört in den Korridoren der Macht. Die Pausenhof-Schläger sind bereit, ihre nuklearen Mutproben einzustellen. Wir sterben doch nicht im nuklearen Holocaust, zumindest nicht heute.“

Keine der großen amerikanischen Tageszeitungen (New York Times, Washington Post oder Wall Street Journal) oder auch Kabelsender (CNN, MSNBC, Fox News) hat bisher Waters Ansprache zur Kenntnis genommen.

Zwar hat der stellvertretende UN-Botschafter für die USA, Richard Mills, ein zynisches Statement abgegeben, in dem er Waters Rede bestätigte und in Frage stellte, ob er denn qualifiziert sei, als „Experte für Rüstungskontroll- oder europäische Sicherheitsfragen“ zu sprechen. Was jedoch die bürgerlichen Medien in den USA betrifft, so weigern sie sich bisher, Waters Rede auch nur zu erwähnen.

Reuters sah sich gezwungen, kurz zu berichten, dass Waters „Moskaus Invasion in sein Nachbarland als illegal“ verurteilt habe, nicht ohne sofort hinzuzufügen, dass er die Ansicht geäußert habe, die Invasion sei provoziert worden, und dass er zu einem Waffenstillstand aufgerufen habe. Andere, die über das Ereignis berichteten, wie das Musikmagazin Rolling Stone  oder der Guardian, schrieben verächtlich, Waters habe „eine pro-russische Gesinnung reflektiert“, und zitierten ausführlich den ukrainischen Botschafter bei der UNO, der behauptet hatte, der Musiker verbreite „russische Fehlinformationen und Propaganda“.

Waters ist einer von wenigen Künstlern und Musikern, die eine prinzipielle Antikriegshaltung zu den Aktionen der USA und der Nato in der Ukraine einnehmen, ohne Russland zu unterstützen. Er weigert sich, das Narrativ des US-Außenministeriums und der Geheimdienste über die Ursprünge und Gründe des Kriegs in der Ukraine zu übernehmen.

Obwohl er in seiner UN-Rede nicht darauf einging, hat Waters zuvor die jahrelangen imperialistischen Provokationen gegen Russland angesprochen, die hinter der Militäraktion des Putin-Regimes in der Ukraine seit einem Jahr stehen.

Die UN-Rede fand inmitten einer zunehmenden öffentlichen Kampagne gegen Waters durch pro-imperialistische und antirussische Kräfte statt. Sie versuchen, seine Auftritte in Europa mit seiner Welttournee „This Is Not a Drill“ zu boykottieren. Wie Waters über seine Social-Media-Kanäle mitteilte, wurde kürzlich versucht, die Absage von drei Konzerten in Deutschland im Mai zu erzwingen, die bereits zu 85 Prozent ausverkauft sind.

Die Kampagne gegen Waters in Deutschland verbindet zwei Ziele: Erstens will man die Anti-Kriegs-Botschaft, die im Mittelpunkt seines Auftritts steht, sabotieren, und zweitens verleumdet man ihn wegen Antisemitismus, weil er die Rechte der Palästinenser gegen das israelische Apartheidregime verteidigt. Waters hat auf die Kampagne gegen ihn in Deutschland in einem langen Interview mit der Berliner Zeitung  reagiert (hinter einer Paywall), das er ins Englische übersetzt und auf seiner Website veröffentlicht hat.

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