Washington ignoriert Erdbebenschäden in Syrien und setzt Kampagne für Regimewechsel fort

In Syrien ist die offizielle Zahl der Todesopfer durch das katastrophale Erdbeben letzte Woche auf fast 6.000 angestiegen, wobei viele weitere Tote, die noch unter Trümmern begraben sind, nicht mitgezählt wurden. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen sind bis zu 5,3 Millionen Syrer durch das Erdbeben obdachlos geworden. Viele davon waren bereits durch den seit elf Jahren andauernden, von den USA angezettelten Krieg zum Regimewechsel, der das Land zerstört und mehr als 300.000 zivile Todesopfer gefordert hat, zu Binnenvertriebenen geworden.

Vertreter der Vereinten Nationen haben bestätigt, dass der Großteil der internationalen Hilfsgelder an die Türkei geflossen ist, während Syrien weitgehend leer ausgegangen ist. Martin Griffiths, Untersekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator bei den Vereinten Nationen, erklärte vor kurzem, die syrische Bevölkerung „fühlt sich zurecht im Stich gelassen. Sie wartet auf internationale Hilfe, die nicht angekommen ist.“

Bereits vor dem Erdbeben lebten fast 90 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Etwa 14,6 Millionen Menschen – fast 70 Prozent der Bevölkerung – waren auf humanitäre Hilfe angewiesen und etwa 12 Millionen Menschen waren angesichts steigender Preise und sinkender Vorräte von einer unsicheren Ernährungslage betroffen.

Die Bevölkerung hat außerdem nur für zwei Stunden pro Tag Strom, die große Mehrheit der Häuser ist nicht geheizt.

Diese Situation geht größtenteils auf die verheerenden einseitigen Sanktionen der USA gemäß des Cesar Act zurück, der schwere Strafen für jedes Land, jedes ausländische Finanzinstitut oder sonstige juristische Personen vorsieht, die es wagen, mit Syrien Handel zu treiben.

Neben diesem bewussten Aushungern der syrischen Bevölkerung hat das US-Militär außerdem die Öl- und Gasfelder im Nordosten des Landes besetzt, sodass das Land keinen Zugang zu seinen wichtigsten Energievorkommen hat, die es für seinen Wiederaufbau braucht.

Das unausgesprochene Ziel dieser Politik, das bisher eindeutig verfehlt wurde, ist es, die Regierung von Präsident Baschar al-Assad zu stürzen. Was Washington durch die Bewaffnung und Finanzierung al-Qaida-naher Milizen nicht schaffen konnte, versucht es jetzt zu erreichen, indem es die Masse der syrischen Bevölkerung ins Elend stürzt, um sie zu einem Aufstand gegen die Regierung zu provozieren.

Diese Taktik, die auch gegen den Iran, Kuba und Venezuela angewandt wurde, ist bisher gescheitert, hat aber großes Leid verursacht.

Letzten Freitag musste Washington angesichts wachsender internationaler Empörung und Drucks vorläufig eine teilweise Aussetzung der Sanktionen bekanntgeben, damit Hilfsgüter für die Erdbebenopfer nach Syrien gebracht werden können. Die Sanktionen werden jedoch nur für 180 Tage ausgesetzt, danach werden sie wieder uneingeschränkt in Kraft treten.

Das US-Finanzministerium erklärte bei der formell als Syria General License 23 bezeichneten Aussetzung, diese erlaube „alle Transaktionen im Zusammenhang mit Erdbebenhilfe, die ansonsten durch die Sanktionsregeln gegen Syrien verboten wären.“

Diese Ankündigung zeigt die grenzenlose Heuchelei der US-Regierung, die lange Zeit behauptet hatte, die drakonischen und tödlichen Sanktionsregeln würden für humanitäre Hilfe keine Einschränkung bedeuten. Sie bestätigt nur, was jeder in Syrien bereits wusste: dass es sich dabei um eine dreiste Lüge handelt.

Die angebliche teilweise Aussetzung der Sanktionen erfolgte erst vier Tage nach dem Erdbeben, zu spät für tausende Menschen, die in den Trümmern gestorben sind, weil sie ohne schweres Gerät nicht befreit werden konnten, oder für die Tausenden, die unmittelbar nach dem Erdbeben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder sicherer Unterkunft hatten.

Selbst jetzt können syrische Immigranten in den USA ihren Familien im Erdbebengebiet kein Geld überweisen, weil Unternehmen wie Western Union, Ria und MoneyGram keine Überweisungen aus den USA nach Syrien erlauben. Plattformen wie Paypal, GoFundMe und Patreon haben Seiten gelöscht, auf denen Hilfe für Syrien vermittelt wird, und Versuche blockiert, dem verwüsteten Land Hilfsgelder zukommen zu lassen.

Menschen bergen nach dem verheerenden Erdbeben Möbel und Haushaltsgeräte aus einem eingestürzten Gebäude in Jinderis in der syrischen Provinz Aleppo. Aufgenommen am 14. Februar 2023. (AP Photo/Ghaith Alsayed) [AP Photo/Ghaith Alsayed]

Das Sanktionsregime blockiert weiterhin jede Hilfe, die über die syrische Regierung verteilt wird. Dies verhindert die Einfuhr von schweren Baufahrzeugen und Treibstoff, behindert den Luftverkehr und unterbindet die Nutzung syrischer Häfen.

Gleichzeitig sind Unternehmen und sogar Hilfsorganisationen, die sich in der Vergangenheit aus Angst vor Strafen an alle US-Sanktionen gehalten haben, in Bezug auf weitere Aktivitäten in Syrien sehr vorsichtig.

Die Biden-Regierung hat der Türkei und Syrien lediglich Hilfsgelder in Höhe von 85 Millionen Dollar angeboten. Diese Summe macht nur einen winzigen Bruchteil der Gelder für Waffenlieferungen und der Hilfsgelder in Milliardenhöhe aus, mit denen sie die dschihadistischen Stellvertreterkräfte unterstützt hat, die Syrien während des Kriegs zum Regimewechsel verwüstet haben.

Die wenigen Hilfsgelder, die die USA und Großbritannien geschickt haben, verfolgen das politische Ziel, die syrische Regierung zu schwächen. Sie gehen ausschließlich in das nordwestsyrische Gebiet Idlib, das von den Überresten der al-Qaida- und IS-nahen Milizen kontrolliert wird, die zuvor im Krieg zum Regimewechsel gegen Assad von der CIA bewaffnet und finanziert wurden.

Damit einher ging eine konzertierte Imagekampagne für die Weißhelme, eine vermeintliche Hilfsorganisation, die vom britischen Geheimdienst zusammengestellt wurde. Die Organisation ist weitgehend diskreditiert, seit sie an der Inszenierung von Chemiewaffenangriffen beteiligt war, u. a. in Duma im Jahr 2018. Diese Vorfälle sollten als Vorwand für eine direkte Intervention der USA und der Nato im Krieg zum Regimewechsel dienen.

Die dschihadistischen Kräfte in Idlib sind dafür berüchtigt, internationale Hilfsgüter zu stehlen und sie dann zu stark überhöhten Preisen an die hungernden Flüchtlinge zu verkaufen, die in den von ihnen kontrollierten Gebieten festsitzen. Laut jüngsten Berichten kämpfen rivalisierende Fraktionen um die wenigen Hilfsgüter für Erdbebenopfer, die über die türkische Grenze ins Land gekommen sind.

Washington und seine Verbündeten haben außerdem eine neue Propagandakampagne begonnen, um der Assad-Regierung zu unterstellen, sie würde Hilfslieferungen blockieren, obwohl sie selbst dafür verantwortlich sind.

Syrien hat in Wirklichkeit nahezu keinerlei Kontrolle über seine nördliche Grenze. Diese befindet sich in Idlib in der Hand dschihadistischer Organisationen, im Osten wird sie von Milizen kontrolliert, die von der Türkei unterstützt werden, sowie von der kurdischen Miliz YPG, die von den USA unterstützt wird. Daneben sind im Osten 900 US-Soldaten illegal und unter Verletzung der syrischen Souveränität ohne ein Mandat der Vereinten Nationen oder auch nur einer Erlaubnis durch den US-Kongress stationiert.

Washington hat versucht, der syrischen Regierung die Verantwortung dafür zu geben, dass keine Hilfsgüter in die von Dschihadisten kontrollierte Provinz Idlib gelangt sind. Vor dem Erdbeben war, aus Sorge um den Strom von Waffen und ausländischen Kämpfern, durch ein Abkommen zwischen Damaskus, der türkischen Regierung und den Vereinten Nationen nur eine einzige Route in das Gebiet erlaubt. Als sich Syrien mit den UN auf die Öffnung zweier weiterer Routen einigte, verurteilte der Anführer der Weißhelme Raed al-Saleh dies und erklärte, die Assad-Regierung habe einen „kostenlosen politischen Gewinn“ erzielt.

Auch die vorherrschende dschihadistische Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), eine Abspaltung von al-Qaida in Syrien, verurteilte die Versuche der syrischen Regierung, einen Konvoi mit Hilfsgütern, der vom Roten Halbmond organisiert wurde, über den Grenzübergang Saraqeb in das Gebiet zu bringen. Ein Sprecher von HTS erklärte gegenüber Reuters: „Wir lassen nicht zu, dass das Regime die Situation ausnutzt und zeigt, dass es hilft.“ Laut einigen Berichten hat die HTS für jeden Lastwagen, den sie in das Gebiet lässt, eine Gebühr von 10.000 Dollar gefordert.

Die Zerstückelung Syriens durch rivalisierende, von den USA und der Türkei unterstützte Milizen, die die nördliche Grenze des Landes kontrollieren, erweist sich als großes Hindernis für die Lieferung von Hilfe an die Erdbebenopfer.

Laut Al Jazeera kommen die Leichen von syrischen Flüchtlingen, die in der Südtürkei aus Trümmern geborgen wurden, viel häufiger über die Grenze als Hilfsgüter: „Bis zum Mittwochmorgen sind 1.413 Syrer in Leichensäcken in ihr Heimatland zurückgekehrt.“ Selbst in dieser Hinsicht macht sich die Zerteilung Syriens bemerkbar: Die Leichen der Erdbebenopfer, die aus den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten geflohen waren, wurden nicht in ihre Heimatdörfer zurückgebracht, sondern unter den Tausenden von Toten in der Türkei begraben.

Ungeachtet der Schrecken des Erdbebens und der vorgeblichen Einigkeit der Welt zur Unterstützung der Opfer gehen die Kriegshandlungen in Syrien unvermindert weiter.

Das US Central Command (CENTCOM) berichtete am Mittwoch, seine Streitkräfte hätten eine iranische Drohne abgeschossen, die angeblich amerikanische Truppen auf dem Stützpunkt Conoco ausgespäht habe. Dieser Stützpunkt befindet sich im Gebiet der syrischen Ölfelder und ist nach dem amerikanischen Energiekonzern benannt, der sie einst ausgebeutet hat.

Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) hat eine türkische Drohne in der syrischen Stadt Kobane ein Militärfahrzeug getroffen, das der von den USA unterstützten Miliz gehörte. Dabei wurden ein Milizangehöriger getötet und weitere verwundet.

Südlich der syrischen Stadt Palmyra haben IS-nahe Kräfte einen bewaffneten Anschlag verübt, bei dem vier Menschen, darunter eine Frau, getötet und zehn weitere verletzt wurden.

Zudem behaupteten „Rebellen“ der HTS, Regierungstruppen hätten einen unprovozierten Artillerieangriff in dem von Dschihadisten besetzten Gebiet Idlib durchgeführt. Damaskus erklärte jedoch, seine Truppen hätten auf einen Drohnenangriff von al-Qaida-nahen Milizen reagiert.

Sicher ist indessen, dass Washington sein Ziel, die bürgerlich-nationalistische Assad-Regierung zu stürzen und eine den Interessen des US-Imperialismus gefügige Marionettenregierung einzusetzen, nicht aufgegeben hat. Zu diesem Zweck wird die US-Regierung weiterhin auf Gewalt und Zwang setzen.

Die Biden-Regierung betrachtet Syrien nicht als ein Land, das nach fast zwölf Jahren Krieg und einem schweren Erdbeben dringend humanitäre Hilfe braucht. Vielmehr ist das Land in den Augen von Washingtons Militär- und Staatsapparat neben der Ukraine ein weiteres Schlachtfeld im Krieg gegen Russland, das Assad unterstützt und dort seine einzige Übersee-Marinebasis im syrischen Mittelmeerhafen Tartus unterhält.

Nach drei Jahrzehnten pausenloser Kriege, die ganze Gesellschaften wie Afghanistan, den Irak, Libyen und Syrien in Schutt und Asche gelegt haben, ist der amerikanische Imperialismus bereit, weitere Hunderttausende zu töten – entweder durch Hunger und Kälte, oder durch einen erneuten militärischen Konflikt, um vollständige Kontrolle über die strategisch wichtigen Energiereserven des Nahen Ostens und Zentralasiens zu erlangen.

Arbeiter, Studenten und Jugendliche auf der ganzen Welt müssen ein echtes und dauerhaftes Ende aller US-Sanktionen gegen Syrien und den sofortigen Abzug aller US-Besatzungstruppen aus dem Land fordern. Diese Forderungen müssen verbunden werden mit dem Aufbau einer Massenbewegung gegen Krieg als Teil des Kampfes gegen seine Ursache, das kapitalistische Profitsystem.

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