Perspektive

Was haben Biden und Scholz auf ihrem streng geheimen Kriegsgipfel beschlossen?

Am Freitag flog Bundeskanzler Olaf Scholz nach Washington zu einem geheimen, einstündigen Kriegsgipfel im Weißen Haus. Scholz flog allein, ohne Journalisten, und traf sich mit US-Präsident Joe Biden unter vier Augen, ohne dass Mitglieder seines Personals anwesend waren.

Weder die Biden-Regierung noch die Bundesregierung haben den Grund für diese außergewöhnliche Reise erläutert. Welches Programm erforderte die physische Anwesenheit des Bundeskanzlers im sichersten Gebäude der Welt, ohne dass einer seiner Mitarbeiter anwesend war? Es ist klar, dass die US-Regierung die Möglichkeit ausschließen wollte, dass Informationen über den Inhalt des Treffens nach außen dringen.

Präsident Joe Biden hört Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Treffen im Oval Office des Weißen Hauses zu. Washington, 3. März 2023 [AP Photo/Susan Walsh]

Kein deutscher Kanzler hat an einem Treffen dieser Art teilgenommen, seit Hitler 1944 zu einem Treffen mit seinen Generälen nach Ostpreußen reiste. Man könnte sogar hinzufügen, dass die Geheimhaltung des Treffens mehr mit den Kriegsbegegnungen zwischen den faschistischen Führern Hitler und Mussolini gemeinsam hatte als mit den Führern vermeintlich demokratischer Staaten.

Man kann sich der Schlussfolgerung nicht entziehen, dass der Zweck des Gipfels darin bestand, mit Scholz eine massive Eskalation des Krieges zu besprechen, den USA und Nato gegen Russland führen, und von ihm seine ausdrückliche Zustimmung zu erhalten.

Während die ukrainischen Streitkräfte in der strategisch wichtigen Stadt Bakhmut vor einem bedeutenden Debakel stehen, haben sich Biden und Scholz getroffen, um militärische Sofortmaßnahmen der Nato-Mächte bis hin zur Entsendung von Nato-Truppen zu erörtern.

Die Kriegsberichterstattung in der New York Times und anderen großen Medien besteht ausschließlich aus Propaganda, die sich darauf konzentriert, das Bild des großen ukrainischen Widerstands aufrechtzuerhalten. Doch die Verluste waren entsetzlich. Nun steht die ukrainische Seite vor einer schweren Niederlage in Bakhmut – einer strategisch wichtigen Stadt, in die die Ukraine Verstärkung gepumpt hat, nur um von den vorrückenden russischen Truppen eingekesselt und zerstört zu werden.

Im Allgemeinen gilt: Je bedeutender eine Entwicklung ist, desto weniger wird in den US-Medien darüber berichtet. Im Falle des Besuchs von Scholz und Biden werden keine ernsthaften Fragen gestellt, geschweige denn beantwortet.

Wurde dieses Treffen abgehalten, um gemeinsame militärische Entscheidungen und Maßnahmen zwischen den beiden Ländern zu koordinieren und so die Verwirrung und die öffentlichen Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden, die durch die Entsendung von Abrams- und Leopard-Panzern in die Ukraine entstanden sind?

Hat Scholz der Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine oder nach Belarus zugestimmt? Hat er Biden eine Garantie gegeben, dass deutsche Truppen in den Kampf geschickt werden? Nichts kann ausgeschlossen werden. Hat Scholz von Biden die Zusicherung erhalten, dass die USA eine neue Forderung an Russland unterstützen werden, Kaliningrad zu evakuieren, das bis zur Abtretung an die Sowjetunion am Ende des Zweiten Weltkriegs als „Königsberg“ zu Deutschland gehörte?

Drei Dinge sind klar. Erstens: Die Nato als Ganzes und der amerikanische Imperialismus haben ihre gesamte Glaubwürdigkeit in den Krieg in der Ukraine investiert. Hunderte Milliarden Dollar sind in den Konflikt geflossen. Angesichts dieses Engagements wäre eine Niederlage in der Ukraine nichts weniger als eine politische und strategische Katastrophe für die USA und die Nato.

Im Januar versprachen die USA, das gesamte ukrainische Territorium zu „befreien“, und letzten Monat versprach Victoria Nuland, US-Staatssekretärin für politische Angelegenheiten, die Halbinsel Krim zu „entmilitarisieren“.

Der Krieg hat für USA und Nato einen existenziellen Charakter angenommen, der die Logik der Eskalation vorantreibt. In den Medien sind Artikel erschienen, die die Notwendigkeit des Einsatzes von Nato-Bodentruppen in diesem Krieg gegen Russland in den Raum stellen.

Ein solches Vorgehen würde der langen Tradition der USA folgen, angesichts eines militärischen Desasters dieses Desaster durch eine rücksichtslose Eskalation in eine Katastrophe zu verwandeln.

Zweitens war die Entscheidung, Scholz zum Kriegsgipfel nach Washington zu fliegen, als Warnung an Putin gedacht, dass die Nato in ihrer Eskalation des Konflikts keine Beschränkungen dulden wird. Der russische Präsident wird das Treffen sicherlich in diesem Sinne interpretieren. Es dient auch dazu, eine Botschaft an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und alle anderen potenziellen Verbündeten Russlands in diesem Konflikt zu senden.

Drittens wird die amerikanische und europäische Arbeiterklasse belogen und im Unklaren darüber gelassen, was geplant ist. Den korrupten, staatlich kontrollierten Medien bleibt es anschließend überlassen, die beschlossenen Maßnahmen zu rechtfertigen. Die weit verbreitete Opposition gegen den Krieg wird von den Regierungen der USA und Europas einfach ignoriert.

Das Treffen erinnert in beunruhigender und düsterer Weise an andere Augenblicke in der Geschichte. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gab es im US-Militär Elemente, die ein deutsch-amerikanisches Bündnis gegen die Sowjetunion in letzter Minute befürworteten. Wie wir heute wissen, wollte Churchill 50.000 deutsche Soldaten an der Seite der Alliierten bewaffnen, um Russland zu bekämpfen.

Der Kriegsgipfel in Washington erinnert auch an die Geheimdiplomatie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Damals schlossen die imperialistischen Mächte zahlreiche Geheimverträge, die maßgeblich zur Eskalation des Ersten Weltkriegs 1914 beitrugen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst, als Lenin und Trotzki nach der Oktoberrevolution 1917 die Geheimverträge veröffentlichten.

Der Kriegsgipfel von Biden und Scholz und seine Geheimhaltung unterstreichen, dass der Nato-Krieg in der Ukraine und die Gefahr einer nuklearen Katastrophe nicht durch pazifistische Appelle an die kriegführenden Regierungen gestoppt werden können.

Sie werden von den unlösbaren Widersprüchen des Kapitalismus angetrieben – von der Verschärfung der Klassengegensätze und dem Kampf um Rohstoffe, Märkte und Weltmacht – und taumeln, wie schon vor einem Jahrhundert, auf Weltkrieg und Diktatur zu.

Mit der Verschärfung des Klassenkampfes entwickeln sich rasch überall auf der Welt die objektiven Bedingungen für eine Bewegung der internationalen Arbeiterklasse gegen den Krieg. Doch subjektiv sind die Kapitalisten noch im Vorteil: Sie sind sich ihrer Interessen bewusst, haben die Hebel der Staatsmacht in der Hand und verfügen über eine große Zahl von Hilfskräften – von den rechten und vermeintlich linken Parteien über die Gewerkschaften bis hin zu den kriegstreibenden Medien.

Nur durch den Aufbau einer mächtigen internationalen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse und der Jugend können die Eskalationspläne durchkreuzt werden.

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