Hand in Hand: GKN-Management und IG Metall organisieren Werkschließung in Zwickau

„Sozialtarifvertrag“ und „Zukunftstarifvertrag“ lauten die „Erfolge“ der IG Metall für die Autoarbeiter von GKN Automotive. Wer die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte verfolgt hat, weiß, was das bedeutet: Einsparungen, Stellenabbau, mehr Arbeitshetze und die Schließung ganzer Werke.

Im sächsischen Werk Zwickau-Mosel dauerte der „unbefristete Arbeitskampf“, für den 97 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder gestimmt hatten, gerade zwei Tage, dann verkaufte die IG Metall die 835 Arbeitsplätze gegen eine Abfindung. Für die Beschäftigten der Werke in Offenbach (1.400), Kiel (250) und Trier (150) vereinbarte die Gewerkschaft eine „Standortgarantie“ bis einschließlich 2028, was in Wirklichkeit einen Abbau auf Raten bedeutet.

Streikende GKN-Arbeiter [Photo by IG Metall BBS]

Die Automotive-Sparte des Weltkonzerns GKN (Guest, Keen and Nettlefolds) verfügt laut eigenen Aussagen über 47 Fabriken in 18 Ländern, vier davon in Deutschland. Mitte Januar kündigte die Konzernspitze die Schließung des sächsischen Werks und den Abbau von Stellen in den übrigen Werken an. Zugleich soll ein neues Werk in Ungarn gebaut werden.

Wie die IG Metall schreibt, gibt es seit der Übernahme von GKN durch die „Heuschrecke“ Melrose Industries im Jahr 2018 verstärkte Einsparungen und Verlagerungen in Billiglohnländer. So wurde 2020 der Standort Kaiserslautern, einst von Opel ausgegliedert, geschlossen. 320 Arbeiter und 280 weitere in Offenbach verloren ihren Arbeitsplatz. 2021 folgte die Schließung von GKN Birmingham (500 Arbeitsplätze) und Campi Bisenzio bei Florenz (420 Arbeitsplätze).

Im sächsischen Werk bei Zwickau-Mosel geht es um 835 Arbeitsplätze. Das Gelenkwellenwerk geht auf den 1982 errichteten VEB Sachsenring Zwickau zurück, eines der damals modernsten Werke der DDR, dessen Maschinenpark zu 90 Prozent aus dem „Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ stammte. Das Werk wurde 1991 von der Treuhand an GKN verkauft. Es liegt direkt neben dem VW-Werk Zwickau Mosel mit rund 8000 Beschäftigten.

2015 verlagerte GKN die Seitenwellenmontage von Offenbach nach Zwickau. In Offenbach fielen damals 147 Arbeitsplätze weg, die wegen der schlechteren Löhne nach Zwickau gingen.

Noch 2018 lag der Durchschnittsverdienst im Osten um mehr als 500 Euro niedriger als im Westen, bei einer drei Stunden höheren Wochenarbeitszeit. Der Betriebsratsvorsitzende Markus Philippi verkaufte diese Einsparung in Offenbach bereits damals als Erfolg: „Wir konnten eine Produktgarantie für mehrere Jahre vereinbaren, die bis ins Jahr 2024 hineinreichend ist. Dies bedeutet einen dauerhaften Beschäftigungsaufbau.“

Nun sind den Heuschrecken von Melrose auch die Billiglöhne in Ostdeutschland zu hoch. Sie wollen die Produktion nach Ungarn verlagern, wo der Mindestlohn selbst nach der jüngsten Erhöhung um 16 Prozent bei umgerechnet 570 Euro im Monat liegt.

Nachdem GKN Mitte Januar angekündigt hatte, das Werk in Zwickau aus Kostengründen zu schließen, kam es zu mehreren Warnstreiks. Ende Februar stimmten dann rund 97 Prozent der IGM-Mitglieder für einen unbefristeten Streik zur Verteidigung der Arbeitsplätze. Am Montag den 27. Februar traten alle Schichten in den Vollstreik.

Doch der IG Metall ging es von Anfang nicht um einen prinzipiellen Kampf gegen Stellenabbau und Werkschließung. „Autozulieferer in der Transformation [stehen] besonders unter Druck“, rechtfertigte dies Irene Schulz, Bezirksleiterin IG Metall Berlin, Brandenburg, Sachsen. Bereits zu Beginn des Streiks forderte sie einen „fairen Sozialtarifvertrag mit angemessenen Abfindungen und einer Transfergesellschaft zur Weiterqualifizierung“. Das ist kaum mehr als ein Synonym für Werkschließung auf Raten. Für den Erhalt des Werkes wurde von Anfang die Suche nach einem neuen Investor ins Spiel gebracht. Ein neuer Investor geht bekanntlich mit neuen Einsparungen einher, um für die nächste „Heuschrecke“ „attraktiv“ zu sein.

Dass IG Metall und GKN einen Monat nach Bekanntgabe der Schließung nichts mehr zu verhandeln hatten, sondern eher ein geplantes Schauspiel aufführten, zeigte sich, als nach nicht einmal 48 Stunden bereits am Dienstagnachmittag eine Einigung auf dem Tisch lag und der Streik am Mittwoch ausgesetzt wurde. Der „Solidaritätsstreik“ in Offenbach beschränkte sich auf wenige Stunden und war kaum mehr als symbolischer Natur.

Das kann nicht verwundern, wenn man weiß, dass die IG Metall bereits im Februar 2022 (!) mit dem Vorschlag an GKN herangetreten war, einen „Zukunftstarifvertrag“ zu vereinbaren. „Wir wissen, dass GKN als traditioneller Automobilzulieferer durch die Umbrüche der Automobilindustrie besonders herausgefordert ist,“ begründete dies der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Philippi. „Wir sind bereit, diese Herausforderungen gemeinsam mit dem Unternehmen zu bewältigen.“

Am Freitag gab die IG Metall in Zwickau bekannt, 96 Prozent hätten dem Ergebnis zugestimmt und der Streik sei nunmehr beendet. Offenbar machten sich die Betroffenen angesichts der Rolle der IG Metall wenig Hoffnung, durch eine Ablehnung des Vertrags etwas erreichen zu können.

Das Ergebnis besteht aus einer Abfindung von mindestens 1,5 Monatsgehältern (brutto) je Jahr Betriebszugehörigkeit, mindestens jedoch 17.500 Euro. Für jedes Kind gibt es zusätzlich 5.000 Euro. Gewerkschaftsmitglieder werden bevorzugt behandelt. „GKN Driveline stattet einen Solidarfonds mit 2,5 Millionen Euro brutto aus, um eine Zusatzzahlung für IG Metall-Mitglieder zu finanzieren,“ schreibt die IG Metall. Das Unternehmen finanziere zudem eine Transfergesellschaft, in der Beschäftigte bis zu zwölf Monaten unterkommen könnten.

Bereits im Februar hätten IG Metall und GKN außerdem eine „Investoren- und Innovationsvereinbarung“ vereinbart, mit der sich „das Unternehmen zur Käufersuche für das Werk verpflichtet“ habe. Der „Sozialtarifvertrag“ sei nun „ein weiterer Zwischenerfolg“.

Wie eine solche „Käufersuche“ im ehemaligen GKN-Werk in Campi Bisenzio endete, verschweigt die IG Metall. Dort meldete der neue Eigentümer nach rund einem Jahr Ungewissheit für die Arbeiter und dem Auslaufen der „Transformationsgelder“ vor einigen Wochen Insolvenz an.

Für die Standorte Offenbach, Trier und Kiel vereinbarte die IG Metall einen „Rahmen-Zukunftstarifvertrag“, den Jörg Köhlinger, Leiter der IG Metall Mitte, als „gute Basis“ lobte, „um die Transformation nachhaltig zu gestalten“, „Investitions- und Produktzusagen konkret zu erarbeiten“ und „die Wettbewerbsfähigkeit aller drei Standorte sicherzustellen“.

Was das bedeutet, kennt man aus anderen Betrieben: Unternehmensführung und Betriebsrat arbeiten eng zusammen, um Arbeitsplätze abzubauen und die Arbeitshetze zu steigern. Ältere Arbeiter werden entlassen, während jüngere, mit schlechteren Löhnen, die Lücken füllen. Köhlinger behauptete zwar, bis Anfang 2029 seien alle drei Standorte sicher. Das bedeutet aber nicht, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Die Arbeiter bei GKN dürfen sich nicht von beschönigten Standortgarantien oder Abfindungen in die Irre führen lassen. Letztere werden bei der gegenwärtigen Inflation und Preissteigerungen von 20 bis 50 Prozent bei Lebensmitteln und Energie ohnehin rasant dahinschmelzen.

Tatsächlich bemüht sich die IG Metall „gemeinsam mit dem Unternehmen“, die „Herausforderung“ zu „bewältigen“, einen gemeinsamen Kampf aller GKN-Arbeiter für ihre Arbeitsplätze zu verhindern. Um einen gemeinsamen Streik zur Verteidigung jedes Arbeitsplatzes zu unterbinden, hat sie die Schließung von Zwickau akzeptiert und für alle anderen Standorte einen separaten „Zukunftstarifvertrag“, also die Stilllegung auf Raten, vereinbart.

Die Machenschaften der IG Metall bei GKN knüpfen nahtlos an ihre Ausverkäufe der letzten Jahre und Jahrzehnte an: Bei den Vallourec-Werken in Mülheim und Düsseldorf 2022, bei Ford in Saarlouis und Almussafes, bei Opel Eisenach 2021 oder Bochum 2014 – um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Muster ist dabei immer dasselbe: Mit Sozial- und Zukunftsverträgen wird ein Werk gegen das andere ausgespielt, die Belegschaften werden gespalten und mit Standortgarantien werden Zugeständnisse erpresst, bis die Werke dann am Ende mit stark reduzierter Belegschaft doch geschlossen werden.

Die Zulieferindustrie steht dabei im Fokus der Bemühungen der Autokonzerne, auf dem Rücken der Arbeiter die Rendite der Aktionäre zu steigern, sie beschränken sich aber nicht darauf. In vielen Betrieben ist die Stimmung aufs Äußerste gespannt. Die Arbeiter werden seit Jahren zu Lohnverzicht und Überstunden genötigt, während die Preise seit Beginn des Nato-Stellvertreterkriegs gegen Russland massiv ansteigen.

Immer mehr Arbeiter sind deshalb bereit, den Kampf für Löhne, Arbeitsplätze und ihre Errungenschaften aufzunehmen, wie sich das im überwältigenden Streikvotum in Zwickau gezeigt hat. In ganz Europa und insbesondere in Frankreich, wo Millionen gegen Rentenkürzungen auf die Barrikaden gehen, entwickelt sich eine mächtige Klassenbewegung gegen Sozialabbau und Krieg.

Doch um erfolgreich zu kämpfen, müssen die Arbeiter mit den bankrotten Gewerkschaften brechen, die als Handlanger der Konzerne einen Standort gegen den anderen ausspielen. Sie können die Angriffe auf Arbeitsplätze und einzelne Werke nur zurückschlagen, wenn sie sich über die Branchen- und Landesgrenzen hinweg vereinen. Die Herrschenden in allen Ländern sind wild entschlossen, ihre steigenden Profite und die Kosten für die eskalierende Kriegsmaschinerie aus der Arbeiterklasse herauszupressen.

Egal ob in Deutschland, England, Italien oder Ungarn, die Verteidigung ihrer sozialen Interessen kann den Arbeitern nur gemeinsam gelingen.Sie kann nicht der IG Metall oder einer anderen korporatistischen Gewerkschaft überlassen werden, die sich dem Kapitalismus und einer nationalen Standort- und Wettbewerbspolitik verschrieben haben.

Die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) helfen Arbeitern weltweit, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die sich aus vertrauenswürdigen Kolleginnen und Kollegen zusammensetzen und sich international zusammenschließen. Notwendig ist ein sozialistisches Programm, das die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung über die Profitinteressen stellt und die Ausbeutungs- und Kriegspolitik beendet.

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