Perspektive

Was ein Arbeiterleben im US-Kapitalismus wert ist

BP zahlt 156.250 Dollar Strafe für den Tod zweier Raffineriearbeiter

Kaum eine Zurechtweisung stellt das Urteil dar, das eine Behörde letzte Woche gegen BP Products North America fällte. Wegen des Todes von zwei Raffineriearbeitern wurde der Konzern mit einer Geldstrafe in Höhe von 156.250 Dollar belegt. Für den amerikanischen Kapitalismus ist das Leben eines Arbeiters wenig wert.

Ben und Max Morrissey, zwei Brüder im Alter von 32 und 34 Jahren, waren im letzten September bei einer Explosion und dem darauf folgenden Brand in der BP Husky-Ölraffinerie in Oregon (Ohio) umgekommen.

Ben und Max Morrissey mit ihren Kindern Weslee, Recker und Wilde (Quelle: Morrissey Children’s Trust Gofundme.com) [Photo: Morrissey Children's Trust Gofundme.com]

Nach einer Untersuchung, die sechs Monate dauerte, warf die US-Bundesbehörde für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (OSHA) dem Unternehmen zehn „schwerwiegende“ und ein „nicht schwerwiegendes“ Vergehen vor. Ein Verstoß bestand darin, in einer Anlage zur Verarbeitung von Rohöl die Chemikalienkonzentration nicht ausreichend kontrolliert zu haben. Dies habe „zu einer Freisetzung von flüssigem Naphta geführt, wodurch die Mitarbeiter entflammbaren Dämpfen, Feuer, Schwefelwasserstoff und der Gefahr einer Explosion ausgesetzt waren“.

In einer Pressemitteilung der OSHA heißt es: „Als die Arbeiter versuchten, den steigenden Flüssigkeitsstand in der Brenngas-Mischtrommel zu korrigieren, bildete sich eine brennbare Dampfwolke, die sich entzünden konnte. Im September 2022 löste dies eine Explosion aus, die zu den tödlichen Verbrennungen führte.“

Der BP-Konzern wurde auch verwarnt, weil er es versäumt hatte, „schriftliche Betriebsverfahren zu entwickeln und umzusetzen, die klare Anweisungen für die Notabschaltung enthalten, einschließlich der Bedingungen, unter denen eine Notabschaltung zwingend erforderlich ist. [Auch wurde versäumt] die Verantwortung für die Abschaltung qualifiziertem Bedienpersonal zuzuweisen, um sicherzustellen, dass die Notabschaltung zuverlässig und rechtzeitig erfolgen würde.“

Die Raffineriearbeiter haben immer wieder vor der Gefahr tödlicher Explosionen gewarnt. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Bedingungen in der Ölverarbeitungsanlage zunehmend instabil waren, und die Geschäftsführung aufgefordert, die Anlage stillzulegen. Ihre Forderungen wurden ignoriert.

Ein Rohrleitungsmonteur, der an der Reparatur der Anlage gearbeitet hatte, sagte der WSWS: „Die Kollegen haben sich beschwert, wie unbeständig die Anlage sei. Ein Bediener mit 30 Jahren Erfahrung sagte, er habe noch nie so große Flammen aus der Fackel, die überschüssiges Material abbrennt, kommen sehen. Sie wussten, dass etwas nicht stimmte, und [die Anlage] hätte um jeden Preis stillgelegt werden müssen. 150.000 Dollar für das Leben von zwei Arbeitern – das ist widerlich. Das ist ein Trinkgeld für ein so großes Unternehmen.“

Die Geldbuße, gegen welche BP innerhalb von 15 Tagen Einspruch erheben kann, entspricht etwa 0,0005 Prozent des Reingewinns im Jahr 2022, als der Konzern einen Rekordgewinn von 28 Milliarden Dollar einfuhr, weil er vom Anstieg der Energiepreise infolge des Ukrainekriegs profitierte. Während die Witwen der Morrissey-Brüder nun die Kindern ohne ihre Väter großziehen müssen, gibt BP in den nächsten Monaten 2,75 Milliarden Dollar für Aktienrückkäufe aus, zusätzlich zu den 11,7 Milliarden Dollar, die das Unternehmen im letzten Jahr zur Steigerung des Aktienwerts ausgegeben hat.

Der OSHA-Bericht ist durch und durch eine Beschönigung der Art und Weise, wie das Unternehmen geführt wird. Es hat in den letzten Jahrzehnten weltweit mehr als 20.000 Arbeitsplätze abgebaut, Wartungs- und Reparaturarbeiten an Billiganbieter ausgelagert und die verbleibende Belegschaft zu 12- bis 16-Stunden-Schichten gezwungen, in einigen Fällen bis zu 21 Tage hintereinander.

Vertuscht wird auch die Rolle der Gewerkschaft United Steelworkers (USW), die im BP-Husky-Werk Arbeitsschutzkomitees gemeinsam mit dem Konzern unterhält. Sie hat nichts unternommen, um die Forderungen der Arbeiter nach Stilllegung der gefährlichen Anlage durchzusetzen.

In einer Erklärung zu dem OSHA-Urteil von letzter Woche sagte Mike Smith, der Verhandlungsführer der USW für den nationalen Tarifvertrag Öl: „Zwar hat noch keine Strafe und kein Bußgeld je ein verlorenes Menschenleben wiedergutgemacht. Dennoch begrüßen wir die Ergebnisse der Behörde und ihre Bemühungen, BP zur Rechenschaft zu ziehen. Unsere Gewerkschaft wird auch in Zukunft mit der OSHA und Cenovus, dem neuen Eigentümer der Anlage, zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass sich eine derartige Tragödie nicht wiederholt.“

In Wirklichkeit arbeitet die USW-Bürokratie seit Jahr und Tag mit BP, Exxon, Marathon und anderen Unternehmen zusammen, um auf Kosten der Arbeiter, die sie zu vertreten vorgibt, die Konzerngewinne zu steigern. Sieben Monate vor der Katastrophe in Ohio führte USW-Präsident Tom Conway geheime Gespräche mit Präsident Biden, um einen Streik von 30.000 Raffinerie- und Petrochemiearbeitern zu verhindern, von dem das Weiße Haus befürchtete, dass er seine Kriegsvorbereitungen gegen Russland beeinträchtigen könnte. Die USW stimmte einem staatlich diktierten Vertrag zu, der tiefe Einschnitte bei den Reallöhnen vorsah und an den tödlichen Bedingungen in der Branche nicht das Geringste änderte.

Die Bußgelder, die BP und andere Unternehmen für die Tötung und Verstümmelung von Arbeitern zahlen, können sie praktisch aus der Portokasse begleichen.

BP ist besonders dafür berüchtigt, Arbeiter für den Profit zu opfern. Bei einer Explosion in der Raffinerie von Texas City fanden im Jahr 2005 15 Arbeiter den Tod, 180 weitere wurden verletzt. Ermittler fanden später heraus, dass die Manager Druck auf die Arbeiter ausgeübt hatten, um die Produktion zu steigern und die Kosten zu senken. Im Jahr 2010 kamen bei der Explosion der „Deepwater Horizon“ 11 Arbeiter ums Leben, und eine massive Umweltkatastrophe wurde verursacht. Auch hier stellten Ermittler fest, dass das Einsparen von Kosten zu der Katastrophe beigetragen hatte.

Im selben Jahr verhängte die OSHA gegen BP North America und die BP-Husky-Raffinerie eine Geldstrafe in Höhe von 3 Millionen Dollar. Es ging um 62 „vorsätzliche“ und „schwerwiegende“ Sicherheitsverstöße. Erkannte Gefahrenquellen in den Raffinerien waren ignoriert und ihre Beseitigung erheblich verzögert worden. BP focht die Geldstrafe an, worauf ein Verwaltungsrichter sie auf 80.000 Dollar reduzierte.

Die Strafzahlung, die die OSHA im Jahr 2021 für einen tödlich verunfallten Arbeiter erhoben hat, betrug im Durchschnitt weniger als 10.000 Dollar. Das ist keine „abschreckende Strafe“ sondern vielmehr ein Blankoscheck, der es den Konzernen erlaubt, die unsicheren Bedingungen aufrechtzuerhalten und die Ausbeutung unerbittlich zu steigern.

In dem industriellen Schlachthaus Amerikas kommt alle 101 Minuten ein Arbeiter in einem Arbeitsunfall zu Tode. Das sind die neuesten verfügbaren Zahlen des Bureau of Labor Statistics aus dem Jahr 2021.

Die offizielle Zahl von mehr als 5.000 Todesfällen enthält dabei noch nicht einmal die Todesfälle, die jedes Jahr die Folge von Vergiftung mit Chemikalien und anderen berufsbedingten Erkrankungen ist, und deren Zahl sich auf rund 120.000 beläuft. Nicht berücksichtigt sind auch die vermutlich Zehntausenden von Arbeitern, die sich am Arbeitsplatz mit Corona infiziert haben und daran gestorben sind. Diese Zahlen müssen nicht einmal mehr gemeldet werden.

In ihrem Bestreben, die Gewinne der Konzerne zu steigern, haben Demokraten wie Republikaner gleichermaßen die ohnehin schon laxen Sicherheitsvorschriften immer weiter aufgeweicht. Das hat zu Katastrophen wie der Entgleisung des Norfolk-Southern-Güterzugs geführt, die vor kurzem in East Palestine (Ohio) eine ganze Gemeinde mit Chemikalien verseucht hat.

Auf der ganzen Welt zählen Arbeiter täglich ihre Opfer. Erst letzte Woche kamen 21 Bergleute bei der Methanexplosion in einem Bergwerk in Zentralkolumbien ums Leben. Ende Februar verloren Dutzende von Arbeitern bei einem Erdrutsch in einem großen Kohletagbau in der Inneren Mongolei das Leben. In Deutschland starben bei einer Explosion im Juli 2021 im Chempark Leverkusen sieben Arbeiter.

Dieser tödliche Alltag kann nur gestoppt werden, wenn Arbeiter beginnen, kollektiv zu handeln, um ihr Leben zu schützen. Der Gewerkschaftsapparat nimmt das endlose Gemetzel genauso in Kauf wie den Tod von Tausenden von Arbeitern in der Covid-19-Pandemie. Die Gewerkschaften sind nichts weiter als Agenturen der Konzerne und des Staats.

Der Kampf gegen die entsetzlichen Ausbeutungsbedingungen in den Betrieben erfordert den Aufbau von Aktionskomitees. Sie müssen dafür sorgen, dass der Einfluss und die Macht, die die Gewerkschaftsbürokratien sich angeeignet haben, den Beschäftigten in den Betrieben zurückgegeben werden. Diese Aktionskomitees, die der Leitung der Internationalen Arbeiterallianz (IWA-RFC)  unterstehen, werden sich der Diktatur der Konzerne widersetzen und die Arbeiterkontrolle über die Produktion und die Sicherheitsbestimmungen und den Gesundheitsschutz errichten.

Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, die tagtäglichen Opfer, die Arbeiter für den Profit erbringen, zu beenden. Im Rahmen der sozialistischen Umgestaltung wird das Privateigentum an den Großindustrien abgeschafft und diese in Betriebe für die gesellschaftlich notwendige Produktion umgewandelt werden.

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