Selenskyj schließt trotz steigender Verluste Verhandlungen mit Russland aus

Am Dienstag schilderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem englischsprachigen Interview mit Associated Press seine Beweggründe, warum er bereit ist, zigtausende ukrainische Soldaten zu opfern, um die ostukrainische Stadt Bachmut zu halten. Während des Interviews befand er sich auf einer PR-Reise im Zug durch die Ukraine, bei der er um Unterstützung für den Krieg warb.

Im Verlauf des Interviews gab Selenskyj zu, dass der Verlust von Bachmut an die russischen Truppen die Forderungen nach einer Kompromisslösung sowohl im Inneren als auch außerhalb des Landes verstärken würde. Sollte Bachmut fallen, „wird sich unsere Gesellschaft müde fühlen. ... Unsere Gesellschaft wird mich dazu drängen, einen Kompromiss zu schließen.“

Selenskyj machte auch deutlich, dass der Krieg ohne die Unterstützung der USA nicht weitergehen würde. Auf die Frage, was eine mögliche Änderung der US-Unterstützung im Falle einer Niederlage Bidens bei der Wahl 2024 bedeuten würde, erklärte er: „Die Vereinigten Staaten verstehen wirklich, dass wir nicht gewinnen werden, wenn sie uns nicht mehr helfen.“

Selenskyj ist sich sehr wohl bewusst, dass jede Verhandlungslösung in dem seit 13 Monaten andauernden Krieg, die nicht die Rückgabe aller von Russland kontrollierten Gebiete beinhaltet, politisch inakzeptabel wäre – sowohl für die ukrainischen faschistischen Kräfte wie das Asow-Bataillon als auch für deren Hauptsponsoren, die USA.

Im Oktober letzten Jahres hat Selenskyj ein Dekret unterzeichnet, das alle Friedensverhandlungen, an denen der derzeitige russische Präsident Wladimir Putin beteiligt ist, formell ausschließt. Seither haben zahllose Vertreter der ukrainischen Regierung erklärt, der Krieg werde erst enden, wenn die gesamte Ostukraine und die Krim „zurückerobert“ sind.

Seit April 2022 haben keine ernsthaften Friedensverhandlungen mehr stattgefunden. Damals war Berichten zufolge ein Deal ausgehandelt worden, der jedoch vom britischen Premierminister Boris Johnson sabotiert wurde. Dieser war überraschend in die Ukraine geflogen, um Kiew zur Fortsetzung des Kriegs gegen seinen atomar bewaffneten Nachbarn zu drängen – komme, was da wolle.

Wie die regierungsnahe Nachrichtenagentur Ukrajinska Prawda damals berichtete, brachte Johnson zwei „einfache Botschaften“ nach Kiew:

Die erste Botschaft lautete, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist und unter Druck gesetzt werden sollte, statt mit ihm zu verhandeln. Die zweite war: Selbst wenn die Ukraine zu Einigungen oder Garantien gegenüber Putin bereit ist, sie sind es nicht. Wir können zwar [ein Abkommen] mit euch [der Ukraine] unterzeichnen, aber nicht mit Putin. ‚Er wird sowieso alle über den Tisch ziehen‘, fasste ein enger Berater Selenskyjs den Inhalt von Johnsons Besuch folgendermaßen zusammen.

Im Februar hatte der Westen Selenskyj noch vorgeschlagen, zu kapitulieren und zu fliehen. Doch Johnsons Botschaft war nun, dass Putin nicht so stark sei, wie der Westen zuvor geglaubt hatte.

Zudem bestehe die Chance, „Druck“ auf ihn auszuüben, und der Westen will sie nutzen.

Seit August konzentrieren sich die Kämpfe trotz zehntausender Todesopfer noch immer auf den „Fleischwolf“ Bachmut. Russland betrachtet die Stadt als unverzichtbar für sein erklärtes Ziel, die vollständige Kontrolle über die Provinzen Donezk und Lugansk zu erlangen. Die Ukraine und ihre westlichen imperialistischen Hintermänner betrachten Bachmut als Gelegenheit, die russischen Streitkräfte vor einer für den Frühling geplanten Offensive zu schwächen. Ein westlicher Regierungsvertreter erklärte offen: „Aufgrund der russischen Taktik verschafft Bachmut der Ukraine eine einmalige Gelegenheit, viele Russen zu töten.“

Für Selenskyj und seine Berater ist die Tatsache, dass sie bei der Verteidigung Bachmuts Tausende von Soldaten in den sicheren Tod schicken, von geringer Bedeutung, solange der Krieg nicht an Dynamik verliert.

Als Selenskyj im Dezember zu Besuch in Washington war, übergab er dem US-Kongress obszönerweise eine Flagge von Bachmut und nannte die Stadt „die Festung unserer Moral“.

Die ukrainischen Soldaten, die den katastrophalen imperialistischen Krieg mit ihrem Leben bezahlen, teilen diese Begeisterung offenbar nicht.

Anfang März erklärte Woldymyr, ein Infanterist der 93. mechanisierten Brigade, gegenüber der regierungsnahen Kyiv Independent, er fühle sich schlecht auf den Kampf vorbereitet und habe nach den monatelangen Kämpfen in Bachmut Schwierigkeiten gehabt zu essen.

Wolodymyr erklärte rundheraus: „Wenn sie uns nach Bachmut fahren, weiß ich bereits, dass ich in den Tod geschickt werde.“

Die westlichen Medien und die Nato haben die russischen Verluste im Kampf zwar hochgespielt und behaupten, für jeden Ukrainer seien mindestens fünf russische Soldaten getötet worden. Tatsächlich lassen sich diese Behauptungen nicht überprüfen und die ukrainischen Streitkräfte haben in mehreren Interviews zugegeben, dass sie selbst hohe Verluste erlitten haben.

Waleri, ein weiterer ukrainischer Infanterist, erklärte gegenüber dem Kyiv Independent, „nur wenige“ der ursprünglich 27 Mitglieder seines Zugs seien in der Schlacht um Bachmut nicht getötet oder verwundet worden.

Zudem weigern sich Soldaten, die die Schlacht überleben, oft nach Hause zurückzukehren, und werden zu „Verweigerern“, denen nach dem neuen Militärgesetz des Selenskyj-Regimes lange Haftstrafen drohen. Wladyslaw von der 58. unabhängigen motorisierten Infanteriebrigade erklärte gegenüber dem Independent, viele Soldaten in seinem Zug hätten sich geweigert, nach Bachmut zu gehen, als die Russen vorrückten. Laut dem Independent sind „während der letzten Rotation Ende Februar nur acht von 25 Soldaten in seinem Zug nach Bachmut gegangen. Der Rest erklärte, er könne wegen plötzlichen Fiebers oder körperlicher Schmerzen nicht dorthin gehen.“

Wie Selenskyjs Äußerungen deutlich machen, will die ukrainische herrschende Klasse das Massaker sowohl in Bachmut als auch im ganzen Land während der bevorstehenden Offensive fortsetzen, die von der Nato und den USA mit Waffen in Milliardenhöhe unterstützt wird.

Anfang März berichtete das Magazin Politico, dass seit Kriegsbeginn bereits mehr als 100.000 ukrainische Soldaten gefallen sind. Die Bevölkerung des Landes betrug vor dem Krieg nur 40 Millionen, von denen inzwischen mehr als acht Millionen geflohen sind, und mehrere Millionen leben in den von Russland kontrollierten Gebieten.