Überraschende Drosselung der Öl-Förderung als Antwort auf drohende Rezession

Saudi-Arabien und weitere Mitglieder der Opec+ (das Bündnis umfasst neben den traditionellen Opec-Ländern auch Russland, Kasachstan, Mexiko und Oman) haben überraschend eine Drosselung der Öl-Förderung angekündigt. Die beschlossene Produktionskürzung soll etwas mehr als eine Million Barrel (ca. 160 Mio. Liter) pro Tag umfassen, und sie wird hauptsächlich von Saudi-Arabien und Russland getragen. Der Beschluss ist offenbar eine Antwort auf die Sorge vor einem weltweiten Konjunkturrückgang infolge der jüngsten Bankenturbulenzen.

In Absprache mit den Mitgliedsländern kündigte Saudi-Arabien seine „freiwillige“ Förderkürzung von 500.000 Barrel (ca. 80 Mio. Liter) Erdöl pro Tag an, das entspricht knapp fünf Prozent seiner gesamten Fördermenge.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammad bin Salman Al Saud [Photo by en.kremlin.ru / CC BY 4.0]

Die Ankündigung verursachte direkt zu Wochenbeginn einen sprunghaften Anstieg auf dem Ölmarkt, wobei der amerikanische Ölpreis um sieben Prozent zulegte. In Europa legten Preise ebenfalls um bis zu acht Prozent zu.

Das Außergewöhnliche an der Entscheidung war, dass sie außerhalb eines offiziellen Kartell-Treffens fiel, was laut der Financial Times „auf ein enormes Maß an Dringlichkeit für Förderkürzungen bei den teilnehmenden Mitgliedern schließen lässt“.

Der Markt wurde von dieser Entwicklung völlig überrascht. Wie Bloomberg berichtet, hatte keiner der 14 zuvor befragten Händler und Analysten eine Änderung des Produktionsniveaus vorausgesehen. Sie beriefen sich dabei auf den saudischen Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman, der im vergangenen Monat erklärt hatte, dass die im Oktober letzten Jahres festgelegten Opec+-Ziele „bis zum Jahresende bestehen bleiben, Basta!“

Doch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, ausgelöst durch den Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB), dem zweitgrößten Bankenzusammenbruch der USA, und durch die erzwungene Credit-Suisse-Übernahme durch die UBS, warfen diese Berechnungen offenkundig über den Haufen.

Mittlerweile mehren sich die Bedenken, dass die finanziellen Erschütterungen und die vielfach prognostizierte Kreditklemme eine Verlangsamung der Weltwirtschaft, ja sogar eine Rezession auslösen wird.

Unmittelbar nach der Bankenkrise fielen die Ölpreise auf ein 15-Monats-Tief, erholten sich jedoch wieder. Aber es wird befürchtet, dass sie erneut einbrechen werden, wenn sich die rezessiven Tendenzen verstärken.

Laut dem Wall Street Journal, das sich auf „mit der Situation vertraute Quellen“ beruft, wurde die Entscheidung „hauptsächlich zwischen den Saudis und den Russen getroffen, um vor einer globalen Konjunkturflaute die Preise zu erhöhen, damit die ambitionierten saudischen Inlandsprojekte finanziert und die russischen Ölvorräte wieder aufgefüllt werden“.

Durch umfangreiche Ausgaben versucht die saudische Regierung, die Wirtschaft von ihrer Abhängigkeit vom Öl zu lösen und das Land in ein Tourismus- und Geschäftszentrum zu verwandeln.

Die saudische Presseagentur bezeichnete die Produktionskürzung als „eine Präventivmaßnahme, die dazu dient, die Stabilität des Marktes zu unterstützen“.

Bloomberg zitierte Gary Ross, einen langjährigen Ölberater, mit den Worten, die Ölproduzenten seien „proaktiv und ihrer Zeit voraus“. Außerdem versuchten sie, die Ölpreise aus dem Griff der makroökonomischen Stimmung zu befreien, was offensichtlich heißen soll, dass sie der Aussicht auf eine rückläufige Weltwirtschaftsentwicklung zuvorkommen wollten.

Das Wall Street Journal  berichtete über Christyan Malek, Leiter der globalen Energiestrategie bei JPMorgan Chase, der ausführte: „In Anbetracht des Präventivcharakters der Opec-Entscheidungen gibt es zweifellos etwas, was die Opec über die Nachfrageentwicklung und die Lagerbestände weiß, das wir im Gesamtgleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erst noch entdecken müssen.“

Die Entscheidung wird die zunehmenden Irritationen zwischen den USA und ihrem langjährigen Verbündeten Saudi-Arabien noch weiter schüren.

Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA reagierte auf die Entscheidung mit den Worten: „Wir halten Kürzungen zu diesem Zeitpunkt und angesichts der Marktunsicherheit für unangemessen – und das haben wir auch unmissverständlich klargemacht.“

Bereits am vergangenen Donnerstag hatte die US-Energieministerin Jennifer Granholm die Saudis mit einer Ankündigung überrascht. Sie erklärte, dass die Regierung Biden nicht vorhabe, die Ölreserven schnell wieder aufzufüllen. Die Reserven waren zur Bekämpfung des rapiden Anstiegs der Benzinpreise Mitte letzten Jahres aufgebraucht worden.

Bei einer Anhörung im Kongress sagte Granholm, dass es „Jahre“ brauche, um die strategischen Erdölreserven der USA wieder aufzufüllen. In den Augen der Saudis war dies ein Verstoß gegen die Zusicherung der Regierung, im Falle eines Preisrückgangs ihre Reserven wieder aufzufüllen.

Granholm betonte, dass die USA wieder zu ihren ursprünglichen Ölreserven zurückkehren wollten, fügte jedoch die Warnung hinzu, dass dies „ein paar Jahre dauern wird“, da es „mehr Zeit bedarf, das Öl wieder aufzufüllen, als es freizugeben“.

Die jüngste Drosselung knüpft an die Verknappung vom Oktober 2022 an, als die Opec-Gruppe ihre Produktion um rund zwei Millionen Barrel (ca. 320 Mio. Liter) pro Tag reduzierte.

Bereits im Juli hatte Biden eine Reise nach Saudi-Arabien unternommen, um für eine Produktionssteigerung zu werben, kehrte jedoch mit leeren Händen zurück. Doch dabei blieb es nicht, denn weniger als drei Monate später kündigten die Saudis gar eine Öl-Drosselung an! Das Weiße Haus tobte und beschuldigte die Opec+, sich auf die Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu schlagen, und warnte mit „Konsequenzen“ für Saudi-Arabien.

Der neuerliche Vorstoß von Saudi-Arabien ist ein Indiz für weitreichende wirtschaftliche und politische Veränderungen. Darauf wies auch Helima Croft hin, die Leiterin der Rohstoffstrategie bei RBC Capital Markets.

„Das ist rein nationale Politik, gänzlich im Interesse Saudi-Arabiens. Sie schließen neue Freundschaften, so wie wir es mit China erlebt haben“, sagte Croft und bezog sich dabei auf die kürzlich erfolgte Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zum Iran, die von Peking orchestriert wurde.

Saudi-Arabien sende den USA die klare Botschaft, dass „die Welt nicht länger unipolar“ sei.

„Wir werten diese sorgfältig getroffene Entscheidung daher als ein weiteres Signal dafür, dass die saudische Führung ihre Ölförder-Entscheidungen eindeutig im Interesse ihrer eigenen Wirtschaftspolitik trifft“, so die Expertin.

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