Krieg und Klassenkrieg: Ampelkoalition wälzt Kriegskosten auf Arbeiter ab

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, wird die Arbeiterklasse die Kosten für ihre Teilnahme am Ukrainekrieg und das größte Aufrüstungsprogramm seit Hitler mit Massenarmut und dem Verlust hunderttausender Arbeitsplätze bezahlen.

PCK-Raffinerie in Schwedt (Foto: Ralf Roletschek/Roletschek.at)

Schon jetzt haben Jahrzehnte des Sozialabbaus, der Bereicherung der Finanzoligarchie sowie die explodierende Inflation und die menschenverachtende Pandemiepolitik zu einer beispiellosen sozialen Krise geführt.

Der Spiegel stellt in seiner jüngsten Ausgabe die bange Frage: „Geht Deutschland auf die Barrikaden?“ „Lebensmittel- und Spritpreise steigen, Heizen wird immer teurer, die soziale Krise spitzt sich zu,“ heißt es in dem Artikel. „Untere Einkommensschichten trifft es besonders hart.“ Neu sei, „dass die akute soziale Not zunehmend neue Bevölkerungsgruppen einholt. Nicht nur jene, die zur Tafel gehen. Mittlerweile wird es für Menschen eng, die bisher mit ihrem Geld irgendwie über die Runden kamen: Alleinerziehende, Alleinverdiener, Rentnerinnen, Studenten.“

Die Sanktionen, mit denen Deutschland und die EU versuchen, Russland wirtschaftlich zu ruinieren, verschärfen diese soziale Krise. Sie treffen nicht nur die Bevölkerung Russlands, sondern auch die Deutschlands und ganz Europas. Die Folgen der Sanktionen werden auf die Arbeiterklasse abgeladen, während Energie- und Rüstungskonzerne im Geld schwimmen und die Gefahr eines dritten Weltkriegs wächst.

Die EU-Kommission ist dabei, ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland fertig zu stellen, das einen vollständigen Importstopp für Rohöl und Ölprodukte aus Russland bis Ende des Jahres vorsieht. Lediglich für Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen längere Fristen gelten. Das Embargo wurde möglich, weil Deutschland grünes Licht dafür gab. Vor einem Jahr hatten die EU noch ein Viertel und Deutschland sogar 35 Prozent ihrer Ölimporte aus Russland bezogen.

Die wirtschaftlichen Folgen des Embargos sind verheerend. Ökonomen sind sich einig, dass es die Inflation, die jetzt schon bei 7,4 Prozent liegt, weiter anheizen wird. Bereits im März, als Diskussionen über ein mögliches Embargo den Ölpreis auf 140 Dollar pro Barrel trieben, warnte Gabriele Widmann, Rohstoffexpertin der Dekabank, im Interview mit RTL/ntv: „Es kann im Extremfall sein, dass wir bis zu drei Euro pro Liter Sprit zahlen müssen.“ Günstige Energie aus Russland sei jetzt Vergangenheit. Autofahrer müssten sich auf Dauer an Diesel- und Benzinpreise von mehr als zwei Euro pro Liter gewöhnen.

Der Preisanstieg betrifft aber nicht nur Benzin, Heizöl und andere Ölprodukte, die sich bereits horrend verteuert haben, was Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders hart trifft. Da Öl auch als Rohstoff in der Chemie-, Pharma- und anderen Industrien dient und der Energiepreis Transport- und Produktionskosten aller Branchen bestimmt, steigen auch dort die Preise. Insbesondere Lebensmittel verteuern sich aufgrund steigender Dünger- und Transportkosten. Energieintensiven Industrien wie Stahl und Glasproduktion droht der Zusammenbruch.

Besonders hart ist der Osten Deutschlands betroffen, dessen Ölversorgung – zurückgehend auf DDR-Zeiten – vollständig von Russland abhängig ist. So droht der PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder die vollständige Stilllegung. Dadurch würden in der strukturschwachen Region im Nordosten Brandenburgs unmittelbar 1200 Arbeitsplätze und indirekt tausende weitere vernichtet.

Die Raffinerie wurde 1960 in der DDR in Betrieb genommen und verarbeitete von 1963 bis heute Öl aus der 3000 Kilometer langen Pipeline Druschba (Freundschaft), die bis ins Uralgebiet führt. Sie ist technisch für die Verarbeitung russischen Öls eingerichtet. Die Umstellung auf andere Ölsorten, die per Schiff aus dem polnischen Hafen Szczecin transportiert werden müssten, wäre sehr kostspielig. Der Mehrheitseigner der Raffinerie, der russische Ölkonzern Rosneft, dürfte außerdem kaum Interesse daran haben, entsprechende Investitionen zu tätigen.

Auch die zweite ostdeutsche Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt) verarbeitete bisher Rohöl aus der Druschba-Pipeline. Jährlich waren dies in Schwedt und Leuna jeweils bis zu zwölf Millionen Tonnen. In der Leuna-Raffinerie, die sich im Besitz des französischen Energiekonzerns TotalEnergies befindet, gilt eine technische Umstellung allerdings als leichter.

Fallen beide Raffinerien aus, müssten sämtliche Ölprodukte aus dem Westen Deutschlands eingeführt werden, was die Preise stark verteuern und zahlreiche weitere Arbeitsplätze gefährden würde. Die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg warnt, wenn die Raffinerie in Schwedt keine Rohstoffe mehr zur Weiterverarbeitung liefere, würden der Straßenbau, die Chemische Industrie und die Kunststoffverarbeitung in Mitleidenschaft gezogen.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte, von Schwedt würden „Norddeutschland, der Flughafen BER und Regionen im westlichen Polen mit Diesel, Benzin und Kerosin versorgt. Ohne PCK wäre dort weitgehend Stillstand.“ Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warnte, ein plötzliches Ölembargo „hätte regional katastrophale Auswirkungen, die wir kurzfristig in keiner Weise abfedern können“.

Die Deutsche Welle berichtete von der Stimmung in der Stadt. „Von meinen Freunden, die in der Anlage arbeiten, weiß ich, dass sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben“, zitierte der Sender eine junge Frau.

„Die Schließung der Raffinerie wäre nicht nur eine schreckliche Nachricht für die Menschen, die dort arbeiten, sondern für die ganze Stadt“, sagte die Inhaberin eines kleinen Lebensmittelgeschäfts. „Wir sprechen hier von Tausenden von Mitarbeitern des Werks und verschiedener Zulieferer, und viele von ihnen sind meine Stammkunden. Wenn sie abwandern, um anderswo Arbeit zu finden, kann ich meinen Laden schließen.“

Die Bundesregierung hat zwar Hilfe versprochen, aber es steht völlig in den Sternen, wie dies geschehen soll. Schwedt ist vom Ölembargo unmittelbar betroffen, aber es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht auch andere, indirekt betroffene Unternehmen Massenentlassungen ankündigen.

So gab der Waschmittelfabrikant Henkel (Persil, Schwarzkopf, Schauma, Pattex, etc.) den Abbau von 2000 Stellen bekannt. Zur Begründung führte er den Anstieg der Rohstoffpreise um mehr als 20 Prozent und den Rückzug aus Russland an, wo der Konzern elf Produktionsstätten betrieben hatte.

Weit verheerender als das Ölembargo wäre ein Gasembargo gegen Russland, das Deutschland und die EU längerfristig ebenfalls anstreben. Es gilt auch als möglich, dass Russland auf das Ölembargo reagiert, indem es aus eigener Initiative den Gashahn zudreht.

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat errechnet, welche Folgen ein sofortiger russischer Gaslieferungsstopp hätte. Danach würde die Wirtschaft 2023 um 2 Prozent schrumpfen, die Wettschöpfung ginge um 200 Milliarden Euro zurück, was dem Abbau von 2,7 Millionen Arbeitsplätzen entspräche.

Das Ölembargo wird von der Bundesregierung und der EU damit begründet, dass man „Putins Kriegskasse“ nicht finanzieren dürfe. Doch das vertuscht die wirklichen Gründe.

Schon das offizielle Narrativ, die Nato verteidige in der Ukraine Freiheit und Demokratie gegen einen imperialistischen Aggressor, ist falsch und verlogen. In Wirklichkeit führt sie einen Stellvertreterkrieg, in dem die ukrainische Bevölkerung als Kanonenfutter dient.

Der russische Angriff auf die Ukraine ist reaktionär und muss zurückgewiesen werden. Aber er wurde durch die Nato systematisch provoziert – durch die völkerrechtswidrigen Kriege in Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien, mit denen die USA ihre Weltherrschaft sichern wollten, und durch das systematische Vorrücken des mächtigsten und aggressivsten Militärbündnisses der Welt in Richtung Russland.

Die Nato hat den Krieg nicht nur provoziert, sie unternimmt alles, um einen Waffenstillstand und Verhandlungsfrieden zu verhindern. Sie überschwemmt das Land mit Waffen und unterstützt die ukrainische Armee Ratgebern und Geheimdienstinformationen. Ihr Ziel ist die vollständige Niederlage Russlands und ein Regimewechsel in Moskau, um ungehinderten Zugang zur riesigen Landmasse und den wertvollen Rohstoffen des Landes zu erlangen. Geostrategisch dient der Krieg gegen Russland der Vorbereitung eines Kriegs gegen China, das die USA und die europäischen Großmächte als ihren wichtigsten ökonomischen und politischen Rivalen betrachten.

Ökonomisch sind die Folgen des Ölembargos für Russland eher gering. Obwohl bereits im April viele westliche Händler kein Öl mehr aus Russland kauften, verschiffte das Land mehr Öl als sonst. Vor allem Indien, das dringend darauf angewiesen ist, kaufte große Mengen. Dank dem hohen Weltmarktpreis konnte Russland sogar Rabatte gewähren, ohne Verluste zu machen. Die EU will zwar Tankern, die unter der Flagge eines EU-Mitglieds fahren, den Transport russischen Öls verbieten, aber das wird kaum Auswirkungen haben.

Der eigentliche Grund für das Ölembargo ist, dass Deutschland seine globalen Wirtschaftsbeziehungen entflechten und neu organisieren will, um – wie es der ehemalige Chefredakteur des Handelsblatts, Gabor Steingart, ausdrückte – einen Weltkrieg „führbar“ zu machen.

„Wer den Weltkrieg führbar machen will, der muss zuvor den Welthandel entflechten,“ betonte Steingart in seinem Pioneer-Briefing. „Ökonomische Unabhängigkeit ist wichtiger als weitere Milliarden für die Bundeswehr. Nicht nur die Soldaten und ihr Militärgerät müssen also zu einer Angriffsformation versammelt werden, sondern auch die ökonomischen Ressourcen.“

Seit den 1970er Jahren pflegten Deutschland und die Sowjetunion – und ab 1991 Russland – eine sogenannte privilegierte Partnerschaft, deren Kern die Energiebeziehungen bildeten. Bereits 2014 begann Deutschland damit zu brechen, als es – gemeinsam mit den USA – den rechten Putsch in Kiew unterstützte. Nun setzt es – wie 1914 und 1941 – wieder auf militärische Gewalt, um seine imperialistischen Interessen im Osten zu verfolgen.

Dazu muss die herrschende Klasse auch der Arbeiterklasse den Krieg erklären. Sie soll die Kosten und Lasten des Militarismus tragen, während sich Rüstungs- und Energiekonzerne und andere Profiteure am Krieg und den hohen Energiepreisen bereichern.

Shell verkündete am Donnerstag einen Rekordgewinn. Der Ölriese verdiente im ersten Quartal 2022 9,13 Milliarden Dollar, 43 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahrs. BP verzeichnete einen Quartalsgewinn von 6,2 Milliarden Dollar, ein Plus von 138 Prozent gegenüber den 2,6 Milliarden im Vorjahr. BP-Chef Bernard Looney bezeichnete den Energiemarkt als „Geldmaschine“. Auch Exxon Mobil, Chevron oder TotalEnergies meldeten Milliardengewinne. Ihre Aktien stiegen im vergangenen Jahr um durchschnittlich 58 Prozent.

Besser schnitt nur die Rüstungsindustrie ab. Die Aktie des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall verzeichnete seit Jahresbeginn ein Plus von 150 Prozent.

Es ist Zeit, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Die Kämpfe gegen Lohnraub, Sozialabbau und Krieg müsse zu einer mächtigen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse vereint werden, die für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft kämpft.

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