Finnland tritt der Nato bei

Kriegskurs der Sozialdemokraten ermöglichte Wahlsieg der Rechten in Finnland

Der formelle Nato-Beitritt Finnlands am Dienstag, der bei einer Zeremonie im Nato-Hauptquartier in Brüssel gefeiert wurde, bedeutet eine massive Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland. Nur zwei Tage vor dem raschen Beitritt des Landes zu dem aggressiven Militärbündnis war die rechte Nationale Sammlungspartei bei den Parlamentswahlen stärkste Kraft geworden und könnte möglicherweise eine Koalition mit der rechtsextremen Partei Die Finnen eingehen.

Dass der scheidende finnische Außenminister Pekka Haavisto die formelle Zusage seines Landes zum Eintritt in die Nato dem amerikanischen Außenminister Antony Blinken überreichte, verdeutlicht die führende Rolle des US-Imperialismus bei der Aufnahme Finnlands in das Militärbündnis. Die Grenze zwischen den Nato-Staaten und Russland hat sich durch den Beitritt mehr als verdoppelt. Finnlands 1.300 Kilometer lange Grenze zu Russland ist jetzt Teil der Front in dem Krieg, mit dem die imperialistischen Mächte versuchen, Russland auf den Status einer Halbkolonie herabzudrücken und seine Rohstoffe unter ihre Kontrolle zu bringen.

In seiner Rede bei der Zeremonie erklärte Präsident Sauli Niinistö: „Die Ära der militärischen Blockfreiheit in unserer Geschichte ist zu Ende. Eine neue Ära beginnt.“

Der finnische Präsident Sauli Niinistö bei einer Pressekonferenz, bevor am Rande eines Treffens der Nato-Außenminister im Hauptquartier in Brüssel am 4. April 2023 bei einer Zeremonie die Flaggen gehisst werden [AP Photo/Geert Vanden Wijngaert]

Es wäre zutreffender gewesen zu sagen, dass Finnland zu der Position zurückkehrt, die es in den Jahrzehnten unmittelbar nach der Unabhängigkeit, die ihm von den Bolschewiki kurz nach der Oktoberrevolution 1917 gewährt wurde, gegenüber den imperialistischen Großmächten einnahm. Im Bürgerkrieg war Finnland eine wichtige Operationsbasis für die konterrevolutionären Weißen, und während des Zweiten Weltkriegs verbündete es sich mit Hitler-Deutschland während dessen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Finnlands militärische Blockfreiheit war eine Forderung der Sowjetunion als Reaktion auf den Einmarsch finnischer Truppen an der Seite der Wehrmacht und ihrer Beteiligung an der Belagerung von Leningrad (heute St. Petersburg), das nur 250 Kilometer von der finnischen Grenze entfernt liegt. Die stalinistische Bürokratie befürchtete, der deutsche oder amerikanische Imperialismus könnten nach 1945 von Finnland aus Militäroperationen gegen die UdSSR führen.

Niinistö gab auch die unglaubwürdige Behauptung von sich: „Finnlands Mitgliedschaft richtet sich gegen niemanden und ändert auch nichts an den Grundlagen oder Zielen der finnischen Außen- und Sicherheitspolitik. Finnland ist ein stabiles und berechenbares nordeuropäisches Land, das friedliche Lösungen von Streitigkeiten anstrebt.“

In Wirklichkeit geht Finnlands Beitritt zur Nato mit einer massiven Aufrüstung in Nordeuropa und dem Baltikum einher. Im März hatten die USA provokativ einen atomwaffenfähigen B-52-Bomber in die Nähe der russischen Insel Gogland fliegen lassen, die nur 40 Kilometer von der finnischen Küste entfernt liegt. Nato-Truppen werden ihre Präsenz in der Region massiv ausweiten, und die USA streben ein bilaterales Verteidigungsabkommen an, das ihnen noch mehr Spielraum bei Militäroperationen auf finnischem Staatsgebiet verschaffen soll. Helsinki hat außerdem begonnen, einen Grenzzaun zu Russland zu bauen, und rechtfertigt dies mit der angeblichen Gefahr einer „hybriden Kriegsführung“ durch den Zustrom von Immigranten. Wenn auch der geforderte Nato-Beitritt Schwedens folgt, wird Russland in der strategisch wichtigen Ostsee vollständig von Feinden umgeben sein.

Der Nato-Beitritt Finnlands markierte den Höhepunkt des Kriegskurses der Regierung unter den finnischen Sozialdemokraten, die jetzt aus dem Amt scheiden. Obwohl die Sozialdemokraten unter der Führung von Ministerpräsidentin Sanna Marin drei Sitze im Parlament hinzugewannen und ihren Stimmenanteil geringfügig verbessern konnten, mussten ihre Koalitionspartner starke Einbrüche bei der Wählerunterstützung hinnehmen. Das galt besonders für den Grünen Bund, dessen Fraktion von 20 auf 13 Abgeordnete schrumpfte, und das ex-stalinistische Linksbündnis, dessen Vertretung von 16 auf 11 Sitze zurückging. Die ländliche Zentrumspartei, ein weiterer Koalitionspartner, verlor ebenfalls an Boden und ging von 31 auf 23 Sitze zurück.

Die größten Gewinner waren die konservative Nationale Sammlungspartei, die ihren Anteil um zehn Sitze auf 48 steigern konnte, und die rechtsextremen Finnen, die um sieben auf 46 Abgeordnete zulegten. Da in dem 200 Sitze zählenden Parlament eine Mehrheit von 101 Abgeordneten erforderlich ist, um regieren zu können, wird die Sammlungspartei die Unterstützung mehrerer Parteien brauchen, um eine neue Koalitionsregierung zu bilden. Möglich sind eine Koalition mit den Sozialdemokraten oder der Finnenpartei, wobei letzteres am wahrscheinlichsten erscheint. Allerdings haben bereits einige kleinere Parteien, darunter die Schwedische Volkspartei, den Eintritt in eine Regierung mit der extremen Rechten ausgeschlossen, die Beziehungen zu rechtsextremen und faschistischen Kräften in ganz Europa unterhält.

Doch unabhängig von ihrer Zusammensetzung wird die neue Regierung für Sparpolitik zu Lasten der Arbeiterklasse und Krieg stehen, da Finnland seinen Status als Frontstaat im Nato-Krieg gegen Russland festigt. Der Vorsitzende der Sammlungspartei und künftige Ministerpräsident, Petteri Orpo, ist entschlossen, in den nächsten vier Jahren seiner Amtszeit die öffentlichen Ausgaben um sechs Milliarden Euro zu kürzen. Orpo erklärt, die Einsparungen könnten durch „Verbesserungen“ im öffentlichen Sektor und Arbeitszwang für Arbeitslose erzielt werden.

Alle etablierten Parteien unterstützen uneingeschränkt Finnlands Einbindung in die Nato, ein Schritt, der das Land den räuberischen Interessen des amerikanischen und europäischen Imperialismus unterordnet. Zwar haben die Sozialdemokraten unter Marin die langjährige Unterstützung der Partei für die Nato-Mitgliedschaft intensiviert, doch die Finnenpartei steht nicht weniger begeistert dahinter. Im August 2022 veröffentlichte sie eine Grundsatzerklärung, in der sie sich für ein engeres Bündnis mit dem US-Imperialismus aussprach, um Russland und China in der Arktis entgegenzutreten. In der Erklärung bekannte sich die Partei außerdem ausdrücklich zur Nato-Mitgliedschaft.

Die Tatsache, dass das wahrscheinlichste Ergebnis der Verhandlungen eine Koalition mit der rechtsextremen Finnenpartei ist, spricht ein vernichtendes Urteil über die „progressive“ Politik der Sozialdemokraten und ihrer Verbündeten, dem Grünen Bund und der irreführend benannten Linken Allianz. Marin, die als eine der jüngsten Ministerpräsidentinnen der Welt bejubelt und als Symbol für Diversität dargestellt wird, weil sie bei lesbischen Eltern aufgewachsen ist, stand an der Spitze einer Regierung, die Angriffe auf die Arbeiterklasse durchgesetzt und Finnland bis an die Zähne bewaffnet sowie in die Nato gebracht hat.

Marin und die Sozialdemokraten haben den Wahlkampf genutzt, um ihre Unterstützung für den Nato-Krieg in der Ukraine zu unterstreichen. Während eines Besuchs in Kiew Anfang März deutete Marin an, Finnland erwäge, der Ukraine seine eigene Flotte von F/A-18 Hornet-Kampfflugzeugen zu liefern, die es durch mehr als 60 F-35-Kampfflugzeuge des US-Konzerns Lockheed Martin ersetzen will. Später machte sie einen Rückzieher, nachdem Regierungsvertreter Bedenken wegen der Auswirkungen auf Finnlands Verteidigungsfähigkeit geäußert hatten. Während ihres Aufenthalts in Kiew nahm Marin an der Seite des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der Beerdigung eines ukrainischen Kommandanten teil, der in Bachmut getötet worden war.

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Marins Kriegskurs wurde von den Grünen, die in ihrer Regierung den Außenminister stellten, und der Linken Allianz, der Nachfolgepartei der Kommunistischen Partei Finnlands, unterstützt. Die ehemaligen Stalinisten inszenierten sich als Gegner von Krieg und Nato. Im Juni 2019 erklärten sie sogar, sie würden der sozialdemokratisch geführten Koalition nur beitreten, wenn diese verspricht, in den nächsten vier Jahren nicht der Nato beizutreten. Nach dem von den USA provozierten russischen Einmarsch in die Ukraine gab die Linke Allianz diese Position schnell auf. Die Parteiführung stimmte mit überwältigender Mehrheit für den Verbleib in der Regierung, selbst wenn ein Antrag auf Nato-Mitgliedschaft gestellt würde.

Auch die Gewerkschaften haben maßgeblich dazu beigetragen, die Bedingungen für den Wahlsieg der rechten Parteien zu schaffen. Sie haben dafür gesorgt, dass die Wahlen ohne nennenswerte Kämpfe der Arbeiterklasse vonstatten gingen. In den letzten Monaten war es zu militanten Streiks in verschiedenen Berufsgruppen gegen die grassierende Inflation gekommen. Doch sie wurden allesamt im Rahmen von Tarifverhandlungen unterdrückt und voneinander getrennt gehalten. Am 20. März begann ein zweitägiger landesweiter Streik der Lokführer, der jedoch von der Eisenbahnergewerkschaft RAU ausverkauft wurde. Sie handelte einen neuen Vertrag aus, der in den nächsten zwei Jahren eine Lohnerhöhung von nur sechs Prozent vorsieht. Anfang März hatte die Gewerkschaft des öffentlichen Nahverkehrs AKT einen ursprünglich für zehn Tage geplanten Streik der Busfahrer nach drei Tagen beendet und eine lächerliche sechsprozentige Lohnerhöhung und einen Tarifvertrag bis Januar 2025 ausgehandelt.

Kurz zuvor war ein zweiwöchiger Streik der Hafenarbeiter mit einem Abkommen beendet worden, das Lohnerhöhungen von 6,3 Prozent über zwei Jahre und eine Einmalzahlung von 1.100 Euro für jeden Arbeiter vorsah. Anfang Februar wurde für Industriearbeiter ein zweijähriger Tarifvertrag ausgehandelt, der Lohnerhöhungen von insgesamt sieben Prozent sowie einen Bonus von 800 Euro vorsah. Durch dieses Abkommen wurden die für Mitte des Monats geplanten Streiks abgewendet.

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