Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof beschlossen

„Rettungsplan“ – so nennt sich das jüngste Projekt der Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof, des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns. Am 27. März hat die Gläubigerversammlung in Essen dem „Rettungsplan“ zugestimmt, der die Vernichtung von 47 der bundesweit noch 129 Filialen bis Ende Januar 2024 vorsieht. Viele Galeria-Kaufhäuser werden sogar schon Ende Juni 2023 geschlossen sein.

Karstadt-Filiale in Berlin-Steglitz

Rund 4000 Arbeitsplätze in den Filialen und etwa 300 in der Essener Zentrale werden laut dem Plan vernichtet, den der bisherige Vorstandschef Miguel Müllenbach zusammen mit Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz in Essen vorlegte. Kurz vor Ostern flatterten den Beschäftigten erste Kündigungen ins Haus. Viele von ihnen hatten ihr Leben lang in einer oder mehreren GKK-Filialen gearbeitet.

Hunderte weitere Stellen sind bei Firmen und Verteilzentren bedroht, die von GKK abhängig sind. Dazu gehört auch das große Warenverteilzentrum Fiege (vormals Karstadt, danach DHL) in Unna, östlich von Dortmund, das heute rund 1400 Beschäftigte zählt. Es rechnet mit einem Auftragsrückgang um 40 Prozent und wird sich voraussichtlich von einem Großteil seiner Belegschaft trennen.

Wer seinen Arbeitsplatz bei Galeria Karstadt Kaufhof behält, weil die Filiale weiter besteht, muss auf Dauer mit Lohnverzicht und einer noch größeren Arbeitslast als bisher rechnen. Dabei verzichten die GKK-Beschäftigten schon seit Jahren für den Konzern auf Lohnbestandteile. Ihre Gehälter liegen im Durchschnitt pro Jahr um 5500 Euro unter dem üblichen Branchentarifvertrag.

Gegen den Kahlschlag wächst der Protest, und in den letzten Tagen ist es zu Streiks in den Kaufhäusern und Kundgebungen in den Stadtzentren gekommen. Am Karsamstag streikten Beschäftigte in gut einem Dutzend Filialen in Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg, und am Mittwoch und Donnerstag nach Ostern legten erneut Verkäuferinnen und Verkäufer in über 20 Filialen in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz die Arbeit nieder. „Es tut weh, nach 38 Jahren die Arbeit zu verlieren“, sagte eine streikende Dekorateurin in Nürnberg. Auf selbstgemalten Pappschildern stand: „Danke für Nix“, oder einfach nur: „Wut“.

Zu den Streiks aufgerufen hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die jedoch überhaupt nicht gegen die Schließungen kämpft. Als offizielles Ziel der Warnstreiks nennt Verdi die seit Februar laufenden Verhandlungen über einen Entgelttarifvertrag – für diejenigen Beschäftigten, die bleiben können. In den offiziellen Verdi-Statements heißt es, die Gewerkschaft fordere „die Anerkennung der regionalen Flächentarifverträge des Einzelhandels sowie den Insolvenzschutz für Zeitgutschriften und Zahlungsansprüche“.

Das bedeutet nichts anderes, als dass Verdi die Insolvenz selbst mit allen Schließungen bereits akzeptiert hat und jetzt mit durchsetzt. Daran ändert auch die beschwörende Aussage des Verdi-Vorstandsmitglieds Steffi Nutzenberger nichts, dass „wir weiter um die von Schließung bedrohten Filialen kämpfen werden“.

Verdi vertritt nicht die Interessen der Arbeiter, sondern die des Kapitals. Die Gewerkschaft hat den Multimilliardär René Benko – wie alle seine Vorgänger an der Spitze des Konzerns – als Eigentümer begrüßt und arbeitet mit seiner Immobilienholding Signa zusammen. Verdi hat den Verkäuferinnen und Verkäufern mehrere sogenannte „Sanierungstarifverträge“ aufs Auge gedrückt, die die Beschäftigten mit dem Verlust von tausenden Arbeitsplätzen und immer neuem Lohnverzicht bezahlten, während die Funktionäre mit einträglichen Aufsichtsratsmandaten belohnt wurden.

Wie viel die ausgehandelten Verträge wert sind, das hat besonders der letzte „Sanierungstarifvertrag“ vom April 2020 anschaulich gezeigt, der eine Standortgarantie und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2024 enthielt, und der damals schon mit der Schließung von 40 Filialen und der Vernichtung von 4000 Vollzeitstellen „erkauft“ worden war. Im Oktober 2022 kündigte das Management diesen Vertrag einseitig und leitete im Zug einer weiteren Insolvenz die heutige Schließungsorgie ein.

Die Bundesregierung hatte da schon 680 Millionen Euro als „Corona-Hilfen“ (d.h. aus Steuergeldern) beigesteuert. Gleichzeitig hatte die Benko-eigene Signa Prime Selection AG Dividenden in Höhe von 201 Millionen Euro an ihre Aktionäre ausgeschüttet.

Ähnliche „Sanierungspläne“ wie 2020 haben die Gewerkschaftsbürokraten und Betriebsräte immer wieder mit ausgearbeitet, um die Beschäftigten zu täuschen und ihren Widerstand in Schach zu halten. Das ist auch jetzt ihre Rolle.

Es gibt nur einen Weg für Verkäuferinnen und Verkäufer, Lageristen, Fahrer, Sachbearbeiter in der Verwaltung und andere Galeria-Beschäftigte, ihre Arbeitsplätze und die beliebten Warenhäuser in den Innenstädten zu erhalten: Sie müssen dem Kartell aus Immobilienspekulanten und deren Lakaien in den Regierungsparteien und Gewerkschaftszentralen entgegentreten. Sie müssen eigene Aktionskomitees aufbauen, die von Verdi unabhängig handeln können. Und sie müssen sich auf der Grundlage eines sozialistischen Programms an die gesamte Arbeiterklasse wenden.

In Berlin wird dieses zerstörerische Kartell besonders deutlich sichtbar. Die bisherigen Senatsparteien SPD, Grüne und Linke, denen auch die Verdi-Gewerkschaftsführer nahestehen, haben der Signa Holding vor drei Jahren die Zusage für neue Bauvorhaben am Alexanderplatz, am Kurfürstendamm und am Hermannplatz erteilt. Im Gegenzug wurden wachsweiche Standortgarantien für vier Karstadt-Filialen abgegeben, die aber kaum das Papier wert sind, auf dem sie stehen.

Berlin-Charlottenburg und Berlin-Müllerstraße werden im Januar 2024 geschlossen, und auch die anderen Standorte haben keine langfristige Sicherheit, ganz zu schweigen von den Arbeitsplätzen und Errungenschaften der Beschäftigten. Die Unterschriften unter dem „Letter of Intent“ von 2020 stammen vom damals regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), der damaligen Bürgermeisterin Ramona Pop (Die Grünen) und dem damaligen Kultursenator Dr. Klaus Lederer (Die Linke).

Loading