Stoltenberg ruft die Ukraine angesichts der Eskalation des Konflikts mit Russland zum Nato-Beitritt auf

Am Freitag trafen sich Vertreter der USA und der Nato auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland, um im Vorfeld der geplanten ukrainischen Frühjahrsoffensive neue Waffenlieferungen an die Ukraine zu koordinieren. Nur einen Tag zuvor hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Besuch in Kiew erklärt, die Ukraine solle der Nato beitreten.

Diese provokativen Aktionen deuten alle auf die zunehmende Gefahr einer Eskalation hin, im Zuge derer die führenden imperialistischen Nato-Mächte in den Krieg eingreifen und direkt gegen Russland kämpfen würden. Tatsächlich könnte sich die Ukraine, wenn sie heute in die Nato aufgenommen würde, auf Artikel 5 des Bündnisvertrags berufen und verlangen, dass alle Nato-Mitgliedsstaaten Russland den Krieg erklären. Die von der Nato beschlossenen Sofortmaßnahmen – die Einrichtung von Nachschublinien zur Lieferung von Kampfpanzern und anderen schweren Waffen an die Ukraine – erhöhen ebenfalls das Risiko eines Zusammenstoßes zwischen russischen und Nato-Truppen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Pressekonferenz vor dem Treffen der „Ukraine Defense Contact Group“ auf dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Ramstein am Freitag, den 21. April 2023

Stoltenberg erklärte am Donnerstag in Kiew: „Die Zukunft der Ukraine liegt in der Nato, darin sind sich alle Verbündeten einig.“ Er fügte hinzu, die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine werde im Juli beim Nato-Gipfeltreffen im litauischen Vilnius „ganz oben auf der Tagesordnung“ stehen. Die Nato habe bereits 150 Milliarden Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgegeben. „Die Verbündeten liefern jetzt weitere Kampfjets, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Die Nato steht heute, morgen und solange es nötig ist, an eurer Seite.“

Dmitri Peskow, Sprecher der russischen Regierung, erklärte daraufhin, ein Nato-Beitritt der Ukraine würde „eine ernsthafte und beträchtliche Gefahr für unser Land, für die Sicherheit unseres Landes“ darstellen.

Bei seiner Ankunft zum Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein versprach Stoltenberg am Freitag, er werde „sicherstellen, dass die Ukraine [den Krieg] gewinnt“. Er bestätigte, dass die Ukraine militärisch de facto Teil der Nato ist: „Ich erwarte auch, dass sich die Nato-Verbündeten auf ein mehrjähriges Programm einigen, um der Ukraine bei der Umstellung von Ausrüstung, Standards und Doktrinen der Sowjetzeit auf die Standards und Doktrinen der Nato zu helfen und die vollständige Interoperabilität der ukrainischen und der Nato-Truppen zu gewährleisten.“

Bezeichnenderweise deutete Stoltenberg an, die Nato sei nicht gerade zuversichtlich, dass die Frühjahrsoffensive der Ukraine den Krieg beenden wird, und plane einen größeren Konflikt: „Hoffentlich sind die Ukrainer in der Lage, große Fortschritte zu machen, und wir haben bald einen gerechten und anhaltenden Frieden. Aber niemand kann das mit Sicherheit sagen. Wir müssen also auf einen langwierigen Konflikt vorbereitet sein.“

Er machte deutlich, dass die ohnehin schon massiven Waffenlieferungen noch weiter ausgeweitet werden: „Es mag etwas langweiliger klingen, aber... wir befinden uns jetzt in einem Abnutzungskrieg, und ein Abnutzungskrieg läuft auf einen Krieg der Logistik hinaus.“

Stoltenberg erklärte, die Nato müsse „gewährleisten, dass die Ukraine die militärische Stärke, die Fähigkeiten und die Abschreckungsmittel hat, um neue Angriffe zu verhindern. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Krieg nicht im Februar letzten Jahres begann, sondern im Jahr 2014, als Russland rechtswidrig die Krim annektierte und erstmals in den östlichen Donbas vorrückte. Und dann, im Februar [2022], kam die große Invasion.“

Nach dem Treffen hielten US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Mark Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs, eine Pressekonferenz ab. Austin verurteilte „Russlands rücksichtslose und gesetzlose Invasion“ der Ukraine im Februar 2022 und erklärte: „In einigen kurzen Monaten hat die Kontaktgruppe mehr als 230 Panzer, mehr als 1.550 gepanzerte Fahrzeuge und anderes Kriegsgerät und Munition geliefert, um mehr als neun neue Panzerbrigaden zu unterstützen.“

Austin und Milley wurden später von Reportern der Nato wiederholt über den Zustand der ukrainischen Streitkräfte befragt und dazu, ob die geplante Frühjahrsoffensive beginnen könne. Milley erklärte, neben Panzern und Artilleriemunition für die Ukraine sei es „jetzt das Wichtigste, dafür zu sorgen, dass ihr Luftabwehrsystem robust, rigoros und tief ist... Das ist jetzt die wichtigste, entscheidende militärische Aufgabe. Das war heute den ganzen Tag das Thema: Luftabwehr, Luftabwehr, Luftabwehr, um sicherzustellen, dass die Ukraine ihren Luftraum verteidigen kann.“

Zu den amerikanischen Abrams-Panzern, an denen die ukrainischen Soldaten in zwei Wochen ausgebildet werden, erklärte er: „Sie werden sehr effektiv sein. Aber ich würde auch zur Vorsicht mahnen, im Krieg gibt es keine Wunderwaffe.“

Eine der größten technischen Schwierigkeiten bei der Lieferung von Nato-Panzern an die Ukraine ist die gewaltige Logistikkette für die Lieferung von Teilen und Ausrüstung, die erforderlich ist, damit die Abrams- oder Leopard-Panzer kampfbereit bleiben. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte am Freitag an, dass sich Deutschland, Polen und die Ukraine auf den Bau eines Reparaturzentrums in Polen geeinigt haben, in dem Leopard-Panzer für den Krieg in der Ukraine repariert werden sollen. Die Baukosten werden auf etwa 200 Millionen Euro geschätzt.

Vertreter der Nato und die Medien rechtfertigen die völlig skrupellose militärische Eskalation der Nato gegen Russland mit unablässigen Propagandalügen. Die Invasion der Ukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin im letzten Jahr basiert auf einer reaktionären russisch-nationalistischen Strategie, welche die Kämpfe in der Region enorm verschärft hat. Aber dieser Einmarsch war ebenso wenig eine plötzliche, unprovozierte Aggression wie die Annektierung der Krim 2014.

Der Krieg in der Ukraine ist das Ergebnis jahrzehntelanger imperialistischer Kriege und Intrigen, die durch die Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie 1991 möglich wurden. Diese hat nicht nur die jahrzehntelangen Nato-Kriege an den Süd- und Westgrenzen der ehemaligen UdSSR, in Jugoslawien, dem Nahen Osten und Zentralasien ermöglicht. Sie hat es den Vertretern der USA und der Nato auch erlaubt, für Milliarden von Euro rechtsextreme ukrainisch-nationalistische und antirussische Gruppen aufzubauen, die schließlich im Jahr 2014 mit Unterstützung der Nato in Kiew einen Putsch durchführten.

Im Vorfeld der Abstimmung über den Wiederanschluss der mehrheitlich russischsprachigen Krim an Russland hatte das neue Kiewer Regime, das mit Unterstützung der Nato errichtet worden war, rechtsextreme Milizen geschickt, um russischsprachige Gebiete im Süden und Osten der Ukraine anzugreifen. Die Gebiete Donezk und Lugansk im überwiegend russischsprachigen Donbas spalteten sich inmitten von Kämpfen zwischen lokalen Milizen und rechtsextremen ukrainischen Milizen wie dem neonazistischen Asow-Bataillon ab. Die Kämpfe in der Region hielten bis zum russischen Einmarsch im letzten Jahr an.

Jetzt investieren die Nato-Führer enorme Mittel in die geplante Frühjahrsoffensive zur Rückeroberung der von russischen Truppen gehaltenen Teile der Süd- und Ostukraine. Damit sollen vor allem die Lücken in den ukrainischen Streitkräften geschlossen werden, die durch die katastrophalen Verluste im Kampf gegen russische Truppen um die Stadt Bachmut entstanden sind. Schätzungen zufolge hat die Ukraine mittlerweile hunderttausende Soldaten verloren.

Ein Erfolg der Frühjahrsoffensive birgt zwar das enorme Risiko, zu einem direkten Zusammenstoß zwischen Russland und der Nato zu eskalieren, allerdings deutet vieles darauf hin, dass sie zu einem Debakel für die Ukraine führen könnte. Die einzige Möglichkeit, einen völligen Zusammenbruch der Ukraine zu verhindern, bestünde dann darin, dass die Nato-Mächte direkt in den Konflikt gegen Russland eingreifen.

Vor zwei Wochen wurden geleakte Dokumente des US-Militärs veröffentlicht, laut denen sich die Ukraine in einer deutlich schlechteren Position befindet als die US-Presse zugegeben hat. Viele Berichte deuten daraufhin, dass den ukrainischen Truppen eine blutige Niederlage bevorstehen könnte.

Die spanische Tageszeitung El Pais – die den regierenden Sozialdemokraten nahesteht, die sich aggressiv am Nato-Krieg beteiligt und das neonazistische Asow-Bataillon bewaffnet haben – gab zu, dass die russischen Streitkräfte den ukrainischen Truppen bei der schweren Artillerie um das Zehnfache überlegen sind. Während die Ukraine noch hunderte Nato-Panzer erhalten soll, hat Russland trotz der bisherigen Verluste vermutlich immer noch mehrere tausend einsatzbereite Panzer und fast 10.000 weitere in Reserve.

Der Bericht fügt hinzu, die ukrainischen Streitkräfte, die aus vielen neu rekrutierten Soldaten mit einer nur kurzen Ausbildung an komplexen Waffensystemen bestehen, würden in die größten Verteidigungsstellungen vorrücken, die in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden.

Sie schrieb: „Etwas Derartiges hat es in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben: ... 800 Kilometer Schützengräben, Panzergräben, Drachenzähne (verstärkte Betonsperren zur Abwehr gepanzerter Fahrzeuge), MG-Nester und Bunker aus Beton bilden heute eine Verteidigungslinie, die das von Russland besetze Gebiet der Ukraine schützt. Seit letztem Sommer haben die Invasionstruppen einen massiven Verteidigungswall aufgebaut, um die erwartete ukrainische Gegenoffensive abzuwehren.“

Die Reaktion der Nato-Mächte auf die Befürchtungen, die Ukraine könnte ein Debakel erleben, besteht in Drohungen mit einer Eskalation. Polnische Regierungsvertreter haben mehrfach erklärt, sie seien zum Eintritt in den Konflikt bereit. Der polnische Botschafter in Frankreich, Jan Emeryk Rościszewski, erklärte gegenüber dem Fernsehsender LCI: „Wenn die Ukraine ihre Unabhängigkeit nicht verteidigt, haben wir keine andere Wahl, wir werden gezwungen sein, in den Konflikt einzutreten.“

Diese Entwicklungen verdeutlichen die unmittelbare Gefahr, dass in Europa ein dritter Weltkrieg ausbrechen könnte, und die dringende Notwendigkeit, die Arbeiterklasse und Jugend in einer Bewegung gegen den imperialistischen Krieg zu mobilisieren.

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